Protocol of the Session on July 15, 2016

Der Entwurf enthält weitere positive Aspekte. Hervorzuheben sind die geplante Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger beim Teilhabeplanungsverfahren - wie aus einer Hand -, die unabhängige Teilhabeberatung und das Budget für Arbeit.

Künftig soll ein Reha-Antrag ausreichen, um alle benötigten Leistungen von den verschiedenen Reha-Trägern zu erhalten - das wird dann straffer geregelt. Es soll in Zukunft gelingen,

dass Menschen, die heute in Behindertenwerkstätten arbeiten, mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten - das wird aus meiner Sicht ein sehr dickes Brett.

(Frau Lehmann [SPD]: Ja!)

Unterstützungsmaßnahmen werden bereits vor der Rehabilita tion einsetzen und durch geförderte Modellprojekte gestärkt werden. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden in ei nem Leistungskatalog konkretisiert und gebündelt. Elternassis tenz und Assistenz in der Weiterbildung sowie im Studium werden erstmalig ausdrücklich geregelt. Die Liste ließe sich weiterführen. Die Aufzählung zeigt, dass es wichtig und richtig war, das Bundesteilhabegesetz in die Wege zu leiten. Es bietet die Möglichkeit des Einstiegs in den Prozess, der die Men schen mit Assistenzbedarf aus der Sozialhilfe holt.

Dennoch dürfen die kritischen Stimmen nicht ignoriert wer den, kommen sie doch mitunter von den Menschen, auf die das kommende Bundesteilhabegesetz ausgerichtet ist. Der vorlie gende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht in die richtige Richtung; es gibt Schnittmengen mit einigen der in der Öffentlichkeit gestellten Forderungen. Doch es gäbe noch mehr zu diskutieren, gibt es in dem Gesetzentwurf Passa gen, die missverständlich sind oder eine Nachsteuerung bzw. Präzisierung verlangen. So ist zum Beispiel die Ausrichtung des Bundesteilhabegesetzes positiv; allerdings ist die Be schränkung des Kreises der Leistungsberechtigten auf Perso nen mit Bedarf an personeller oder technischer Unterstützung in fünf bzw. drei Lebensbereichen nicht nachvollziehbar.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die Debatte des par lamentarischen Vorhabens rund um den Gesetzentwurf hat ge rade begonnen. Das bekräftigt auch Bundesministerin Andrea Nahles. Das ist ein gutes Signal für uns - nicht zuletzt im Hin blick auf die Proteste und Demonstrationen, wie wir sie unter anderem gestern vor dem Landtag und in der anschließenden Pressekonferenz erlebt haben.

Auch wir möchten uns weiterhin ein Bild machen, über den Gesetzentwurf diskutieren und Betroffenen sowie Befürwor tern und Kritikern zuhören. Daher möchten wir den Antrag an den Fachausschuss überweisen. Am 13. Juli haben wir die Ex pertenanhörung fraktionsübergreifend im Eilverfahren auf den Weg gebracht.

In der ersten Septemberwoche werden die Fachausschüsse des Bundesrates über den Gesetzentwurf beraten und Empfehlun gen abgeben. Auf dieser Grundlage wird der Bundesrat im ers ten Durchgang am 23. September eine Stellungnahme abge ben. Im Rahmen dieses Prozesses kann und muss das Land Brandenburg sich einbringen. Das Gesetz ist zustimmungs pflichtig. Das bedeutet: Nach der Beratung und Beschlussfas sung im Bundestag erfolgt eine zweite Befassung im Bundes rat. Der Zeitraum ist sehr eng; aber wir werden diese Zeit für unsere Bürger intensiv nutzen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht nun die Abgeord nete Augustin. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon einiges zum vorliegenden Antrag von BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN gesagt worden. Auch für mich war dies eines der wichtigsten im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD auf Bundesebene verankerten Vorhaben.

Ich glaube, auch Bundesministerin Andrea Nahles hat nicht da mit gerechnet, dass mit einem als so positiv erwarteten Gesetz entwurf so viel Kritik einhergeht. Auch wir haben das gestern erlebt - Frau Alter erwähnte es. Es war beeindruckend, zu se hen, wie viele sich auf den Weg gemacht haben, um noch ein mal zu sagen: Hier müssen Nachbesserungen her! - Ich gebe auch zu: Der erste vorgestellte Entwurf hat meine Erwartungen nicht erfüllt. Ich bin auch dankbar für die Proteste. Und wer - wir sprachen gerade über die digitale Welt - die Meldungen un ter dem Hashtag #NichtMeinGesetz verfolgt, wird einige der vorgebrachten Kritikpunkte sehen.

