Protocol of the Session on June 26, 2014

(Beifall B90/GRÜNE)

Der Versuch, den Status quo einzuzementieren, schiebt diesen strukturellen Wandel bestenfalls noch einige Jahre auf, macht ihn aber bei rückläufigen Fördermitteln der EU nur noch schwieriger und verunmöglicht ihn eventuell sogar.

Die Lage in der Bergbauregion ist ernst. Das Prognos-Institut erstellt nicht nur Gutachten im Auftrag von Vattenfall, sondern es erstellt auch unabhängig von Vattenfall regelmäßig einen

Zukunftsatlas, der die Zukunftschancen deutscher Regionen miteinander vergleicht. In der aktuellen Ausgabe von 2013 sind der Landkreis Spree-Neiße auf Platz 394 und die Stadt Cottbus auf Platz 346 von insgesamt 402 Landkreisen und kreisfreien Städten angegeben. Das ist genau die Region, in der sich die aktiven Tagebaue und Kraftwerke Brandenburgs befinden.

Demnach kann der positive Effekt, den die Wertschöpfung aus der Braunkohle bewirkt, nicht so groß sein, ganz im Gegenteil. Ich sage: Die Region ist nicht trotz, sondern wegen der Braunkohle auf den aussichtslosen Plätzen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Auch klassische Indikatoren für Wirtschaftsentwicklung und Lebensqualität sprechen eine eindeutige Sprache. Cottbus und Spree-Neiße haben keine geringere Abwanderung, kein signifikant höheres Durchschnittseinkommen und auch keine geringere Verschuldung der Kommunen als der Brandenburger Durchschnitt, sondern umgekehrt wird ein Schuh daraus: Cottbus hat die höchste Verschuldung, Spree-Neiße hat die gravierendsten Abwanderungsverluste in Brandenburg und seit 1990 ein Fünftel seiner Einwohner verloren. Spree-Neiße hat den höchsten Seniorenanteil und das höchste Durchschnittsalter in Brandenburg.

Es drängt sich auf: Die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Braunkohle wird von der Landesregierung in öffentlichen Verlautbarungen systematisch überschätzt. Aber an dieses Ergebnis knüpft dann die Folgefrage nach der Zukunft der Region an. Da frage ich einmal ganz einfach: Ist das Festklammern an der Kohle vielleicht nur ein Anzeichen dafür, dass die Angst vor dem Verlust des mächtigsten Arbeitgebers in der Lausitz vor Ort größer ist als das Vertrauen in die Politik der Landesregierung, den unausweichlichen Strukturwandel tatsächlich gestalten zu können und - ich füge hinzu - gestalten zu wollen?

(Beifall B90/GRÜNE)

Bis heute hat die Landesregierung keinen Plan B für die Lausitz. Sie setzt darauf, dass Plan A, „weitestgehend ungehinderte Förderung und Verstromung von Braunkohle“, sich noch Jahrzehnte fortführen lassen wird. Das ist ein Irrtum. Deswegen sagen wir auch: Es fehlt ein realistisches Konzept, und am Ende bleibt es bei Lippenbekenntnissen von einer blühenden Landschaft oder einer angeblich blühenden Zukunft. Aber wer will denn schon in einer durch Tagebau zerstörten Landschaft leben, zumal wenn die Auskohlung der Flöze danach keine Arbeit mehr bringt? Zurzeit arbeitet noch eine von Jahr zu Jahr schrumpfende Zahl von Menschen entweder an der Zerstörung der Region mit, oder sie profitieren von denen, die an der Ausbeutung der Braunkohlevorräte verdienen. In dieser Landschaft haben dann verständlicherweise viele die Befürchtung, dass nach dem Ende der Tagebaue nichts mehr kommt.

Mit der Antwort auf Frage 17 möchte die Landesregierung ein Horrorszenario an die Wand malen, dass ohne neue Tagebaue ab 2026 „sämtliche Braunkohlenkraftwerke bzw. Heizkraftwerke im Land ihre Energieproduktion einstellen müssen“. Dieses Szenario hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, übrigens ein Gutachten im Auftrag des Umweltministeriums, längst widerlegt. Wenn Jänschwalde zum Ende der technischen Lebensdauer 2023 schrittweise stillgelegt wird, kann Schwarze Pumpe noch lange über das Jahr 2030 hinaus mit Kohle aus

Welzow versorgt werden, theoretisch bis 2042. Da wollen und sollten wir aber die Versorgung längst auf erneuerbare Energien umgestellt haben.

Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage hat uns gezeigt, dass die Landesregierung kein Konzept hat, wie es anders weitergehen kann, dass sie aus Furcht vor einer schwierigen Veränderung der wirtschaftlichen Situation und der wirtschaftlichen Strukturen in der Lausitzer Braunkohlenregion die Parole „Weiter so!“ ausgegeben hat und das dann auch noch als Sicherung der Zukunftsfähigkeit für die Region verkaufen will. Das Gegenteil ist der Fall. Sie scheinen blind für die Chancen geworden zu sein, die sich aus dem allgemeinen Strukturwandel und nicht nur aus der Energiewende für die Lausitz ergeben können.

Dieser Kopflosigkeit stellen wir unsere Alternative eines gesteuerten und von der Landesregierung begleiteten Auslaufens der Braunkohlenförderung bis 2030 entgegen. Wir wollen die Erarbeitung eines alternativen Entwicklungskonzepts für die Lausitz vor Ort, also von unten, nicht von oben, mit Unterstützung der Landesregierung. Wir wollen auch die Einbeziehung und die Aufwertung der BTU, also der Universität in Cottbus und Senftenberg, in diesem Prozess.

Der vorliegende Entschließungsantrag ist nicht die reine grüne Lehre, da wir Grünen die Genehmigung und den Aufschluss neuer Tagebaue vollständig ablehnen. Indem wir mit diesem Antrag nur ein Moratorium mit anschließender Überprüfung fordern, wollen wir auch denjenigen unter Ihnen die Zustimmung ermöglichen, die immer noch ein Faible für die Braunkohle haben. Es geht nicht um einen Ausstieg aus dem Klimakiller Braunkohle von jetzt auf gleich, sondern um einen Ausstieg Schritt für Schritt bis 2030. Es geht darum, die Lebensqualität in der Lausitz zu verbessern und Jobs in neuen Industrien zu schaffen. Weniger Feinstaub in der Luft, weniger freigesetztes Quecksilber im Boden und weniger Eisenocker im Grundwasser und in der Spree werden zwar nicht von einen Tag auf den anderen Realität werden, doch langfristig wird sich die Umwelt auch regenerieren können, so hoffen wir es zumindest. Eine Wende zu mehr Wohlstand und weniger Umweltzerstörung, zu mehr Beschäftigung ist auch in der Lausitz machbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie die Gelegenheit nicht verstreichen und stimmen Sie für unseren Antrag. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Die Abgeordnete Hackenschmidt setzt die Aussprache für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Vogel, ich bin schon erstaunt, wenn Sie sagen, diese Landesregierung habe kein Konzept. Mit der Energiestrategie 2030 liegt ein Konzept vor. Ideen und strategische Maßnahmen zum Thema Braunkohle sind auch enthalten. Ich weiß nicht, wo Sie dann unterwegs sind.

Sie sagen: Wir brauchen mehr von der BTU. Die BTU ist eingebunden. Wenn wir über Forschung und Entwicklung reden, dann sind wir bei diesem Thema mit dem FIB in Finsterwalde gut aufgestellt, das sich seit Jahrzehnten mit Bergbaufolgelandschaften beschäftigt und weltweit hohes Ansehen genießt. Das heißt, auch andere Nationalstaaten haben dort Projekte. Ich meine, Sie sollten vielleicht einmal dorthin fahren.

Sie sagen, wir setzten nur auf alte Energien. Ich finde, das ist auch zu kurz gegriffen. Gerade Vattenfall hat sich den neuen Energien geöffnet und betreibt Pilotprojekte. Sie malen ein Szenario, und ich als Lausitzerin habe mir das bildlich vorgestellt. Diese zerstörte Landschaft gibt es auch. Aber gerade das, was die LMBV mit den ehemaligen Tagebauen im Lausitzer Seenland geschaffen hat, ist sehenswert. Das ist die größte Landschaftsbaustelle Europas. Ich glaube schon, dass das einen Mehrwert hat, und zwar nicht nur für Brandenburg, sondern auch für Sachsen. Dass wir diese Region attraktiver gestalten und sie dann für den Tourismus nicht erst in Zukunft, sondern schon jetzt erschließen, das können Sie doch wahrlich nicht abstreiten. Mit der IBA haben wir solche Projekte zehn Jahre lang angeschoben und begleitet. Ich glaube, ohne alle diese Einsätze, auch mit Hilfe der Landesregierung, wären wir nicht da, wo wir heute sind.

