Protocol of the Session on November 9, 2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr verehrte Gäste! Bevor wir heute, am 9. November, in die Ta gesordnung der Plenarsitzung einsteigen, möchte ich diesen besonderen Tag der deutschen Geschichte würdigen.

Der 9. November gilt in der deutschen Geschichte zu Recht als Schicksalstag und steht ebenso für schreckliche Ereignisse, Gewalt und Tod wie für historische Wendepunkte von Hoff nung, Demokratie und Freiheit.

Am 9. November 1938 brannten in Deutschland die Synago gen. Jüdische Geschäfte wurden zerstört. Hunderte Juden wur den ermordet. Mit den Novemberpogromen der Nationalsozia listen begann die offene Verfolgung der Juden, die im Holo caust endete. An diesem 9. November 1938, der unter dem Na men „Reichspogromnacht“ in die deutsche Geschichte einging, zeigte der deutsche Faschismus schon früh sein wahres Ge sicht.

Diesen Tag dürfen wir in Deutschland nie vergessen. Und wir dürfen die Menschen nicht vergessen, die in den Novemberta gen 1938 durch die nationalsozialistischen Verbrechen ihr Le ben lassen mussten.

Neben dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar halten wir am 9. November mit der Erinnerung an die Opfer des Nationalso zialismus die Forderung wach, mit aller Entschiedenheit dafür zu sorgen, dass so etwas in Deutschland nie wieder passiert,

(Allgemeiner Beifall)

dass in Deutschland Menschenverachtung, Völkermord und Diktatur für immer geächtet sind.

In scharfem Kontrast zu diesem schrecklichen 9. November 1938 steht der 9. November 1918 als Tag der Hoffnung auf Freiheit und Demokratie. An diesem Tag verkündete Reichs kanzler Max von Baden die Abdankung Wilhelms II. und ver traute Friedrich Ebert die Amtsgeschäfte an.

Am gleichen Tag rief Philipp Scheidemann vom Reichstagsge bäude die Deutsche Republik aus. Nur einige Stunden später verkündete Karl Liebknecht vom Berliner Stadtschloss die „freie sozialistische Republik Deutschland“. Als Geburtsstun de der Weimarer Republik gilt dieser Tag zugleich als Geburts tag der Demokratie in Deutschland.

Fünf Jahre später warf der Nationalsozialismus seine Schatten voraus: Mit dem Hitler-Ludendorff-Putsch am 9. November 1923 und dem blutigen Marsch auf die Münchner Feldherren halle hatten die Nationalsozialisten zum ersten Mal nach der Macht gegriffen.

Einen entscheidenden Wendepunkt in der deutschen Geschich te haben wir am 9. November 1989 erlebt. Mit dem Fall der Mauer begann am 9. November 1989 der Aufbruch zu einem wiedervereinigten Deutschland in einem geeinten Europa. In der Friedlichen Revolution waren die Bürgerinnen und Bürger

für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen und brachten die Macht der SED-Diktatur zum Zusammenbruch. Am Abend des 9. November verkündete SED-Pressesprecher und Politbüromitglied Günter Schabowski auf einer Pressekon ferenz überraschend die sofortige Öffnung der Mauer. Bis Mit ternacht waren alle Berliner Grenzübergänge geöffnet; der Weg zur deutschen Wiedervereinigung war frei.

Der 9. November hat sich tief ins Gedächtnis des deutschen Volkes eingeschrieben. Alle vier Ereignisse - 1918, 1923, 1938 und 1989 - rufen uns die Geschichte der zwei Diktaturen in Deutschland und den Wert der Demokratie ins Bewusstsein.

(Allgemeiner Beifall)

Wie kein anderer Tag erinnert uns der 9. November daran, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern jeden Tag er kämpft, neu erobert werden muss.

Mehr noch: Der Schicksalstag 9. November erinnert uns daran, wie entscheidend das Wissen um die eigene Geschichte ist, wenn es darum geht, Zukunft zu gestalten. Deshalb sind wir alle gefordert, die Erinnerung an diesen schrecklichen wie hoffnungsvollen Tag und die Ereignisse dieses Tages wachzu halten. - Ich danke Ihnen.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie nun sehr herzlich zur 35. Sitzung des Landtages Brandenburg. Ganz besonders begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Einstein-Gymnasi ums Potsdam auf der Besuchertribüne - herzlich willkommen bei uns im Plenarsaal!

