Protocol of the Session on November 22, 2013

Bislang ist nicht nur in Brandenburg ungeklärt, welche Aufgaben und Kompetenzen Pflegekammern erhalten sollen. Die Darstellung des Mehrwertes für die Akteure in der Pflege ist notwendig, bislang aber nicht wirklich sichtbar. Eine Pflichtmitgliedschaft und ein Pflichtbeitrag ohne konkrete Gegenleistung sind unsinnig. Wir als FDP-Fraktion würden sie ablehnen.

Ich glaube nicht, dass das mögliche Ergebnis des Antrages der CDU-Fraktion verfangen würde. Berlin ist ein Paradebeispiel: Ankündigungen ohne entsprechendes Handeln schaden der Pflege mehr als sie nutzen.

Ich weiß auch nicht, ob eine gemeinsame Pflegekammer Berlin-Brandenburg sinnvoll ist. Die Interessenlagen der Akteure in der Pflege in Brandenburg und Berlin sind unterschiedlich. Wir haben unterschiedliche Vergütungssätze und auch unterschiedliche Problemlagen.

(Zuruf der Abgeordneten Schier [CDU])

- Ja, Kollegin Schier, alles gut.

Absicherung der Versorgung im ländlichen Raum und Verteilung der Pflegeleistungen im Ballungsraum - das sind grundverschiedene Herausforderungen. Unter den bestehenden Rahmenbedingungen ist es für mich nur schwer vorstellbar, dass gemeinsame Ziele definiert werden können. Ich weiß nicht, ob das eine vernünftige Arbeitsgrundlage für eine Pflegekammer ist.

Trotz dieser Bedenken geht es in dem Antrag der CDU-Fraktion letztlich nur um einen Prüfauftrag. Dieser muss den Grundsatz berücksichtigen: „Bedenke schon am Anfang deines Handelns, was am Ende herauskommt!“ Insofern sage ich Ihnen noch einmal, dass wir eine Pflegekammer ablehnen. Es ist aber schon interessant zu erfahren, was die Betroffenen denken. Ich glaube, dass der Antrag der CDU-Fraktion dafür eine gute Grundlage ist, und empfehle die Zustimmung.

(Beifall FDP und CDU)

Die Abgeordnete Rabinowitsch spricht für die Linksfraktion.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Liebe Abgeordnete! Ich freue mich, dass ich es gerade noch geschafft habe, zum heutigen Zeitpunkt die erste Rede an Sie halten zu dürfen - sozusagen ein Einlauf auf der Zielgeraden.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

Nun zum eigentlichen Thema! Es ist für uns unbestritten: Das Thema Pflege ist und bleibt ein sehr ernsthaftes Problem. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt zusehends. Die Zahl der Pflegekräfte dagegen sinkt und wird nicht mehr ausreichen. Das ist eine große Herausforderung für das Land Brandenburg.

Bereits im März dieses Jahres wurde auf Anfrage von Ihnen, Frau Abgeordnete Schier, zu der Problematik „Bildung einer Pflegekammer“ durch den Staatssekretär, Herrn Prof. Dr. Schroeder, Stellung genommen. Die dort aufgeworfenen Fragen, was eine Pflegekammer bewirken kann und welche Aufgaben in der Pflege zum Beispiel die Berufsverbände, die Gewerkschaften und natürlich auch die Landesregierung selbst leisten können, sind noch nicht abschließend beantwortet, aber in Klärung. Sicherlich werden wir dazu heute noch von Frau Ministerin Tack den aktuellen Sachstand erfahren.

Grundsätzlich ist die Sachlage im Land durch Studien bekannt, nachzulesen zum Beispiel in dem Dokument „Langfristige Sicherung der pflegerischen Versorgung im Land Brandenburg“, sodass ich hier auf Einzelheiten verzichten kann. Außerdem haben meine Vorredner Sie schon mit Zahlen bombardiert; diese möchte ich nicht wiederholen.

Der Problematik nimmt man sich jedoch nicht nur in Form von Studien an, sondern auch in ganz gezielten praktischen Projekten, zum Beispiel in INNOPUNKT-Projekten. Darüber hinaus

gibt es zahlreiche Veranstaltungen, die das Thema immer wieder aufgreifen und Lösungsansätze vorantreiben sollen. Auch die Linke steht in ständigem Austausch mit allen Akteuren in der Pflege. Das Land Brandenburg befasst sich also derzeit sowohl in Veranstaltungen als auch in Form von Studien und Projekten mit der Problematik der stetig steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen und dem zunehmenden Fachkräftemangel in der Pflege.

