Protocol of the Session on July 15, 2016

(Beifall AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Koß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Fachbezogene Vertretung bei Unter richtsausfall hört sich ja erst einmal ganz gut an. Aber Sie ha ben uns hier einen Schüttelshake, bestehend aus Ihrem Antrag vom April 2015, dem Antrag von BVB/FREIE WÄHLER so wie einigen Körnchen aus dem gestrigen CDU-Antrag, präsen tiert. Zudem trägt er eine falsche Beschriftung und ist äußerst irreführend. Meinen Sie, Kollegen der AfD, tatsächlich, dass durch eine nach Fächern differenzierte Erfassung der Ausfall stunden automatisch fachbezogene Unterrichtsvertretung be wirkt wird? Ich als ehemalige Schulleiterin sage Ihnen heute: Dem ist nicht so.

(Frau Bessin [AfD]: Zum Glück sind Sie keine Schullei terin mehr!)

Eher bewirkt dies einen höheren Verwaltungsaufwand für die Schulleiterinnen und Schulleiter und macht sich dementspre chend bemerkbar. Das wollen Sie doch wohl auch nicht!

Vielmehr, meine Damen und Herren, sollten wir den heutigen Tag nutzen und den vielen engagierten Lehrerinnen und Leh rern und den Schulleitungen danken.

(Beifall SPD - Schröder [AfD]: Nun ist‘s genug mit der Heuchelei; das kann doch nicht wahr sein! Irgendwann ist mal Schluss! Immer wenn keine Lösung in Sicht ist, kommen Sie mit einem Dank!)

Dies tue ich im Namen meiner Fraktion und wünsche allen Lehrkräften eine erholsame Ferienzeit.

Nun aber zurück zum Antrag der AfD.

(Lakenmacher [CDU]: Das wäre eigentlich ein schöner Abschlusssatz gewesen!)

Sie schreiben: Die Einstellung von qualifizierten Lehrkräften ist dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. - Wissen Sie eigent lich, wovon Sie reden? Das erfolgt täglich in den Schulämtern und bedarf, wie wir gestern schon ausführlich besprochen ha ben, eines großen Aufwandes; viele verschiedene Facetten kommen zum Tragen.

Wir lehnen den AfD-Antrag und den Änderungsantrag der CDU ab. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und der Abgeordneten Johlige [DIE LIN KE])

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Hoffmann.

(Genilke [CDU]: Jetzt bekommen Sie gleich Schüttel frost!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Alle Jahre wieder“ - diesen Einstieg in eine Rede sollte man langsam auf den Index setzen; den hört man näm lich alle Jahre wieder. Obwohl wir natürlich das Recht haben, das Thema erneut und wiederholt zu behandeln, kann ich mir gut vorstellen, dass einige aus den Reihen der Koalition beim Blick auf die Tagesordnung die Hände über dem Kopf zusam mengeschlagen und gesagt haben: Nicht schon wieder Unter richtsausfall! Das hatten wir doch schon so oft. Muss das schon wieder sein? - Ich sage Ihnen: Ja, das muss schon wieder sein, und das wird so lange nötig sein, wie jedes Jahr 1 Million Un terrichtsstunden nicht nach Plan erteilt werden.

(Beifall CDU, AfD und des Abgeordneten Vida [BVB/ FREIE WÄHLER Gruppe])

Dass Sie dazu keine Lust haben und es Ihnen auf die Nerven geht, kann ich durchaus nachvollziehen. Aber dass die Situati on so ist, wie sie ist, ist ja nicht unsere, sondern Ihre Schuld. Sie haben das zu verantworten.

Um eines gleich vorwegzunehmen: Uns und allen anderen im Land ist vollkommen klar, dass es nicht möglich sein wird, Un terrichtsausfall komplett zu verhindern. Es wird nicht möglich sein, dafür zu sorgen, dass nie eine Unterrichtsstunde ausfällt.

