Protocol of the Session on February 27, 2013

(Herr Bretz sitzt auf dem Platz des Fraktionsvorsitzenden.)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bretz, ich stelle mit großem Interesse fest, dass Sie schon ein bisschen Fraktionsvorsitz üben.

(Beifall B90/GRÜNE - Heiterkeit bei der SPD)

Vielleicht könnten Sie auch, was Disziplinfragen angeht, mal mit gutem Beispiel vorangehen.

(Heiterkeit und Beifall B90/GRÜNE und SPD)

Ende März erklärte unsere Bundeskanzlerin bei einer Rede anlässlich ihrer Teilnahme an einem Empfang in der Hansestadt Salzwedel, dass ihr die Mehrgenerationenhäuser ein Herzensanliegen seien.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Auch der GroKo-Koalitionsvertrag verspricht, die Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser zu verstetigen und gemeinsam mit Ländern und Kommunen zu prüfen, wie die Mehrgenerationenhäuser möglichst in allen Kommunen etabliert bzw. erhalten werden können. Das kann ich nur unterstreichen und begrüßen, auch mir liegt der Fortbestand der Mehrgenerationenhäuser sehr am Herzen - in Brandenburg und in den übrigen Teilen Deutschlands.

Mehrgenerationenhäuser sind wichtig, denn sie erfüllen das Miteinander der Generationen mit Leben. Mit zwei Aktionsprogrammen wurden seit 2006 über 500 Generationenhäuser gefördert. Wir in Brandenburg haben 23, die praktisch als ein „offenes Wohnzimmer“, als Anlaufstellen für Familien, für Alt und Jung, Ausländer und Ausländerinnen, Arbeitsuchende, kurz: als ein „Dach des sozialen Miteinanders“ in Brandenburger Kommunen wirken.

Die Arbeit der Mehrgenerationenhäuser wird geschätzt, doch die auslaufende Finanzierung Ende 2014 bringt sie sehr in die Bredouille. Die Zukunft der Mehrgenerationenhäuser ist unsicher.

Nach unserem Fachgespräch zur Situation der Mehrgenerationenhäuser im Sozialausschuss hatte ich den Eindruck, die Verantwortlichen warten dringend auf Signale von uns. Sie haben ihre Angebote in den vergangenen Jahren ausgebaut und viel Kreativität und Phantasie an den Tag gelegt sowie auch eine robuste Bereitschaft zur Selbstausbeutung. Da ist vieles sehr unterfinanziert und sehr, sehr viel Engagement mit am Netz. Aber die Trägervereine und die Koordinierungsstellen hängen in der Luft.

Eine Finanzierungsbeteiligung hatte die Landesregierung bisher aus haushalterischen Gründen immer abgelehnt. Die Mehrgenerationenhäuser brauchen aber eine verlässliche Perspektive!

Im Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, gemeinsam mit Kommunen und Landkreisen für den Erhalt und die qualifizierte Weiterentwicklung der Mehrgenerationenhäuser zu sorgen. Das unterstützen wir. Denn es besteht die Gefahr, dass durch das Auslaufen der Bundesförderung die entstehenden Finanzierungslücken dazu führen, dass mehrere Generationenhäuser in den Kommunen geschlossen werden. Genauso unterstützenswert finde ich die Forderung, die Träger der Familienbildung in die Arbeit der Generationenhäuser einzubinden ebenso wie Freiwilligenagenturen und die Jobcenter.

Zusammen mit der erklärten Herzensangelegenheit der Bundeskanzlerin und dem erklärten Willen der Großen Koalition im Koalitionsvertrag sollte es uns doch allen möglich sein, ein „Dach des sozialen Miteinanders“ in Brandenburg am Leben zu erhalten.

Frau Lehmann hatte die Begründung des Antrags ja schon fast vollständig geliefert. Vielleicht lässt sich wirklich über überbrückende Hilfsmaßnahmen nachdenken. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir setzen mit dem Beitrag des fraktionslosen Abgeordneten Dr. Hoffmann fort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Abstimmung werde ich mich enthalten, meine jedoch, dass dieses Thema immer wieder neu auf die Tagesordnung des Landtages Brandenburg gehört. Wenn der Landtag mit diesem Tagesordnungspunkt die mühselige und dennoch erfolgreiche Arbeit der Mehrgenerationenhäuser im Land würdigen möchte, dann ist das sehr zu begrüßen.

