Protocol of the Session on July 15, 2016

Das, worüber wir reden, macht deutlich, dass wir von der Vor stellung, ein Lehrer müsse möglichst eine Klasse frontal unter richten, weg müssen, weil sonst niemand etwas lernen würde. Um das zu schaffen, davon wegzukommen, brauchen wir gute Lehrerteams, die sich untereinander absprechen und den Un terricht wie auch die Vertretung - das kann man ebenfalls gut organisieren - gemeinsam planen. Dafür sind allerdings die meisten Lehrkräfte hier in Brandenburg nicht ausgebildet.

Solange die Fortbildung in unserem Land so stiefmütterlich be handelt wird, wie es im Moment der Fall ist, wird sich daran

wahrscheinlich auch wenig ändern. Wenn hier allerdings die fachbezogene Unterrichtsvertretung gefordert wird, dann wür de so etwas theoretisch nur gelingen, wenn wir ähnlich wie im Gesundheitswesen so etwas wie Bereitschaftsdienste einführen würden. Das heißt, wir müssten Leute dafür bezahlen, dass sie im Lehrerzimmer herumsitzen und darauf warten, dass der Ver tretungsfall eintritt - das wäre eine immense Ressourcenver schwendung -, oder aber es müssten fremde Menschen heran gefahren werden, um vor einer Klasse, die sie noch nie gesehen haben, Fachunterricht zu halten.

(Galau [AfD]: Was haben Sie denn neuerdings gegen fremde Menschen?)

Nein, so einfach ist diese Welt nicht! Die Hirne von Kindern sind keine Trichter - die Hirne von Erwachsenen übrigens auch nicht -, die all das ungefiltert in sich aufnehmen, was man in sie hineinschüttet. Nein, Lernerfolge bemessen sich nicht am abgesessenen Stundenvolumen!

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Die geforderte Erhöhung des Vertretungsbudgets auf 10 % würde den Unterrichtsausfall auch nicht auf null senken. Sie birgt in dieser utopischen Höhe die Gefahr der soeben be schriebenen Bereitschaftsdienste. Außerdem - auch das wissen wir eigentlich alle - schwankt der Vertretungsbedarf immens, nämlich zwischen 0 % nach den Sommerferien bis zu ungefähr 20 % in den sogenannten Grippemonaten. In dieser Wertung sehen wir uns eins mit der Position des Landeselternrats gegen über der erwähnten Petition.

Unsere Unterstützung findet die Petition in der Erhöhung der Ausbildungskapazitäten. Hier müssen wir aber dazusagen: Selbst wenn wir mehr Ausbildungskapazitäten brauchen, bin ich der Meinung - das ist ein wichtiger Punkt -, dass wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass die Forderung, die Aus bildungskapazitäten dem Bedarf nach zu bemessen, auch zu kurz greift, weil wir nicht wissen, ob die Leute, die hier ausge bildet werden, auch wirklich hier Lehrer werden wollen. Au ßerdem dauert es bis zu acht Jahre, bis sie hier ankommen. Deshalb ist das als kurzfristige Maßnahme auch keine Lösung.

Insgesamt muss man aber sagen, dass allein die ewige Wieder holung des Themas schon ganz deutlich zeigt, dass es beim Lerneffekt eben nicht auf Redezeiten ankommt. - Danke.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE - Lachen bei der AfD)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Baaske.

Ich finde es nicht schlimm, liebe Frau Kollegin von Halem, dass alle Jahre wieder die „Weihnachtsfrau“ kommt. Ich finde das ganz in Ordnung, weil wir damit Gelegenheit haben, über ein Thema zu reden, auf das man, lieber Gordon Hoffmann, nicht gerade stolz sein muss, für das man sich aber auch nicht unbedingt schämen muss.

Die Zahl wurde bereits genannt: Ja, wir haben in Brandenburg 2 % ersatzlosen Unterrichtsausfall. Aber alle anderen Länder, die den Ausfall messen, und selbst diejenigen, die nur Stich proben machen, liegen weit darüber. Ich finde, bei dieser Gele genheit muss man auch einmal sagen dürfen, dass es kein an deres Bundesland gibt, in dem so wenig ersatzloser Unter richtsausfall stattfindet wie in Brandenburg.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Daher danke ich Ihnen für diesen Antrag, weil dadurch heute wieder einmal die Gelegenheit gegeben ist, darauf hinzuwei sen.