(Einzelbeifall SPD)

Das ist uns vollkommen klar. Es können natürlich immer ein mal besondere Umstände auftreten, und im Ausnahmefall kann auch einmal Unterricht ausfallen. Das Problem ist nur, dass der Unterrichtsausfall in Brandenburg eben nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. An unseren Schulen ist es eher die Aus nahme, wenn mal eine Woche lang kein Unterricht ausfällt. Der Unterrichtsausfall ist in Ihrem auf Mangel kalkulierten System im Prinzip von vornherein angelegt, und genau das ist es, was Eltern, Lehrer und Schüler auf die Palme bringt.

Was einen ein bisschen ratlos zurücklässt, ist die Art, wie Sie mit der berechtigten Kritik umgehen. Das werden wir heute wahrscheinlich wieder erleben. Anstatt endlich handfeste Maß nahmen zu ergreifen, das System vernünftig auszustatten und

darauf auszurichten, dass auf solche Engpässe reagiert werden kann, beschränken Sie sich darauf, die Lage zu beschönigen und zu verharmlosen.

Ich erinnere mich immer wieder an den Fall der Grundschule in Stülpe. Anfang des Schuljahres haben sich die Eltern be schwert, weil dort die ganze Zeit der Englischunterricht aus fällt. Das Thema erreichte den Landtag, wir diskutierten darü ber, und das Ministerium versicherte: Das Problem ist gelöst. - Zwei Monate später erreichten uns wieder Schreiben aus Stül pe, und die Eltern beklagen immer noch den Unterrichtsausfall. Im Landtag versichert uns das Ministerium wieder: Das Prob lem ist gelöst. - Im April dieses Jahres - ein Schuljahr war ver strichen - erreichten uns zum dritten Mal Hilferufe aus der Schule in Stülpe. Wir thematisierten es in der Fragestunde, und der Minister besaß die Dreistigkeit, an das Rednerpult zu treten und zu sagen: Na ja, es ist nun einmal so, dass in der Schule auch einmal Unterricht ausfällt. Da kann ich nichts machen. Im Übrigen ist es an anderen Schulen viel schlimmer. Regen Sie sich nicht so auf. - Ich sage Ihnen: Das ist das Eingeständnis von Regierungsversagen.

(Beifall CDU und AfD)

Das Schlimmste daran ist - das sollten Sie wirklich ernst neh men -, dass die Schwächsten, gerade diejenigen, die die meiste Unterstützung brauchen, am meisten darunter leiden.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [B90/GRÜNE])

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat von der grünen Bildungsministerin eine Studie in Auftrag geben lassen, in der das Problem Unterrichtsausfall untersucht werden sollte. Man ist zu dem Ergebnis gekommen, dass gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten, Kinder aus einem sozialökonomisch schwachen Umfeld am meisten darunter leiden, wenn Unter richt ausfällt. Denn sie haben kein Zuhause, wo man das Ganze in eigener Verantwortung zu kompensieren versucht, wo die Eltern die Aufgaben noch einmal mit ihnen durchgehen oder in der Lage sind, private Nachhilfe zu finanzieren. Gerade die, die Sie eigentlich immer adressieren, leiden am meisten unter dem von Ihnen verschuldeten Unterrichtsausfall. Ganz ehrlich: Wenn Sie immer wieder sagen, so schlimm sei es nicht, Sie wollten und könnten nichts tun, so würde ich mich, wenn ich Teil Ihrer linken Regierungskoalition wäre, dafür schämen.

(Beifall CDU und AfD)

Wenn Sie nichts unternehmen wollen, meine Damen und Her ren, so ist es nun einmal Aufgabe der Opposition, etwas zu un ternehmen. Deswegen ist es gut, dass das Thema hier diskutiert wird. Aus unserer Sicht greift es allerdings zu kurz, wenn man fordert, dass der Unterrichtsausfall noch besser dokumentiert wird. Ich glaube, wir müssen ihn nicht besser bzw. fachbezo gen dokumentieren. Er ist hinreichend belegt. Wir sollten den Unterrichtsausfall bekämpfen. Wenn wir überhaupt ein Prob lem mit der Statistik haben, dann das, dass sie nicht ehrlich ge nug ist. Stillbeschäftigung und Zusammenlegung von Klassen und Kursen werden immer noch als vertretener Unterricht ge wertet. Ich sage es ganz ehrlich: Wenn Aufgaben verteilt wer den, die die Schüler allein lösen, dann ist das kein vertretener Unterricht. So ehrlich sollte man in der Statistik sein.