(Allgemeiner Beifall)

Gemäß § 20 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung informiere ich Sie darüber, dass der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport in seiner Sitzung am 13. Oktober Herrn Abgeordneten Königer zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt hat.

(Beifall AfD)

Die Neuwahl war erforderlich, weil Frau Bessin den stellver tretenden Ausschussvorsitz niedergelegt hatte.

Des Weiteren informiere ich Sie darüber, dass sich der Antrag „Erlöse aus der Digitalen Dividende II vollständig in Breit bandausbau investieren“, Drucksache 6/1903, im Ergebnis der Ausschussberatungen erledigt hat.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Gibt es von Ihrer Sei te Bemerkungen zur Tagesordnung? - Von meiner Seite wäre noch zu sagen, dass der Herr Abgeordnete Vida mitgeteilt hat, dass Tagesordnungspunkt 15 der heutigen Sitzung auf die Sitzung im Dezember verlegt wird.

Wenn es keine weiteren Anträge oder Bemerkungen Ihrerseits gibt, lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer ihr fol gen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstim men? - Enthaltungen? - Damit ist diese Tagesordnung einstim mig beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Auf den Anfang kommt es an - Bildungschancen unse rer Kinder weiter verbessern

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 6/5347

Wir beginnen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordne ten Bischoff für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist jetzt kurz nach 10 Uhr morgens, und etwa 90 000 Kinder im Land Brandenburg besuchen derzeit eine Kita. In vielen Ein richtungen steht gerade „freies Spielen“ oder „Aufenthalt im Freien“ auf dem Programm. Das ist kindgerecht und unbeküm mert. Kindgerecht und unbekümmert ist es auch deshalb, weil die Kinder das heutige Weltgeschehen nicht berührt, und das ist gut für sie.

Die Kinder in unseren Kitas lernen das Sprechen, das Singen und auch das Zähneputzen. Sie schließen die ersten Freund schaften ihres Lebens und möglicherweise legen sie heute den ganzen Tag ein Lieblingskuscheltier nicht aus der Hand. Kurz um, meine Damen und Herren, sie entdecken die Welt von heu te.

Dabei sind etwa 18 000 ausgebildete Erzieherinnen und Erzie her immer an ihrer Seite. Sie begleiten die Kinder durch den ganzen Tag und haben ein sehr feines Gespür dafür, wie die Kinder, wenn sie spielerisch den Tag verbringen, dabei auch vieles erlernen.

Wir sind uns hier im Plenum, glaube ich, alle einig: Kitas sind keine Aufbewahrungsorte, Kitas sind Bildungsstätten. Dort werden für unsere Kinder die Grundsteine gelegt, dort ent scheidet sich, ob ein guter Übergang in die Grundschule ge lingt.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Weil wir das wissen, weil wir davon fest überzeugt sind, haben wir die Ausgaben der Koalition seit 2009 nahezu vervierfacht, meine Damen und Herren. Insgesamt liegen die Ausgaben für die brandenburgischen Kitas im Jahr 2018 bei knapp 400 Millionen Euro. Damit verbessern wir nicht nur den Betreuungs schlüssel, um den Erzieherinnen mehr Zeit für Bildung zu ge ben, und zwar für jedes einzelne Kind, wir geben den Kindern auch bessere Startchancen. Das hängt natürlich auch am Be treuungsschlüssel. Es gibt noch viel zu tun, und ich will nicht verschweigen: Wir können nicht alles auf einmal schaffen, auch nicht in unseren Kitas.

Wir als Koalition haben diskutiert: Wie sollen unsere Kitas in den nächsten zehn Jahren aussehen? Wie wird es mit der Ent wicklung der brandenburgischen Kitas weitergehen? Was ge nau sind die Schwerpunkte der frühkindlichen Bildung, damit

der Start in die Grundschule und der Gang in die weiterführen de Schule und vielleicht zur guten Ausbildung oder zum Studi um funktionieren? Wie also können wir unsere Kinder in Bran denburg besser fördern, meine Damen und Herren?

