Sie hat hoffentlich denen, die es nicht länger ertragen haben, wie auch denen, die erst später in dieses Land kamen, deutlich gemacht: Es gibt inzwischen auch in Potsdam das notwendige Maß an Nachdenklichkeit, an Scham und Trauer, an Mitgefühl. Es gibt mehr als zuvor die für eine Demokratie unabdingbare Bereitschaft, unangenehmen Erkenntnissen ins Auge zu sehen.
Allen Brandenburgern möchte ich heute sagen: Ich lebe gern in diesem, unserem Land, aus dem ich komme. Trotz und nicht wegen seiner nachhaltigen Prägung auch durch die DDR. Lassen Sie uns das große, intensive Gespräch führen, über dessen Notwendigkeit ich mir mit Klara Geywitz einig bin und an dem sich bereits viele Menschen in Brandenburg beteiligen. Auch Susanne Melior habe ich als an diesem Gespräch interessiert erlebt. Lassen Sie uns die Analyse der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft fruchtbar machen. Lassen Sie sich nicht einreden, dass dies eine Auseinandersetzung zwischen Ost und West sei. Lassen Sie sich nicht in Geiselhaft nehmen von denen, die Ihnen einst die Freiheit verwehrten, und deren Rechtsnachfolgern. Es ist eine Sache der Brandenburger, der Ostdeutschen untereinander, eine Sache von alten und neuen, von alten und jungen Brandenburgern.
Der eine oder andere mag andere Dinge für wichtiger halten, aber wenn wir über die letzten Jahre Brandenburger Politik Bilanz ziehen, stellen wir fest: Es ist so manches in den Sand gesetzt worden. Die Enquetekommission jedoch ist ein Erfolg geworden. Sie hat Ergebnisse gebracht, die jetzt umgesetzt werden müssen, und wird nachhaltig Wirkung zeigen. Dafür danke ich allen, die mit großem Engagement hierzu beigetragen haben. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Teuteberg. - Wir setzen nunmehr mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Herr Abgeordneter Vogel hat das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor der heutigen Debatte gab es viel aufmunterndes Schulterklopfen in den Medien, von allen Seiten - von Roland Jahn bis Martin Sabrow - einhelliges Lob für die Enquete „Aufarbeitung“ und besonderes Lob für die vorliegenden Handlungsempfehlungen. Das freut uns als Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN natürlich - zum einen, weil wir diese Kommission initiiert und zusammen mit FDP und CDU auf den Weg gebracht haben, übrigens in Ausübung eines Minderheitenrechtes. Es freut uns aber auch ganz besonders, weil solch umfassende Lobgesänge der Kommission nicht in die Wiege gelegt waren. Auch wenn der erfolgreiche Abschluss jetzt viele Mütter und Väter hat, darf ich noch einmal an die Anfangszeit erinnern und meinen ausdrücklichen Dank an Frau Wanka und Herrn Goetz aussprechen, ohne die diese Kommission nicht zustande gekommen wäre.
Aber auch, wenn ich mir im Folgenden viele dieser positiven Bewertungen zu eigen mache, so ist für die Beurteilung des Erfolgs dieser Enquetekommission für uns nicht die Einschätzung der Medien oder der Wissenschaft entscheidend, sondern die Einschätzung anderer Menschen, nämlich derjenigen, die durch die lange Zeit des Schweigens über die Vergangenheit bisher keine Stimme bekamen oder zu verstummen drohten; derjenigen, die unter DDR-Recht zu leiden hatten und sich mit ihrem Anliegen im neuen Bundesland Brandenburg nicht ernst genommen fühlten; der Zeitzeugen, die in den Gedenkorten die Erinnerung an ihr Leiden aufrechterhalten wollten; der vielen Menschen, die im ländlichen Raum durch fehlerhafte LPGUmwandlungen oder den Entzug ihrer Neusiedlerflächen Hab und Gut verloren haben; nicht zuletzt auch der Schülerinnen und Schüler, die in Zukunft bessere Chancen haben sollen, aus der Geschichte zu lernen. Deren Bewertung ist für uns der Maßstab des Erfolgs.
