Ja, Herr Bretz, mein nächster Satz wäre: Nur weil die von der CDU nicht singen können, heißt das nicht, dass das Lied falsch ist. Denn Fakt ist: Es mussten zwei mutmaßliche Sexualstraftä ter entlassen werden, weil das Gericht die Prozesse nicht recht zeitig ansetzen konnte. Fakt ist auch: Grund dafür war die Krankschreibung eines Richters. Fakt ist weiter: Wir müssen dafür sorgen, dass so etwas möglichst nicht mehr vorkommt. Dazu hat die CDU dankenswerterweise auch drei konkrete Vorschläge gemacht: erstens ausreichend Personal für die Ge richte. Sie haben im letzten Haushalt bei den Sozialgerichten etwas nachgelegt. Sie haben jetzt im Nachtragshaushalt ange kündigt, etwas bei den ordentlichen Gerichten nachzulegen. Aus unserer Sicht reicht das nicht. Wir fordern, mindestens die 32 Richterstellen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und 16 Staatsanwaltsstellen zu erhalten.
Wir finden auch den zweiten Vorschlag der CDU gut, nämlich dieses Frühwarnsystem, damit auf solche Situationen rechtzei tig reagiert werden kann. Herr Minister, das ist machtpolitisch nicht das Dümmste. Es sind schon Justizminister über ganz an dere Dinge gestolpert.
Die dritte Forderung der CDU ist, dem Landtag unverzüglich über Maßnahmen zu berichten, die die Regierung getroffen hat. Das Einzige, was daran vielleicht fragwürdig ist, ist die Grammatik in dem Antrag. Alles andere daran finden wir sehr richtig.
Der Minister hat im Ausschuss versucht, diese Forderungen, die auch zum Teil wir Grüne mehrfach vorgetragen haben, mit zwei Argumenten vom Tisch zu wischen. Er hat erstens - das wird er wohl gleich wieder tun - ein Gerichtsurteil vorgelesen, das bestätigt, dass zum Zeitpunkt der Entlassung am Landge richt Cottbus kein Personalmangel bestand - und damit Ende der Geschichte. Aber wir finden, da fängt die Geschichte erst an. Warum passieren denn solche Organisationsfehler? Warum haben wir denn so lange Bearbeitungszeiten? Warum sind Richter immer wieder krank? Unsere Antwort kennen Sie. Wir sind der Meinung, es ist einfach der Personalmangel an den Gerichten.
Damit kommen wir zum zweiten Argument. Der Minister sagt, das könne nicht sein - und wird es vermutlich auch gleich wie der tun -, und hat im Ausschuss einen Experten herangezogen. Er hat den Präsidenten des Oberlandesgerichts, Herrn Kahl, zi tiert. - Herr Minister, ich habe noch etwas Redezeit, deswegen erspare ich Ihnen das. Ich möchte es gleich vorwegnehmen. Ich zitiere aus dem Protokoll des Rechtsausschusses vom 16. April 2015 - wir hatten den Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Herrn Kahl, bei uns zu Gast -:
„Herr Kahl... erklärt, dass sich die gegenwärtige Beset zungssituation im richterlichen Bereich als auskömmlich gestalte.“
Da macht der Minister im Ausschuss einen Punkt. Ich vermute, wenn er es hier vorträgt, wird er wieder einen Punkt machen. Aber das Spannende ist, was danach kommt. Im gleichen Aus schuss, nur wenige Minuten und im Protokoll wenige Sätze später warnt Herr Kahl davor, was noch alles passieren kann:
„Auch würden sich die Verfahrenslaufzeiten der Strafver fahren verlängern. In diesem Bereich bestehe zudem die Gefahr, dass Untersuchungshaft bei Delikten schwerer Kriminalität nicht mehr angeordnet und solche Verfahren nicht zeitnah abgeurteilt werden könnten. Da die Dauer des Verfahrens, die nicht auf einem Verschulden des An geklagten beruhe, einen Strafmilderungsgrund darstelle, könnten zudem schuldangemessene Strafen praktisch nicht mehr verhängt werden.“
Es hilft also nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir müs sen anerkennen: Die CDU hat trotz der schrägen Melodie Recht. Am Ende bleibt: Die CDU singt schief, aber Sie liegen schief. Wir stimmen für den Antrag. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es im Rechtsausschuss gesagt und wiederhole es: Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Teile der Bevölkerung, die Eltern, die betroffenen Kinder, kein Verständnis dafür haben und auch um die Sicherheit besorgt sind, wenn mutmaßliche Straftäter aus der Untersuchungshaft entlassen werden.
Zweitens - so gesehen hat Herr Raschke Recht - habe ich im Rechtsausschuss, damit mir nicht unterstellt wird, es sei meine eigene Interpretation, die Beschlüsse des Oberlandesgerichts in Achtung des Oberlandesgerichts, in Achtung der Entscheidung des Oberlandesgerichts vorgelesen. Dort ist klar und deutlich gesagt worden, dass es Verfahrensfehler im Landgericht Cott bus waren. Ich wiederhole die Zahlen: am Landgericht Cottbus Arbeitskraftanteile von 28,75. Nach Bedarfsrechnung und un ter Einrechnung der Krankentage lagen die tatsächlich vorhan denen Arbeitskraftanteile nie unter 30 AKA. Das heißt, das Landgericht Cottbus hatte jederzeit ausreichend Personal.
Wenn dann hier im Antrag steht - das kann man ja vorlesen -: „… weil das Landgericht Cottbus aus personellen Gründen nicht in der Lage war, das Hauptverfahren gegen die beiden Angeklagten... zu eröffnen“, dann ist das eine glatte Lüge. Das Oberlandesgericht hat festgestellt: Es war nicht Personalman gel. Damit unterstellen Sie den Richtern des Oberlandesge richts, dass sie die Unwahrheit sagen. Das finde ich schwierig, um das klar und deutlich zu sagen.
