Attraktive Regionen sind der Schlüssel, um Ärzte und weiteres medizinisches Fachpersonal anzuwerben und zu halten. In Regionen, in denen kein schnelles Internet existiert, die nur unzureichend an den ÖPNV angebunden sind, in denen sich Familie und Beruf nur unzureichend vereinbaren lassen und in denen es kein attraktives Kulturangebot gibt, werden sich schwerlich junge Mediziner niederlassen. Es gilt daher als erste Aufgabe aller Mitglieder des Kabinetts, sich gemeinsam mit den Akteuren vor Ort auf Maßnahmen zur Stärkung des ländlichen Raumes zu verständigen.
Die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit von Medizinern, wie sie kürzlich in Berlin verabredet wurde, ist aus unserer Sicht hingegen keine Option. Die ärztliche Tätigkeit muss auch zukünftig ein freies Berufsfeld sein, die nicht staatlicher Regulierung zum Opfer fallen darf. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete Nonnemacher spricht.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! „Für gesetzlich Versicherte wollen wir die Wartezeit auf einen Arzttermin deutlich reduzieren.“ Diese Aussage im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sorgt seit Wochen für beträchtliche Aufregung.
Die Kassenärztliche Vereinigung soll Facharzttermine zentral vermitteln. Dauert es länger als vier Wochen, hat der Patient das Recht, eine Krankenhausambulanz aufzusuchen und sich dort zulasten des ambulanten Honorartopfes behandeln zu lassen. Während Krankenkassen und Kliniken diesen Vorstoß loben und darin einen Hebel zur Verringerung der Barrieren zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sehen, brandmarken Ärztevertreter den Vorschlag als unausgereift und populistisch.
Ärztekammerpräsident Montgomery hält das Problem der Facharzttermine für - ich zitiere - „grandios überschätzt“. Ist es das wirklich? Zahlreiche Untersuchungen, ob von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, von der Forschungsgruppe Wahlen oder vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen, kommen zu dem Ergebnis, dass Wartezeiten von über drei Wochen keineswegs selten sind, und immer sind gesetzlich Versicherte in der Gruppe mit den längsten Wartezeiten drei- bis fünfmal so häufig vertreten wie Privatpatienten. Am schnellsten sind Termine bei Hausärzten zu bekommen, am längsten wartet man beim Augenarzt.
Eine im September letzten Jahres im Auftrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Brandenburg durchgeführte Untersuchung zu Wartezeiten auf Facharzttermine bestätigt dies eindrücklich. In Brandenburg wartet man als Kassenpatient durchschnittlich 45 Tage auf einen Facharzttermin, als Privatpatient 21 Tage. Analog anderer Studien ist die Situation besonders gravierend bei Augenärzten. Dort warten Kassenpatienten 42 Tage länger auf einen Termin als Privatversicherte. Besonders ungünstig, was Wartezeiten allgemein und die unterschiedliche Vergabepraxis an Privat- und gesetzlich Versicherte betrifft, schneidet die Region Cottbus und das südöstliche Brandenburg ab. Obwohl dort formal keine Unterversorgung in einer Facharztgruppe vorliegt, ist dort die Arztdichte niedrig und die Altersstruktur der Bevölkerung ungünstiger, was wieder einmal auf die veralteten Daten zur angemessenen Versorgungsdichte verweist.
Besonders auffällig bei dieser Studie war - und das hat mich erschreckt -, dass es vonseiten des Praxispersonals bei der Terminvergabe so wenige Nachfragen zur Dringlichkeit des Krankheitsbildes gab. Der Versichertenstatus hatte erheblich größere Bedeutung.