Ich selbst bin seit Jahren neben Bürgermeister Thomas Zenker einer der beiden Paten des Mehrgenerationenhauses „Ilse“ in Großräschen. Ich kenne auch das Mehrgenerationenhaus in Lauchhammer recht gut, weiß also, worüber ich rede.

An einigen Orten kam das 2006 vom Bund auf den Weg gebrachte Projekt der Mehrgenerationenhäuser zuerst nicht recht zum Laufen. Das hatte aber durchaus auch positive Gründe; denn hier half nicht, wenn man, wie oft, besonders schlau bei der Antragstellung sein wollte. Neue Ideen waren also auch von den lokalen Akteuren gefragt. Hier war ein Konzept auf den Weg gebracht, das mit einem sehr modernen Ansatz wirkliche Probleme angehen wollte: die demografischen Herausforderungen, die Konflikte in sozialen Brennpunkten aufgrund hoher Arbeitslosigkeit, Vereinsamung bei älteren Menschen, Langeweile bei Kindern und Jugendlichen und schließlich einerseits die große Bereitschaft, ehrenamtlich Gutes tun zu wollen, andererseits auf Strukturen zu treffen, die zu dieser Bereitschaft nicht immer passen. So manch kreativer und engagierter Mensch wurde doch schon durch den Projektantragsdschungel und die Selbstverwaltung seiner prekären Beschäftigung verschlissen. Deshalb möchte ich neben all dem Positiven, was heute bereits über die Mehrgenerationenhäuser gesagt wurde, noch einmal betonen, dass es mit diesem Aktionsprogramm gelungen ist, die konzeptionellen und strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, um Ehrenamtlichen einen Ankerplatz zu bieten. Gemessen an den Ergebnissen waren die eingesetzten finanziellen Mittel sehr niedrig. Natürlich ist damit auf der einen Seite der Tendenz zur Selbstausbeutung Vorschub geleistet. Aber die Nutzer der Mehrgenerationenhäuser, ganze Stadtteile bzw. Orte, hatten auf der anderen Seite einen nicht zu übersehenden Nutzen.

Trotzdem muss ja einiges in Ordnung gebracht werden. In Großräschen zum Beispiel wird eine Kollegin nicht mehr gefördert, sie arbeitet jedoch weiter. „Ich kann doch die Kinder nicht im Stich lassen, wo es doch endlich gelungen ist, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen“, sagt sie. Das ist ein ernstes Problem. Langfristigkeit bedeutet, dass langfristig planbare feste bzw. geförderte Stellen bereitgestellt werden müssen.

Drei weitere Probleme wurden deutlich, als im Jahr 2012 neue Aufgaben für die Mehrgenerationenhäuser dazukamen. Zuerst das nur zu oft Übliche: mehr Aufgaben, dafür weniger Geld und dann noch Aufgaben, die besser von mit Fachkräften ausgestatteten professionellen Einrichtungen übernommen werden sollten. Ich verstehe wirklich nicht, warum zum Beispiel Altenpflege oder integrative Bildung im Ehrenamt geleistet werden sollte, wie es zuerst geplant war. Das klappt ja manchmal sogar, weil sich sehr qualifizierte und engagierte Menschen in den Mehrgenerationenhäusern für diese Arbeit finden.

Es geht trotzdem nicht, weil diese schwere Arbeit auch durch entsprechende Vergütung anerkannt werden muss und nicht zu

gelassen werden darf, dass Mehrgenerationenhäuser zur Billigkonkurrenz professioneller Einrichtungen werden.

