Protocol of the Session on November 18, 2015

Ich bin unglaublich dankbar, dass sich sehr viele Ehrenamt liche auf den Weg gemacht haben, um Deutschkurse zu organi sieren, nicht nur um Kleider und anderes zu sammeln, sondern einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Menschen bei uns an kommen. Ein hervorragendes Beispiel ist das Team „Welcome United 03“ aus Babelsberg. Das wird mittlerweile bundesweit wahrgenommen und inspiriert andere im Landessportbund, auch zu versuchen, Flüchtlinge über den Sport zu integrieren und sie Teil unserer Gesellschaft werden zu lassen. Die Kern aufgabe sind jedoch der Spracherwerb und die berufliche Inte gration.

Ich glaube, trotz der großen Zahlen, von denen wir in diesen Tagen lesen und hören, sollten wir auf dem Teppich blei ben. Der Innenminister hat angekündigt, dass dieses Jahr 36 000 Menschen zu uns flüchten bzw. geflüchtet sind. Nicht alle von ihnen werden dauerhaft bei uns bleiben, viele befinden sich schon gar nicht mehr in Brandenburg. Von diesen 36 000 Menschen werden perspektivisch, denke ich, vielleicht 10 000 bis 15 000 in Brandenburg bleiben. Darunter sind viele Kinder, die in Kita und Schule relativ schnell zu integrieren sind. Lassen Sie es also vielleicht 6 000 bis 8 000 Menschen sein, die in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind. Wissen Sie, wie viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigte wir in Brandenburg haben? Ich glaube, manchmal müssen wir uns das vor Augen halten. In Brandenburg haben wir derzeit 800 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Wenn wir in diesem Jahr also 6 000 bis 8 000 zu uns gekommene Flücht linge in den Arbeitsmarkt integrieren müssen, sprechen wir von 1 % der Sozialversicherungspflichtigen in Brandenburg. Das ist doch zu schaffen! Es ist doch wohl hinzubekommen,

(Beifall SPD, CDU, DIE LINKE, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

diesen 6 000 bis 8 000 Menschen den Deutscherwerb zu er möglichen.

Es muss doch auch möglich sein, zunächst einmal herauszufin den, welche beruflichen Qualifikationen sie mitbringen, oder ihnen notfalls neue berufliche Qualifikationen zu vermitteln. Gerade wir in Ostdeutschland haben damit gigantisch große Erfahrungen. In der Zeit der Transformation nach 1990 sind in Ostdeutschland bis zu 3 Millionen Menschen beruflich neu qualifiziert worden. Dass wir in Ostdeutschland heute eine so niedrige Arbeitslosenrate und nicht mehr eine solch hohe wie in den 90er-Jahren verzeichnen, ist auch ein Ergebnis dieser Qualifizierungspolitik. Sie sollte uns Leitschnur sein. Wir ost deutschen Bundesländer sollten unsere Erfahrungen einbringen und auf deren Grundlage den Mut haben zu sagen: Das kann gelingen. - Wir sollten diejenigen zurückweisen, die gar nicht wollen, dass es gelingt, denn die brauchen wir in Brandenburg nicht.

(Beifall SPD, CDU, DIE LINKE, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Die Diskussion um Integration hat gerade erst begonnen. Im Augenblick leisten wir noch Notfallhilfe. Wir bringen Men schen unter, die in Zügen in Schönefeld ankommen, dann in die Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht und schließlich den Kommunen zugeteilt werden. Aus diesem Modus der Notfall hilfe müssen wir möglichst schnell herauskommen und Men schen, von denen wir wissen, dass sie dauerhafte Bleibeper spektiven haben, schnell integrieren, ihnen schnell Angebote machen, sie auch fordern, nicht nur fördern - das betone ich -, damit sie möglichst schnell ein Teil unserer Gesellschaft und gute Brandenburger werden, die die Werte unserer Verfassung leben. Bei all dem sollten wir immer Artikel 1 unseres Grund gesetzes in Erinnerung haben:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Ich hoffe, dass die heutige Debatte und alle Wortbeiträge die sem Gedanken folgen.