Ich bin den Kolleginnen sehr dankbar, dass wir das heute the matisieren und so die Möglichkeit bekommen, auf unserer Ebene - im Landtag Brandenburg, in den Ausschüssen - darü ber zu debattieren. Im Antrag und von meinen Vorrednerinnen wurden einige Kritikpunkte genannt. Ich danke ausdrücklich Frau Lehmann, dass wir die Anhörung im Ausschuss im Eil verfahren in die Wege leiten konnten.

Im Koalitionsvertrag ist der Grundsatz „Nicht über uns ohne uns“ festgelegt. Ich glaube, dem sollten wir folgen und mit den Behindertenverbänden, den einzelnen Vertretern und dem Lan desbehindertenbeauftragten im Ausschuss getreu diesem Grund satz darüber sprechen, wo Verbesserungen bei den einzelnen Aspekten, die heute angerissen wurden - Pooling, Assistenz beim Ehrenamt - möglich sind. Es gibt so viele Punkte, die wir besprechen müssen und sollten.

Deswegen will ich es an dieser Stelle kurz und knapp halten, ohne das Thema herabwürdigen zu wollen. Wir sollten im Aus schuss Wert darauf legen, diese Punkte mit den Behinderten verbänden zu diskutieren, und leisten damit hoffentlich einen Beitrag aus Brandenburg, um das Gesetz, das kommen muss und gut ist, zu verbessern. Wir werden der Ausschussüberwei sung natürlich zustimmen. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall, CDU, SPD und B90/GRÜNE)

Danke. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Bader.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Da men und Herren! Liebe Gäste! „Alle inklusive in Branden burg“, lautet der Titel des Antrags. Hier ist von Inklusion die Rede, und wir wissen alle, dass wir weder im Land noch bun desweit am Ziel sind. Dazu müssen sich alle mehr denn je auf einander zubewegen und miteinander in Bewegung setzen. Be hindertenpolitik ist nicht gerade das Thema, auf das die Gesell schaft oder gar die Medien ihren Blick richtet bzw. richten. Dennoch passiert gerade hier besonders viel.

Schaut man hinter die Kulissen, merkt man, dass es spannend wie ein Krimi ist. Schlag auf Schlag wirft die Bundesregierung

neue Themen in die Runde: Bundesgleichstellungsgesetz, Nati onaler Aktionsplan 2.0, Pflegestärkungsgesetz und - das wohl größte Vorhaben - das Bundesteilhabegesetz. Auf Brandenbur ger Landesebene kommt die Fortschreibung des Behinderten politischen Maßnahmenpakets hinzu.

Unsere Fraktion hat sich intensiv mit diesem Thema befasst. Vor drei Wochen war der Landesbehindertenbeauftragte Gast unserer Fraktion. Eine Woche später gab es eine öffentliche Veranstaltung - unser sogenanntes Dienstagsgespräch - mit al len Akteuren zu dem Thema Maßnahmenpaket und Bundesteil habegesetz. Zwischendurch gab es Workshops mit Kommunal politikerinnen und -politikern.

Beim Dienstagsgespräch am 5. Juli haben betroffene Vertrete rinnen und Vertreter von Vereinen und Verbänden deutlich ge macht, dass es noch viele Bretter und Balken zu bohren gibt. Angefangen damit, dass Menschen mit Behinderung nach wie vor nicht frei entscheiden können, wo und mit wem sie leben und vom wem sie welche Hilfeleistungen erhalten, ob sie am kulturellen Leben teilhaben oder einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommen können, bis hin dazu, dass Kin der mit Behinderung es nicht leicht haben, in Regelschulen aufgenommen zu werden.

Die Probleme sind zahlreich und das nicht nur im Land Bran denburg. Brandenburg arbeitet aber mit Hochdruck an einer tatsächlichen Verbesserung der Situation behinderter Men schen. Brandenburg war das zweite Bundesland, das überhaupt ein Maßnahmenpaket zur Umsetzung der UN-Behinderten rechtskonvention entwickelt hat und dafür ausgezeichnet wur de. Nun wird es fortgeschrieben.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Frau Lehmann [SPD]: Das haben wir gut gemacht, was?)

- Genau.