Der Erfolg der Enquetekommission wird auch nicht an der heutigen Debatte gemessen werden können, sondern er wird daran zu messen sein, wie ernst wir und unsere Nachfolgerinnen und Nachfolger in den nächsten Landtagen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen nehmen und diese auch umsetzen. Denn mit der Abgabe des Abschlussberichtes ist nur ein weiterer Schritt auf dem nie endenden Weg der Aufarbeitung der eigenen Geschichte getan.
Auch wenn sich viele über Helmut Müller-Enbergs Begriff des „Schweigekartells“ echauffierten oder den zu Beginn der Kommissionsarbeit geäußerten Wortbeitrag des Historikers Christian Meier zur notwendigen Überwindung des Schweigens bis zuletzt nicht teilen wollten - Frau Melior und Herr Jürgens haben das ja heute wieder getan -, so können wir Grünen jedenfalls konstatieren: Die Zeit des - wie auch immer bedingten - Schweigens ist vorbei.
Aufarbeitung ist kein Unwort mehr, sondern ganz im Gegenteil: Selbst Matthias Platzeck, der 2009 eine derartige Kommission noch für überflüssig hielt, räumte bereits auf dem SPDParteitag in Velten 2010 ein, dass die SPD nach der Stolpe-Debatte „zur Aufarbeitung ganz generell auf Abstand gegangen“ sei, um wenig später bei einer Jubiläumsveranstaltung gar die Einsetzung der Enquetekommission als besondere Leistung in dieser Legislaturperiode zu würdigen.
Diese Enquetekommission war und ist ein Unikat. Weder im Bund noch in den Ländern gab es ein solches Gremium - eine Enquetekommission, die sich nicht primär das DDR-Unrecht vornahm oder die gar herausarbeiten wollte, wie schlimm die Stasi war, wie das Kommissionsmitglied Jörg Kürschner zur Begründung seiner Gegenstimme meinte, sondern die den nach
1990 stattgefundenen Aufarbeitungsprozess selbst hinterfragte; eine Kommission, die fragte, wie nach 1989 in Brandenburg mit den Hinterlassenschaften der DDR umgegangen wurde.
Unverkennbar ist, dass unsere Enquetekommission Brandenburg schon jetzt zum Besseren verändert hat. Wir haben mittlerweile eine andere Gesprächskultur über die DDR-Aufarbeitung als 2009, wie auch Peer Jürgens in der letzten Enqueteberatung richtigerweise festgestellt hat.
Was mir auch sehr wichtig ist: Wir haben eine überfällige Diskussion, die draußen im Lande geführt wurde, endlich in den Landtag geholt. Viele Fragen zur Transformation nach 1989 waren bisher unterbelichtet - aber es gab natürlich auch andere, die überkommentiert waren. Der Enquetekommission gebührt das Verdienst, viele dieser Fragen nach einer aufgeregten Anfangsphase zunehmend unaufgeregt und seriös erörtert zu haben, Fehlentwicklungen aufgezeigt und Lösungsansätze erarbeitet zu haben.
Brandenburg emanzipiert sich damit zugleich vom Etikett der „kleinen DDR“, dieses Etikett, von dem Manfred Stolpe gesagt haben soll, er trage es mit Stolz. Das ist in mancherlei Hinsicht sicher irreführend gewesen. Vieles - und das haben verschiedene Rednerinnen und Redner schon angesprochen - ist in den neuen Ländern ähnlich abgelaufen.
Für jeden Wirtschaftspolitiker muss beispielsweise die Erkenntnis beklemmend sein, dass nach den Untersuchungen des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle für die Enquetekommission die wirtschaftliche Entwicklung in allen ostdeutschen Bundesländern nahezu gleich verlief - egal, ob Schwarz, Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot, Rot-Grün oder Rot-Rot an der Regierung war. Es war und ist aber bezeichnend, mit welcher Verve SPD und die Linke auch heute immer wieder betont haben, dass sich in Brandenburg in nahezu allen betrachteten Politikfeldern kaum irgendetwas von den anderen Ostländern unterschieden habe. Als ob es schon ein eindrücklicher Beweis der positiven Wirkung ununterbrochener SPD-Regierungsverantwortung sei, dass Brandenburg nicht schlechter als die anderen Ostländer dasteht.
