Herr Abgeordneter Genilke, möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Jürgens zulassen? - Bitte, Herr Jürgens.
Danke, Frau Präsidentin. Danke, Herr Kollege! Sie reden von der Reform der Bundeswasserstraßenverwaltung so, als ob sie über uns komme wie sonst was. Können Sie mir die Frage beantworten, von welchem Ministerium auf Bundesebene diese Reform geplant wird und welcher Partei der zuständige Minister angehört?
Das kann ich Ihnen sagen. Diese Reform wurde im Hinblick darauf vorgenommen, dass sich die Mittel, die uns für die Infrastruktur zur Verfügung stehen, immer weiter verringert haben. Das BMVBS hat die Reform in der letzten Legislaturperiode angestoßen. Das gilt übrigens nicht nur für die Abstufungen, sondern auch für die Änderung der Zahl der Wasserstraßenämter. Es wurde also eine Gesamtstrukturreform durchgeführt. Ich glaube, dass gerade jetzt, im Zuge der Erarbeitung einer Koalitionsvereinbarung, die Infrastruktur eine deutliche Aufwertung erfahren wird. Das lässt mich hoffen, dass wir hier nicht das letzte Wort zu dieser Frage gesprochen haben.
Das Ganze zieht eine Kette von Folgen nach sich. Die Unwägbarkeiten habe ich angesprochen. Angesichts der Einschränkung durch die Schleusen können nicht genügend Güter transportiert werden. Im Ergebnis sind wir, was die Bedeutung der
Wasserstraßen angeht, schon abgefallen. Ich bin mir sicher, dass die neue Initiative dazu führen wird, dass wir mehr Güter auf den Wasserstraßen transportieren können.
Lassen Sie mich auf das zuvor Gesagte zurückkommen: Schon in wenigen Jahren wird es nicht mehr die 85-Meter-Schiffe geben, die derzeit noch durchgeschleust werden, sondern der Schiffsraum wird sich deutlich vergrößern, mindestens auf 125 Meter. Bisher müssen diese Schiffe vor den Schleusen entkoppelt werden. Deshalb ist die Erweiterung auf 130 Meter sinnvoll. Insoweit sind wir auf einem guten Weg.
Der Verein Weitblick e. V., ein Zusammenschluss der verladenden Wirtschaft, der Kammern und der Kommunen entlang der Wasserstraße, hat dem Bundesverkehrsministerium angeboten, die Schleuse für einen symbolischen Euro zu kaufen und dann mit eigenen Mitteln auszubauen. Ich meine, das ist ein bemerkenswerter Vorgang. Die Wirtschaft erkennt also die Bedeutung auch dieses Teils der Infrastruktur an und ist bereit, Verantwortung, aber auch Risiken selbst zu übernehmen. Das begrüßen und unterstützen wir. Das kommt übrigens sehr nahe an das Konzept heran, das uns Herr Daehre bereits vor wenigen Tagen in der IHK Potsdam vorgestellt hat: Es muss möglich sein, auch privates Kapital in die Infrastruktur zu stecken, weil wir nicht in der Lage sind, alles komplett mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Wir brauchen den Schleusenausbau - nicht in 20 Jahren, sondern jetzt.
Die Alternative wäre, die Schleuse in Kleinmachnow im Bestand zu sanieren. Die Schleusenkammer würde also bei 85 Meter stehen bleiben. Bei der Schleuse in Fürstenwalde wird aber das Planverfahren unter Umständen gar nicht erst vorangetrieben, das heißt, es bleibt bei der Schleusenkammerlänge von gerade einmal 68 Meter. Die normative Nutzungsdauer einer solchen Schleuse beträgt 20 Jahre. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass ein Unterbleiben des Ausbaus zu einer Abschwächung des Binnenschiffsverkehrs führt. In Kleinmachnow wird gerade für viel Geld eine Infrastruktur instandgesetzt, die - wenn wir es bei 85 Meter beließen - den Anforderungen an eine moderne Binnenschifffahrt nicht mehr gerecht würde. Es gäbe keinen Mehrnutzen, natürlich auch nicht durch die Logistikunternehmen.
Das hielten wir für falsch, gerade auch, weil eine Instandsetzung bedeuten würde, dass hier für mindestens 20 Jahre kein Ausbau stattfände. Dem Osten, auch unseren polnischen Nachbarn, wird im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben. Hier müssen wir gemeinsam gegenhalten.
Die Auswirkungen sind heute durchaus schon zu spüren. Das Unternehmen Agravis hat nach Bekanntwerden des Ausbaustopps für sein Tochterunternehmen FGL am Standort Fürstenwalde einen Investitionsstopp verhängt. Bislang hat FGL in Fürstenwalde 70 Millionen Euro - übrigens ohne öffentliche Zuschüsse - investiert. Ohne den Neubau der Schleusen in Kleinmachnow und Fürstenwalde werden diese Investitionen ausgebucht und eine Standortverlagerung vorbereitet. Der Bürgermeister von Fürstenwalde, Herr Hengst, hat von einer Erhöhung der Arbeitslosenquote um 15 % für den Fall einer Standortverlagerung gesprochen.
Sie sehen: Es geht auch um bestehende Arbeitsplätze. Deshalb muss der Ersatzneubau so schnell wie möglich kommen.
Ich konnte ein paar Beispiele aufzählen. Die Beteiligten rechnen mit einem Verlagerungspotenzial von insgesamt 5,5 Millionen Gütertonnen auf die Wasserstraßen. Einer der größten Arbeitgeber im Land Brandenburg, Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt, hat erklärt, man können pro Jahr 1,5 Millionen Tonnen auf die Wasserstraßen verlagern - vorausgesetzt, die Infrastruktur ist entsprechend ausgebaut.
Hier geht es also vor allem um Standortpolitik für Brandenburg. Ich hoffe, dass sich auch die rot-rote Landesregierung dieser Tatsache bewusst ist.
Nur Dinge, die klar sind, sind auch brauchbar. Der vorliegende Entschließungsantrag von Rot-Rot allerdings trifft nicht wirklich den Nerv.
Die Problematik wird in dem Entschließungsantrag einfach nicht korrekt beschrieben. Wir müssten bei dessen Annahme bis zum 6. Januar warten; erst dann kommen die Sternendeuter aus dem Morgenland. Sie lassen in Ihrer Deutung, was dort zukünftig passieren wird, alles offen.
- Völlig klar. - Der Minister hat doch in den Bundesverkehrswegeplan die Erweiterung auf 130 Meter hineingeschrieben. Sie aber sprechen von einem „auf das notwendige Maß begrenzten Ausbau der Schleusen in Kleinmachnow und Fürstenwalde“. Das lässt verschiedene Deutungen zu. Wenn wir 130 Meter wollen, müssen wir auch 130 Meter sagen. Ich kann doch nicht in Verhandlungen gehen und sagen: Wir gucken mal, was möglich ist. - Wir sollten klar und deutlich benennen, wohin die Reise geht. Infrastruktur wird nicht auf der Grundlage irgendwelcher Annahmen und nicht auf vage Entscheidungen hin geplant. Ich wiederhole: Im Bundesverkehrswegeplan haben wir 130 Meter festschreiben lassen, in unseren Antrag haben wir 130 Meter geschrieben; dann sollen es auch 130 Meter werden.
Was nicht zur Debatte steht, ist der Ausbau der Wasserstraße selbst - das deuten Sie nämlich in Ihrem Antrag an. Der Kanal bleibt so, wie er ist, und er steht auch nicht zur Debatte. Das Einzige, was zur Debatte steht, sind die Schleusen in Kleinmachnow und Fürstenwalde. Sie scheuen sich nämlich vor diesen Aussagen mit dem Hinweis „auf das notwendige Maß“ des Ausbaus der Schleusen. Das ist mir einfach zu wenig, das ist nicht korrekt und deshalb ist es auch nicht sinnvoll.
Aber auch unsere Landesregierung hat sich nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, nämlich als Frau Tack 2011 glattweg den Umweltpreis an eine bekannte Ausbaugegnerin der Schleuse vergeben hat. Das hat uns nicht unbedingt gut getan, aber ich denke, wir haben Möglichkeiten, hier zu reagieren. Ich glaube, es ist nicht zu spät und es tut unserem Land gut, wenn wir diesen Ausbau der Schleusen ermöglichen, damit wir auch in Zukunft sagen können: Wir haben eine Infrastruktur, von der wir im Land profitieren. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Genilke. - Wir kommen nun zum Beitrag der SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Kosanke hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen zuerst Grüße von unserer Kollegin Elisabeth Alter ausrichten, die eigentlich zu diesem Thema gesprochen hätte. Sie unterstützt den Verein „Weitblick“ intensiv seit Anfang des Jahres und hat da auch vielfältige Aktivitäten unternommen.
- Bitte. - Ich will zuerst einmal sagen, dass und inwieweit wir der Initiative zustimmen. Ich glaube, den Dissens zu beschreiben, den wir hier haben - Kollege Genilke hat das schon an ein paar Punkten angedeutet -, dafür ist dann auch noch Zeit. Aber es ist ja immer schön, wenn man in diesem Haus in vielen Punkten Einigkeit hat und da erst einmal ein Stück weit zusammenkommt.
Wir bedanken uns außerordentlich für die Initiative des Vereins „Weitblick“. Wir sind dankbar dafür, dass hier in der Diskussion ein Thema wieder angeschoben wurde, das irgendwie zum Erliegen gekommen war durch die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für Kleinmachnow und die Diskussion über die Herabstufung der entsprechenden Wasserstraßenklassifikationen. Es ist wichtig, dass eben der Osten nicht abgehängt wird, dass das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ fortgeführt wird und dass wir hier nicht rückwärts diskutieren, sondern das, was wir schon gemeinsam wollten, weiter vorantreiben.
Es gibt hier auch Erfolge - Sie haben es angesprochen, lieber Kollege -: Wir haben die zum Schiffshebewerk gehörenden Brücken vor kurzem so weit hinbekommen, dass da jetzt durch entsprechende Baumaßnahmen die Anhebungen so vonstattengehen, dass auch die Investition in den Neubau des Schiffshebewerks sinnvoll ist. Genau um diese Sinnhaftigkeit geht es auch bei den beiden Schleusen in Kleinmachnow und Fürstenwalde.
