Protocol of the Session on November 22, 2013

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Frau Ministerin Tack setzt für die Landesregierung fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für Ihre Debatte, vielen Dank auch für den Antrag zur Errichtung einer Pflegekammer, sodass wir uns hier über Sinn und Notwendigkeit noch einmal austauschen oder auch Gegenargumente aufnehmen können.

Wir haben - auch das ist schon besprochen worden - ein gemeinsames Ziel, meine Damen und Herren, wir wollen eine gute Versorgung derjenigen Menschen, die Pflege brauchen, die der Pflege bedürfen, und wir stehen vor einer großen Herausforderung. Wir sind eine alternde Gesellschaft, der Anteil der Bevölkerung, der pflegebedürftig sein wird, wird wachsen Herr Bretz; Sie haben noch ein bisschen Zeit, was das Alter betrifft, aber man sollte es nie ausschließen -, also die Pflege in Krankenhäusern, in Reha-Einrichtungen, in der Häuslichkeit, in Alten- und Pflegeheimen. Ohne Pflegekräfte wäre diese große Aufgabe nicht zu lösen, darüber sind wir uns einig.

Wir wissen um die Rahmenbedingungen, unter denen die Pflegekräfte zum Teil arbeiten und auch arbeiten müssen: eine hohe Arbeitsverdichtung, ein psychisch stark belastetes Tätigkeitsfeld, Schichtdienst. Bei den Pflegekräften haben wir einen hohen Krankenstand zu verzeichnen Das alles geht mit zum Teil sehr schlechter Bezahlung einher. Klar ist, dass an dieser Stelle zuallererst die Arbeitgeber und die Verbände in der Pflicht stehen, hier Veränderungen herbeizuführen. Da sind wir uns, glaube ich, auch einig.

Nun ist die Frage: Ist darüber hinaus die Einrichtung einer Pflegekammer zielführend, kann sie die Situation verändern, kann sie dazu beitragen, dass die Situation für die Pflegekräfte verbessert wird? Dazu will ich in aller Kürze noch einmal auf die Aufgaben, die Funktion der Kammer eingehen, damit wir uns einig sind, worüber wir reden.

Eine Kammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Staat überträgt ihr öffentlich-rechtliche Aufgaben, die sie als berufsständische Selbstverwaltungsaufgabe wahrnimmt. Damit sind Kammern Teil der mittelbaren Staatsverwaltung und letztlich wird eine Art Behörde aufgebaut, die sich über die Beiträge der Mitglieder - das ist nicht zu verschweigen - finanziert. Mitglieder sind alle Berufsangehörigen, die sind dann beim Kammerbetrieb zur Mitgliedschaft verpflichtet. Da höre ich die Kritiker, Sie haben es deutlich gemacht, Herr Büttner. Genau diese Punkte führen die Kritiker von Pflegekammern ins Feld: Pflichtmitgliedschaft, Pflichtbeiträge, Aufbau von unnötigen …

(Zuruf von der SPD: Da müssten wir auch die Handels- kammern und die Handwerkskammern abschaffen! - Die Abgeordneten der CDU applaudieren dem Zurufer.)

- Aber lieber Kollege, das ist doch nicht meine kritische Darstellung, sondern die Kollegen haben es deutlich gemacht. Und es gibt zahlreiche Kritiker, die sagen: Pflichtmitgliedschaft, Pflichtbeiträge und Aufbau von unnötigen bürokratischen Strukturen. - Das sagen die Kritiker, ich sage das nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

- Ich komme gleich noch dazu, Herr Schippel. - Die Befürworter hingegen setzen große Hoffnungen in die Einrichtung von

Pflegekammern. Sie versprechen sich, und das völlig zu Recht, eine Stärkung der Stellung von Pflegekräften insgesamt im Gesundheitssystem. Das brauchen wir dringend - auch davon ist gesprochen worden -, es braucht mehr Akzeptanz für den Beruf der Pflegerinnen und Pfleger.