Als Sie die Große Anfrage gestellt haben, habe ich nicht verstanden, warum Sie sie gestellt haben. Es erschließt sich mir aber jetzt nach Ihrem Vortrag doch. Sie versuchen, die Braunkohle zu diskreditieren.

(Widerspruch bei der Fraktion B90/GRÜNE)

Sie versuchen mithilfe dieser Anfrage nachzuweisen, dass Braunkohle nicht nur umweltschädlich ist, sondern auch keinerlei oder nur negative regionalwirtschaftliche Bedeutung hat. Dann haben Sie die Antworten der Landesregierung bekommen. Jetzt müssten Sie es also besser wissen. Die Antworten der Landesregierung machen klar, dass die Braunkohlengewinnung und -verstromung von großer Bedeutung für die Bevölkerung, die regionale und überregionale Wirtschaft der Lausitz ist. Sie ignorieren es.

Es ist nicht so, wie Sie unterstellen, dass die Braunkohle mit Milliarden gefördert werde. Ein Euro-Grab sei schon gar nichts im Vergleich zu dem vernachlässigten Pflänzchen erneuerbare Energien. Machen Sie die Augen auf, Herr Vogel! Gehen Sie in die Lausitz! Stellen Sie sich den Realitäten! Ohne Braunkohle geht es derzeit noch nicht, auch wenn Sie das heraufbeschwören. Das ist die Realität.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Hinhören!)

Aber Sie als kleine Oppositionsfraktion haben natürlich das Recht, vor dieser Realität den Kopf in den Sand zu stecken. Doch es ist noch keine Stunde her, da habe ich zu der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage zur aktuellen Energiepolitik gesprochen. Eigentlich war damit alles gesagt. Mir bleibt nur, Sie hier aufzufordern: Gehen Sie in die Lausitz, sprechen Sie mit den Menschen! Das Argument der Kaufkraft ist wichtig. Sie haben dort ordentliche Arbeit zu ordentlich bezahlten Löhnen. Sie ernähren junge Familien, nicht alte Bergleute in ihrem Kittel, sondern junge, dynamische Familien, die sich auf diese Lausitz einlassen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir dies alles nicht bagatellisieren; ich finde das schon hanebüchen.

Dann wäre es noch ganz wichtig, bei den strategischen Maßnahmen unter Punkt 4, Projekt 2, zu sehen, dass wir auch über die stoffliche Nutzung der Braunkohle nachdenken. Es gibt Forschungsprojekte. Wir sollten nicht die Augen davor verschließen, dass wir diesen Bodenschatz vielleicht auch für andere Dinge nutzen können, wenn wir ihn nicht verstromen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, gestatte ich nicht.

Das zu ignorieren halte ich für eine noch größere Schwäche. Andere Nationalstaaten machen sich bereits Gedanken über eine stoffliche Nutzung. Ich meine, Sie hinken mit Ihrer Anfrage und den Konsequenzen, die Sie daraus ziehen, doch ganz schön hinterher. - Danke.

(Beifall des Abgeordneten Richter [SPD])

Frau Schulz-Höpfner hat das Wort zu einer Kurzintervention.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin! Das kann ich so jetzt nicht einfach im Raum stehen lassen. Ich komme auch aus der Lausitz, ich wohne da seit über 50 Jahren. Ich bitte Sie, einfach zur Kenntnis zu nehmen, welche anderen Entwicklungen es gibt. Es ist eben nicht nur die wunderschöne Landschaft des Tagebaus. Sie kennen bestimmt das alte sorbische Sprichwort: „Eine wunderschöne Landschaft hat Gott geschaffen, und der Teufel hat die Kohle darunter gepackt.“ Das ist jetzt von mir frei interpretiert.

Sie müssen natürlich auch zur Kenntnis nehmen, dass wir mit sauren Seen, mit gesperrten Flächen, mit Rutschungsgefahren usw. kämpfen. Es gibt Leute, die sich so weit verstiegen haben, zu sagen, die Landschaft wäre hinterher schöner als vorher. Dazu kann ich nur sagen: Das liegt im Auge des Betrachters. Für mich ist eine gewachsene Landschaft etwas anderes als eine künstlich geschaffene Landschaft.

