Wir als FDP-Fraktion werden jedenfalls nicht tatenlos zusehen, wie Sie besonders die beruflichen Chancen der älteren Arbeitnehmer einschränken. In der Pflege braucht es nicht mehr Staat im Sinne neuer staatlicher Reglementierung und staatlicher bzw. quasi-staatlicher Institutionen, sondern mehr individuelle Freiheit sowohl der Pflegebedürftigen als auch der Anbieter,
um auf die demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen flexibel und bestmöglich reagieren zu können.
Einen Satz noch, es ist der letzte, auch der schönste Satz: Vor allem benötigt unser Land das vertrauensvolle Miteinander von
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beyer. - Wir setzen die Debatte mit der Fraktion GRÜNE/B90 fort. Die Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.
Verehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich fürchte, ich kann mit meinem Redebeitrag nicht solche Heiterkeitserfolge erzielen wie der Kollege Beyer, hoffe trotzdem auf Ihre Aufmerksamkeit.
Der demografische Wandel bringt uns neben einer zunehmenden Zahl älterer und damit auch pflegebedürftiger Menschen einen abnehmenden Anteil an mittleren und jüngeren Jahrgängen, die für die Pflege der Älteren zur Verfügung stehen. Es resultiert eine neue und eine zusätzliche Variante der bekannten Vereinbarkeitsproblematik von Familie und Beruf. Es muss nicht nur die Betreuung und Erziehung der Kinder, sondern auch die Betreuung und Pflege der Eltern-Generation bewältigt werden.
Beide Leistungen - sowohl die Kindererziehung als auch die Pflege älterer Familienangehöriger - werden immer noch überwiegend von Frauen erbracht. Haben sie ihre Kinder aus dem Gröbsten heraus, werden die meisten um das 50. Lebensjahr mit der Pflegebedürftigkeit der Eltern oder anderer naher Verwandter konfrontiert. 70 bis 75 % der Pflegebedürftigen - Frau Prof. Heppener hatte die Zahl schon genannt - werden zu Hause betreut, und ein Großteil der Pflegenden befindet sich noch im erwerbstätigen Alter. Diese Pflegenden, zumeist Frauen, stehen dann meist vor der Alternative, ihren Beruf aufgeben oder entsprechend einschränken zu müssen. Dabei haben die meisten Pflegenden trotz der großen physischen und psychischen Belastungen durch die Pflege den Wunsch, ihre Berufstätigkeit fortzusetzen, dies einmal schlicht aus finanziellen Erwägungen heraus, aber auch, um einen Ausgleich zu den seelischen Belastungen der Pflege schaffen zu können.
Den Pflegenden - ich sage auch den pflegenden Frauen - wird, gemessen an ihren immensen Leistungen, immer noch viel zu wenig gesellschaftliche Unterstützung und Anerkennung entgegengebracht. Die Mängel in der Pflegeinfrastruktur bei entlastenden und beratenden Dienstleistungen und individuellen Hilfen führen oft zu einer Überforderung der Pflegepersonen und zum Zusammenbruch familiärer Hilfs- und Unterstützungssysteme.
Die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und ihrer Familien müssen in das Zentrum der Betrachtung gerückt werden. Außerdem - das sage ich gerade als Grüne - ist es uns besonders wichtig, dass die Last der ehrenamtlichen Pflege zukünftig nicht nur einseitig bei den Frauen liegt, sondern dass auch Männer verstärkt Verantwortung übernehmen.
Ich möchte noch einen Satz zu der Kritik an den Pflegestützpunkten sagen, obwohl ich mich darauf nicht so sehr konzentrieren wollte; denn das ist nur ein Bestandteil. Wir unterstützen diese Pflegestützpunkte, sie dienen nicht der Ausplünderung irgendwelcher Unternehmen,
sondern haben weitreichende Aufgaben. Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege Beyer: In meinem Wahlkreis zum Beispiel werde ich jeden zweiten Tag vom Seniorenbeirat und von Senioren darauf angesprochen, warum wir noch keinen haben,
Die Intention des Antrags geht in die richtige Richtung und wird von uns unterstützt. Inwieweit in Zeiten wirtschaftlicher Krisen und einem Arbeitsmarkt, der von den Arbeitnehmern immer höhere Flexibilität abfordert, die Unternehmen die Bereitschaft zur Unterstützung pflegender Mitarbeiter aufbringen, bleibt abzuwarten.
Gegebenenfalls kann der zu erwartende Fachkräftemangel auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fördernd in diese Richtung wirken.
Die neue Gleichstellungsbeauftragte, Friederike Haase, hat bei ihrer Vorstellung am Montag darauf hingewiesen, dass die Hälfte der alleinerziehenden Mütter in Brandenburg Hartz-IV-Empfängerinnen sind. Das ist ein Skandal, und wir müssen darauf achten, dass für Alleinstehende die Pflege eines Angehörigen nicht ebenso zum Armutsrisiko wird wie Kinder ein Armutsrisiko für alleinerziehende Mütter sind.
Die Bundesfamilienministerin, Frau Dr. Köhler, hat angekündigt, beim Thema „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“ neue Akzente zu setzen und Arbeitszeitreduktion bei nur geringen Einkommenseinbußen für Pflegende zu ermöglichen.
Die rot-rote Landesregierung hat das Thema mit diesem Antrag ebenfalls auf ihre Agenda gesetzt. Gut so!, sagen wir. Wir Grünen werden das Anliegen einer umfassenden Unterstützung Pflegender nach unseren Kräften unterstützen und beide politische Lager an ihren Taten messen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Baaske, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem vorliegenden Antrag muss ich noch einmal zitieren, da ihn offensichtlich einige Abgeordnete nicht gelesen haben.