Unverkennbar gab es auch Brandenburger Besonderheiten, ohne dass man dies als „Brandenburger Weg“ glorifizieren oder mystifizieren müsste. Die Konsens-Orientierung wurde bereits genannt, andererseits Besonderheiten beim Umgang mit dem DDR-Unrecht sowie mit Personen, die für das MfS tätig waren. Was dabei noch unerwähnt bleibt, ist die Rückführung des Begriffs „Brandenburger Weg“ auf den damaligen Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann, der die DDR-Agrarstrukturen konservieren wollte und der später von Ministerpräsident Stolpe als „Neuer Brandenburger Weg“ auch auf andere Politikbereiche übertragen wurde. Der Begriff des Brandenburger Weges - so kann es jeder im Abschlussbericht lesen - ist verschieden besetzt; er entzieht sich der einseitigen politischen Inbesitznahme.
Die Brandenburger Besonderheiten im Sinne einer allzu nachlässigen Aufarbeitung unserer Geschichte sind heute Vergangenheit. Das gilt für die lange Jahre fehlende Aufarbeitungsbeauftragte genauso wie für die ausgebliebene Abgeordnetenüberprüfung. Das gilt für den mangelnden Respekt gegenüber den Opfern der Diktatur genauso wie für die unterlassene gesellschaftliche Diskussion über Verantwortungsübernahme für
Unrecht. Das gilt demnächst auch für die manchmal tatsächlich anarchische Überprüfung im öffentlichen Dienst des Landes, denn hier war es wirklich davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt, unter welchem Minister und in welchem Geschäftsbereich man überprüft wurde.
Es war gut - das möchte ich dann doch herausheben -, dass Dr. Woidke als damaliger Innenminister mit einer konsequenten Linie für die Polizei das nachgeholt hat, was seine Vorgänger einst versäumt hatten.
Nicht alle Täter haben für das MfS gearbeitet und nicht jede Zusammenarbeit mit dem MfS wog gleich schwer. Jeder hat nach unserer Überzeugung eine zweite Chance verdient, aber und das ist auch eine Lehre aus der Enquetekommission - die große Mehrheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger sieht frühere Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst oder gar in der Politik sehr kritisch. Wie also eine zweite Chance konkret aussieht, darüber gehen die Meinungen durchaus auseinander. Wir Politiker müssen feststellen, dass wir da wesentlich zurückhaltender sind als die Masse der Brandenburgerinnen und Brandenburger.
Eine demokratische Gesellschaft muss das aushalten. Sie muss sogar versuchen, alle mitzunehmen - sogar ihre früheren Verächter. Wie sie das macht, darüber haben wir uns in der Enquetekommission auseinandergesetzt.
Um das Thema Stasi zum Abschluss zu bringen: Die intensiven Diskussionen in der Enquetekommission über den Umgang mit Stasi-Belastung waren nötig, um einen freieren Blick auf viel Wesentlicheres zu erlangen. Erst so war es möglich, dass die Enquetekommission in ihren Handlungsempfehlungen heute empfiehlt, „die oft auf die hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeit für die Staatssicherheit verkürzte Debatte über die politische Verantwortung in der SED-Diktatur auszuweiten. Stärker als bisher sollte das Gefüge von SED, Blockparteien und vormilitärischen Organisationen in den Blick genommen werden“.
Was die Sache mit dem Konsens der Gründungsjahre betrifft: „Konsens herzustellen ist das Geheimnis der Politik“, sagte unser Landtagspräsident bei der Übergabe des Abschlussberichts. Hier gab es sicherlich schon zutreffendere Beschreibungen. Für die Enquetekommission wäre aus meiner Sicht ohnehin „das Bohren dicker Bretter“ die angemessenere Charakterisierung gewesen.