Im Übrigen: Gordon Hoffmann, als du vorhin deine Rede ge halten hast, waren von deiner Fraktion gerade einmal sechs oder sieben Kollegen anwesend, und selbst jetzt sind es kaum mehr. Gemessen an der Fraktionsstärke der CDU von insge samt 21 Sitzen heißt das, dass der ersatzlose Ausfall in deiner Fraktion zum Zeitpunkt deiner Rede sage und schreibe 33-mal so groß war wie der Unterrichtsausfall in Brandenburg!

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE - Heiterkeit der Abgeordneten Lehmann [SPD] - Grinsen der Abge ordneten der AfD-Fraktion)

Sie brauchen gar nicht zu grinsen - Sie saßen gestern Abend bei den letzten Tagesordnungspunkten nur noch zu viert hier im Saal. Das heißt, Ihr Ausfall war zeitweise sogar mehr als 40mal so groß wie der Unterrichtsausfall in Brandenburg. Das wollen wir einmal konstatieren!

(Widerspruch bei der CDU - Zurufe von der AfD)

Brandenburg hat eine der niedrigsten Ausfallquoten in dieser Bundesrepublik. Ich sage ausdrücklich - darauf bin ich nicht stolz -: Jede Stunde, die ausfällt, ist eine zu viel. Aber auch bei uns wird sich Unterrichtsausfall nicht gänzlich vermeiden las sen.

Jetzt komme ich zu der Schule in Werder, Stand gestern - das ist richtig; ich habe das auch gehört -: der WAT-Lehrer zum Jahresende krank geworden, Mathelehrer zum Jahresende krank geworden, Deutsch- und Kunstlehrer zum Jahresende krank geworden, zwei Kollegen sind in Erziehungsurlaub gegangen und zwei Lehrkräfte waren gestern zur Exkursion. Da hilft auch eine Reserve von 10 % nichts. Das ist eine Situation, wo es einen Notstand an der Schule gibt und wo man andere Mittel braucht, um Unterricht abzusichern.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Man braucht auch Alternativen jenseits von Vertretungsreserven, und diese hat Brandenburg. Wir haben ein Vertretungsbudget - Kollegen, die im Ruhestand sind, können eingestellt werden; die Zahl der Kollegen kann aufgestockt werden; wir haben die Möglichkeit, Mehrarbeit anzuordnen. Wir haben ein breites Portfolio an Vertretungs möglichkeiten an den Schulen und diese müssen entsprechend genutzt werden.

Nochmals zur Erhebung: Brandenburg erhebt vollständig und sehr differenziert jeden Tag in jeder Schule, dass Unterricht ausfällt. Wir erheben auch die Art der Vertretung und nach Gründen differenziert, warum vertreten werden musste. Jetzt

aber daherzukommen und zu sagen, wir sollten das fächer scharf machen - dazu sage ich ganz klar: Das wird nicht funktionieren. Das wäre ein bürokratisches Monster, das die Schu len leisten müssten, auf das die Opposition sich freuen könnte. Denn dann würden an der Schule viele Kollegen eigentlich nur noch notieren, wann welcher Unterricht ausfällt, wie er substi tuiert wird und was das saldiert über das Jahr bedeutet. Das ist Futter für die Opposition, die dann wieder einen Grund hat zu beklagen, dass Unterricht ausfällt, weil die Kollegen etwas ganz anderes machen, als Unterricht zu geben, nämlich Statis tiken ausfüllen.

Ich will deutlich sagen: Wenn beispielsweise im Februar an ei nem Tag in der Woche der Physikunterricht ausfällt und dafür der Mathelehrer Mathematik unterrichtet, dafür im Mai, wenn gerade der Mathelehrer krank ist, stattdessen Physikunterricht erteilt wird, dann ist im Saldo keine Stunde ausgefallen.

(Königer [AfD]: Dann legen Sie die Fächer doch gleich zusammen!)

Die Schülerinnen und Schüler sowie unsere Schulen haben Jahresstundenkontingente und Kontingenzstundentafeln. Das heißt, wir wissen, wie viel Unterricht eine Schülerin bzw. ein Schüler bekommen muss, und wir wissen, welches Fach erteilt werden muss. Danach erstellt der stellvertretende Schulleiter in der Regel einen Stundenplan. Dieser wird immer so gestal tet, dass beispielsweise, wenn eine Physiklehrerin längere Zeit krank ist, stattdessen der Mathelehrer Mathematik unterrich tet, aber später die Gelegenheit genutzt wird, den Physikunter richt nachzuholen, wenn die Möglichkeit dafür gegeben ist, weil anderer Unterricht, beispielsweise der Matheunterricht, ausfällt.