Lieber Herr Kollege Beyer, da Sie der Meinung sind, dass nach diesem von den Fraktionen DIE LINKE und SPD eingebrachten Antrag den Unternehmen in die Taschen gegriffen werden soll oder sie gezwungen werden sollen, etwas zu tun, was sie nicht möchten, zitiere ich aus dem Antragstext.
„Neben professionellen Beratungs- und Unterstützungsangeboten, für deren Bereitstellung die Landespolitik mit Sorge zu tragen hat, bedarf es besonderer Anstrengungen, um Unternehmen für die Bedürfnisse von Beschäftigten zu sensibilisieren.“
„Die Landesregierung sollte daher insbesondere prüfen, wie durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit und durch die Vermittlung von Erfahrungen - wie etwa der Pflegeinitiative Brandenburg - bei den Unternehmen die Bereitschaft zur Unterstützung Pflegender gestärkt werden kann.“
Die Bereitschaft gestärkt werden kann! Dort steht nichts von „zwingen“ und von „in die Tasche greifen“. Überhaupt nichts! Lieber Herr Kollege, das Schwarze ist die Schrift. Ich weiß nicht, was Sie vor sich haben.
Davon war nicht die Rede und soll auch nicht die Rede sein, dass wir neues Geld nehmen wollen, um unter anderem Pflegestützpunkte von Unternehmen - so, wie Sie das unterstellt haben - finanzieren zu lassen. Das ist vollkommener Unsinn. Ich weiß nicht, welche Lyrik Sie hier verbreiten und woher Sie das haben.
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Er hat es mit Autopflege- stützpunkten verwechselt! - Schulze [SPD]: Man hat es ihm aufgeschrieben!)
Es geht darum, die Demografie dieses Landes - wie der gesamten Republik - real zu betrachten. In den nächsten 25 Jahren wird sich in diesem Land die Zahl der 80-Jährigen mehr als verdoppeln und auf 200 000 steigen. Dies wird selbstverständlich einen enormen Pflegebedarf auslösen, dem man sich stellen muss.
Altenpflege - das wurde heute ziemlich deutlich gesagt - muss anders als derzeit organisiert werden. Die Betreuung und Pflege von Kindern ist gegenwärtig wunderbar organisiert. Die Kindergärten sind gut durchfinanziert. Es beginnt bereits in der Krippe, dass alles sehr klar strukturiert ist, ab wann man wie freigestellt werden kann. Dies ist bei der Pflege von Älteren bei weitem nicht so. Genau deshalb wurde dieser Antrag eingebracht; denn wir brauchen neue Initiativen, weil wir mehr unternehmen müssen als in der Vergangenheit. Diesbezüglich brauchen wir uns nichts vorzumachen.
Lieber Kollege Beyer, es kann jeden von uns treffen. Manchmal sogar schneller, als man denkt. Dann stehen die Menschen
das ist meine aus zahlreichen Gesprächen gesammelte Erfahrung - da und wissen nicht so recht, wie sie damit umgehen sollen. Versuchen Sie dann einmal, bei der AOK schnell herauszubekommen, was für Ihren speziellen Fall die beste Möglichkeit ist, um damit zurechtzukommen.
Ihrer Auffassung nach können sich die Betroffenen den Weg zum Pflegestützpunkt ersparen. Meine Erfahrung ist jedoch, dass sie dorthin gehen. Bei den Pflegestützpunkten wollten sich in den letzten Monaten bereits Tausende Besucher, die nicht wussten, wie sie mit einem zu pflegenden Angehörigen umgehen sollen, aufklären lassen. Wie wird das finanziert? Woher bekomme ich das Krankenbett? Wer kann bei der Organisation der Tagesstruktur behilflich sein? - All das sind Fragen, die die Betroffenen, die von heute auf morgen mit der Pflege eines Angehörigen konfrontiert werden, haben.
Erleidet zum Beispiel jemand einen Unfall, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt, muss alles organisiert sein, wenn er zum Beispiel nach zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen wird. Diesbezüglich soll Unterstützung gegeben werden. Dabei bedarf es natürlich auch der Unterstützung von Unternehmen. Wenn Sie den vorhin von Frau Kollegin Wöllert vorgehaltenen Bericht aufmerksam gelesen hätten, wüssten Sie, dass die Unterstützung mitunter wunderbar funktioniert. Dennoch verschließt sich dem noch das eine oder andere Unternehmen. Wir müssen dies aber mit Unterstützung der Unternehmen tun; denn genau sie werden ein Fachkräfteproblem bekommen, wenn die Pflege nicht abgesichert ist und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Unternehmen zu Hause Angehörige pflegen müssen. Dies muss entsprechend organisiert werden.
Das muss nicht unbedingt finanzielle Mehrbelastungen bedeuten, sondern kann durch Umbaumaßnahmen im Unternehmen erfolgen. Diesbezüglich wollen wir Erfahrungen sammeln, diese verbreiten und auch Mitarbeiter und Unternehmer gewinnen, die das mit uns publizieren. Ich befürworte den Antrag und bitte Sie, dem zuzustimmen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion. - Frau Prof. Dr. Heppener, Sie haben noch eine Minute, um auf die Beiträge zu reagieren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Blechinger hat die Intention dieses Antrags infrage gestellt. Sie meinte, es sei genug Information zu diesem Problem vorhanden, es gebe Studien und Veröffentlichungen. Jedoch habe ich, Frau Blechinger, die Hoffnung, dass Sie nach dem Beitrag von Herrn Beyer doch ein wenig anders denken; denn hier zeigt sich, dass es in unserer Gesellschaft nötig ist, bei diesem Problem Verstand und Vernunft walten zu lassen. Ich hoffe, dass sich irgendwann auch bei Herrn Beyer die Vernunft durchsetzt.