Durch die Registrierung der Berufsangehörigen würde eine das wäre der große Vorteil - verlässliche Planungsgröße in Fragen der Fachkräftesicherung geschaffen, denn die haben wir bisher nicht.

Als zentrale Aufgabe würde die Pflegekammer die beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammerangehörigen unter Beachtung der Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe. Unklar ist bisher, ob die Pflegekammer tatsächlich das erreicht, was wir uns alle davon erhoffen. Klar ist allerdings, dass sie nicht durch einen Federstrich in aller Eile zu errichten ist. Und was ist nun zu tun? Ist eine Umfrage hier hilfreich, sollten wir sie starten?

Wir brauchen also eine Vorbereitung zur Bildung der Kammer, und die ist nicht in der Schnelle zu leisten. Ich will davor warnen, davon auszugehen, dass Umfragen dazu dienen können, unmittelbar Ja oder Nein dazu sagen zu können, eine Pflegekammer einzurichten.

Frau Ministerin, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Nein, ich spreche erst zu Ende?

Sie müssen nicht.

Wer fragt denn? - Herr Schippel will fragen, ja, der darf fragen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das müsste ich jetzt eigentlich beanstanden, weil: Alle Abgeordneten sind gleich.

Alle sind mir gleichermaßen lieb, und Herr Schippel darf jetzt die Frage stellen.

(Heiterkeit und Zurufe)

Die anderen wollen ja nicht fragen.

Danke, Frau Ministerin. Herr Präsident, manche Abgeordneten sind gleicher. - Frau Ministerin, wenn Sie schon erkennen, und das glaube ich Ihren Worten entnommen zu haben, dass Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern sicherlich ihre Pferdefüße haben, aber eine Vertretung des Berufsstandes

sind, und wenn das jetzt nicht so schnell zu ändern ist, warum soll die Pflege dann nicht schnellstmöglich zumindest einen gleichberechtigten Berufsstand bekommen? Die Probleme hat Frau Nonnemacher richtig dargestellt.

Meine Frage lautet: Warum nicht zumindest prüfen? Meine zweite Frage: Hier sind die Zahlen genannt worden, welchen Bedarf wir in Zukunft haben. Es hat aber niemand davon gesprochen, wie die Verweildauer der Pflegekräfte in der Pflege ist. Sind Sie nicht der Meinung, dass das zumindest zu diesen Zahlen noch sehr erschwerend hinzukommt?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter …

(Zwiegespräch im Saal)

- Wenn ihr beide euch jetzt unterhalten wollt, will ich mich nicht einmischen. Aber er hat, glaube ich, die Frage an mich gestellt.

Kammern sind umstritten, wie Sie wissen. Auch nicht alle, die eine Pflichtmitgliedschaft in der IHK wahrnehmen müssen, sind damit einverstanden. Aber es ist eine Pflichtmitgliedschaft. Deshalb würde das für die Pflegekammer gleichermaßen gelten. Wenn man diesen Schritt gehen will, muss man es in aller Konsequenz tun. Zum anderen verstehe ich nicht, warum Sie mir ständig unterstellen, ich wollte die Pflegekammer nicht. Ich will sie möglicherweise, aber wir müssen gute Vorbereitungen treffen,

(Lachen bei der CDU und Zuruf: Ich will sie möglicher- weise …)

weil heute noch nicht mehrheitlich entschieden ist, liebe Kollegen, dass die Pflegekammer hundertprozentig genau den Erwartungshaltungen entspricht, die Sie alle formuliert haben. Das wird nicht so sein! Aber wir wollen schrittweise die Bedingungen schaffen, dass wir eine Entscheidung treffen können, ob wir eine Pflegekammer wollen oder nicht. Ich will sie und würde gerne in meinem Text fortfahren, damit Sie dann auch konsequenterweise erfahren, dass ich es wirklich will.