Den Ausbau flächendeckender Versorgungsstrukturen auch in ländlichen Regionen haben die zuständigen Ministerien für sich klar als Aufgabe erkannt. Hierbei geht es nicht nur um die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung von Pflegekräften, sondern auch um die Entlastung pflegender Angehöriger und die Entwicklung von Ehrenamtsstrukturen. Gerade das Land Brandenburg benötigt ein komplexes Rahmenkonzept, das einerseits qualitative Standards setzt und Netzwerke schafft, andererseits aber genug Spielraum lässt, auf die spezifischen regionalen Gegebenheiten vor Ort einzugehen.

Die Problematik im Land Brandenburg ist nicht vergleichbar mit der in anderen Regionen, und selbst innerhalb des Landes gibt es regional große Unterschiede bezüglich der Bevölkerungsstruktur. So werden die Maßnahmen im ländlichen Raum andere sein müssen als in berlinnahen Regionen. Auch ein Konzept Berlins ließe sich nicht eins zu eins auf Brandenburg übertragen. Dennoch ist eine enge Zusammenarbeit unabdingbar, um überall eine Versorgung auf gleichem Qualitätsniveau zu realisieren. Dieses bedarf genauester Untersuchungen und differenzierter Betrachtungen,

(Beifall CDU)

die aber nicht im Ad-hoc-Verfahren zu machen sind, liebe Kollegen.

(Beifall DIE LINKE und CDU)

Es muss letztlich ein gutes Zusammenspiel zwischen Familien-, Nachbarschafts- und Ehrenamtshilfe sowie professioneller Hilfe geben. Es muss auch alternative Wohnformen geben, die sowohl das Wunsch- und Wahlrecht als auch das Bedarfsdeckungsprinzip garantieren.

Die Einrichtung einer Pflegekammer kann - ich betone: kann dazu ein geeignetes Instrument sein, das vor dem Hintergrund der Aufgaben, Rechte und Strukturen intensiv zu prüfen ist. Hier sollte von den Erfahrungen anderer Bundesländer profitiert werden. Die Linke steht also der Einrichtung einer Pflegekammer nicht ablehnend gegenüber, empfiehlt jedoch vorerst den Blick in die anderen Bundesländer, die dahingehend bereits auf Erfahrungen zurückgreifen können.

Ein ganzheitliches Rahmenkonzept, das möglicherweise auch eine Pflegekammer beinhalten kann, sollte nicht im Schnellverfahren entstehen. Hier gilt es, lieber langsam und dafür gründlich statt voreilig und halbherzig vorzugehen. Der demografische Wandel im Flächenland Brandenburg ist als große Herausforderung bereits erkannt, sollte nun aber in seiner Komplexität nicht verkannt werden und nicht zu übereilten Maßnahmen verleiten.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Geben Sie allen Akteuren, die auf diesem Gebiet unterwegs sind, die nötige Zeit,

um qualitativ ausgereifte, nachhaltige Lösungen zu finden. Das Thema hat es allemal verdient. - Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Bretz [CDU])

Die Abgeordnete Nonnemacher setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen der Einführung einer Pflegekammer in Brandenburg aufgeschlossen, ja positiv gegenüber, weil wir die Pflege stärken müssen.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Gegenwärtig werden deren Aufgaben und Ziele vorwiegend aus der Sicht der Einrichtungs- und Kostenträger sowie von fremden Verbänden definiert. Pflegekräfte können zwar beteiligt werden, aber zwingend erforderlich ist diese Beteiligung nicht.

Bekanntlich ist die Realität in der Pflege durch einen ausgeprägten Mangel an Nachwuchskräften geprägt; Akzeptanz und Attraktivität des Pflegeberufes sind nicht besonders hoch. Zurzeit haben wir in Brandenburg ca. 29 000 Pflegekräfte und einen prognostizierten Bedarf von 54 000 im Jahr 2030. Da wir gut ausgebildete, motivierte und anerkannte Pflegekräfte und Pflegenachwuchs brauchen und die Professionalisierung der Pflege voranschreitet, wollen wir den Stellenwert der Pflegeberufe verbessern. Die Pflege braucht mehr Einfluss.

(Beifall des Abgeordneten Schippel [SPD])

Deshalb halten wir es für dringend geboten, dass die Pflege als wissenschaftlich fundierte Querschnittsdisziplin und als sozialrechtlich eigenständiger Leistungserbringer anerkannt und gestärkt wird.

(Frau Schier [CDU]: Sehr schön!)

Stärkung und Professionalisierung von Pflege wird einerseits durch die Einrichtung der verschiedenen Pflegestudiengänge betrieben - ein Weg, den wir in Brandenburg gerade begonnen haben. Andererseits wird berufliche Autonomie gebraucht, zum Beispiel durch eine eigene Standesvertretung, etwa eine Pflegekammer. Sie ermöglicht es den Pflegenden, über die Inhalte ihrer Arbeit, die Qualifikationen und Zusatzqualifikationen ihres Berufsbildes, die Einhaltung der Berufsordnung und damit auch über die Versorgungsqualität mitzubestimmen. Außerdem vertritt sie die Belange der beruflich Pflegenden in der Politik, in den Gremien der Selbstverwaltung, bei Behörden und vor Gericht.

(Unruhe bei der SPD)

- Meine Damen und Herren von der SPD, könnten Sie bitte ein klein wenig leiser sein?

Eine Pflegekammer wird dazu führen, der Pflege auf der politischen Bühne mehr Gehör zu verschaffen. Bisher ist die Pflege dem ärztlichen Berufsstand immer nachgeordnet, das heißt, pflegerische Versorgungsentscheidungen werden noch durch Ärztinnen und Ärzte getroffen. Durch eine Kammer könnten die Pflegenden größeres Gewicht in den gesundheitspolitisch relevanten Gremien bekommen, da sie auf Augenhöhe mit den ärztlichen Heilberufen verhandeln werden. Wie erfolgreich eine Pflegekammer Verbesserungen der Rahmenbedingungen in Pflegequalifikation und Pflegesicherung sowie in Aus- und Fortbildung beeinflussen wird, müssen wir sehen.

Andere Grundprobleme in der Pflege, zum Beispiel Arbeitsverdichtung und schlechte Bezahlung, wird auch sie kurzfristig nicht lösen können. Außerdem werden Pflichtbeiträge fällig, Herr Kollege Büttner hat darauf hingewiesen.

An dieser Stelle setzt die Kritik der Gewerkschaften an, die ich für überzogen halte. Gewerkschaften können Pflegende nicht in gesundheitspolitisch relevanten Gremien vertreten, die von einer Pflegekammer als Körperschaft öffentlichen Rechts wahrgenommen werden könnte. Die Gewerkschaft vertritt die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerinteressen, wohingegen die Pflegekammer Berufspolitik macht.

(Zuruf von der SPD: Wenn sie es mal macht!)

Beides schließt sich nicht aus, sondern ergänzt sich.

(Starker Beifall CDU)

Ich selbst bin lange Jahre Mitglied bei ver.di gewesen, aber natürlich auch in der Ärztekammer. Dass die betroffenen beruflich Pflegenden gefragt werden sollen, ob sie eine solche Pflegekammer wünschen, erachte ich als eine Selbstverständlichkeit. Es ist ihre berufsständische Vertretung und sie bezahlen die Pflichtbeiträge zur Kammer.

Warum Arbeitgeber befragt werden sollen, erschließt sich mir dagegen nicht. Die Pflege will sich emanzipieren, sie muss nicht um Erlaubnis fragen. In anderen Bundesländern sind solche Befragungen schon durchgeführt worden oder laufen an. Wichtig finde ich, dass die Betroffenen bei der Befragung die richtigen Informationen bekommen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Nur wer die Vor- und Nachteile einer Kammer richtig beurteilen kann, kann sich klar entscheiden. In Berlin wird gerade unter der Moderation des Gesundheitssenators ein Fragebogen erarbeitet. Das scheint mir ein guter Weg zu sein.

Wir unterstützen das Anliegen und den Antrag der CDU. Die Diskussion ist bundesweit eröffnet. Die parallel verlaufenden Aktivitäten in Berlin lassen den Zeitpunkt jetzt als günstig erscheinen, auch in Brandenburg die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Pflegekammer zu prüfen.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)