Ich komme in meinem Redebeitrag auch noch darauf zu spre chen, warum dies so ist. Das kann man sehr gut erklären, man kann es auch verstehen. Von daher eine eindeutige Antwort: Ja, ich finde das in Ordnung.
Ich nannte gerade den Kollegen Anton Hofreiter von der Grü nen-Bundestagsfraktion, der in einem Beitrag zur Regierungs erklärung von Angela Merkel darauf hinwies, dass es beson ders deprimierend ist, dass die Schutzmacht Russland Teile des Schutzgebietes, das durch Völkerrechtsvertrag den Schutz Russlands genießen sollte, annektiert hat. Das ist für die Ukrai ner natürlich bitter.
Dazu noch einmal zur Erläuterung: Wenn der Freistaat Bayern entscheiden würde, aus unserem Staatsverbund auszutreten, dann könnte der Bayerische Landtag das natürlich beschließen. Aber auch der Deutsche Bundestag müsste seine Zustimmung erteilen.
Dies ist in der Ukraine - wie Sie wissen - nicht geschehen. Das ukrainische Parlament hat der Annexion selbstverständlich nicht zugestimmt.
Weiter zur Situation: Vor dem Hintergrund der wiederholten öffentlichen Erklärung des russischen Staatspräsidenten Putin, dass alle Russen - egal, wo sie auf der Welt leben - unter dem Schutz der Russischen Föderation stehen, sind Sorgen der Nachbarn berechtigt - nicht, weil er russische Staatsbürger meint, sondern weil er diesem - unerbetenen - Schutz auch alle Bürger russischer Abstammung anderer Staaten unterstellt. In den baltischen Staaten gibt es einen hohen Anteil Bürger russi scher Abstammung. In Lettland sind es zum Beispiel über 25 %.
Bleibt die Frage: Wie halten wir es eigentlich mit dem Selbst bestimmungsrecht der Völker? Wer darf entscheiden, ob ein Land der Europäischen Union, der NATO oder einem anderen Bündnis beitritt oder nicht?
Genauso, wie es allein Sache der Briten ist, zu entscheiden, ob sie die EU verlassen wollen oder nicht, ist es Sache der Ukrainer und jedes anderen Volkes, über ihre bzw. seine Zukunft ohne Re pression von außen in freier Selbstbestimmung zu entscheiden.
Diese international anerkannten Grundrechte, auch die Einhal tung der Menschenrechte sind für uns nicht verhandelbar.
Meine Damen und Herren, auch wenn wir nicht die Möglich keit haben, die Annexion der Krim rückgängig zu machen, so wäre es doch die falsche Antwort zu sagen: Wenn es so ist, dann ist es halt so. - Gerade wir als Bürger eines ehemals ge teilten Landes wissen aus eigener Erfahrung, dass die Teilung eines Landes, die Trennung von Familien, der Verlust von Hei mat nicht für die Ewigkeit bestimmt sind.
Nun zum Thema Sanktionen: Unternehmen der Europäischen Union dürfen keine Technologien nach Russland exportieren, die zu Rüstungszwecken verwandt werden können. Des Weite ren dürfen Produkte für die Ölindustrie - das wurde gesagt -, beispielsweise nahtlose Röhren, nicht nach Russland exportiert werden. Und auch in Reise- und Währungsfragen gibt es Ein schränkungen.
Von den Einreiseverboten und den Sanktionen für Dollarkon ten sind ca. 150 Personen, übrigens überwiegend ukrainische, aber auch russische Staatsbürger, betroffen. Unter anderem ist der ehemalige ukrainische Präsident Janukowytsch davon be troffen, dessen Dollarkonten - sicherlich hat er hart dafür gear beitet - im Ausland eingefroren worden sind.
Ja, meine Damen und Herren, die Verbände der deutschen Wirtschaft haben kritisiert, dass die gegenseitigen Sanktionen und Handelsbeschränkungen auch unserer Volkswirtschaft scha den. Das ist so. Die Verbände der deutschen Wirtschaft haben aber unmissverständlich hinzugefügt: Wir respektieren selbst verständlich das Primat der Politik.
Meine Damen und Herren, wer die Meinung vertritt, dass wirt schaftliche Interessen Vorrang vor demokratisch legitimierten Entscheidungen haben, sollte dies auch deutlich sagen. Er muss sich auch vorwerfen lassen, Verfassung und Grundgesetz nicht beachten zu wollen.