(Anhaltender Beifall SPD, CDU, DIE LINKE, B90/ GRÜNE)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun der Abgeordnete Senftleben für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir haben, glaube ich, gut daran getan, dass wir zu Beginn der Sitzung in Trauer an die Opfer und Angehö rigen der Anschläge in Paris erinnert und ihrer gedacht haben. Am gestrigen Abend ist in Hannover klar geworden, dass sich in Deutschland auch jederzeit Dinge dieser Art ereignen kön nen. Es geht darum, die Menschen nicht zu verunsichern, son dern ihnen in einer Zeit, in der andere uns verunsichern wollen, Halt zu geben.

Ich mache deutlich, dass die Anschläge von Paris am 13.11.2015 eine Fortsetzung der Anschläge vom 7. Januar die ses Jahres waren. Wie in der Öffentlichkeit sprechen wir auch zu Hause in unseren Familien und mit unseren Kindern darü ber. Es ist klar, dass wir bei aller Trauer die Verantwortung ha ben zu sagen, dass wir für unsere Werte und Überzeugungen einstehen müssen.

Ich erinnere daran, dass es in der letzten Woche nicht nur in Paris Anschläge gab, sondern auch in Beirut und Bagdad. Ende Oktober kam es zu einem Flugzeugabsturz, der, wie jetzt be kannt wurde, durch ein Attentat verursacht wurde. Dabei gab es weitere über 200 Todesopfer. Ihnen allen gegenüber haben wir die Verantwortung, zu sagen, dass unsere Werte Freiheit, Toleranz und Vielfalt nicht geopfert werden dürfen und wir auch nicht nach solch schrecklichen Ereignissen den Glauben an diese Werte verlieren dürfen, gerade nicht im freien Europa 2015.

(Allgemeiner Beifall)

Ich sage ganz deutlich, dass ich hoffe, dass die freie Weltge meinschaft trotz aller Herausforderungen auf diese Bedrohung besonnen reagiert und wir schon gar nicht der Versuchung er liegen, mit den gleichen Waffen und den gleichen Methoden -

nur auf andere Art und Weise - zu antworten. Ich finde auch, wir sollten hier nicht von Krieg, sondern von Bedrohung durch den Terrorismus sprechen und entsprechend damit umgehen. Ich hoffe auch, dass wir nach den letzten Monaten der offen sichtlich inneren Distanzierung in Europa, als es um die Flüchtlingsdebatte ging, dazu übergehen, ein Europa der Soli darität zu üben und die Werte Europas statt Nationalinteressen in den Mittelpunkt zu stellen, weil dieser Ansatz Europa nicht gestärkt, sondern eher geschwächt hat. Stark ist Europa dann, wenn wir gemeinsam daran arbeiten.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Folgendes ist klar - Klaus Ness hat es soeben gesagt -: Die An schläge von Paris haben gezeigt, wovor die zu uns kommenden Menschen flüchten. In Paris hat sich der Terror an einem Tag gezeigt - die geflüchteten Menschen kennen Ereignisse, wie sie am vergangenen Freitag in Paris stattgefunden haben, seit Jah ren. Das gilt nicht nur für Menschen aus Syrien, sondern auch aus vielen Gebieten im Nahen Osten. Deswegen erinnere ich heute daran, was der Friedenspreisträger Navid Kermani vor wenigen Tagen in Frankfurt am Main so treffend gesagt hat, dass ich es hier im Landtag wiederholen möchte:

„Wer vergessen hat, warum es Europa braucht, muss in die ausgemergelten, erschöpften, verängstigten Gesichter der Flüchtlinge blicken, die alles hinter sich gelassen, al les aufgegeben, ihr Leben riskiert haben für die Verhei ßung, die Europa immer noch ist.... Ebenso zeigen die Flüchtlingsströme an, wo sich viele Muslime ein besseres Leben erhoffen als in ihrer Heimat: jedenfalls nicht in re ligiösen Diktaturen.“