Es ist ja nichts Verwerfliches am Konsens, und es ist gut, dass wir unseren Bericht einvernehmlich beschlossen haben. Doch das Wesen von Politik sind der Austausch, die Kraft des Arguments und die Bereitschaft zum Konflikt. Unser Abschlusspapier ist keine Konsenssoße, es ist ein Kompromiss, der größte gemeinsame Nenner, bei dem sich alle wiederfinden. Er enthält die Maßnahmen, von denen wir gemeinsam überzeugt sind, dass sie jetzt angegangen werden müssen. Der „Konsens als Geheimnis der Politik“ ist in der parlamentarischen Demokratie eher die Ausnahme.
Die von Marianne Birthler getroffene Einschätzung, dass die Kommission mit den Handlungsempfehlungen „sehr viele und richtige Schritte in die richtige Richtung“ gemacht habe, ist aus unserer Sicht zutreffend. Ich gehe auf einige wenige Punkte
ein: Es ist schon einiges gesagt worden zum Umgang mit den sogenannten Opfern, denjenigen also, die dieses Wort gar nicht so gern hören, denjenigen, deren Leben so ganz anders hätte verlaufen können, wäre da nicht das falsche Wort zur falschen Zeit gewesen, wäre da nicht die Weigerung gewesen, zum Militärdienst zu gehen, oder wäre da nicht die Tante aus dem Westen gewesen, die die falschen Bücher mitbrachte. Die in der SED-Diktatur Benachteiligten und Verfolgten, oft sogar diejenigen, die die friedliche Revolution mit ins Rollen brachten, waren in Brandenburg viel zu lange, viel zu oft allein auf weiter Flur. Mit der Einsetzung der Landesbeauftragten haben wir bereits manches, was noch zu korrigieren war, zurechtgerückt. Mit den nun vorgeschlagenen Maßnahmen für einen Härtefallfonds, für Verbesserungen bei der Rehabilitierung, für mehr Mitsprache von Betroffenen und Initiativen können wir nun einen großen Schritt vorangehen.
Zum Stichwort Erinnerungskultur: Im Bereich der Forschung sollen dazu einige Projekte angestoßen werden - Stichwort Forschungsstipendien und Stiftungsprofessur. Wir wollen aber, und das ist viel wichtiger für uns, vor allem auch authentischen Gedenkorten zu mehr Anziehungskraft verhelfen. Als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben wir mehrere Gedenkorte in den Handlungsempfehlungen verankern können und Verbesserungen angemahnt. Ich nenne nur das Beispiel des ehemaligen Militärgefängnisses Schwedt; dort kommen die Dinge gerade in Bewegung. Schwedt war jedem Wehrpflichtigen in der DDR ein Begriff. Schwedt war der Inbegriff eines Ortes der Disziplinierung und der Umerziehung zur sozialistischen Persönlichkeit, eines Ortes des Brechens von widerständigem oder auch nur kritischem Verhalten.
Ich könnte weit mehr Orte nennen, auch solche, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen, die Stasi-Hochschule in Golm zum Beispiel. Wir haben diese Einrichtung, die wie kaum eine zweite den intellektuellen und moralischen Bankrott der Diktatur verkörpert, mit erwähnt. Die dort geschulten Doktoren der Tschekistik haben auf wenigen Seiten in Gruppenarbeit promoviert und dürfen noch heute mit ihrem Titel hausieren gehen. In den Handlungsempfehlungen empfehlen wir Land, Stadt und Universität Potsdam, die heute die Liegenschaft nutzt, sich verstärkt mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen. Denn es geht doch auch darum, jungen Leuten - ob Schülerinnen und Schülern oder Studierenden - einen Zugang zu dem Thema zu eröffnen, in den Schulen endlich qualifizierten Unterricht zu ermöglichen - mit Zeitzeugen, mit Lehrerinnen und Lehrern, die eben nicht fachfremd eingesetzt werden. Hier haben wir noch einen weiten Weg zu gehen.