(Beifall B90/GRÜNE und vereinzelt DIE LINKE)

Auf einen Aspekt möchte ich Sie, Frau Kollegin, ganz dringend aufmerksam machen. Wir schaffen es im Moment in der Lausitz, die Menschen gegeneinander aufzubringen, weil wir kein großes gemeinsames Konzept für die Lausitz haben, sondern hier prallen die Interessen aufeinander, und die Landesregierung - das ist mein Eindruck - schaut einfach zu. Damit machen wir in der Lausitz jede Menge kaputt, und zwar bei den Menschen, nicht nur in der Landschaft. Hier ist eine Aufgabe der Landesregierung, es ist Aufgabe eines solchen Konzepts, nicht einfach zuzuschauen, wie Menschen hier fast schon aufeinander losgehen. Es ist ja das gute Recht zu protestieren, es ist das gute Recht, dass wir unsere Meinung und die anderen eine andere Meinung haben. Aber wenn man einer großen Übermacht gegenübersteht, kann sich ein großes Potenzial an Frust und Wut aufstauen. Ich meine, das kann es nicht sein. Sie

müssen dafür Sorge tragen, dass sich die Lausitz wirtschaftlich und auch menschlich im bürgerschaftlichen Bereich entwickeln kann. Das ist Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit den Menschen gegenüber. - Danke.

(Beifall CDU)

Gibt es das Bedürfnis, darauf zu reagieren? - Das ist nicht der Fall. Wir setzen die Beratung mit dem Beitrag des Abgeordneten Bretz für die CDU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht des heutigen Zeitbudgets nur einige wenige Aspekte: Nehmen wir uns die mahnenden Worte meiner Kollegin Monika SchulzHöpfner zu Herzen und sagen wir, dass es gerade in diesem Landtag gelungen ist, fraktionsübergreifend verschiedene Initiativen zur Zukunftssicherung der Lausitz zu starten. Ich glaube, allen Fraktionen ist die Lausitz genauso eine Herzensangelegenheit wie der Rest des Landes.

Zur Braunkohle möchte ich Ihnen allerdings sagen: Wir als CDU-Fraktion sind dezidiert der Auffassung, dass wir die Braunkohle im Land Brandenburg noch brauchen werden. Sie leistet einen absolut wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Energiepreise. Deshalb können wir auch nicht den Menschen vorauseilend versprechen, dass wir auf die Braunkohle verzichten können.

Gleichwohl ist es richtig, dass der Strukturwandel in der Lausitz auch begleitet werden muss. Wir selbst haben uns in vielfältigen Aktivitäten davon überzeugt, dass man vor Ort schon viel weiter ist, als manchmal hier der Eindruck erweckt wird. Auf diese gestalterischen Kräfte vertrauen wir. In diesem Sinne eine angenehme weitere Debatte! - Danke.

(Beifall CDU)

Danke sehr. - Der Abgeordnete Domres spricht für die Linksfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie zu erwarten war, diskutieren wir auch in der vorletzten Sitzung dieser Wahlperiode wiederholt über die Rolle der Braunkohle, diesmal auf Basis einer Antwort auf eine Große Anfrage. Begleitet wird diese Antwort von einem Entschließungsantrag der Grünen. Wenig überraschend werden hier Forderungen formuliert, die aus unserer Sicht die notwendigen Rahmenbedingungen, Risiken und Nebenwirkungen ausblenden und - mit Verlaub - auch ein etwas merkwürdiges Demokratieverständnis offenbaren.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert ein Zukunftskonzept für die Lausitzer Braunkohleregion von der Landesregierung und vor diesem Hintergrund die Beendigung der Braunkohleförderung bis spätestens 2030. Dieses Konzept soll von einem breiten Bündnis aus Unternehmen, Gewerkschaften

und gesellschaftlichen Akteuren erstellt werden. - So weit, so gut - oder auch nicht. Wen meinen Sie konkret und von welchem Bündnis sprechen Sie?

Ein Satz in Ihrem Entschließungsantrag hat mich ein bisschen irritiert. Das von Ihnen gewünschte Bündnis soll nicht nur von der Landesregierung initiiert, sondern auch beauftragt werden. Das entspricht nicht unserem Demokratieverständnis und ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, wie man unter solchen Prämissen tatsächlich Bündnispartner gewinnen will.

Unserer Meinung nach muss ein Zukunftskonzept für die Lausitz partizipativ und von unten, also von der Region selbst initiiert werden. Das Land kann bestenfalls eine Hilfestellung geben. Genau das ist bereits geschehen. Bereits im Jahr 2008 haben die Stadt Cottbus, die Landkreise Spree-Neiße, ElbeElster, Oberspreewald-Lausitz sowie Dahme-Spreewald die Kooperationsgemeinschaft Energieregion Lausitz gegründet.

(Vogel [B90/Grüne]: Für die Braunkohle!)