Schließlich gibt es die immer wieder anzutreffende Vorstellung, dass solche Projekte mit einer Anschubfinanzierung auf einen marktkonformen Weg gebracht werden können, um sich später selbst zu tragen. Deshalb klingt der Satz in dem Antrag, wo es um das planmäßige Auslaufen des Bundesaktionsprogramms geht, in meinen Ohren auch nicht gut. Als das Aktionsprogramm II im Jahre 2012 begann - also weniger Mittel vom Bund zur Verfügung gestellt wurden, dafür neue Aufgaben hinzukamen -, hatten die Bayern überlegt, ob sie die Mehrgenerationenhäuser nicht besser gleich in Landesverantwortung nehmen sollten. Eigentlich noch konsequenter war der Landkreis Dahme-Spreewald, soweit ich weiß, mit insgesamt sieben Mehrgenerationenhäusern - zwei vom Bund gefördert, drei mit einer Förderung durch den Landkreis in Höhe von jährlich 120 000 Euro und zwei weiteren, die ebenfalls vom Kreis mit je 20 000 Euro gefördert werden. Der Kreis wertet diese Ausgabe ausdrücklich als Investition.

Wenn wir die Mehrgenerationenhäuser auf Landesebene fördern wollen, weil sie gute Arbeit leisten, wichtig für die Gäste und die dort Tätigen sind, müssen wir uns auf Landesebene die Frage gefallen lassen, warum wir nicht allen Landkreisen das Dahme-Spreewald-Modell empfehlen können.

(Frau Lehmann [SPD]: Empfehlen können wir es ja!)

Da geht Ihr Antrag in die richtige Richtung.

Und auch das, was Frau Schier in Präzision des Antrags in ihrer Rede gesagt hat, ist, glaube ich, ein richtiger Ansatz. Aber, werte Antragsteller, die Finanzierungslücke wird doch nicht durch das planmäßige Auslaufen der Bundesförderung geschlossen, sondern verstärkt sich dadurch erheblich. Mit einem Gesellschaftsmodell, das die Demokratie marktkonform gestalten will, wird es hier keine Lösung geben.

Die Alternative zu dieser Merkel-Idee finden Sie noch immer im Programm der Linken, unter dem Punkt „Soziales“. - Danke.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Baaske, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt haben schon sechs Redner gesagt, wie gut wir mit unseren Mehrgenerationenhäusern sind. Ich gebe ihnen Recht: Wir sind gut aufgestellt, was die Mehrgenerationenhäuser angeht. Man sieht vor Ort, dass da sehr viel Kreativität waltet, dass die Kolleginnen und Kollegen, die dort arbeiten, sich unterschiedlichste Konzepte angeschaut haben. Sie wirken im Bereich Bildung, aber auch in den Bereichen Integration, aktives Altern, Pflege. Das sind die vier Headlines, die man auch dem Fachgespräch entnehmen konnte, die also die Bereiche bezeichnen, in denen die meisten Mehrgenerationenhäuser aktiv sind. Das tun sie auf hervorragende Art und Weise, und ich glaube, dass sie das auch in nächster Zeit noch tun werden.

Wir wissen, dass die Rahmenbedingungen der einzelnen Häuser in der Vergangenheit sehr unterschiedlich waren und nach wie vor sind. Ich finde es generell toll, was da in den letzten Jahren geleistet wurde.

Jetzt zu dem CDU-Antrag und dazu, warum wir ihm nicht zustimmen werden.

(Büttner [FDP]: Wir waren auch dabei!)

- Ach, Herr Büttner, Entschuldigung, Sie ja auch! Es ist ein FDP/CDU-Antrag.

Sie fordern eine Zusammenarbeit zwischen uns, der Landesregierung, den Kommunen und den Mehrgenerationenhäusern. Herrje! Ich habe das Fachgespräch schon so wahrgenommen, dass diese Zusammenarbeit durchaus gegeben ist: mit der Regierungsebene, zwischen den Landkreisen, den kreisfreien Städten, den Kommunen, aber auch den Mehrgenerationenhäusern untereinander. Die Bürgermeister sind dauernd dort und auch ich als Sozialminister bin permanent in Mehrgenerationenhäusern unterwegs. Ich finde, dass diese Zusammenarbeit außerordentlich gut klappt.

Aber generell muss ich sagen: Angesichts der unterschiedlichsten Konzeptionen, die die Mehrgenerationenhäuser haben, wird es keinen Königsweg geben. Und das Problem werden wir auch nicht mit Geld erschlagen können, wenn es bei dem einen oder anderen einmal Probleme mit der Fortführung gibt.