Letzter Punkt - einer, der mir persönlich ganz besonders wichtig ist -, die Landwirtschaft: Kein anderes Themenfeld hat derart viel Beachtung in der Enquetekommission erfahren, und ich denke, aus gutem Grund. Hier zeigt sich wie unter einem Brennglas, wie nach 1989 aus Unwissen, manchmal auch mit Kalkül Fehlentscheidungen getroffen wurden, die bis heute nachwirken. Ich nenne missglückte LPG-Umwandlungen, bei denen Bauern um ihre Genossenschaftsanteile geprellt wurden und die wir auf den Prüfstand stellten. Auch in anderen Ländern gibt es übrigens mittlerweile, ausgelöst durch unsere Enquetekommission, ähnliche Initiativen. Ich nenne die vom Land enteigneten Neusiedlererben, die wir, wo es möglich ist, wieder in ihre Eigentümerrechte einsetzen wollen. Der Brandenburger Weg eines Ministers Zimmermann, die Privilegierung einer großräumigen und großbetrieblichen Landwirtschaft,
sollte bald Geschichte werden, wenn man die Empfehlungen der Enquetekommission zugrunde legt, denn die Kommission empfiehlt eine neue Agrarpolitik, die Wertschöpfung in der Region belässt und nicht bei den Großinvestoren, die immer noch reihenweise ehemalige LPG-Betriebe aufkaufen.
Wir dürfen hiervor nicht die Augen verschließen. An dieser Stelle spreche ich besonderen Dank an Herrn Stolze und Herrn Jahn von der Linken aus, mit denen eine zunehmend unideologische und offene Diskussion über die falschen Weichenstellungen nach 1989 möglich war und mit denen gemeinsam dieser Berichtsteil verfasst wurde.
Ich kann heute jedenfalls sagen: Das Brandenburg von 2014 ist ein anderes Brandenburg als das von 2009. Es sind viele kleine Dinge und Prozesse, die durch die Enquetekommission angestoßen wurden: Der Landessportbund befasst sich stärker mit seiner eigenen Geschichte, öffnet sich stärker den Opfern des DDR-Zwangsdopings. Mehrere Brandenburger Zeitungen haben sich auch erstmals öffentlich mit ihrer eigenen Geschichte auseinandergesetzt. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz ist nachgebessert worden, auch mit Unterstützung von Dietmar Woidke. Manch ein von der Enquetekommission untersuchtes Heimatmuseum hat die Evaluation als Grundlage zur Verbesserung genutzt. Und Matthias Platzeck versprach in seiner vielbeachteten Rede zum 50. Jahrestag des Mauerbaus eine bessere Ausstattung der Gedenkstätten. Zumindest in der Gedenkstätte Lindenstraße dürfte auch bald etwas passieren. Brandenburg schließt damit in kleinen Schritten zu anderen ostdeutschen Ländern, in denen das Thema längst ernstgenommen wurde, auf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vier Jahre lang hat die Enquetekommission Zeitzeugen, Sachverständige und Wissenschaftler gehört und befragt. Vier Jahre lang war das auch eine Schule der Demokratie mit Meinungsverschiedenheiten, Streit, der Suche nach Antworten und Lösungen. Wir haben gelernt, dass es häufig nicht nur um Meinungen geht, sondern um Tatsachen. Die Zeit des Schwänzens ist vorbei, im Abschlussbericht sind unsere Hausaufgaben aufgelistet.
Mit dem Entschließungsantrag heute könnten wir ein klares Zeichen setzen: Wir haben verstanden. Wir können vergangenes Unrecht selten wiedergutmachen. Aber wir wollen heute das tun, was in unserer Macht steht, um dieses Unrecht zu lindern. Von daher bitte ich um Zustimmung zu dem Entschließungsantrag. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen nunmehr mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Ministerpräsident Dr. Woidke, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Vogel sehr dankbar, dass er in seinem Vortrag den Brandenburger Weg so ausdrücklich herausgestellt
hat; allerdings hat er das etwas reduziert getan. Ich glaube, dass der Brandenburger Weg für das Land Brandenburg in den 90erJahren immens wichtig war, denn der Brandenburger Weg war die Übertragung der Arbeit der Runden Tische im Jahre 1989, der Erkenntnisse aus der friedlichen Revolution, auch der Zusammenarbeit in dieser Zeit, hierher in den Brandenburger Landtag - und das in einer äußerst schwierigen Zeit. Der Brandenburger Weg für den Landtag, für die Landespolitik bedeutete vor allen Dingen, dass man ohne Vorurteile, ohne vorgefasste Meinungen und gemeinsam an der Lösung von Problemen dieses Landes arbeitet. Das war Sinn und Hintergrund des Brandenburger Wegs.