Also: Ich will, dass wir die Vorbereitungen gemeinsam treffen. Eine Umfrage - ja, liebe Kollegen, ja, aber sie braucht eine gute Vorbereitung und sie kostet ganz viel Geld. Sie kostet über 100 000 Euro, das haben wir von den Ländern erfahren …

(Zuruf)

Die Umfrage.

(Zuruf)

Die habe ich eben nicht. Deshalb sage ich, man kann es nicht heute sofort einführen, sondern die Umfragen der anderen Bundesländer haben gezeigt: Es ist sehr teuer, und es muss sehr gut vorbereitet werden. Man braucht mindestens einen Vorlauf von einem Dreivierteljahr, um es überhaupt zu organisieren. Deshalb ist es eine Aufgabe, die wir uns vornehmen können.

Da Frau Lehmann jetzt so entsetzt geguckt hat: Wir, der Kollege Baaske und ich, haben das Thema Pflegekammer natürlich

im Blick, wir für die Krankenpflege und das MASF für die Altenpflege. Wir müssen in der Konsequenz, wenn der Bedarf besteht, darauf eine Antwort geben. Ich glaube, diese Antwort sollten wir gut vorbereiten.

Wir haben in der Gesundheitsministerkonferenz in diesem Jahr und in den Gremien dazu längst beraten, keine Frage. Frau Schier wusste zu berichten, dass alle 16 Bundesländer die Situation dargestellt haben. Das haben wir vorliegen. Da will ich Ihnen nur sagen, dass sowohl Hessen als auch Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gegenwärtig überhaupt keine Notwendigkeit sehen, eine Pflegekammer einzurichten. Ich will es nur mal sagen: Das sind CDU-geführte Länder, die sehen das im Augenblick ein bisschen anders.

Wir sind in Verabredung mit Berlin, um die Bedingungen zu besprechen, auszutesten, ob wir möglicherweise, wenn überhaupt - vielleicht sind die Berliner schneller, dann können wir nicht mitmachen - eine gemeinsame Umfrage und Befragung machen, was Sinn machen würde, da wir gerade im engeren Verflechtungsraum mit Berlin sicherlich ähnliche Leistungen gleichermaßen nutzen können.

Wir haben Gespräche mit dem Berufsverband geführt, gar keine Frage. Wir haben besprochen, dass wir diesen Weg gehen wollen, wie die anderen Länder auch, und testen wollen, ob wir es wollen.

Es zeigt sich bundesweit, meine Damen und Herren, dass die rechtlichen und tatsächlichen Hürden nicht zu unterschätzen sind. Wir sind uns, glaube ich, einig, dass einige Fragen letztendlich erst im Gerichtsverfahren geklärt werden, das zeichnet sich jetzt schon ab.

Ich stehe - das habe ich jetzt mehrmals unterstrichen - dem Thema Pflegekammer offen gegenüber, auf alle Fälle, ich glaube, das haben auch Ihre Reden deutlich gemacht. Ich sehe die Chance, in einer demokratisch legitimierten Körperschaft für die Pflegeberufe mehr Verantwortung herbeizuführen - gar keine Frage -, aber auf jeden Fall brauchen wir eine kluge Vorbereitung, und das Meinungsbild muss stimmen, damit wir dann letztendlich auch die eindeutige Antwort bekommen: Ja, wir wollen eine Pflegekammer. Ich komme noch einmal darauf zurück.

(Zuruf von der CDU)

Im Augenblick würde ich empfehlen, dass wir uns im Ausschuss noch einmal gegenseitig informieren, wie die Dinge sind. Ich habe gesagt, wie viele Länder im Augenblick davon Abstand nehmen. Wir sollten es sorgfältig prüfen. Deswegen werden wir heute nicht sagen: Ja, wir richten eine Pflegekammer ein.

(Schippel [SPD]: Das ist nicht Inhalt des Antrags!)

Wir sind auf dem Weg der Prüfung.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, darauf zu achten, insbesondere auch die Mitglieder der Landesregierung, wenn Sie denn schon Ihre Zeit überziehen, was Sie dürfen, dass die