Meine Damen und Herren, es ist unsere Verantwortung - ich lade jeden herzlich dazu ein -, auf unsere Art und Weise zu be tonen, dass es in der öffentlichen Debatte keine Verbindung zwischen den Flüchtlingen mit muslimischem Glauben und de nen, die Terror üben wollen, geben darf. Meine Damen und Herren, diese Verbindung gibt es nicht und dürfen wir auch nicht herstellen.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Es ist klar, dass wir in den letzten Wochen, Monaten und Jah ren die christlichen Werte Nächstenliebe und Barmherzigkeit gelebt haben. Dazu gehört, dass wir Schutz bieten. Der Schutz definiert sich über das Grundgesetz und die UN-Flüchtlings konvention. Solange diese Konvention und dieses Gesetz gel ten, gelten sie für jeden einzelnen Menschen - nicht nach ir gendwelchen Zahlen definiert, sondern nach dem Menschen recht, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Wir haben - das betrifft Gespräche, die wir innerhalb unserer Partei, unseres Bundeslandes und deutschlandweit führen - ein großes Herz, brauchen aber auch einen wachen Verstand. Inte gration gelingt nicht, wenn wir allein handeln. Für nicht gelun gene und leider auch gescheiterte Integration gibt es Beispiele in Deutschland und Europa. Parallelgesellschaften dürfen kei ne Alternative sein, sondern müssen aus unserer Sicht aufge löst werden.

Es ist klar, dass die Integration, je mehr Menschen innerhalb kurzer Zeit zu uns kommen, umso schwieriger wird. Ich bin seit 1999 im Landtag und habe Jahre erlebt, in denen wir uns darüber geärgert haben, dass Menschen unser Land verlassen, wir nur noch halb so große Dörfer haben und Häuser und Plat tenbauten abgerissen werden müssen. Jetzt kommen Menschen zu uns, die vielleicht mit uns gemeinsam ein neues Leben auf bauen wollen. Die sind genauso willkommen wie die, die schon vorher die deutsche Sprache gesprochen haben, meine Damen und Herren. Brandenburg kann an dieser Herausforde rung wachsen - auch mit den Menschen, die zu uns kommen - und muss nicht daran scheitern.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Ich habe die Gesetze und rechtlichen Zusammenhänge ange sprochen. Bei aller persönlichen Betroffenheit wird klar, dass man zwischen denen, die zu uns kommen und bleiben können, und denen, die nicht bleiben können, differenzieren muss. Ich weiß aus Einzelgesprächen mit Mitarbeitern, die für die Rück führung verantwortlich sind, dass es im Einzelfall nie um eine Zahl geht, sondern immer ein individuelles Schicksal dahinter steht und manchmal sehr traurige Dinge geschehen.

Trotzdem müssen wir Gesetze umsetzen und werden bei aller Diskussion um die Integration mit dem eingebrachten Antrag deutlich machen, dass wir in Brandenburg konsequenter ab schieben müssen, um die Hilfe auf diejenigen zu konzentrie ren, die hierbleiben können und werden. Meine Damen und Herren, auch das gehört zur Wahrheit in einem Rechtsstaat wie Deutschland.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Das Asylpaket von CDU/CSU und SPD ist die Grundlage des von uns mit eingebrachten Antrags. Ich glaube, dass wir damit entsprechend umgehen sollten.

Um auf das Thema Integration zurückzukommen: Integration setzt immer den Willen in der Gesellschaft und in der Politik voraus. Deswegen haben wir als CDU-Fraktion eine entspre chende Initiative ins Leben gerufen: Wir wollen, wir brauchen ein eigenes Integrationsgesetz für Brandenburg. Wir brauchen es, um zu bestimmen, welche Rechte und Pflichten diejenigen haben, die zu uns kommen, und nach welchen Grundsätzen In tegration gelingen kann. Zwei Grundsätze lauten: Fordern und Fördern. Meine Damen und Herren, auch das gehört zur Wahr heit: Wenn Integration gelingen soll, müssen Fördern und For dern parallel laufen.

Deshalb fordern wir in dem von uns vorgelegten Papier ganz klar von jedem Menschen, der zu uns kommt, dass er sich per Integrationsvereinbarung zur Leitkultur Europas, Deutschlands und Brandenburgs, die ich vorhin angesprochen habe und für die wir eintreten, bekennt, meine Damen und Herren.

Wir fordern von jedem Migranten die Bereitschaft, unsere Sprache zu erlernen; denn ohne Sprache ist keine Verständi gung und somit auch keine Integration möglich. Das müssen wir verlangen dürfen.