Ich weiß - das ist auch im Abschlussbericht nachzulesen -, dass über diesen Brandenburger Weg intensiv gestritten wird, aber ich sage hier auch ganz deutlich: Es war der Brandenburger Weg, der zu unserem Land gepasst hat und - was die Konsensfähigkeit und die Suche nach Lösungen für schwierige Probleme betrifft - weiterhin passt.
Wir sind diesen Weg seit 1990 gegangen. Es ist sicherlich so auch das ist im Abschlussbericht nachzulesen -, dass es Versäumnisse und auch Fehler gegeben hat. Unser Land hat sich aber nicht trotz, sondern auch wegen dieser Unverwechselbarkeit hervorragend entwickelt, auch weil es in entscheidenden Fragen auch hier im Hohen Haus, solange ich es kenne, immer einen Geist der Gemeinsamkeit für unser Land Brandenburg, für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man könnte sogar so weit gehen, auch wenn es einigen Kommissionsmitgliedern nicht gefallen wird, zu sagen: Die Arbeit der Enquetekommission 5/1 zur Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg ist ein weiteres Beispiel für diesen gemeinsamen, konsensorientierten, eigenen Weg.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um allen Kommissionsmitgliedern - in erster Linie natürlich den beiden engagierten Vorsitzenden Frau Geywitz und Frau Melior herzlich zu danken. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement. Ich danke Ihnen für die viele Arbeit, die Sie hineingesteckt haben, für Ihre Fragen, für die Antworten, für Ihre Kritik, aber auch für die vielen Denkanstöße, die es gab.
Ich danke ausdrücklich auch den Abgeordneten aus der Kommission, und ich danke den zahlreichen Expertinnen und Experten - viele sind heute hier im Landtag zu Gast -, die mit ihrem Sachverstand und ihrer Kenntnis die Arbeit der Kommission unterstützt haben. Gerade Ihre Arbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat einen großen Fundus an wissenschaftlichen Erkenntnissen hervorgebracht, auf dem wir weiter aufbauen können - und ich füge hinzu: auch aufbauen werden.
Die Enquetekommission hat im besten Sinne Menschen mit sehr unterschiedlichen Biografien und auch sehr unterschiedlichen Sichtweisen zusammengebracht. Sie haben dabei heftig gestritten; das Schöne ist aber auch, dass man sagen kann: Sie haben dennoch konstruktiv miteinander gearbeitet. Sie haben dies parteiübergreifend getan, ohne politische Scheuklappen. Und sie haben sich immer an ihrem Arbeitsauftrag, der kein einfacher war, orientiert.
Es ist richtig - Frau Teuteberg hat es vorhin angeführt -: Ich persönlich war zu Beginn dieser Enquetekommission skeptisch, ob es gelingen kann, mit einem politischen Gremium des Landtages Geschichte aufzuarbeiten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass ich heute hier stehen und sagen kann: Es ist gelungen, meine Skepsis damals war nicht berechtigt. Dafür bin ich Ihnen allen äußerst dankbar.
Die anfangs benannte Unverwechselbarkeit unseres Landes und des Brandenburger Weges finden wir auch an verschiedenen Stellen des Abschlussberichts der Enquetekommission wieder. Aber zum Brandenburger Weg darf ich noch eines sagen, was häufig vergessen wird: Letztlich haben über den Weg dieses Landes, nämlich den Brandenburger Weg, nicht Abgeordnete oder irgendwelche Politiker in Hinterzimmern entschieden, sondern die Brandenburgerinnen und Brandenburger, die in Wahlen dieses Parlament gewählt und damit den Weg bestimmt haben, den dieses Land geht. Das gehört auch zur Wahrheit. Und sie haben - im Unterschied zu anderen Bundesländern 1990 beispielsweise so gewählt, dass wir ein Parlament mit fünf demokratischen Parteien hatten. Das hatten andere ostdeutsche Bundesländer in dieser Art und Weise nicht.