Ich kann nur sagen: Wenn wir - um ein Beispiel zu bringen daran denken, Einrichtungen zu erweitern, Einrichtungen anzusiedeln - Klammer auf: Pflegestützpunkt -, denken wir gleichwohl an die Mehrgenerationenhäuser und meinen: Wenn man das vor Ort etabliert, warum denn nicht dort? Oder wenn wir bestimmte andere Einrichtungen neu etablieren wollen, die auch hier hineinpassen könnten, kann ich mir das denken. Aber am Ende ist es immer eine Entscheidung der Träger vor Ort, ob sie das wollen oder nicht.

Sie sagen zum Beispiel Familienbildung. Glasklar gesagt: Träger der Familienbildung in diesem Land ist nach wie vor die Kommune, sprich der örtliche Träger der Jugendhilfe. Das machen die auf hervorragende Art und Weise.

(Vereinzelt Unruhe)

- Gut, die einen besser, die anderen nicht ganz so gut, alles richtig. Aber warum sollten wir nicht sozusagen die Gespräche mit den Mehrgenerationenhäusern über Familienbildung führen? Das sollte bitteschön vor Ort zwischen dem örtlichen Träger der Jugendhilfe und den jeweiligen Mehrgenerationenhäusern passieren, dass also das Jugendamt quasi seine Aufträge auch in das Mehrgenerationenhaus hineinträgt und sagt: Dort wird die Leistung entsprechend erbracht.

Zur Finanzierung: Ich fand es schon drollig, dass hier eine Abgeordnete der Linken Frau Schier vorliest, was in unserem gemeinsamen, auf Bundesebene beschlossenen Koalitionsvertrag steht. Das fand ich schon verschärft.

(Lachen der Abgeordneten Lehmann [SPD] - Frau Mäch- tig [DIE LINKE]: Das war toll!)

Das haben wir so beschlossen, das ist so vereinbart: „Das erfolgreiche Konzept der Mehrgenerationenhäuser werden wir weiterentwickeln und deren Finanzierung verstetigen.“ Herrje! Ich verstehe das so, dass diese Finanzierung weiterlaufen wird.

(Frau Lehmann [SPD]: Ja!)

Ich weiß, dass meine Kollegin Schwesig Herrn Schäuble einen Deckungsvorschlag und die Möglichkeit der Fortfinanzierung hereingereicht hat. Wenn Sie jetzt sagen, die Finanzierung laufe aus, wissen Sie offensichtlich mehr von Herrn Schäuble als ich von Frau Schwesig. Soweit ich weiß, kommen da 16 Millionen. Die Verstetigung über zwei Jahre - so ist es im Koalitionsvertrag festgehalten - wird kommen. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, warum wir jetzt, sozusagen im vorauseilenden Gehorsam, Dinge machen sollten, die Herrn Schäuble nur dazu veranlassen könnten, zu sagen: Okay, Frau Schwesig hat mir zwar einen Deckungsvorschlag eingereicht, aber die Millionen behalte ich mal, das braucht es ja nun nicht mehr, denn die Länder machen das jetzt. - Davor warne ich, das sollten wir gefälligst nicht tun.

Ich denke, dass wir zu gegebener Zeit auch noch einmal über die Mehrgenerationenhäuser reden sollten, nämlich dann - so steht es auch im Koalitionsvertrag -, wenn der Bund auf uns zukommt und uns fragt, was wir zusammen mit dem Bund und den Kommunen im Zusammenhang mit den Mehrgenerationenhäusern leisten könnten. Aber es geht nicht, hier vorauseilend zu sagen: Bund zieh‘ dich zurück - wir ersetzen das Geld! - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Wir sind am Ende der Aussprache angelangt, weil die FDP nicht noch einmal reden möchte, und kommen zur Abstimmung. Es liegt der Antrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion mit dem Titel „Die Arbeit der Mehrgenerationenhäuser im Land Brandenburg stärken“ auf Drucksache 5/9233 zur Abstimmung vor. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

(Genilke [CDU]: Was? Wie unsozial!)