Wohin es führt, wenn wirtschaftliche Interessen den Vorrang haben, lässt sich in Afrika beobachten. Ich erwähne nur Seltene Erden, Blutdiamanten, Kupfer und vieles andere mehr.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Steinmei er verfolgen eine sehr klare Außenpolitik. Wir nehmen unsere Bündnisverpflichtungen und die Sorgen insbesondere unserer Partner im Baltikum ernst. Wir fordern von allen Beteiligten die Einhaltung der Minsker Abkommen. Wir wollen den Dia log mit Russland. Es wird keine Lösung von Konflikten ohne Mitwirkung der Russischen Föderation möglich sein. Der NATO-Russland-Rat hat kürzlich getagt. Man ist sich noch nicht einig, aber man ist im Gespräch, und das scheint mir doch wichtig zu sein.
Es ist unbedingt notwendig, anerkannte Normen des Völker rechts und bestehende Verträge einzuhalten. Dies bedarf eines langen Atems - selbstverständlich.
Die Frage ist aber auch: Was können wir Brandenburger tun? - Ich darf Ihnen nur kurz berichten, dass ich vor zwei Wochen das Vergnügen hatte, als Leiter einer Delegation aus Branden burg - des Landkreises Spree-Neiße, der Stadt Senftenberg und der IHK Cottbus - nach Kursk zu reisen und an der Kursker Wirtschaftsmesse und dem Mittelrussischen Wirtschaftsforum teilzunehmen.
Die Partner aus dem Süden des Landes haben dort Verträge un terschrieben und unter anderem mit dem dortigen Gouverneur vereinbart, dass eine - von beiden Seiten finanzierte - deutschrussische Kontaktstelle eingerichtet wird, um wirtschaftliche Kontakte zu pflegen.
Die Ansiedlungsgesellschaft der Stadt Senftenberg und zwei russische Unternehmen haben Absichtserklärungen unterzeich net, in Kursk sozusagen den Industrie- und Technologiepark „Schwarze Pumpe II“ zu errichten. Das sind Dinge, die mög lich sind. Hier ist auch das Land Brandenburg eingeladen und aufgefordert, mitzuhelfen und Flagge zu zeigen. Wir können die große Politik nicht bestimmen. Wir können aber mit unse ren russischen Partnern auf unserer Ebene in einen Dialog tre ten.
Wir, diejenigen, die eine DDR-Biografie haben - so habe ich das auch in Kursk gesagt -, kennen die Russen. Wir waren zu DDR-Zeiten bestimmt nicht immer einer Meinung; aber wir kennen diese Menschen. Es ist immer gut, Partner zu kennen bzw. zu verstehen, wie sie denken. Ich habe in Kursk gesagt, dass wir die Russen mögen, und habe das ehrlich gemeint.
So gehen wir an die Sache heran. Große Politik, Außenpolitik ist nicht unsere Sache. Mit den russischen Menschen und Un ternehmen, mit den Politikern auf unserer Ebene aber wollen wir Gespräche führen und selbstverständlich auch Geschäfte machen. Das ist keine Einbahnstraße. Wir sind zur Partner schaft bereit und fest entschlossen, auf diesem Weg weiterzu gehen. - Danke schön.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Loehr für die Fraktion DIE LINKE fort.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wiese, Sie haben in Ihrem Redebeitrag auf eine aktuelle repräsentative Umfrage des Magazins „Stern“ abge stellt: Circa zwei Drittel der Befragten sagten, dass sie einen Dialog mit Russland wollen. - Das ist auch gut und richtig so. Ich möchte Ihnen drei Beispiele aus der Brandenburger Reali tät nennen:
Vom 13. bis 21. April dieses Jahres fand die 13. Deutsche Wo che in St. Petersburg statt: 10 000 Besucher, 80 Veranstaltun gen - eines der wichtigsten Schaufenster für die deutsch-russi
sche Zusammenarbeit. Das Partnerland war Brandenburg. Dort wurden praktische Fragen der deutsch-russischen Zusammen arbeit aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft diskutiert und fanden Seminare statt. All das können Sie nach lesen.
Herr Dombrowski hat darauf hingewiesen, dass vom 29. Juni bis zum 4. Juli eine Unternehmerreise für Brandenburger Un ternehmen nach Kursk stattfand - mit Teilnahme am dortigen Wirtschaftsforum. Ich bin Herrn Dombrowski sehr dankbar, dass er als Vizepräsident diese Delegation mit geführt hat.
Ein drittes Beispiel: Es gibt das Deutsch-Russische Forum - Dialog und Begegnung stehen im Zentrum seines Wirkens unter Leitung des ehemaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck.
Es gibt Jugendaustausche, es gibt Städtepartnerkonferenzen, Diskussionsveranstaltungen, Konferenzen, Seminare - Dialog im Zentrum Brandenburger Politik. Meine sehr verehrten Da men und Herren, das ist praktische, gelebte Politik. Das ist Dialog, wie wir ihn verstehen. Dafür benötigen wir Ihren Schaufensterantrag nicht. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass für die Außenpolitik der Bund zuständig ist; gleichwohl möchte ich einige Worte sa gen. Die Sanktionen und Forderungen der EU - der 28 Mit gliedsstaaten der EU - sind einstimmig beschlossen worden.
Die Sanktionen - das ist gesagt worden - betreffen Rüstungsgü ter, Güter, die auch militärisch genutzt werden können, Ausrüs tungen und Dienstleistungen im Bereich der Erdölförderung und -ausbeutung sowie den Zugang zum Kapitalmarkt. Das ist das eine.
Die Forderungen der EU beziehen sich auf die Achtung der ter ritorialen Unversehrtheit der Ukraine, die innere Stabilität der Ukraine, die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Regierung und auf die vollständige Erfüllung der in den Minsker Verein barungen gemachten Zusagen. In den Minsker Vereinbarungen hat auch Russland Zusagen gemacht - das darf man nicht ver gessen -, deren Einhaltung man jetzt genauso erwarten darf wie die Erfüllung der anderen Forderungen, nicht mehr und nicht weniger. Die Forderungen der Europäischen Union sind ange sichts der Zustände in der Ukraine und auf der Krim mehr als recht und billig, meine Damen und Herren.
Die AfD-Fraktion geht davon aus, dass die Beendigung der Russland-Sanktionen die brandenburgische Wirtschaft unter stützen würde. - Ja, das ist zutreffend. Aber - darauf haben Herr Dombrowski und andere schon hingewiesen - es gibt ein Pri
mat der Politik, dem sich die deutsche Wirtschaft und ihre Ver bände unterwerfen. Und es ist gut - ob bei diesen oder bei an deren wesentlichen außenpolitischen Fragen -, dass es dieses politische Primat gibt - egal, wie man im Einzelnen dazu ste hen mag.
Einen Rückgang der Exporte nach Russland, meine Damen und Herren insbesondere von der AfD, haben wir aber bereits seit 2012 zu verzeichnen. Das liegt nicht an den Sanktionen, denn diese folgten erst später. Es liegt am wirtschaftlichen Ab schwung Russlands aufgrund struktureller Schwächen der rus sischen Volkswirtschaft, an Kapitalabflüssen aus Russland und auch am niedrigen Ölpreis.
Politisch - auch ökonomisch - bleibt es doch eine Herausforde rung der europäischen und der deutschen Politik, wieder in ei ne Lage zu kommen, in der die Sanktionen aufgehoben werden können. Dieses Ziel eint uns alle. Denn - auch darauf ist von vielen Rednern hingewiesen worden, und ich unterstütze das ausdrücklich - Russland ist unser, Deutschlands und Europas Nachbar, ein Nachbar, mit dem wir in Frieden leben und auch Handel treiben wollen, das ist doch selbstverständlich. Das würde natürlich auch der brandenburgischen Wirtschaft nutzen.
Das ist gar keine Frage; aber das geht eben nur Schritt für Schritt und nicht so, wie es Herr Wiese in seiner analytisch und inhaltlich wenig anspruchsvollen Rede formuliert hat.
Es gibt eine Reihe von Institutionen, die nun - zum Teil endlich wieder - miteinander reden. Das sind der NATO-RusslandRat - ich bin sehr froh darüber, dass es dort endlich wieder zu Gesprächen gekommen ist -, das Deutsch-Russische Forum und aktuell der Petersburger Dialog, bei dem sich Politikerin nen und Politiker aller Parteien dafür einsetzen, Gesprächsfä den zu finden und Möglichkeiten auszuloten, wie man Schritt für Schritt das umsetzen kann, was richtig ist: Sanktionen Zug um Zug nach Erfüllung von Forderungen und Vereinbarungen wieder aufzuheben. Ziel ist, dass Russland wieder ein koopera tiver und friedlicher Nachbar für uns sein kann. Davon haben wir alle sehr viel mehr als von der Situation, in der wir uns jetzt befinden. - Danke schön.