An diesem Strukturproblem hat das GKV-Versorgungsstrukturgesetz bisher fast nichts ändern können. Auch der Koalitionsvertrag bietet keine Vision, wie die Gesundheitsversorgung in Zukunft solidarisch verbessert werden kann. Es bleibt bei der unsinnigen Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Das heißt, weiterhin entscheidet die Art der Versicherung und nicht die Erkrankung darüber, wie schnell und wie man behandelt wird. Den Gedanken an eine solidarische Bürgerversicherung hat die SPD so schnell fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, und das, Frau Kollegin Lehmann, nehme ich Ihnen wirklich übel.
Weiterhin werden sich Ärzte bevorzugt dort niederlassen, wo der Anteil an Privatpatienten hoch ist, und nicht dort, wo die Bedarfe am höchsten sind. Weiterhin existieren Unter- und
Obwohl auf Bundesebene auch Positives ausgehandelt wurde, wie die stärkere Berücksichtigung von Qualitätskriterien, die Förderung innovativer Versorgungsformen und ein neuer Anlauf zu einem Präventionsgesetz, das wir dringend brauchen, so zeichnet sich keine grundlegende Reformperspektive ab. Auch die integrierte Versorgung, die für Brandenburg so wichtig wäre, und die berufsgruppenübergreifende Versorgung werden nicht nachdrücklich genug verfolgt. Das Festschreiben der Arbeitgeberbeiträge bürdet den gesetzlich Versicherten wieder alle Kostensteigerungen allein auf. Dies belastet Versicherte mit geringem Einkommen spätestens ab 2017 mehr als die bisherige schwarz-gelbe Kopfpauschale mit Sozialausgleich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns zum Jahresbeginn alle viel Gesundheit gewünscht. Das möchte ich auch noch einmal tun: Bleiben Sie alle schön gesund!
Die Gesundheitspolitik ist ein wichtiges und gutes Thema, das meine Fraktion heute zur Aktuellen Stunde auf die Tagesordnung gesetzt hat. Der gesundheitliche Fahrplan der Bundesregierung steht fest. Ich denke, die Gesundheitspolitik in der Koalitionsvereinbarung ist nicht unbedingt als großer Wurf zu bezeichnen. Es wird keine wirkliche Gesundheitsreform geben, und die sinnvolle und zukunftsfähige Bürgerversicherung ist in weite Ferne gerückt.
Die Koalitionsvereinbarung enthält dennoch eine Reihe wichtiger Stichpunkte und Erwähnungen, die meines Erachtens in die richtige Richtung gehen. Das weckt Hoffnung, dass daraus gute Gesetze entstehen. Spannend bleibt allerdings, wie groß der Mut der Bundesregierung ist, hier zu reagieren. Wir haben ja in der Zeit der Vorgängerregierung aus CDU/CSU und FDP viele Hoffnungen zu Grabe tragen müssen.
Ich will auf einige Punkte der Koalitionsvereinbarung eingehen, um Brandenburger Antworten zu geben. Herr Prof. Schierack, ich habe sehr großen Respekt vor den Beschäftigten im Gesundheitswesen Brandenburgs. Sie haben eine Menge „wegzutragen“. Gerade Ärzte im ländlichen Raum haben aufgrund des dortigen Ärztemangels überdurchschnittlich viele Patienten mehr zu betreuen als Ärzte in anderen Regionen.
In der Koalitionsvereinbarung ist zu Prävention einiges ausgeführt. Das ist ein wichtiges Thema, über das bisher noch keiner gesprochen hat. Deshalb will ich es tun. Ich zitiere aus der Koalitionsvereinbarung:
„Wir werden noch 2014 ein Präventionsgesetz verabschieden, das insbesondere die Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kita, Schule, Betrieb und Pflegeheim und die betriebliche Gesundheitsförderung stärkt und alle Sozialversicherungsträger einbezieht.“
Was könnte für Sie wichtig sein zu fragen? Es war die reine Wahrheit, die ich Ihnen bis jetzt gesagt habe.
