Das Schlimmste an der Situation ist: Durch den Nichtstart des Flughafens haben wir die größte Verunsicherung, weil keiner weiß, wie der Lärm wirkt und wie man wirklich davon betroffen sein wird. Wie schwierig und differenziert es ist, möchte ich anhand des Planergänzungsbeschlusses darstellen:
In der Zeit von 23.30 Uhr bis 5.30 Uhr - also während sechs Stunden - sind keine planmäßigen Flüge zulässig. Ausnahmen gelten für Notfälle, Post- und Regierungsflüge. Zwischen 23.30 Uhr und 24 Uhr bzw. zwischen 5 Uhr und 5.30 Uhr sind auch Verspätungen und Verfrühungen sowie Bereitstellungsund Überführungsflüge sowie Leerflüge möglich. Es gibt ein Flugbewegungskontingent zwischen 23 Uhr und 6 Uhr, Herr Genilke. Das halte ich auch für richtig so. Das sollte man auf das Mindestmaß begrenzen. Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr darf nur mit lärmärmeren Flugzeugen geflogen werden. Auch das halte ich für richtig. Übrigens sind das alles Festlegungen, die an vielen anderen Flughäfen gar nicht gelten. Das muss man dazusagen.
Wir werden weiterhin viel Geduld brauchen. Es wird keine einfache Lösung geben. Es wird selbstverständlich der Auftrag
sein, alles zu prüfen, was Verbesserungen im bestehenden Planfeststellungsbeschluss bringt, der von einem obersten Gericht bestätigt wurde, zum Beispiel über Flugverfahren, die festzulegen sind.
Wir alle brauchen den Flughafen Berlin-Brandenburg. Die meisten von uns nutzen ihn. Gemeinsam müssen wir auch in der Lärmfrage einen Kompromiss finden. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Vogelsänger. - Es gibt die Anmeldung von zwei Kurzinterventionen. Zunächst hat Herr Abgeordneter Schulze von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gelegenheit dazu, danach Herr Abgeordneter Goetz für die Fraktion der FDP. Herr Minister Vogelsänger, Sie haben dann die Möglichkeit zu reagieren.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Herr Minister Vogelsänger, ich bin schon sehr überrascht über Ihre Ausführungen. Zu Ihrer Ansage, der Atomkraftausstieg sei ein Argument für die Braunkohle, sage ich: Mit dem Argument sind Sie selbst in der SPD allein. Das ist so grotesk. Dazu fällt mir wirklich nichts Anständiges ein.
Sie haben gesagt: Wir - die Bürgerinnen und Bürger, die Gesellschaft, wer auch immer - produzieren den Flugverkehr.
Wir leben in einem sozialen und demokratischen Rechtsstaat. So steht es in Artikel 20 Grundgesetz. Dieser soziale und demokratische Rechtsstaat hat einen Grundrechtekanon, in den Artikeln 1 bis 19 Grundgesetz. In Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz steht: „Jeder hat das Recht auf … körperliche Unversehrtheit.“ Das, was wissenschaftlich-medizinisch bekannt und unbestritten ist, ist, dass Flugverkehr, insbesondere Nachtflug, und die Feinstaubpartikel krank machen: Herzinfarkte, Schlaganfälle, Brustkrebs.
Das heißt: Wir reden gar nicht über die Frage, ob Flughafen krank macht, sondern wie viel Fluglärm krank macht. Das Mindeste, was die Leute fordern, ist, in Ruhe schlafen zu können, weil man das braucht, um am nächsten Tag wieder leistungsfähig zu sein. Es gibt auch Studien darüber, was mit der Lernfähigkeit von Kindern im Umfeld von Flughäfen passiert. Das hat man in den Jahren 1992/1993 am Flughafen MünchenRiem - kurz vor der Inbetriebnahme von München-Erding untersucht. Die Ergebnisse würde ich Ihnen gern in einem persönlichen Gespräch vortragen; sie sind einfach erschreckend.
Meine Damen und Herren, wenn wir einen sozialen und demokratischen Rechtsstaat haben - und den haben wir -, zeigt der auch Grenzen auf. Sie würden doch mit mir nicht diskutieren, ob wir im Arbeitsrecht bestimmte Schranken auferlegen und
nicht allem freien Lauf lassen. Sie sind für Mindestlohn; das bin ich auch. Sie sind für das Arbeitszeitgesetz. Sie sind für Tarifverträge und viele andere Dinge. Das ist auch richtig so. Wir setzen sozusagen der Willkür des Einzelnen Schranken und sagen: Nicht alles, was man machen kann, geht auch. Wir fordern nicht mehr und nicht weniger, dass im Interesse von 100 000 bis 200 000 Betroffenen gesagt wird: Es ist nicht alles machbar, was denkbar ist.
Das, was wir fordern, ist, dass von 22 Uhr bis 6 Uhr Ruhe herrscht, damit die Menschen schlafen können, und zwar bei offenem Fenster.
Meine Damen und Herren, die gleichen Fragen stellen sich im Umweltrecht und im Sozialrecht. Deswegen ist es gar keine Frage, ob wir das können. Natürlich können wir, wenn wir wollen. Man muss es nur wollen. Selbst wenn Brandenburg einen Einzelweg geht - ich warte gespannt darauf, dass die Landesregierung Brandenburg die Schritte ergreift, die im Sonderausschuss aufgezeigt worden sind, und ein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr durchsetzt. Dann möchte ich sehen, dass diese Bundesregierung, egal, wie sie gestrickt ist, dieses wieder aufhebt. Das möchte ich sehen. Den Mut muss man haben! Den haben Sie eben nicht. Da muss man auch etwas riskieren. Entschuldigung, meine Damen und Herren, Sie haben das angenommen. Sie haben gesagt: Wir machen das zu unserer eigenen Sache. - Dann tun Sie es auch und versuchen Sie nicht, sich herumzuschlängeln.
Sehr geehrter Herr Minister Vogelsänger, wir haben keinen Kompromiss beschlossen, wie Sie gesagt haben. Wir haben das Volksbegehren beschlossen. Darin steht: Verbot von Nachtflug. Ende im Gelände. Versuchen Sie nicht, uns irgendwelche Kompromissvarianten einzureden. Das kann vielleicht am Ende herauskommen. Das Problem ist nur, dass Sie schon am Anfang damit hineingehen. Wer so Kleines will, wird nichts Großes kriegen. Das ist Ihr Problem. Das verstehen die Leute auch.
Das, was Sie gerade gesagt haben, ist schlicht und ergreifend eine Absage an den Landtagsbeschluss - verklausuliert, aber es ist so. Wären Sie doch ehrlich geblieben und hätten gesagt, wir können es nicht durchsetzen, wir wollen es nicht durchsetzen. Aber Sie hatten Angst davor. Sie hatten Angst davor, dass aus dem Volksbegehren ein Volksentscheid wird.
Vielen Dank. - Herr Minister Vogelsänger, Sie haben die Möglichkeit, darauf zu reagieren. - Gut, dann geht die nächste Kurzintervention an Herrn Abgeordneten Goetz.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Vogelsänger, Sie haben erklärt, das größte Problem bei diesem Flughafen sei, dass er noch nicht am Start sei, dass also noch nicht geflogen werde und man deswegen nicht feststellen könne, wie laut es wirklich ist. Das ist so nicht ganz richtig. Seien Sie froh, dass dieser Flughafen noch nicht am Start ist. Dadurch haben Sie überhaupt erst Gelegenheit, nachzusteuern und die Versprechen einzulösen, die Sie gegeben haben. Vielleicht ist es auch ein besonders cleverer Plan von Ihnen, den Flughafenstart bis 2016, 2017, 2018 hinauszuzögern, um dann die Versprechen erfüllen zu können, die Sie alle gegeben haben.
Das größte Problem, Herr Minister, ist eben nicht, dass der Flughafen nicht am Start ist. Das größte Problem ist die fortlaufende Trickserei von allen möglichen Beteiligten gegenüber den Betroffenen des Flughafens.
Das haben wir bei verschiedenen Gelegenheiten festgestellt. Jedes kleinste Entgegenkommen kommt nicht von selbst, sondern muss von den Betroffenen mühsam, mit einem Haufen Geld, vor den Verwaltungsgerichten, dem Oberverwaltungsgericht bis hin zum Bundesverwaltungsgericht erstritten werden. Das ist das Problem, vor dem Sie stehen.
Am Ende wird gesagt, der Planfeststellungsbeschluss, der gefasst worden ist, sei einzuhalten. Darauf kann auch nur eine Regierung kommen, dass ein eigener Beschluss einzuhalten ist. Dafür brauche ich kein Oberverwaltungsgericht oder Bundesverwaltungsgericht. Das wäre einmal ein Entgegenkommen. Das wäre wirklich ein Punkt, den man festhalten könnte. Wir müssten auch nicht über Tricksereien reden, wie wir es hier immer wieder erleben.
Kollege Schulze hat berechtigterweise darauf hingewiesen: Es ist eben so, dass Sie im Grunde genommen gar nicht wollen, dass dieses Volksbegehren umgesetzt wird. Genau deswegen erreichen Sie auch keine Erfolge bei den Partnern, mit denen man eigentlich verhandeln müsste. Wenn Sie schon von vornherein davon ausgehen und heute schon wieder erklären, es gehe alles gar nicht, was versprochen worden ist - was erwarten Sie dann von der Bundeskanzlerin, dem Bundesverkehrsminister oder dem Regierenden Bürgermeister von Berlin? Da ist nichts zu wollen, wenn Sie selbst schon sagen: Ich komme zwar hin, weil ich das muss, weil ich es versprochen habe, aber eigentlich will ich gar nicht, dass es funktioniert. - Das ist die Fortsetzung dieser Tricksereien, die Sie all die Jahre aufgelegt haben. Deswegen stehen die Leute wieder draußen vor dem Landtag, und deswegen glauben sie Ihnen nicht, was Sie hier versprochen haben. Werden Sie endlich ernsthaft in Ihrem Bemühen; dann kann es auch besser werden draußen vor dem Landtag.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Herr Minister Vogelsänger hat Gelegenheit, sechs Minuten auf beide Redner zugleich zu reagieren.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schulze! Herr Abgeordneter Goetz, das Beispiel Braunkohle ist gut. Braunkohle hat auch viel mit dem Beispiel Flughafen zu tun. Für die Menschen ist die Ungewissheit in der Braunkohle das größte Problem. Das größte Problem, wenn man mit den Menschen spricht, ist diese Ungewissheit.
Das haben wir beim Flughafen auch. Keiner weiß, wenn der Flughafen in Betrieb ist, wie genau der Lärm belastet. Das kann keiner wissen. Der Planfeststellungsbeschluss ist so aufgebaut: Wenn die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses nicht eingehalten werden, wird es entsprechende Änderungen geben müssen. Dazu allerdings muss der Flughafen in Betrieb sein.
Es ist nun einmal so: Wenn man das eine nicht will, braucht man Alternativen. Ich stehe zum Ausstieg aus der Atomkraft, habe aber immer gesagt: Man kann nicht alles auf einmal haben, man kann dann nicht noch aus der Braunkohle bzw. Steinkohle aussteigen, wie es die Grünen wollen.
Wenn man eben nicht fliegen will - das ist eine persönliche Entscheidung, unser Mobilitätsbedürfnis ist da -, kann man mit der Bahn oder dem Auto fahren. Auch das erzeugt entsprechend Lärm, und auf den meisten Bahnstrecken gibt es auch keine Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr.
Deshalb ist das wichtigste, über das wir uns unterhalten müssen: Wie können wir den Lärm an der Quelle beseitigen? Da sind wir bei Flugzeugen und bei der Bahn noch lange nicht am Ende. Auch das ist ein Thema, dem wir uns entsprechend zu stellen haben. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Vogelsänger. - Wir sind nunmehr am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung. Zu diesem Tagesordnungspunkt wurde namentliche Abstimmung beantragt.
Während die Kolleginnen und Kollegen Schriftführer zählen, begrüße ich ganz herzlich Gäste der Abgeordneten Britta Stark aus Bernau und Panketal unter uns. Seien Sie herzlich willkommen!
Meine Damen und Herren, über den Antrag „Dem angenommenen Volksbegehren gerecht werden: Nachtflugverbot am BER von 22 Uhr bis 6 Uhr endlich gewährleisten“, Drucksache 5/8549 - Neudruck -, eingebracht durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Abgeordneten Goetz, ist folgendermaßen abgestimmt worden: Es gab 11 Stimmen für Ja, 57 für Nein und zwei Enthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.