Protocol of the Session on July 15, 2016

Antrag

der Fraktion der AfD

Drucksache 6/4534

Wir beginnen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordne ten Wiese.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Branden burger! Als Reaktion auf die Ukraine-Krise und die Vereini gung der Krim mit der Russischen Föderation im Jahre 2014 hat die Europäische Union Wirtschaftssanktionen erlassen. Diese Sanktionen wurden am 17. Juni um ein Jahr verlängert. Die restriktiven Maßnahmen, wie sie von offizieller Seite ge nannt werden, beinhalten Verbote für die Einfuhr von Waren und Investitionen in die bzw. auf der Krim. Zudem ist die Aus fuhr bestimmter Güter und Technologien in den Bereichen Ver kehr, Telekommunikation und Energie und vor allem im Be reich der Öl- und Gasförderung verboten. Als Reaktion hierauf wurde von der Russischen Föderation ein Importverbot für Ag rarprodukte und Lebensmittel aus der Europäischen Union ver hängt.

Ich möchte jetzt gar nicht debattieren, ob das Vorgehen der Russischen Föderation im Zuge der Ukraine-Krise korrekt war. Denn dann müsste man auch über das Verhalten des sogenann ten Westens sprechen. Doch als AfD würden wir hier keinen Antrag zum Thema Sanktionen einreichen, wenn wir vom Sinn und Zweck der Sanktionen überzeugt wären.

Wenn wir einen Blick in die Geschichtsbücher werfen, müssen wir feststellen, dass westliche Sanktionen noch nie den ge wünschten Erfolg gebracht haben.

(Zuruf: Iran! - Vogel [B90/GRÜNE]: Südafrika! - Zuruf: Sahra Wagenknecht!)

- Genau, sie haben eigentlich immer das Gegenteil erreicht und oftmals menschliches Leid verursacht.

1959 - das ist jetzt etwas für die Älteren - verhängten die Verei nigten Staaten ein Embargo gegen Kuba mit dem Ziel, Fidel Castro zu stürzen. Der „Erfolg“ war eine Verschlechterung der Ernährungs- und Gesundheitssituation der Kubaner, während Fidel Castro heute als ein Revolutionsrentner hofiert wird.

1990 - das ist jetzt etwas für Jüngere - wurde im Rahmen des zweiten Golfkriegs ein totales Embargo gegen den Irak ver hängt. Saddam Hussein hielt sich trotzdem noch bis 2003 an der Macht. Dafür starben mehrere Hunderttausend Iraker an

den Folgen von Unterernährung und mangelnder medizini scher Versorgung. Manche sehen in der sanktionsbedingten Brutalisierung der irakischen Gesellschaft auch die Wurzeln des IS und des Flüchtlingsproblems. Die Sanktionen gegen über der Russischen Föderation haben bei Weitem keine derart dramatischen Auswirkungen.

Dennoch habe ich diese beiden drastischen Beispiele bewusst gewählt, denn sie stellen den Sinn von Sanktionen grundsätz lich infrage. Was haben die Sanktionen gegenüber der Russi schen Föderation erreicht? Nichts von dem, was sie erreichen sollen. Die Krim ist immer noch Teil der Russischen Föderati on und wird es auch bleiben. Es ist utopisch anzunehmen, dass dies durch die Sanktionen geändert wird.

Der einzige Erfolg der Sanktionen ist eine Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen. Bis vor kurzem dachte ich, dass gute Beziehungen zu unseren europäischen Nachbarn Ziel des politischen Handelns in Deutschland sind. Aber ich habe mich geirrt. Schaut diese Bundesregierung nur zu, wie die dip lomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland verfallen? Nein, sie zerstört sie vorsätzlich.

(Kurth [SPD]: Jetzt ist aber gut! - Zuruf von der CDU: Quatsch!)

- Können Sie einmal ruhig sein? Ich sage während Ihrer Reden auch nichts.

(Zuruf der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

- Ja, Frau Hackenschmidt, Disziplin ist auch nicht Ihre Parade sache. - Es wird höchste Zeit, dass die Landesregierung aktiv wird und die Bundesregierung dazu drängt, diese schädliche Politik zu beenden.

Laut aktuellen Umfragen fordern 88 % der Deutschen den Dia log mit Russland und wollen auch die Abschaffung der Sankti onen. Hier ist eine Landesregierung, die sich guter Beziehun gen zu Russland rühmt, in der Pflicht: Herr Ministerpräsident Dr. Woidke, machen Sie der Bundeskanzlerin klar, dass diese Sanktionen nicht nur sinnlos, sondern auch schädlich sind.

Meine Frage ist: Wieso fährt man mit 13 Unternehmen und sechs Forschungseinrichtungen zur Deutschen Woche in Sankt Petersburg? Wieso kümmert man sich explizit um wirtschaftli che Beziehungen, damit die Bundeskanzlerin all diese Bemü hungen zunichte macht?