(Beifall CDU, AfD, B90/GRÜNE und des Abgeordnetem Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe])

Grundsätzlich sollten wir uns bemühen, die Vertretungsreserve zu erhöhen. Auch wenn es von der AfD gut gemeint ist, so ist es nicht gut gemacht. Wenn man die Forderung ernst nähme und die Vertretungsreserve ab sofort auf 10 % erhöhte, müssten wir ab Montag etwa 1 000 Lehrer mehr an den Schulen haben. Angesichts der Problematik, die wir gestern hier diskutiert ha ben, ist das geradezu absurd.

Das ändert aber nichts daran, dass wir uns mittelfristig schon das Ziel stellen müssen, die Ausstattung des Systems Schule zu verbessern. Lassen Sie uns deshalb vor der Sommerpause bzw. vor den Sommerferien gemeinsam unseren Änderungsantrag beschließen. Stecken wir uns damit das Ziel, im Laufe der Le gislaturperiode die Vertretungsreserve schrittweise auf 6 % zu erhöhen. Dann haben wir alle kurz vor der Sommerpause noch etwas Gutes getan. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Große. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es war zu erwarten, Frau Abgeordnete Bessin, dass Sie vor den Sommerferien noch einmal mit einem solchen Antrag kom men. Nicht zu erwarten war, dass die CDU einem so schlecht gemachten Antrag einen Änderungsantrag draufsetzt und

(Zurufe von AfD)

ein Wettrennen um die populistischste Variante startet. Das ent täuscht mich schon, das muss ich wirklich sagen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Aber lassen Sie mich zunächst zum Ursprungsantrag kommen. Es gibt kein einziges anderes Bundesland, das eine so ausdiffe renzierte Ausfallstatistik führt wie wir in Brandenburg. Deswe gen ist auch mit keinem anderen Bundesland vergleichbar, in wiefern Unterricht bei uns im besonderen Maße - wie Sie das hier skandalisieren - ausfällt.

(Zurufe von der AfD)

Gleichwohl ist das Problem Unterrichtsausfall eines, das die Gemüter bewegt. In Ihrem Antrag, Frau Bessin, steht:

„Jede fachfremd vertretene Stunde ist eine ausgefallene Unterrichtsstunde.“

So ein Unsinn! Wenn Gerrit Große, Lehrerin für Musik/Deutsch/ Darstellendes Spiel, den erkrankten Mathelehrer vertritt, und zwar mit einer Deutschstunde, dann ist das, bitte schön, keine ausgefallene Stunde. Dann findet in dem Moment zwar nicht Mathe-, aber Deutschunterricht statt. Wenn ich den Ausfall mit Musikunterricht vertrete, dann lernen die Schüler dabei auch noch ein bisschen Bruchrechnung.

(Beifall DIE LINKE, SPD sowie B90/GRÜNE)

Das wollen Sie nicht hinnehmen - das enttäuscht mich auch bei Gordon Hoffmann.

Ersatzlos ausgefallen sind im Land Brandenburg 2 % der Un terrichtsstunden. Diejenigen Bundesländer, die eine Statistik führen, liegen beim ersatzlosen Ausfall von Unterrichtsstunden weit über dieser Zahl.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn wir das Lernen nicht in den Vordergrund stellen, sondern den Ausfall einer Unterrichts stunde als das Wichtige ansehen, dann werden wir nicht wei terkommen. Es muss darum gehen, Lernen zu organisieren, und nicht darum, Unterricht abzurechnen, klein ziseliert, wie Sie sich das vorstellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD sowie B90/GRÜNE - Zurufe von der AfD)

Nein, Gordon Hoffmann, ihr habt in eurem Änderungsantrag nur die schrittweise 10%ige Steigerung der Vertretungsreserve vorgesehen. Beispielsweise das Problem Stülpe würden wir mit 10 % Unterrichtsvertretungsreserve überhaupt nicht lösen, so wie wir es an allen einzügigen Grundschulen und auch an allen Gymnasien mit einer noch so großen Vertretungsreserve nicht lösen würden. Das ist nicht der Weg, mit dem wir das hinbekommen.