Wir verlangen ganz klar, dass das, was in Deutschland prakti ziert wird, nämlich die Trennung von Kirche und Staat und

dass das Gewaltmonopol ausschließlich und eindeutig beim Staat liegt, von allen anderen Religionsgemeinschaften aner kannt wird.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE, AfD sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Auf der anderen Seite bieten wir konkrete Maßnahmen wie Willkommensklassen und Sprachlernklassen an, damit sich Kinder und Jugendliche in Kindertagesstätten bzw. Schulen in tegrieren können. Wir bieten an - das ist auch schon gesagt worden -, dass diejenigen, die eine Ausbildung suchen, diese finden, diejenigen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden können, hier einen Arbeitsplatz finden können und ihre Quali fikationen anerkannt werden. Wir werden Möglichkeiten der Weiterentwicklung und Qualifizierung schaffen. Wir sollten die Teilhabe an der Gesellschaft in Mitspracheforen, in ent sprechenden Vertretungen anbieten; auch hier müssen wir die Migranten stärker einbinden.

Brandenburg hatte in den letzten 25 Jahren viele Dinge zu mei stern. Die Anzahl der Menschen mit Migrationshintergrund in Brandenburg verdeutlicht, dass wir keine großen Erfahrungen im Bereich der Integration haben. 2 bis 3 % sind nichts im Ver gleich zu der Zahl an Menschen mit ausländischen Wurzeln, die in den nächsten Jahren bei uns in Brandenburg leben wer den.

Ich bin der Auffassung, dass sich die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in den letzten Wochen und Monaten manchmal vor konsequenten Entscheidungen ein wenig ge drückt haben. Auch das gehört zur Wahrheit. Ich erinnere nur daran, dass Sie für Brandenburg kein gutes Bild abgaben, als Sie sich im Vorfeld der wichtigen Abstimmung zum Asylpaket ein Hin und Her zwischen Ja, Nein und Enthaltung geliefert haben. Das wird der Verantwortung für Integration nicht ge recht. Hier hätte es eines klaren Votums der Regierung bedurft, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Auch die Diskussion bzw. das Hin und Her beim Landesauf nahmegesetz, das für die Unterbringung und die weitere Be treuung der Flüchtlinge von Bedeutung ist, ist kein gutes Bei spiel dafür, wie man Integration gemeinsam gestalten kann. Deshalb fordert die CDU-Fraktion einen Katalog mit Integrati onsmaßnahmen des Landes Brandenburg. Hier ist zuallererst die Regierung in der Pflicht zu liefern. Wir finden, da ist noch nicht genug geliefert worden. Wir erwarten, dass Sie Ihre Pflicht wahrnehmen, Dinge 1:1 anpacken und umsetzen.

Ich habe sehr gespannt den Leitantrag für den SPD-Parteitag am kommenden Wochenende gelesen. Da wird mit markigen Worten beispielsweise darauf hingewiesen, dass kein Asyl ge währt wird, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen und die Betroffenen dann zügig in die Heimat zurückgeführt werden müssen. Das liest sich alles ganz gut. Der Punkt ist nur, dass die Unterschiede zwischen SPD und Linke in dieser Frage durch diese Entscheidung noch fester zementiert werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, es ist ein Riesenproblem für Brandenburg, dass es in der Koalition beim Thema Asylpolitik und Integration offensichtlich keine Einigkeit gibt.

(Bischoff [SPD]: Quatsch!)

Das ist keine gute Basis für Brandenburg und für die Flücht linge, die nach Brandenburg gekommen sind, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Meine Damen und Herren, Deutschland und Brandenburg ha ben in den letzten Wochen und Monaten geholfen, ein freund liches Gesicht gezeigt, und man konnte auf eine große Hilfsbe reitschaft bauen. Wir alle wissen, dass wir es ohne die Zivilge sellschaft nicht geschafft hätten. Der Beamtenapparat schien manchmal ein wenig überfordert, die Politik präsentierte sich schlecht bzw. nicht so, wie es sein sollte. Wir hätten es ohne die Zivilgesellschaft nicht geschafft. Deswegen mein herz licher Dank - ich glaube, im Namen aller, die dafür stehen - an diejenigen, die in den letzten Wochen und Monaten Großar tiges geleistet haben.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie vereinzelt AfD)

Es gilt, dass die Politik wieder besser liefern muss. Dazu ge hört aus unserer Sicht ein eigenes Brandenburger Integrations gesetz. Wir sind bereit, mit Ihnen gemeinsam daran zu arbei ten. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Nonnemacher und Vogel [B90/GRÜNE])

Vielen Dank. - Wir setzen die Debatte fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Christoffers für die Fraktion DIE LINKE.