Ich darf daran erinnern, dass der Ausbau der Schleuse Kleinmachnow seinerzeit auf 190 Meter planfestgestellt wurde. Darauf zielten damals die von Ihnen auch angesprochenen Überlegungen aus dem Bereich der Anwohner und des Naturschutzes, dass die 190 Meter vielleicht etwas überproportioniert sind. Es gab damals eine Kompromissvariante, festgelegt in einem sogenannten Appell an die Vernunft, den auch Kollegen Ihrer Fraktion sinnhafterweise unterzeichnet haben, wo eine Zahl von 115 Meter in den Raum gestellt wurde. 115 Meter und 130 Meter unterscheiden sich relativ wenig. Es geht darum, dass man 110 Meter hat - Wasserfahrzeuge dieses Ausmaßes müssen in solch eine Kammer hineinpassen - und dann noch etwas Luft hat, um in solch einer Schleusenkammer noch arbeiten zu können. Also, da besteht tatsächlich kein ernsthafter Unterschied in der Feststellung. Das war damals die Kompromissvariante der Gegner eines Ausbaus auf 190 Meter. Insofern gibt es auch keinen wirklichen Dissens, sondern das
- Fast! Naja, nur, weil heute der letzte Tag hier im alten Haus ist, heißt das ja nicht, dass wir mit bestimmten Regeln brechen.
- Ja, natürlich. Herr Genilke hat ja sehr klar gemacht, dass er mit unserem Antrag auch nicht leben kann, obwohl er das eigentlich müsste. Insofern - das muss so ein bisschen passieren.
Ich sage Ihnen, was uns an Ihrem Antrag stört: Uns stört die Fokussierung auf den Verein, uns stört die Fokussierung auf die Privatisierung der Schleusen. Wir unterstützen völlig die Petition des Vereins und begrüßen es, dass er diese Debatte vorangebracht hat. Dass ich mich dafür bedankt habe, ist sehr ehrlich gemeint. Aber es geht nicht, dass wir hier den Bund aus der Pflicht lassen. Aber es geht nicht, dass wir riskieren …
- Wir können das ja dann gemeinsam machen, aber wir müssen uns vorher als Land dazu positionieren, dass wir den Bund eben wegen der gemeinsamen Verantwortung - höchstwahrscheinlich nicht aus der Pflicht entlassen. Dazu gehören natürlich Ausbaugrößen von Schleusen zusammen mit entsprechenden Wasserstraßenklassifikationen. Da jetzt das Netz zu zerstückeln und hier Verantwortliche zu schaffen und dort Verantwortliche zu schaffen führt nicht unbedingt dazu, lieber Kollege, dass wir hier eine sinnvolle, nachhaltige, einheitliche Gesamtkonzeption auf den Weg bringen. Deswegen lehnen wir die Fokussierung ab.
Wir hatten Ihnen angeboten, einen gemeinsamen Text - vielleicht mit ein paar Veränderungen - zu finden. Das hat leider nicht geklappt. Das ist auch nicht so wild, weil der Entschließungsantrag in der Stoßrichtung das aufgreift, was Sie auch angeregt haben, und es so modifiziert, dass es sinnvoller wird. Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem gemeinsamen Vorhaben. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Burkardt, ich werde jetzt natürlich nicht erklären, was der Kollege Kosanke sagen wollte - ich habe es nämlich auch nicht so ganz verstanden. Das wäre dann wahrscheinlich auch nicht so ganz umfänglich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um die Spannung hier nicht ins Unerträgliche zu steigern: Wir werden schlussendlich dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion zustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was das Gesamtthema anbelangt, da sage ich deutlich: Selten habe ich mich so sehr an das berühmte Goethe-Wort erinnert: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust. - Denn es geht hier letzten Endes gar nicht um die Schleuse in Kleinmachnow oder eine Schleuse sonst wo. Es geht letzten Endes, lieber Herr Minister, um das gesamte Thema der Infrastruktur. Und unsere gesamte Verkehrsinfrastruktur ist völlig unterfinanziert. Ich glaube, das muss man an dieser Stelle wirklich in aller Deutlichkeit sagen.
Die Dramatik liegt eigentlich darin, dass wir uns überhaupt mit einem Antrag, den die Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion hier richtigerweise gestellt haben, in dieser Form beschäftigen müssen. Deshalb ist ja auch richtig, was als erster Teil im Entschließungsantrag der Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen steht.
Natürlich sind alle föderalen Ebenen in der Pflicht. Und ich wäre ja geneigt zu sagen: Natürlich kann man dem auch zustimmen. - Nur, lieber Herr Minister, wenn die Prioritäten, was die Verkehrsinfrastruktur anbelangt, im Landeshaushalt richtig gesetzt wären, dann würde ich ja sagen: Okay, das Bekenntnis ist richtig. - Aber auch dort sind die Prioritäten nicht richtig gesetzt.