Dabei stand für uns außer Frage, dass wir weiterhin stetig die Qualität verbessern, das heißt zunächst einmal, in das Personal zu investieren: den Personalschlüssel zu verbessern und die Betreuungszahl zu senken. Seit 2010 haben wir stufenweise mehr Kitaerzieherinnen und -erzieher finanziert. Wir haben den Personalschlüssel verändert, also die Zahl der zu betreuen den Kinder. Ich will kurz in Erinnerung rufen: Bei den Kindern zwischen 0 und 3 Jahren ist der Betreuungsschlüssel für eine Erzieherin von 7 auf 5 Kinder gesenkt worden. Für Kinder zwischen dem dritten und dem sechsten Lebensjahr ist der Schlüssel für eine Erzieherin von 13 auf 11 Kinder gesenkt worden. Das sind mehr als 2 500 Erzieherinnen und Erzieher, meine Damen und Herren, die sich zusätzlich intensiv um die Erziehung unserer Kleinsten in Brandenburg kümmern.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Ich finde, das ist eine gute Leistung für das Land Brandenburg, das im Vergleich zu westdeutschen Bundesländern eine hohe Anzahl Kinder betreut.

Qualität bedeutet aber noch viel mehr. Man muss Zeit haben. Die Erzieherinnen brauchen konkret mehr Zeit für Bildung. Sie müssen herausfinden, welche Förderbedarfe die Kinder haben, und zwar, indem sie die Kinder beobachten. Solche Verbesse rungen können wir - ich sagte es schon - nur schrittweise stem men.

In diesem Fall haben wir aber Glück; denn wir erhalten zusätz lich Geld vom Bund - aus dem sogenannten Betreuungsgeld. Meine Damen und Herren, ich mache keinen Hehl daraus, dass wir hier im Parlament, dass die Mitglieder in meiner Fraktion grundsätzlich nicht einverstanden waren, dass Eltern Geld be kommen sollen, wenn sie ihre Kinder zu Hause behalten. Wir waren immer gegen diese „Herdprämie“, und es ist gut, dass sie vor Gericht gekippt worden ist.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Wir wollten von Anfang an keinem veralteten Familienbild Vorschub leisten, bei dem eine Mutter grundsätzlich am Herd zu stehen hat und nicht zur Arbeit gehen kann. Wir haben des halb gesagt: Die veranschlagten Mittel, die der Bund jetzt in unsere Kassen spült, gehören in die frühkindliche Bildung. Ge nau dort wollen wir sie investieren. Wir halten unser Verspre chen nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts.

Wir werden also dafür sorgen, dass die zur Verfügung stehen den Gelder in Höhe von knapp 60 Millionen Euro vollständig - ich sage: vollständig - in die Brandenburger Kitas fließen. So werden wir das Programm KitaPlus auflegen. Wir haben schon angefangen, darüber zu diskutieren; es wird Haushaltsanträge dazu geben.

Wir wollen also beschreiben, wie wir unsere Kitas in den nächsten zehn Jahren ausstatten: Wir wollen erstens ein Inves titionsprogramm auflegen und im anstehenden Doppelhaushalt bis Ende 2019 zunächst 20 Millionen Euro für die Sanierung und für Investitionen in Kitas zur Verfügung stellen. Das kön

nen dörfliche Kitas sein oder neu zu errichtende in Bereichen, wo dies erforderlich ist.

Zweitens: Unsere Kitas brauchen mehr Zeit für Bildung. Dafür steht den Kitaleitungen im Moment viel zu wenig Zeit zur Ver fügung. Wir wollen den Kitaleitungen mehr Zeit erstens für Weiterbildung, zweitens für die Entwicklung von Bildungs konzepten, drittens für die Erstellung von Dienstplänen einräu men, und sie müssen auch Elterngespräche führen können. Da mit der Kitaleitung mehr Zeit zur Verfügung steht, werden wir ab 2017 jährlich aufsteigend 8 Millionen Euro zur Verfügung stellen.