- Die Unternehmer, Kollege Redmann, sind gar nicht betroffen, wenn sie ihren Angestellten einen Stundenlohn von 9 Euro oder mehr zahlen.
Dann kommt nämlich das Vergabegesetz gar nicht zur Anwen dung; dann müssen sie nur ein Formular ausfüllen, dass sie nach Tarif bezahlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Löhne sind im Jahr 2014 um durchschnittlich 1,9 % gestiegen, im Jahr darauf um 2,5 %. Wir haben in Brandenburg aktuell ein Durch schnittseinkommen von 2 617 Euro. Die 1 560 Euro aus der laut Vergabegesetz festgelegten Erhöhung auf 9 Euro hatte ich bereits erwähnt. Es ist mitnichten so, dass wir hier Gleichma cherei betreiben, sondern wir wollen dafür sorgen, dass Leute von ihrer Arbeit leben können.
(Beifall DIE LINKE und SPD - Dr. Redmann [CDU]: Wir haben doch den Mindestlohn auf Bundesebene! We gen 70 Cent?)
- Ja, aber Herr Redmann, ich habe Ihnen doch gerade deutlich gemacht, auf welchem Niveau sich das dann tatsächlich aus wirkt. Wir sind mit den 8,50 Euro und den 9 Euro doch noch nicht am Ziel, sondern das ist sozusagen ein Weg, den wir be schreiten, und wir sind noch nicht an dessen Ende.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer Pressemit teilung vom 2. Juni des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg unter der Überschrift „Im Land Brandenburg ein Fünftel aller Jobs vom Mindestlohn betroffen“ wird aus meiner Sicht der Handlungsdruck für uns in Brandenburg noch einmal beson ders deutlich. Ich zitiere:
„Im April 2014 wurden im Land Brandenburg 24 Prozent - (219 000) der insgesamt 929 000 Beschäftigungsverhält nisse mit weniger als 8,50 Euro je Stunde bezahlt. 21 Pro zent (195 000) dieser Arbeitsverhältnisse wurden zum 1. Januar 2015 unter den Schutz des Mindestlohngesetzes gestellt. (... ) Für die 195 000 gering bezahlten Arbeitsver hältnisse im Land Brandenburg, für die das Mindestlohn gesetz gilt, wurde 2014 im Schnitt ein Bruttostundenver dienst von 7,19 Euro ermittelt. Eine Lohnerhöhung auf 8,50 Euro je Stunde würde somit einen Anstieg um 18 Prozent bedeuten. Bei unveränderten Arbeitszeiten wären im Land Brandenburg dann ca. 28 Millionen Euro mehr an Bruttolohn je Monat zu zahlen.“
Fazit: Um Brandenburg für Arbeitskräfte aus anderen Bundes ländern oder gern auch aus dem Ausland attraktiver zu machen, müssen wir das Lohngefüge weiter verbessern. Wir müssen den Abstand zu den alten Ländern verringern. Das ist der rich tige Schritt, um die Zukunft des Landes zu sichern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her ren! Liebe Gäste! Wir als AfD haben im letzten Jahr die Ab
schaffung des brandenburgischen Vergabegesetzes gefordert - nicht, weil wir gegen den Mindestlohn sind,
sondern weil es eine bürokratische Verschwendung volkswirt schaftlicher Ressourcen ist. Warum ist das so? Ich versuche es heute noch einmal zu erklären:
Kommunen sollen prüfen, ob ihre Auftragnehmer den Min destlohn zahlen. Allerdings gibt es hierfür den viel effektiveren Zoll. Eine parallele Prüfungsinstanz ist hier völlig überflüssig.
Dann sollen die Auftragnehmer ihre eigenen Auftragnehmer zur Mindestlohnzahlung verpflichten. Auch das ist doppelt, da das Bundesgesetz den Mindestlohn schon vorschreibt. Der Staat hat hier die entsprechenden Rahmenbedingungen ge setzt.
Wir müssen nicht auch noch gesetzlich privatwirtschaftliche Regelungen fordern. Das Know-how bei den Kommunen auf zubauen kostet Ressourcen, die wir lieber auf andere Dinge verwenden sollten, auch wenn da jetzt eine pauschale Auszah lung eingeführt werden sollte.
Wenn die Landesregierung die Entbürokratisierung ernst näh me, brauchte das Gesetz - überspitzt formuliert - nur einen Satz zu enthalten, nämlich: Der Mindestlohn in Brandenburg be trägt für öffentliche Auftragnehmer 9 Euro.