Das zu bilanzieren und in eine Arithmetik zu bringen, die die Schulen leisten können, ist viel zu aufwendig. Das würde Stun den an Kraft kosten, die ich dafür verwenden möchte, dass der Unterricht abgesichert wird, aber nicht dafür, dass wir irgend welche statistischen Bedürfnisse befriedigen. Das wollen wir verhindern, wir wollen zusehen, dass Unterricht tatsächlich ge geben wird.

Gerrit Große hat vollkommen Recht - mir sagen auch oftmals Schulleiter, dass es mitunter wirklich so ist, dass die Vertre tungsstunde besser ist als die vom Fachlehrer gegebene Stun de. Auch das muss man ehrlicherweise konstatieren. Das heißt, eine Vertretungsstunde muss nicht unbedingt schlecht sein, sondern sie kann sogar zur Bereicherung des Unterrichts bei tragen.

Wir haben mit den Möglichkeiten in den letzten Jahren gute Erfahrungen gemacht - sie heißen Vertretungsbudget, Mehrar beit, Aufhebung von Teilungsunterricht sowie viele andere schulorganisatorische Maßnahmen, die wir im Portfolio haben. Damit sollten wir fortfahren.

Ich möchte das, was Gerrit Große zu dem CDU-Antrag gesagt hat, auch sagen: Ich finde es schäbig, Gordon Hoffmann, wenn ihr den Versuch unternehmt, einen AfD-Antrag aufzuhübschen. Diese Braut kriegt ihr nicht hübsch! - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE sowie vereinzelt B90/ GRÜNE)

Jetzt erhält die AfD-Fraktion noch einmal das Wort. Frau Ab geordnete Bessin, bitte.

Liebe Frau Koß, ich habe vorhin nicht richtig gehört, ob Sie „Schüttelshake“ oder „Tripelshake“ gesagt haben - ich schätze einmal, Sie meinten „Tripelshake“. Da kann ich nur sagen: Da schüttelt es mich.

(Oh! bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Wir haben vor einem Jahr diesen Antrag eingebracht; da haben Sie vollkommen Recht. Wie wir das ganze Schuljahr über ge merkt haben, ist es genau richtig, dass das Thema jetzt wieder eingebracht und diskutiert wurde. Nach all dem, was wir jetzt gehört haben, wird es auch garantiert so sein, dass wir uns in zwölf Monaten zu diesem Thema hier wiedersehen.

(Beifall AfD - Frau von Halem [B90/GRÜNE]: Wir sind stolz auf Sie!)

- Danke, Frau von Halem! Freut mich, dass Sie stolz auf uns sind!

(Galau [AfD]: Sind wir auch!)

Ich hatte gestern schon kurz angesprochen, dass es eine Aussa ge des Hauptgeschäftsführers des Städte- und Gemeindebun des, Herrn Landsberg, zur Situation vor Ort gibt. Es stellte sich die Frage: Sind die Schulen und die Lehrkräfte mit der jetzigen Situation überfordert? Die Antwort war - auch wenn Sie von der SPD stöhnen -: Sie sind sicherlich teilweise überfordert. Wir erwarten von Lehrerinnen und Lehrern Enormes, und das, wenn man ehrlich ist, mit immer weniger Ressourcen. Da stellt sich doch die Frage: Was hat sich nach einem Jahr geändert? Anscheinend

(Galau [AfD]: Nüscht!)

nichts bis wenig.

Herr Hoffmann, es ging in unserem Antrag nicht nur darum, dass der Unterrichtsausfall erfasst werden soll. Die fachbezo gene Erfassung des Unterrichtsausfalls ist aber erst einmal die Grundlage, um zu sehen, für welche Fächer Lehrer benötigt werden, und die Konsequenz ziehen zu können, dass grund sätzlich 1 000 neue Lehrer benötigt werden.

(Frau Große [DIE LINKE]: 1 400!)

- Gut, 1 400, danke. Noch schlimmer! Dass dafür dann kein Geld im Land vorhanden ist, kann man nicht einfach von der Hand weisen.

(Frau Große [DIE LINKE]: Die stellen wir ein! - Frau Lieske [SPD]: Frau Bessin hat das alles ausfinanziert!)

Wir brauchen die Lehrer, weil der Bildungsbereich die Grund lage unserer Wirtschaft ist. In diesem Bereich sollte die rot-rote Landesregierung endlich vorankommen, denn schon 1997 gab es eine Kleine Anfrage der PDS zum Unterrichtsausfall. Schon

damals war das Thema bekannt und wird seit 1997 in regelmä ßigen Abständen angesprochen. Und wer ist seitdem an der Re gierung? Auf jeden Fall immer die SPD.

(Zuruf von der Regierungsbank: Das ist auch gut so!)

Da fragt man sich: Warum passiert denn nichts?

(Beifall AfD)