Protocol of the Session on September 28, 2016

Dazu liegen mehrere Änderungsanträge sowie ein Entschlie ßungsantrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 6/5171 vor.

Die Aussprache wird für die SPD-Fraktion vom Abgeordneten Barthel eröffnet. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Werte Gäste! Mit Ihrer Zustimmung zum vorliegenden Gesetz in der Version des Beschlusses des Wirtschafts- und Finanzausschusses können heute zwei grundsätzliche Zusagen an Unternehmen und Beschäftigte eingelöst werden. Erstens erfolgt mit der Zustimmung zum Gesetz eine Anpassung an gültiges EU- und Bundesrecht, bei gleichzeitiger Verschlan kung und Vereinfachung des Verfahrens.

Der letztgenannte Punkt hat bei den Beratungen im Ausschuss und bei der Anhörung eine zentrale Rolle gespielt. Das hat un ter anderem dazu geführt, dass die Regierungsfraktionen im Ausschuss für Wirtschaft und Energie einen Änderungsantrag eingebracht haben, in dem neben Glättungen rechtlicher Fra gen insbesondere die ersatzlose Streichung von § 4 des Regie rungsentwurfs vorgeschlagen wird. Die dort vorgesehene An wendung von Regelungen aus dem Oberschwellenbereich auf den Unterschwellenbereich wird in naher Zukunft durch eine Bundesverordnung geregelt. Natürlich sind wir uns im Klaren darüber, dass im Gesetz nicht alle Wünsche der Betroffenen, insbesondere der Tarifparteien, erfüllt wurden.

Zweitens hebt das Gesetz den brandenburgischen Mindestlohn auf 9 Euro pro Stunde und stellt klar, dass das Mindestentgelt dem regelmäßig gezahlten Grundentgelt für eine Zeitstunde ohne Sonderzahlungen, Zulagen oder Zuschüsse entsprechen muss. Wir hatten dazu eine gerichtliche Entscheidung, die der Bundesregierung das ins Stammbuch geschrieben hat.

Dass die CDU-Kollegen prinzipiell gegen den Gesetzentwurf stimmen, ist sicher ihrem Selbstverständnis geschuldet. Beson ders bemerkenswert ist aber die Gegenstimme der AfD, die sich hier im Parlament so gern als Stimme sozial Benachteiligter in szeniert. Als Sozialdemokrat sage ich: Die 20 Euro, die eine Ar beitnehmerin oder ein Arbeitnehmer bei 9 Euro Mindestlohn am Ende des Monats mehr im Portemonnaie hat, sind viel Geld.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das ist beispielsweise, um nur einmal den Vergleich zu nen nen, zehnmal mehr als die zwei Euro Kindergelderhöhung, die der Bundesfinanzminister zugelassen hat.

(Beifall SPD)

Auch angesichts einer außerordentlich guten wirtschaftlichen Entwicklung in Brandenburg und einer Wachstumsrate von 2,9 % haben wir als Land eine besondere moralische Verpflich tung, bei der Verwendung von Steuermitteln darauf zu achten, dass fair und auskömmlich entlohnt wird.

Zum Abschluss meiner Ausführungen noch eine Episode zum Thema Mindestlohn. Nach der letzten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie hat mich eine E-Mail der Rechtsab teilung des Bundesinnungsverbandes des GebäudereinigerHandwerks erreicht. Hintergrund waren meine Anmerkungen im AWE zur Entlohnung in ausgewählten Bereichen. In der E-Mail wurde nicht ohne Stolz mitgeteilt, dass für die Branche ab 01.01.2017 in Ostdeutschland ein Mindestlohn von 9,05 Eu ro gilt.

Warum sage ich das hier? Lohndumping wird offenbar von Unternehmen zunehmend als wettbewerbs- und rufschädigend gesehen - und das ist gut so!

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie der Abgeordneten Non nemacher [B90/GRÜNE])

Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf in der vom Aus schuss für Wirtschaft und Energie beschlossenen Fassung. Dann kann das Gesetz - wir sind zeitlich ein bisschen hinterher, das will ich an dieser Stelle sagen; die Mindestlohnkommissi on hat ihren Beschluss bereits im Januar gefasst - am 01.10. in Kraft treten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lie be Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird eben nicht immer gut.

(Domres [DIE LINKE]: Schade eigentlich!)