Dass Sie versuchen, mich als Justizminister zu attackieren, ist okay. Aber ich finde es schon etwas heftig, wenn Sie als Jurist
um Ihrer eigenen Profilierung willen die Rechtsstaatlichkeit aushebeln, indem Sie verlangen - das beweise ich Ihnen noch -, dass ein Justizminister einwirken soll, wo ein Justizminister nicht einwirken darf.
Ich habe Ihnen das auch im Ausschuss gesagt. Wenn ich das gemacht hätte, was Sie gefordert haben, dann hätten Sie mit Recht verlangt, dass ich zurücktrete.
„gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft und den Präsidenten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein Früh warn- und Informationssystem zu entwickeln, um auf Be lastungssituationen in den Strafkammern schnell, effektiv und angemessen reagieren zu können.“
Ich dachte, Sie sind Jurist. Die Geschäfte in den Gerichten wer den nicht durch die Verwaltung und nicht durch die Gerichts präsidenten, sondern durch das unabhängige Gerichtspräsidi um verteilt. Wenn eine Kammer überlastet ist, Herr Eichel baum, informiert der oder die Vorsitzende das Präsidium, das dann die Geschäfte so verteilen kann, dass die Überlastung vermieden wird. Dafür braucht man kein Frühwarnsystem. Denn ob eine Kammer überlastet ist, merken die Kammermit glieder selbstständig und sofort, und sie können es dann dem Präsidium mitteilen.
Wenn ein Oberlandesgericht festgestellt hat, dass es Verfah rensfehler des Landgerichts sind, dann ist dafür nicht der Ju stizminister zuständig.
Der Justizminister ist dafür zuständig, dass die Vorausset zungen geschaffen werden, dass die Fälle abgearbeitet werden können. Das heißt, das Justizministerium muss die Rahmenbe dingungen setzen. Das Justizministerium und die Politik sind nicht für die Verfahren zuständig; das sollten Sie wissen. Wir haben eine Gewaltenteilung.
(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE - Widerspruch bei CDU und AfD - Lakenmacher [CDU]: Was machen Sie denn dann den ganzen Tag?)
Insofern ist an Ihrem Antrag überhaupt nichts, was Sinn macht. Daher denke ich, dass man sich auf dieses Niveau einer politi schen Debatte nicht begeben sollte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, man muss hier noch etwas klarstellen: Herr Minister, Sie haben gesagt, dass Sie nicht in die Unabhängig keit der Justiz eingreifen können. Das wollen wir auch gar nicht! Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes verfassungs rechtliches Gut. Sie ist aber auch nicht dazu geeignet, dass sich der Justizminister mit seiner eigenen politischen Verantwor tung dahinter verstecken kann.
Sie, Herr Minister, und nicht die Gerichte haben die Aufgabe, Gerichte und Staatsanwaltschaften gut auszustatten. Das ist ei ne Ihrer Kernaufgaben!
Das führt mich zweitens zu den Ausführungen zur Personal ausstattung. Sie sagten, die Gerichte, auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, besäßen eine auskömmliche Personalausstat tung. Herr Kollege Raschke hat das Schreiben vom ehemaligen Präsidenten des Oberlandesgerichtes, Wolfgang Kahl, zitiert. Dann wundere ich mich aber, dass der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichtes, Herr Kahl, in einem Rundschreiben vom 15. Juni 2015 ausgeführt hat, dass selbst nach PEBB§Y im ge hobenen, mittleren und einfachen Dienst eine Unterdeckung bei den Gerichten besteht. Es fehlen allein bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit an den Gerichten des Landes Brandenburg je den Tag 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist die trau rige Realität, und das haben Sie zu verantworten, Herr Justiz minister!
Erlauben Sie mir auch noch ein Wort zu PEBB§Y: PEBB§Y - das müssten Sie als Minister eigentlich wissen - ist vom An satz her schon problematisch. Es wird dadurch lediglich die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Erhebungsgeschäft und Produkt ermittelt. Nicht abgebildet werden von PEBB§Y die Anzahl von Haftfällen in den Strafkammern, personalin tensive Großverfahren, Erkrankungen, Mutterschutz und El ternzeit.
Genau deshalb fordern wir Sie auf, das abzuändern und endlich Ihre Personalreduzierungen zurückzunehmen. Der Schutz der Bevölkerung vor Gewalt- und Sexualstraftätern ist eine der wichtigsten politischen Aufgaben der Landesregierung.
Noch einmal kurz zu drei Dingen: Sie haben dankenswerter weise Herrn Kahl zitiert, der gesagt hat, gegenwärtig sei die Richterschaft auskömmlich. Das habe ich immer gesagt. Ich habe auch immer gesagt: Wenn nachgesteuert werden muss, dann werden wir nachsteuern; das haben wir auch bei den Asylverfahren und bei den Wirtschaftsstrafverfahren jetzt ge macht.
Wir haben im Jahr 2015 - um das noch einmal zusammenzufas sen, das nimmt nur niemand zur Kenntnis, jedenfalls niemand von Ihnen - 15 Richter auf Probe neu eingestellt, 21 Einstel lungen im gehobenen Dienst sowie 32 Einstellungen im mittle ren und acht im einfachen Dienst vorgenommen. Tun Sie nicht so, als hätten wir keine Richter eingestellt! Die Verfahrensdauer an den Verwaltungsgerichten war unter CDU-Justizministern doppelt so lang wie unter rot-roten Justizministern.