Brandenburg kann aber leider kaum Einzelfalllösungen bieten, sondern nur wichtige strukturelle Veränderungen bewirken. Lösungen im Einzelfall sind meist nur mit entsprechenden Leistungsgesetzen möglich. Ein solches Leistungsgesetz wird das Bundesteilhabegesetz sein. Es soll die aktuellen Gesetze, aus denen die Menschen mit Unterstützungs-, Assistenz- und Pflegebedarf ihre notwendigen Leistungen beziehen, in großen Teilen ablösen und als neue Gesetzesgrundlage die UN-Behin dertenrechtskonvention verwirklichen.

Ob das wirklich so wird, ist noch offen; die Betroffenen haben berechtigte Zweifel. Das wurde in dem umfangreichen Beteili gungsverfahren deutlich: Betroffene und andere Akteure haben ihre Vorstellungen, Wünsche und Kritik eingebracht. Gestern wurden die Hauptforderungen auf einer Demonstration vor dem Landtag erneut laut artikuliert.

Auch wir sagen: Das Gesetz kann nicht so bleiben, hier muss nachgebessert werden. Solange die Betroffenen und deren An gehörige Angst haben, auf Leistungen verwiesen zu werden, die sie in ihrer Selbstbestimmung und Teilhabe massiv ein schränken, solange sie Angst haben, gegen ihren Willen in be stimmten Situationen zu leben, und solange sie auch Angst ha ben, dass ihnen notwendige Leistungen verwehrt werden, wer den wir Seite an Seite mit ihnen kämpfen.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Fiskalische Aspekte haben in einer Menschenrechtsdebatte grundsätzlich keinen Platz. Es kann nicht sein, dass es sich für Menschen mit Assistenzbedarf nicht zu arbeiten lohnt, weil ihr Einkommen einberechnet wird. Es kann nicht sein, dass Men schen mit Assistenzbedarf nicht sparen dürfen, weil für die Be rechnung der Erstattung lebensnotwendiger Leistungen ihre Vermögenswerte herangezogen werden.

(Beifall der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Alle haben das Recht zu sparen, und alle haben das Recht, eine Familie zu gründen, ohne dass das Einkommen der Partner oder dessen Angehöriger herangezogen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Vor allem kann es nicht sein, dass Menschen trotz Hilfebedarf vom Leistungssystem ausgeschlossen werden.

Diese und weitere Benachteiligungsaspekte sind im Gesetzent wurf des Bundesteilhabegesetzes noch immer ungeklärt. Die Betroffenen erwarten zu Recht ein faires Miteinander auf Au genhöhe.

Ich danke den Grünen für den Antrag und dafür, dass wir im Ausschuss weiter über dieses Thema diskutieren können. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Königer.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Trotz Abwesenheit von Minister Baaske muss ich mir diese Retourkutsche gönnen: Bei einem so wichtigen Thema hätte er zumindest einigen seiner Kabinettskollegen Bescheid sagen können, dass sie hier im Saale bleiben sollen.

(Beifall AfD - Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE: Da sitzt Ministerin Golze! Das ist die zuständige Ministerin!)

- Dafür ist Frau Golze zuständig, aber ich bin der Meinung, dass dem bzw. der einen oder anderen Minister bzw. Ministerin im Kabinett sehr wohl an diesem Thema gelegen sein könnte.

(Frau Muhß [SPD]: Gerade noch mal die Kurve gekriegt! - Lachen bei der SPD)

Ich bin den Grünen ausnahmsweise einmal dankbar, denn beim geplanten Bundesteilhabegesetz wurde viel gewollt und vieles verschlimmbessert. Nicht umsonst laufen Interessenvertreter Betroffener und Landespolitiker Sturm gegen diesen Gesetz entwurf - meine beiden Vorrednerinnen haben sich auf die gestrige Demonstration bezogen.

In diesem Haus wurde einmal - Gott sei Dank - schnell gehan delt. Wir werden hoffentlich gemeinsam erreichen können, dass dieser wirklich schlechte Gesetzentwurf nicht so beschlossen wird. Alle Fraktionen haben beschlossen, dass wir noch im

September eine Anhörung und eine Beschlussempfehlung des Fachausschusses erreichen können. Das unterstützt die AfDFraktion ausdrücklich. - Vielen Dank.

(Beifall AfD - Domres [DIE LINKE]: Inhaltlich sehr flach!)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministe rin Golze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die für dieses Thema fachlich und im Ressort zustän dige Ministerin ist da -

(Beifall DIE LINKE)