In den letzten Jahren gab es mehrere gesetzliche Neuerungen, die die öffentlichen Vergaben betreffen: drei neue EU-Richt linien, eine umfassende Reform des Vergaberechts auf Bundes ebene und das Bundesmindestlohngesetz. Viele Bundesländer harmonisieren und modernisieren deshalb ihr Vergaberecht. Dadurch schaffen sie klare Regeln, vereinfachen die Verfahren und bauen definitiv Bürokratie ab. Hessen, Hamburg und Nie dersachsen haben dies bereits getan, und mehrere weitere Län der werden folgen.

Die Regierungskoalition hat einen Änderungsantrag einge bracht, mit dem sie § 4 im Vergabegesetz streichen will. Die Begründung dafür lautet, meine Damen und Herren, man wolle sich an der bundeseinheitlichen Regelung orientieren. Weiter heißt es:

„Für Wirtschaftsteilnehmer sind die unterschiedlichen landesspezifischen Regelungen in den Vergabeverfahren hinderlich.“

Gute Erkenntnis. So ist es, meine Damen und Herren, Herr Kollege Barthel.

Aber wie ist die Wirklichkeit? Sie beharren stur auf einem lan desspezifischen brandenburgischen Mindestlohn, obwohl völlig klar ist, dass das für die Unternehmer und die Kommunen zu einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Bürokratie führt und ab dem 1. Januar 2017 der Unterschied zum bundeseinheit lichen Mindestlohn nur noch 16 Cent pro Stunde betragen wird.

Sie wissen auch, dass die Kontrolle des Vergabemindestlohnes durch die Kommunen aufgrund der aufwendigen Bürokratie kaum möglich ist. Es wird daher zu Recht vermutet, dass die 16 Cent mehr pro Stunde nicht bei den Arbeitnehmern ankommen.

Um das zu veranschaulichen, meine Damen und Herren von der Koalition, will ich einmal schildern, wie es in einem Unter nehmen, zum Beispiel in einer brandenburgischen Wäscherei, bei der Anwendung des Brandenburgischen Vergabegesetzes wirklich aussieht. Und um zu zeigen, wie es diesem Unterneh men ergeht, werde ich dazu gleich aus dem Merkblatt „Anwen dung des Brandenburgischen Vergabegesetzes bei den ver mischten Leistungen und bei Bezahlung nach Akkordlohn“ zitieren. Ich vermute, das kommt aus dem Wirtschaftsministe rium. Ich erspare es Ihnen, meine Damen und Herren, alle fünf Seiten dieser sprachlichen Meisterleistung vorzutragen.

Worum geht es? Stellen Sie sich eine private brandenburgische Wäscherei vor. Vor der Wäscherin, Frau Meier, türmt sich ein Wäscheberg, den sie während ihrer Schicht waschen soll. 40 % der Bettwäsche kommen aus einem öffentlichen Krankenhaus, die restlichen 60 % der Bettwäsche aus dem Gasthof und Hotel „Zum Adler“. Die Wäsche wandert naturgemäß gemeinsam in eine Wäschetrommel. Jetzt frage ich Sie: Wie soll der Arbeit geber von Frau Meier, der Wäschereibesitzer, die Arbeitsleis tung seiner Mitarbeiterin gegenüber dem öffentlichen Auftrag geber abrechnen, wenn er gesetzestreu sein möchte?

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Am besten, sie zahlen alle gleich viel!)

Und so, Frau Mächtig, soll es funktionieren - ich zitiere aus dem oben genannten Merkblättchen, Nummer I, Ziffer 3 -:

„Die für den öffentlichen Auftraggeber erbrachten Leis tungsteile lassen sich nicht eindeutig, sondern nur anteilig am Gesamtumsatz des Auftragnehmers identifizieren. In diesem Fall bestimmt sich das Entgelt nach dem Verhält nis der im jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum nach dem Brandenburgischen Vergabegesetz bearbeiteten Leistungsteile zu den für einen privaten Auftraggeber bzw. für private Auftraggeber erbrachten Leistungsteilen. In einem ersten Schritt ist demnach der Anteil festzustel len, den der Umsatz mit dem öffentlichen Auftraggeber am Gesamtumsatz voraussichtlich ausmachen wird. Ein Bezugszeitraum ist hier bewusst nicht vorgegeben. Erfor derlich ist die Angabe eines solchen Zeitraums, die es dem Auftraggeber ermöglicht, eine Prognose über die Einhaltung der Verpflichtungen nach dem Vergabegesetz zu treffen. In der Regel ist das der Zeitraum der Leis tungserbringung. Bei längerfristigen Aufträgen ist ein ausreichend langer Zeitraum anzugeben. In einem zwei ten Schritt ist festzustellen, in welcher Höhe sich das Ar beitsentgelt erhöhen müsste.“

Und dann wundern Sie sich, meine Damen und Herren, dass in Brandenburg kaum noch ein Unternehmer Lust hat, sich an öf fentlichen Aufträgen zu beteiligen,

(Beifall CDU)

und die brandenburgischen Unternehmen zum Beispiel ihre Wäsche in Lohnarbeit in Polen waschen lassen?

Ich sage Ihnen Folgendes, meine Damen und Herren - ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht -: unnötig, kompliziert und teuer - das ist die Linie von SPD und der Linken.

Mit unseren Änderungsanträgen bieten wir Ihnen dazu eine vernünftige Alternative. Statt aus ideologischen Gründen ein Bürokratiemonster in die Welt zu setzen, wollen wir die Quali tät und den Wettbewerb stärken, Bürokratie abbauen und den Mittelstand fördern. Das schafft Arbeitsplätze und sichert den Wohlstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als die ses verkorkste Gesetz. Deshalb bitte ich um Unterstützung unserer Anträge. Brandenburg braucht kein weiteres Schau fenstergesetz. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU sowie vereinzelt BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abge ordnete Loehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Liebe Gäste! Die öffentlichen Institutionen haben nur eine sehr überschaubare Anzahl an Werkzeugen, die die Verhältnis se am Arbeitsmarkt in irgendeiner Form beeinflussen, und die Vergabegesetze gehören dazu. Daher sollten wir sie auch nut zen. - Dieser sinngemäßen Äußerung von Christian Hoßbach möchte ich mich vollumfänglich anschließen.

Auf die Frage, ob das Brandenburgische Vergabegesetz volks wirtschaftlich sinnvoll sei, antwortete Herr Dr. Krüger, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cott bus, schlicht und ergreifend: Ja, es ist volkswirtschaftlich sinn voll.

Mit diesen beiden Auszügen aus Stellungnahmen, die wir in unserer Anhörung am 6. Juli gehört haben, will ich nur deutlich machen: Die Welt ist möglicherweise nicht so schwarz, wie Herr Homeyer sie gerade gemalt hat.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD und B90/ GRÜNE)

Allerdings, lieber Kollege, Ihre Kritik - und das wird Sie jetzt überraschen - an den 9 Euro Mindestentgelt pro Stunde teile ich. Denn die Forderung des DGB, den Landesvergabemin destlohn etwas höher anzusetzen, damit der Abstand zum allgemein gesetzlichen Mindestlohn spürbarer ist, geht aus meiner Sicht in die richtige Richtung. Aber vor allem, meine sehr verehrten Damen und Herren - das wissen Sie alle hier im Raum -, sind mehr als 11 Euro pro Stunde Nettolohn notwen dig, um später irgendwelche Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu haben. Ansonsten landet man nämlich in der Grundsicherung.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Redmann [CDU])

Dann zur Erinnerung: Die Entscheidung der Mindestlohnkom mission stammt aus dem Juni 2015, lieber Kollege Barthel. Wir hinken zeitlich also sehr weit hinterher.

So wäre es gut gewesen, wenn wir als Regierungsfraktionen vielleicht einen Tick mutiger gewesen wären, aber die 9 Euro

sind aus meiner Sicht ein weiterer Schritt in die richtige Rich tung.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Was machen die anderen Bundesländer? Herr Homeyer ist dar auf eingegangen. Es ist mitnichten so, dass alle auf den Lan desvergabemindestlohn verzichten. Rheinland-Pfalz hat ihn beispielsweise weiterhin, und Schleswig-Holstein hat einen Vergabemindestlohn in Höhe von 9,18 Euro.

Wir haben den Gesetzentwurf entschlackt; § 4 wurde vollstän dig gestrichen - Herr Barthel ist auf die Hintergründe einge gangen. Und die Regierungskoalition sorgt für Klarheit in der Anwendung.

(Lachen des Abgeordneten Homeyer [CDU])

Ich zitiere: