Protocol of the Session on July 15, 2016

Nein, Gordon Hoffmann, ihr habt in eurem Änderungsantrag nur die schrittweise 10%ige Steigerung der Vertretungsreserve vorgesehen. Beispielsweise das Problem Stülpe würden wir mit 10 % Unterrichtsvertretungsreserve überhaupt nicht lösen, so wie wir es an allen einzügigen Grundschulen und auch an allen Gymnasien mit einer noch so großen Vertretungsreserve nicht lösen würden. Das ist nicht der Weg, mit dem wir das hinbekommen.

(Beifall SPD)

Im Übrigen muss sich diese Regierung von Ihnen, sehr verehr te Damen und Herren oder gar nicht verehrte Kolleginnen und Kollegen der AfD, nicht treiben lassen, was die Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern betrifft, auch nicht von der CDU.

Um noch einmal zur Schuldfrage zu kommen: Wer, bitte, ist denn auch schuld, dass wir diese immensen Einstellungskorri dore von 1 400 Lehrerinnen und Lehrern in dieser Legislatur periode bewältigen müssen? Darüber haben wir gestern mitein ander diskutiert.

(Wichmann [CDU]: Wer ist denn schuld? - Weitere Zuru fe von der CDU)

Meine lieben Damen und Herren der Antragsteller, es gibt in dieser Stadt Potsdam eine mit dem Schulpreis ausgezeichnete Schule, die staatliche Montessori-Schule. Dort gibt es trotz gleicher Ausstattung überhaupt keinen Unterrichtsausfall, weil an dieser Schule das Lernen organisiert wird,

(Zurufe von der AfD)

weil an der Schule begriffen wurde, dass man lernpsycholo gisch und auch im Organisieren von Lernen nicht an der Schu le von vor 200 Jahren, die in die Industriegesellschaft gehört, festhalten kann, sondern dass man eine zukunftsfähige Schule organisieren muss, in der vom Lernen her diskutiert wird

(Zuruf von der AfD: Aber das können Sie doch nicht!)

und nicht von Unterrichtsfächern pro Lehrer.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Das haben Sie leider noch nicht begriffen; das muss ich Ihnen hier sagen. Schauen Sie sich an, wie an der Schule der Zukunft gebaut werden kann, und schauen Sie sich die MontessoriSchule in Potsdam an!

(Beifall DIE LINKE und SPD - Zurufe von der AfD)

Liebe Kollegen von der AfD, bitte nicht ganz so laut; denn der Kollege Königer hat eine Kurzintervention angemeldet. Er wird Ihre Ansichten jetzt vertreten.

Frau Kollegin Große, ich kann Ihnen ein aktuelles Beispiel sa gen, das noch einmal allen das Versagen Ihrer Bildungspolitik vor Augen führen wird. Wir hatten gestern Stadtverordneten versammlung. Es hat sich herausgestellt, dass es an einer Schu le in Werder bereits seit einem halben Jahr keinen Französisch unterricht gibt. Die Eltern nervt es zunehmend, dass zu viel Unterricht ausfällt. Die Schüler nervt es auch, wie mir ein fünf zehnjähriger Schüler sagte, der keinen Französischunterricht mehr hat. Ich komme darauf zurück, dass man Französisch wohl nicht von einem Physiklehrer beigebracht bekommen kann. Da stimmen Sie mir hoffentlich zu.

(Beifall AfD)

Wissen Sie, was den Stadtverordneten der Linkspartei dann Sorgen machte? Dass der Flur der Karl-Hagemeister-Schule zehn Jahre lang nicht gestrichen worden ist. - Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Die Kollegin Große möchte entgegnen. Bitte schön.

Ich bin sehr froh, dass sich die Stadtverordneten der Linksfrak tion in Potsdam über die Ausstattung der Schule Sorgen ge macht haben.

(Königer [AfD]: Es geht nicht um die Ausstattung!)

Genau das ist die Aufgabe von Stadtverordneten als Schulträger: für die Organisation der Ausstattung von Schulen zu sorgen.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Zuruf von der AfD: Sie haben gar nicht hingehört, was er gesagt hat!)

Sie beklagen, dass der Französischunterricht an dieser Schule nicht stattfindet. Das ist über längere Zeit ein Problem. Das hat aber auch damit zu tun, dass wir die Französischlehrer hier nicht Schlange stehen haben.

(Königer [AfD]: Nehmen Sie einmal Geld in die Hand! - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

- Das ist mit Geld auch nicht zu lösen. So viel Geld, wie wir in die Hand genommen haben, hat keine Landesregierung vorher in die Hand genommen. Mit Geld sind Lehrer nicht zu backen.

Es ist eine missliche Situation, wenn der Französischunterricht für ein halbes Jahr ausfällt. Dieser Ausfall ist natürlich auch nicht durch die Deutschlehrerin oder den Mathelehrer zu erset zen. Trotz alledem gibt es auch dafür Kompensationsmöglich keiten, und die werden wir zur Verfügung stellen.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Zuruf von der AfD: Quatsch! - Weitere Zurufe von der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt die Abgeordnete von Halem. - Bitte schön.

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Es gibt in dieser Legislaturperiode nun schon den dritten Antrag zum Thema „Fachbezogene Vertretung von Unter richtsausfall“. Die Begründungen, mit denen wir das ablehnen, werden nicht anders, und die Sach- und Faktenlage hat sich auch nicht verändert.

Ja, richtig, es gibt eine Petition, die bislang mehr als 4 700 Menschen unterschrieben haben. Aber das macht es auch nicht besser. Ich erkläre Ihnen jetzt, warum wir die Petition - um diese geht es ja in Ihrem Antrag - zu zwei Dritteln ableh nen. Unterrichtsausfall ist ein Problem, und diese Landesregie rung könnte hier mehr tun. Unterrichtsausfall ist auf mehreren Ebenen ein Problem:

Erstens: Ein Schulfach wird nicht unterrichtet, Wissenslücken entstehen.

Zweitens: Im Gegensatz zu von Lehrerinnen und Lehrern schlecht erteiltem Unterricht oder von Kindern verträumten Unterrichtsstunden ist der Ausfall von Unterricht etwas, was die Eltern wahrnehmen. Natürlich pochen die Eltern darauf, dass die Kinder bekommen, was ihnen zusteht, nämlich guten Unterricht. Das ist auch richtig. Es ist auch richtig, dass das Land dafür verantwortlich ist.

Drittens: Wenn Lehrkräfte ausfallen, dann findet Teilungsun terricht und Förderung oft nicht statt. Das ist ein Problem, ins besondere für schwächere Schülerinnen und Schüler. Das hat Gordon Hoffmann gerade schon erläutert. Ich meine, das ist ein Grund, aus dem uns Unterrichtsausfall besonders bewegen sollte.

Aber wir müssen uns allmählich von der Wunschvorstellung lösen: Ein Lehrer steht vor der Klasse und macht Frontalunter richt.

(Beifall B90/GRÜNE)

Im Zusammenhang mit der Debatte um Unterrichtsausfall ist „Stillbeschäftigung“ das große Unwort. Wie, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen von der AfD, erklären Sie sich, dass schulpreisgekrönte Schulen einem sagen, bei ihnen gelinge die individuelle Förderung gerade deshalb so gut, weil Kinder sich selbstständig Lerninhalte erarbeiten und dadurch Lehrkräfte frei werden, die für die individuelle Förderung bereitstehen?

(Zurufe von der AfD)

Das funktioniert. Im Übrigen unterrichten im schulpreisge krönten Gymnasium in Neuruppin Kinder der älteren Klassen die Jüngeren. Der Lehrer ist dann zwischendurch auch einmal entbehrlich und ich glaube nicht, dass die Kinder deshalb we niger lernen.

(Zuruf des Abgeordneten Schröder [AfD])

Von den Lehrkräften lernen Schülerinnen und Schüler übrigens nur 20 % dessen, was sie in der Schule überhaupt lernen. Das gibt doch zu denken!

(Zurufe der Abgeordneten Genilke [CDU] und Schröder [AfD])

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Kollegin, machen Sie eigentlich die Bewertung dieser Schulen an dem allgemeinen Bildungsstand fest oder an dem Lernklima, das an diesen Schulen herrscht?

Welchen allgemeinen Bildungsstand meinen Sie - den dieser parlamentarischen Debatte?

(Vereinzelt Lachen bei der SPD)

Die Schulen haben ja kürzlich eine Auszeichnung erhalten - wofür? Meinen Sie, dass dies mit dem Wissensstand zu tun hatte oder mit dem Lernklima an dieser Schule? Das ist meine Frage.

Das hat mit sehr vielen verschiedenen Faktoren zu tun, zum Glück aber auch mit dem Wissensstand. Das müsste Ihnen ei gentlich vertraut sein, Herr Königer, wo Sie sich doch damit so gut auskennen!

(Königer [AfD]: Sie haben die Frage nicht verstanden!)

Das, worüber wir reden, macht deutlich, dass wir von der Vor stellung, ein Lehrer müsse möglichst eine Klasse frontal unter richten, weg müssen, weil sonst niemand etwas lernen würde. Um das zu schaffen, davon wegzukommen, brauchen wir gute Lehrerteams, die sich untereinander absprechen und den Un terricht wie auch die Vertretung - das kann man ebenfalls gut organisieren - gemeinsam planen. Dafür sind allerdings die meisten Lehrkräfte hier in Brandenburg nicht ausgebildet.