Die Landesregierung selbst hat eingeräumt, dass das Gesetz zu Missverständnissen geführt hat. Das ist angesichts der aus ufernden Regelungen und speziellen und unübersichtlichen Bestimmungen kein Wunder.
Auch im neuen Gesetzentwurf zeigt sich wieder, dass die Re gelungswut das Gegenteil Ihrer Intention erzeugt, nämlich Rechtsunsicherheit, Verstärkung der Bürokratie und Unüber sichtlichkeit.
Wir hatten bereits 2015 festgestellt, dass sich die wenigsten Auftraggeber gesetzeskonform verhalten. Damals hatten 78 % der Vergabestellen des Landes keine Kontrollen durchgeführt, und die neuen Bestimmungen werden auch weiterhin zu Prob lemen in der Praxis führen.
Es wurden zwar fast alle Paragrafen irgendwie ein bisschen an gefasst, aber nicht im Sinne einer grundsätzlichen Vereinba rung, und so werden wir leider weiter mit Rechtsunsicherhei ten kämpfen müssen.
Wenn eine Kommune Aufträge ausschreibt, hat sie es doch grundsätzlich mit dem Brandenburgischen Vergabegesetz zu tun. Was heißt das konkret für Kommunen - und - das wollen wir nicht vergessen - auch für Unternehmen? Sie müssen den bundesgesetzlichen Mindestlohn, dann den Mindestlohn nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz, dann den Tariflohn der Branchen, dann das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sowie natürlich auch den brandenburgischen Mindestlohn beachten. Welch ein Wahnsinn! Und erinnern wir uns noch an den netten Ausspruch von Frau Fahimi, die da sagte: Wer den Stundenzet tel nicht ordentlich ausfüllen kann, ist entweder ein Gauner oder schlichtweg zu doof. - Ich denke, diese Sache hat sich bis heute nicht großartig relativiert. Die überbordende Regelungs dichte bei anderen Rechtsgebieten nimmt auch zu, und so sum
Der BER findet schon keine Bauunternehmen mehr, die den Regierungsterminal überhaupt noch bauen wollen. Viele Un ternehmen ziehen sich aus kommunalen Ausschreibungen zu rück.
Die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand lässt auch zu wün schen übrig, auch wenn Herr Görke - man höre! - dem heute widersprochen hat. Das, meine Damen und Herren, spricht Bände. Hier zeigt sich die Realitätsferne der Landesregierung. Wir brauchen für die Erfüllung der kommunalen Aufträge fachkundige und leistungsfähige Unternehmen. Diese Unter nehmen aber wollen diese überregulierten Aufträge gar nicht mehr haben. Unser Zwischenfazit lautet daher, dass das Bran denburgische Vergabegesetz ein bürokratisches Monster ist und bleibt.
Kommen wir zur Mindestlohnhöhe von 9 Euro: Eigentlich wollten die Koalitionsparteien den Mindestlohn mit dem Bun desgesetz synchronisieren. Nur, warum haben wir denn nicht auf die Empfehlung der bundesdeutschen Mindestlohnkom mission gewartet, die voraussichtlich am 30. Juni 2016 ihre Stellungnahme abgeben wird? Warum konnte man nicht darauf warten? Die Empfehlung eines höheren Mindestlohns ist wahr scheinlich. Eine eventuelle Abweichung wird gering ausfallen. Dann regelt das brandenburgische Vergabegesetz wieder einen komplett redundanten Sachverhalt, und wir haben ab 01.01.2017 wieder zwei Gesetze.
Eine Vermutung liegt bei diesem Unsinn nahe: Es geht nicht mehr um die Sache, sondern um politische Eitelkeiten - und das auf dem Rücken der bürokratiegebeutelten Unternehmen. Aus diesem Grund lehnen wir den Gesetzentwurf ab. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir setzen die Aussprache fort. Es spricht der Abgeordnete Jungclaus für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Verehrte Gäste! Das Vergabegesetz hat uns schon in der letzten Legislaturperiode intensiv beschäftigt. Die Frage, wie das Land seine Nachfragemacht nutzt, ist natürlich wichtig. Das Land Brandenburg gibt jährlich rund 1 Milliarde Euro für die Beschaffung aus. Die Kommunen erhöhen die Nach frage der öffentlichen Hand hierzulande um weitere 2 Milli arden Euro. Mindestens 1 Milliarde Euro gewährt das Land Unternehmen, Vereinen und Verbänden in Form von Zuwen dungen. Dies ist eine beträchtliche Nachfragemacht und zeigt: Ein Vergabegesetz kann die Entwicklungschancen der Unternehmen im Lande in besonders hohem Maße positiv be einflussen.
Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist aber nicht nur ein wichti ger Beitrag für die Stärkung der Wertschöpfung im Lande. Die Regeln für öffentliche Auftragsvergaben entscheiden auch we sentlich mit, ob sich Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch
Niedriglöhne, Verletzung elementarer Arbeitsnormen oder un verhältnismäßige Belastung der Umwelt verschaffen können. Ich zitiere zu diesem Thema Artikel 42 der Verfassung des Landes Brandenburg:
„Das Wirtschaftsleben gestaltet sich nach den Grundsät zen einer sozial gerechten und dem Schutz der natürli chen Umwelt verpflichteten marktwirtschaftlichen Ord nung.“
Sozial gerecht und dem Schutz der natürlichen Umwelt ver pflichtet! Da muss die öffentliche Hand natürlich mit gutem Beispiel vorangehen.
Tut sie das mit dem neuen Vergabegesetz? Mit dieser Vorlage zumindest tut sie es leider nicht. Im Rahmen der Evaluierung des ersten brandenburgischen Vergabegesetzes wurde unter an derem ein Vollzugsdefizit bei der Umsetzung und Durchset zung festgestellt. Hierbei ging es vor allem um die Mindestar beitsentgelte und die Tariftreue, die zentralen Anliegen des Gesetzes immerhin. Das wurde auch deutlich, als die zur Kom pensation für den Verwaltungsaufwand gedachten Haushalts mittel von den Kommunen nicht abgerufen wurden. Dieses Vollzugsdefizit wird durch den vorliegenden Entwurf nicht be seitigt, im Gegenteil: Man beseitigt lieber das Symptom, indem man den Kommunen den nicht in Rechnung gestellten Mehr aufwand zur Kontrolle zukünftig pauschal erstattet.
Was Sie hier veranstalten, meine Damen und Herren, kann man nicht anders als besondere Form der Selbsttäuschung bezeich nen. Sie brüsten sich mit einem neuen Mindestlohn, der noch über dem des Bundes liegt - wohl wissend, dass es genug Mög lichkeiten gibt, ihn zu umgehen. Vorschläge zur Beseitigung des Vollzugsdefizits werden gänzlich nicht berücksichtigt, bei spielsweise eine beim Land angesiedelte zentrale Kontroll gruppe, welche per Stichproben prüft, ob die Auftragnehmer das Vergabegesetz und die vorgeschriebenen Zusicherungen auch einhalten. So viel zum Thema „sozial gerecht“.
Auch bei dem Punkt „dem Schutz der natürlichen Umwelt ver pflichtet“ bleibt die Landesregierung mit diesem Gesetzent wurf vollständig hinter den eigenen Ansprüchen zurück.
„Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen können Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte berücksichtigt wer den …“
Nach den geltenden Bestimmungen des Europa- und Bundes rechts sind die öffentlichen Auftraggeber weitgehend auf einen reinen Leistungswettbewerb festgelegt. Allerdings erlauben die Regelungen ausdrücklich eine Berücksichtigung ökologischer und sozialer Belange. Die europarechtlichen Regelungen ver weisen auf die mitgliedsstaatliche Ebene, die bundesrechtliche Regelung verweist auf weitere Bundesgesetze und die Landes ebene, wobei auf Bundesebene bislang keine entsprechenden Vorgaben verabschiedet wurden. Insofern hat es das Land durchaus in der Hand, den Abschied vom reinen Wettbewerb um das preiswerteste Angebot, heute zumeist als das billigste verstanden, einzuleiten.
Nach unserer Auffassung müssen bei der Prüfung eines Ange bots nicht nur Preis und Zuverlässigkeit, sondern auch Um welteigenschaften und Lebenszykluskosten unbedingt berück sichtigt werden.
Ich sage Ihnen ganz klar: Wenn Sie an diesem Punkt nicht nachbessern, werden wir bei diesem Gesetz nicht zusammen kommen. Es heißt schließlich nicht Mindestlohngesetz, son dern Vergabegesetz.
Zusammenfassend kann man sagen: Bleibt es bei diesem Ent wurf, bekommen wir ein Gesetz, das weitgehend wirkungslos ist, erheblichen bürokratischen Aufwand erzeugt, wenn man es ernst nehmen würde, und das wesentliche Aspekte wie ILOArbeitsnormen oder umweltbezogene Aspekte lediglich am Rande behandelt. Es besteht also noch erheblicher Verbesse rungsbedarf. Wir lehnen das Gesetz in der vorliegenden Form ab, einer Überweisung stimmen wir aber selbstverständlich zu.