Wir fordern seit Jahren ein Präventionsgesetz. Das schlechte Gesetz der Vorgängerregierung konnten wir zum Glück - wirklich zum Glück! - im Bundesrat stoppen: keine ausreichende Finanzierung für Prävention und Gesundheitsvorsorge und keine Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes - das waren die Hauptmängel an Ihrem Präventionsgesetz, sehr geehrte Kollegen der Vorgängerregierung.
Die Bundesländer hatten bereits 2012 eine Fonds-Lösung als ausreichende Finanzierung auf Länderebene gefordert. Da wir Prävention und Gesundheitsförderung in den Ländern umsetzen wollen, besonders auf der kommunalen Ebene, ist uns dieses Gesetz sehr wichtig.
Zur Prävention gehört das Grundlagenwissen über die Ursachen von Krankheiten. Wir alle wissen inzwischen - ich glaube, wir alle -, dass soziale Ungleichheit zu gesundheitlicher Ungleichheit führt. Das ist kein Geheimnis. Wir brauchen Prävention dort, wo die Menschen leben. Wir brauchen einen starken öffentlichen Gesundheitsdienst. Dazu habe ich mich mit dem kommunalen Arbeitgeberverband verabredet und die Landräte und Oberbürgermeister in Brandenburg aufgefordert, die Ärztinnen und Ärzte entsprechend den vorhandenen Möglichkeiten besser zu finanzieren, also den Zuschuss in Anspruch zu nehmen.
Neben Prävention gibt es andere wichtige Punkte wie die Qualitätsoffensive. Wer will nicht gute Qualität in der stationären
Versorgung? Das wollen wir alle. Beste Qualitätssicherung besteht aber zuallererst in einer auskömmlichen Bezahlung des Personals für seine sehr zuverlässige und aufopferungsvolle Tätigkeit. Das ist das Wichtigste. Die Länder haben im vergangenen Jahr die Bundesregierung dazu aufgefordert, hier gesetzlich zu regeln. Das hat sie nicht getan.
Auch wir sind für eine weitere Verbesserung der flächendeckenden Versorgung in den ländlichen Räumen. Darüber haben wir hier oft diskutiert. Das Landärzte-Gesetz war uns versprochen. Es war letztlich nur das Versorgungsstrukturgesetz und hat keine Hilfe gebracht.
Wir sind für die Stärkung der Rolle des Hausarztes und der hausärztlichen Versorgung. Dafür setzt sich Rot-Rot in Brandenburg ein. Wir hatten eine gute Konferenz zur Stärkung der Allgemeinmedizin in Brandenburg, aus der wir die Schlussfolgerung abgeleitet haben.
Mehr Möglichkeiten zur Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen durch den Einsatz von qualifizierten nichtärztlichen Gesundheitsberufen - einschließlich deren leistungsgerechter Vergütung - ist eine Forderung, die auch Brandenburg immer wieder bringt. Die Stichworte AGnES II und Telemedizin möchte ich ergänzen. Darauf ist eingegangen worden. Wir haben gute Modelle. Wir brauchen dafür die Regelfinanzierung. Ich bitte Sie, sehr verehrte Kollegen von der CDU-Fraktion, das auch in den Bund zu tragen.
Entscheidend für uns ist, dass die Ziele nicht wieder, wie in den letzten Jahren, zu Programmsätzen verkommen. Wir müssen jetzt, mit konkreten bundespolitischen Maßnahmen und Gesetzesänderungen untersetzt, die Chance haben, in Brandenburg eine wirkungsvollere Gesundheitspolitik zu betreiben. Auch wenn Sie es immer wieder infrage stellen, ist es eine Tatsache: 80 % der gesetzlichen Regelungen für die Gesundheitspolitik im Land werden auf Bundesebene beschlossen.
Frau Nonnemacher hat gerade über den Vorschlag gesprochen, der eine hohe Welle in der öffentlichen Debatte geschlagen hat, Wartezeiten auf einen Arzttermin für gesetzlich Versicherte deutlich zu reduzieren. In der Koalitionsvereinbarung lautet der Vorschlag: