Es obliegt nunmehr der CDU und Ihnen, Herr Homeyer, den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zu erklären, warum Sie ein Mindestentgelt von 8,50 Euro für zu hoch halten. Warum werden in Schleswig-Holstein 9,18 Euro und in Berlin 8,50 Euro gezahlt? Was ist denn in diesen beiden Bundesländern anders als in Brandenburg?
Haben nicht die Brandenburgerinnen und Brandenburger auch einen Anspruch auf existenzsichernde Löhne und fair bezahlte Arbeit? Die Linke sagt Ja.
Gerne gebe ich zu: Dass ein Mindestlohn in Deutschland endlich überhaupt Realität ist - darauf sind wir Linke auch ein bisschen stolz. Nicht nur die Brandenburger Linke hat dazu einen erheblichen Beitrag geleistet. Aber das, was jetzt im Bund vorgelegt worden ist, dass die unter 18-Jährigen und die Auszubildenden ausgenommen werden sollen, dass der Mindestlohn real erst 2017 kommt und auch noch die Langzeitarbeitslosen generell ausgenommen werden, womit quasi eine Niedriglohnreserve geschaffen wird, das alles entspricht nicht unseren Vorstellungen von einem flächendeckenden Mindestlohn.
Damit komme ich konkret zum Evaluierungsbericht, den Sie logischerweise ausschließlich aus kritischer Sicht gelesen haben. Ich habe in diesem Bericht einige andere Aspekte gefunden. Der Bericht bietet eine gute Grundlage, um unser Vergabegesetz hinsichtlich seiner Anwendung und Umsetzung weiter auszugestalten. Vieles hat der Wirtschaftsminister dazu schon gesagt und ist auch in der Stellungnahme zum Bericht enthalten.
Ich möchte trotzdem noch einmal auf einige Punkte eingehen und unsere Sicht darstellen und den Vorwurf von CDU und FDP, dass das Brandenburgische Vergabegesetz ein Bürokratiemonster bzw. mittelstandsfeindlich sei, ausräumen.
Stichwort Kostenerstattung: Ein großer Teil, nämlich 47 %, der befragten öffentlichen Auftraggeber, gab an, dass sich diese einfach gestaltet. Allerdings waren auch 34 % der befragten Kommunen gegenteiliger Auffassung.
Auch wir sind uns des Umstandes eines höheren Verwaltungsaufwandes bewusst. Aber wir müssen uns auch genau anschauen, warum solche divergierenden Unterschiede in der kommunalen Selbstverwaltung bestehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung der Evaluatoren auf Seite 70, dass die öffentlichen Auftraggeber das Vergabegesetz mehrheitlich für schwer verständlich erachten, während die Auftragnehmer weniger Verständnisschwierigkeiten haben. Das zeigt, dass der Umgang mit dem Vergabegesetz, Herr Homeyer, für die Unternehmen ein Stück Normalität ist.
Stichwort Höhe des Mindestentgelts: Laut Evaluationsbericht hält die absolute Mehrheit der Befragten - das waren 61 % - die Höhe des Mindestentgelts für angemessen. 25 % der Befragten hält den geltenden Mindestarbeitsentgeltbetrag für zu gering. Lediglich 7 % geben an, dass sie die Mindestarbeitsentgelte für zu hoch halten.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sehen: Der Großteil der Unternehmen will und zahlt auch faire Löhne.
Die Unternehmen wurden auch danach befragt, ob aus ihrer Sicht kleine und mittlere Unternehmen durch das festgesetzte Mindestarbeitsentgelt stärker betroffen seien als größere Unternehmen. Dies wurde von 58 % der Befragten verneint. Kleine und mittlere Unternehmen sind aus Sicht der Auftragnehmer nicht stärker von der Mindestlohnregelung betroffen als größere Unternehmen. Das steht schwarz auf weiß im Bericht. Trotzdem wird hier immer wieder behauptet, das Vergabegesetz sei mittelstandsfeindlich.
Darüber hinaus hat das Gutachten weitere praktische Bedarfe hinsichtlich der Überarbeitung des Brandenburgischen Vergabegesetzes aufgezeigt, die die Landesregierung in eine Gesetzesüberarbeitung einbeziehen wird. Hervorheben möchte ich, dass die Landesregierung der Überarbeitung der Kontrollmechanismen positiv gegenübersteht. Das betrifft die Kontrolldichte als auch die Kontrollintensität, und sicherlich gehört auch die Vereinfachung dazu, das ist eine wichtige Forderung auch von Gewerkschaftsseite.
Zu anderen Vergabeaspekten hat mein Kollege Kosanke schon etwas gesagt. Dazu äußere ich mich jetzt nicht, weil die Zeit davonläuft.
Bleibt das Fazit: Der vorgelegte Evaluierungsbericht bietet eine Grundlage, das Vergabegesetz den Anforderungen der Praxis anzupassen. Das heißt zum einen, bürokratische Hemmnisse abzubauen, und zum anderen, eine breite Akzeptanz für die Anwendung weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die Wirtschaft vor Dumpingangeboten konkurrierender Unternehmen auf Kosten der Steuerzahler zu schützen. Für die Linke steht fest: Arbeitsplätze, die auf der Ausbeutung von Menschen beruhen und ordentlich bezahlte Arbeitsplätze bedrohen, gehören endlich abgeschafft!
Steuermillionen zur Subventionierung von Dumpinglöhnen sind Misswirtschaft und widersprechen der volkswirtschaftlichen Vernunft. Das Brandenburgische Vergabegesetz ist deshalb unverzichtbar.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Stellung nehmen zu den Ausführungen von Herrn Bernig, dass die CDU und insbesondere ich - Herr Ness hat das heute Morgen auch schon behauptet - dagegen wären, dass brandenburgische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ordentliches Geld verdienen und einen ordentlichen Lohn bekommen. Ich weise das namens meiner Fraktion mit aller Entschiedenheit zurück.
Niemand in meiner Fraktion hat etwas dagegen, dass Brandenburgerinnen und Brandenburger gutes Geld verdienen. Im Gegenteil, je mehr, desto besser, gar keine Frage, und wenn wir in Brandenburg Fachkräfte gewinnen wollen, müssen die Unternehmen auch gute Löhne zahlen. Das ist Wettbewerb.
Wir sagen aber Folgendes: Wir müssen beachten, dass es um die Wettbewerbsfähigkeit unserer brandenburgischen Unternehmen geht. Wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem Mindestlohn müssen erörtert und diskutiert werden! Was ist zum Beispiel mit Saisonarbeitern? Was ist mit Arbeiternehmern unter 18, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben?
Was ist mit Langzeitarbeitslosen? All diese Fragen sind - und das wissen Sie, Herr Ness - in der Großen Koalition auch noch nicht geklärt. Wir werden uns dem überhaupt nicht verschließen. Warum auch? Es ist doch auch ein Wettbewerbsvorteil, wenn ordentliche Löhne gezahlt werden. Aber dabei darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Das wollen wir
nicht. Wir haben Saisonarbeiter, wir müssen auf vieles achten. Und einfach pauschal zu sagen: „8,50 Euro oder 9,50 Euro, und alle sind glücklich und zufrieden“, wird nicht ohne Verluste an Arbeitsplätzen gehen.
Herr Ness, bei dem spontanen Instrument der Kurzintervention sind keine Zwischen- oder Nachfragen zugelassen.
(Senftleben [CDU]: Ja, das steht in der Geschäftsord- nung! - Dr. Bernig kann doch darauf antworten, wenn er möchte!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich dem Kollegen Dr. Bernig dankbar, dass er sozusagen in vorauseilendem Gehorsam die Einigkeit zwischen CDU und FDP hergestellt hat. Lieber Kollege, ich muss Sie allerdings enttäuschen; denn ich wollte dem Kollegen Homeyer in einem Punkt tatsächlich widersprechen. Er hat gesagt, dass dieses Gesetz gescheitert sei. Ich sehe das nicht so. Denn gescheitert bedeutet per Definition ein ehrenvolles Scheitern - also man hatte eine gute Idee, und durch widrige Umstände oder was auch immer hat sich dann diese Idee nicht umsetzen lassen. Das sehe ich überhaupt nicht so. Der Minister und die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Linke hatten eine relativ blödsinnige Idee, und erwartungsgemäß ist die gegen den Baum gefahren. Also, von einem ehrenhaften Scheitern
Und, sehr geehrter Minister, ich vermute, in einer Sache sind wir uns zumindest halb einig. Sie hatten gesagt, man sollte jetzt warten, bis ein Bundesgesetz vorliegt. Das würde ich auch unterschreiben. Nur, lieber Herr Minister, vielleicht hätte man von Anfang an warten sollen, bis ein Bundesgesetz vorliegt.
Völlig einig bin ich mir allerdings mit dem Kollegen Homeyer man kann eigentlich nur aus dem entsprechenden Evaluierungsbericht zitieren -, man hat ein bisschen den Eindruck, dass wir hier in Parallelwelten leben. Man kann immer alles verschieden interpretieren, das kennen wir. Aber der Bericht ist zumindest an vielen Punkten so eindeutig, dass mich der Interpretationsspielraum doch ein bisschen wundert. Es wird ausge
führt: Die öffentlichen Auftraggeber halten das Vergabegesetz mehrheitlich für schwer verständlich; Verständnisschwierigkeiten und Missverständnisse würden es prägen. Das kann ich verstehen. Das geht mir genauso.
Es wird dann weiter ausgeführt, dass das geltende Landesvergaberecht auf zu viele Regelungswerke aufbaut. In diesem Kontext ist es insoweit bemerkenswert, als es ein wirklich interessanter Ansatz wäre, wie man herangehen könnte. Und wahrscheinlich sind wir uns sogar einig, dass das auch ein Beitrag zum Thema Bürokratieabbau sein könnte. Wenn man diesen Bericht offenen Herzens liest, findet man auf alle Fälle einige Punkte.
Es geht dann mit verschiedenen Dingen weiter, dass die umweltbezogenen und verschiedene andere Aspekte sowie sozialen Kriterien in der Praxis kaum angewendet würden. Da muss man sofort die Frage stellen: Warum gibt es dieses Gesetz eigentlich, wenn es im Prinzip in wesentlichen Punkten gar keine Anwendung findet?
Und dann kommt in der Tat noch der, wie ich meine, sehr interessante Punkt, dass im Gesetzesvollzug durch Anwendung der vorgesehenen Kontrollinstrumente durch die öffentlichen Auftraggeber ein Defizit besteht. Das führt uns nämlich genau zu dem hochinteressanten Aspekt: Herr Minister, was Sie da geschaffen haben, ist letzten Endes ein Monster. Und wie so viele Monster, die wir hier im Lande Brandenburg haben, haben Sie dieses Monster ganz offensichtlich nicht im Griff.
Was mich hier wirklich ein bisschen ängstigt, ist dieses Maß an Realitätsverweigerung. Man kann Dinge, wie gesagt, unterschiedlich interpretieren. Aber wenn ein Evaluierungsbericht so eindeutig ist, und man kommt dann zu so unterschiedlichen Sichtweisen, dann darf man natürlich die Frage stellen: Wer interpretiert zu weit oder wer irrt sich? Lieber Herr Minister, Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich in dieser Frage einen gefestigten Klassenstandpunkt habe. - Vielen herzlichen Dank.