Ende Mai fanden die diesjährigen Potsdamer Begegnungen statt. Ziele waren, Konfliktlösungsvorschläge zu suchen und einen konstruktiven Dialog zu ermöglichen. Auch Außenmi nister Frank-Walter Steinmeier hielt dort eine Rede. Er sagte: „Für mich sind Sanktionen nie das Mittel erster Wahl.“ Die Ge fahr von Sanktionen und Gegensanktionen als Eskalationsspi rale liegt auf der Hand. Sanktionen sind kein Selbstzweck. Sanktionen sind erst recht kein Mittel, um einen Partner in die Knie zu zwingen. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass Russland wirtschaftlich völlig ruiniert wird. Das wäre ganz gewiss kein Beitrag zu mehr Sicherheit in Europa.

Auch der ehemalige Europaminister Markov lehnte die gegen Russland verhängten Sanktionen ab. Sie seien, so Markov da mals, kein Instrument, das Probleme lösen könne. Bei allem Trennenden sei Russland für uns ein überaus wichtiger Partner.

Dazu kann ich nur sagen: Volle Zustimmung! Ich muss an die ser Stelle hinzufügen, dass auch die deutsche und die branden burgische Wirtschaft erheblichen Schaden erleiden. Und was macht unsere Bundesregierung? Sie verlängert die Sanktionen.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Zu Recht!)

Hier habe ich ein Verständnisproblem. Seit 2014 gibt es die Russlandsanktionen, und der politische Erfolg war gleich null. Selbst der Anlass der Sanktionen ist mehr als fragwürdig. Die Vereinigung der Krim mit der Russischen Föderation war die direkte Folge eines Referendums im März 2014. Bis heute wei gert sich die Bundesregierung, das Referendum anzuerkennen.

(Frau Geywitz [SPD]: Warum wohl?)

Ich halte das für ein Unding. Die Volksabstimmung auf der Krim wurde auch von Wahlbeobachtern aus mehreren EUStaaten begleitet.

(Lachen des Abgeordneten Petke [CDU] - Gelächter und Zurufe von der CDU)

Keiner dieser Augenzeugen stellte die Verfahrensweise des Re ferendums infrage. Aber spätestens seit den österreichischen Präsidentschaftswahlen und der Brexit-Abstimmung wissen wir ja: Die Bundesrepublik hat anscheinend ein großes Prob lem mit direkter Demokratie. Sie hat Angst vor den eigenen Bürgern.

(Zuruf von der CDU: Vor den grünen Männchen! - Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Kein Wunder also, dass man in Berlin und Brüssel auch das Krim-Referendum nicht anerkennen will.

(Lachen bei der CDU)

Dass dieser politische Aktionismus aber so weit geht, dass man deshalb unsere Wirtschaft darunter leiden lässt, ist beschä mend.

(Petke [CDU]: Mensch, lasst doch den Gauland reden!)

- Ja, der ist aber leider nicht da.

(Lachen bei der CDU)

- Sie haben wahrscheinlich kein Boateng-Hemd in meiner Grö ße für mich.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU] - Beifall CDU)

Auch in der Ostukraine ist keine Lösung absehbar. Was waren die wirtschaftlichen Erfolge oder, besser gesagt, die Misserfol ge der Sanktionspolitik? Beide Seiten haben Milliardenverluste erlitten. Allein in Brandenburg sind rund 550 Unternehmen be troffen. Das Volumen der Brandenburg-Exporte nach Russland hat sich von 305 Millionen Euro auf 205 Millionen Euro ver ringert. Besonders betroffen ist die Landwirtschaft, der - dies wird vor dem Hintergrund der Milchpreiskatastrophe deutlich - ein wichtiger Absatzmarkt fehlt.

(Beifall AfD)

Während man in Russland darangeht, Importe durch eigene Produkte zu ersetzen...

(Lachen bei der CDU)

- Wollen Sie lachen? Wollen Sie sich hier hinstellen?

(Petke [CDU]: Welche denn?)

Die Sanktionen haben bisher alle politischen Ziele verfehlt, und man wird sie mit ihnen nicht erreichen.

(Petke [CDU]: Nennen Sie mir mal die Produkte! - Schröder [AfD]: Landwirtschaft!)

Die Sanktionen haben großen wirtschaftlichen Schaden zulas ten der einheimischen Wirtschaft verursacht. Sie haben das Verhältnis zu Russland beschädigt. Sie widersprechen dem Ge danken der Völkerverständigung. Sie widersprechen den Zie len der Landesregierung und dem, was der Bundesaußenminis ter sagt. Übrigens wird die deutsche Sanktionspolitik auch in Russland mit Verwunderung wahrgenommen. Nun kommt et was für eine bestimmte Klientel: Der Chef des Russischen Ins tituts für strategische Studien, Dr. Leonid Reshetnikov,

(Kurth [SPD]: Breschnew! - Zurufe von der CDU)

äußerte kürzlich auf der Webseite des in Berlin ansässigen Deutschen Zentrums für Eurasische Studien: Die Art der Poli tik, die Russland aus Berlin entgegenschlägt, ist einfach über raschend für uns. Unserer Meinung nach hat Deutschland in den letzten 15 Jahren gewaltige Möglichkeiten angeboten be kommen, und im Alleingang hat man diese Angebote ausge schlagen. An den Sanktionen festzuhalten bringt nur Nachteile mit sich. Die Tatsache, dass trotzdem das Festhalten an den Sanktionen propagiert wird, lässt doch sehr an den Fähigkeiten der Politiker zu selbstständigem Denken und Handeln zwei feln.

- Ich fordere Sie daher auf: