Protocol of the Session on November 22, 2013

Vor diesem europäischen und Brandenburger Hintergrund bringen wir nun gemeinsam die Verfassungsänderung auf den Weg. Unter der schönen Überschrift des neu geschaffenen Artikels 7a „Schutz des friedlichen Zusammenlebens“ steht nunmehr in unserer Verfassung:

„Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.“

Es ist bei dem fast einjährigen Diskussionsprozess, der der Verabschiedung der Verfassungsänderung vorausging, oft von Symbolpolitik die Rede gewesen - eine Auffassung, die ich explizit nicht teile. Aber selbst wenn es Symbolpolitik wäre, meine Damen und Herren: Kann es ein besseres, ein stärkeres Symbol geben, als dem Versuch, in Deutschland wieder Fackelzüge zu organisieren, diesen großartigen Satz entgegenzustellen: Stopp! So etwas ist mit den Zielen und dem Selbstverständnis unseres Landes nicht vereinbar!?

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Neben dem klaren Signal des Entgegentretens und der Ermutigung an die Zivilgesellschaft wird die neue Staatszielbestimmung aber auch normative Auswirkungen auf Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung entfalten.

Unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte darüber hinaus vorgeschlagen - den Gedanken einer Rassismus-Novelle konsequent zu Ende denkend -, die Minderheitenrechte der Sinti und Roma in der Verfassung zu verankern. In Artikel 25 der Landesverfassung sind die Rechte der nationalen Minderheit der Sorben/Wenden normiert. Unser Vorschlag lautete, dass auch die nationale Minderheit der Sinti und Roma in einem eigenen Artikel 25a berücksichtigt werden sollte. Der Formulierungsvorschlag dazu lautete:

„Das Recht der Minderheit der deutschen Sinti und Roma auf Schutz, Erhaltung und Pflege ihrer Identität wird gewährleistet.“

Überlegungen dieser Art ergeben sich folgerichtig aus dem europäischen Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten von 1998, einer Konvention, unter deren Anwendungsgebiet die deutschen Sinti und Roma zweifellos fallen. Nun erzwingt die Rahmenübereinkunft nicht, dass der Minderheitenschutz in die Verfassung aufgenommen oder in einem eigenen Gesetz geregelt wird. Der beratende Ausschuss der EU ermuntert aber geradezu dazu, genau dies zu tun.

Den Schritt, die Minderheitenrechte der Sinti und Roma in die Landesverfassung aufzunehmen, ist bisher nur SchleswigHolstein gegangen. Dort wurde 2012 neben der dänischen Minderheit und der Volksgruppe der Friesen auch der Minderheitenschutz der Sinti und Roma verankert.

Herr Prof. Zimmermann von der Universität Potsdam betont in seinem Gutachten, dass durch eine Verfassungsnorm den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Rahmenübereinkommen besonders entsprochen wird. Die Länder RheinlandPfalz und Bremen haben zwar keine Verfassungsänderung vorgenommen, aber mit den Landesverbänden der Sinti und Roma eine Rahmenvereinbarung geschlossen, und Baden-Württemberg plant einen Staatsvertrag.

Zu dieser Frage wurde von unserer Fraktion ein Gutachten beim Parlamentarischen Beratungsdienst in Auftrag gegeben und ein Gutachten des Menschenrechtszentrums der Universität Potsdam vorgelegt. Unser Dank gilt Frau Dr. Plattner vom PBD und Herrn Prof. Zimmermann für die profunden Betrachtungen. Beide Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass der Vorschlag ohne Weiteres umsetzbar gewesen wäre und der Verfassungsauftrag offenlasse, wie dem Anliegen entsprochen werden könne. Umso unverständlicher ist es, dass - außer bei der Fraktion DIE LINKE und Teilen der FDP - keine Bereitschaft zu einem solch konsequenten Schritt erkennbar war. Demgegenüber möchte ich sehr lobend hervorheben, dass sich der Vertreter der Minderheit der Sorben/Wenden bei der Anhörung im Hauptausschuss am 18.09.2013 uneingeschränkt positiv zu diesem Vorschlag äußerte. In seiner Stellungnahme vom 12.11. schreibt der Rat für sorbische/wendische Angelegenheiten:

„Wir würden es begrüßen, würde die Landesverfassung entsprechend ergänzt oder zumindest ein entsprechender Entschließungsantrag formuliert. Das könnte eine Grundlage sein für weitergehende Diskussionen um die Absicherung der Minderheitenrechte und die Anerkennung kultureller und ethnischer Vielfalt in unserem Land.“

Den Betroffenen selbst ist da kleinlicher Streit in der Sache fremd.

Während es in Deutschland glücklicherweise stark tabuisiert ist, sich offen antisemitisch zu äußern, sind gröbste Vorurteile gegen Sinti und Roma erschreckend weit verbreitet. In unseren osteuropäischen Nachbarländern werden immer wieder pogromartige Übergriffe registriert, aber auch in Deutschland sind Hass und Ablehnung an der Tagesordnung. Die Spitze des Eisberges sind unsägliche NPD-Wahlplakate und Brandan

schläge. Sämtliche erdenklichen Vorurteile haben sich weltweit in der Skandalgeschichte um das angeblich geraubte blonde Mädchen im Roma-Ghetto in Griechenland entzündet. Das Dementi dagegen war sehr, sehr leise.

Stark beeindruckt hat mich auch der Beitrag von Romani Rose im Hauptausschuss. Er hat uns dargelegt, wie wichtig ihm und seiner Volksgruppe eine solche Regelung wäre. Der Artikel 25a hätte den Geist und die Intention der Antirassismus-Novelle konsequent umgesetzt und wäre ein Zeichen von Glaubwürdigkeit gewesen. Antirassismus ist nämlich nicht dosierbar und nicht verhandelbar, und er muss auch dann erstritten werden, wenn er unpopulär ist.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Trotz erheblicher Wehmut, die sich aus dieser vertanen Chance speist, freue ich mich sehr, dass wir alle gemeinsam diese Verfassungsänderung auf den Weg bringen. Bedanken möchte ich mich bei den Kollegen der anderen Fraktionen und den Wissenschaftler(inne)n und Expert(inn)en für die sehr intensiven, angenehmen Beratungen, bei denen ich sehr viel gelernt habe. Das Verfahren war vorbildlich für parlamentarische Arbeit. Es ist eben doch möglich, durch fairen Diskurs und Hinzuziehung von Sachverstand qualitative Sprünge zu erzielen.

Möge die erhoffte Signalwirkung eintreten und die Antirassismus-Klausel auf mittlere Sicht auch normative Wirkung entfalten! - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Damit erhält die Landesregierung das Wort. Herr Minister Holzschuher, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Verfassungsänderung ist etwas Außergewöhnliches. Es sollte auch etwas Außergewöhnliches sein, weil man an eine Verfassung nicht ohne Grund Hand anlegt. Sie ist für lange Zeit geschrieben und sollte nur dann verändert werden, wenn es einen Anlass dafür gibt.

Die Tatsache, dass hier eine so breite Mehrheit in diesem Hause dafür steht, die Verfassung, wie vorgeschlagen, zu ändern, zeigt: Hier gibt es sehr wohl einen Anlass. Es ist ein gutes Zeichen, dass das jetzt offensichtlich so einmütig an diesem Tag gelingen kann.

Es ist ein gutes Zeichen, weil es zeigt, wie sehr sich auch unsere Gesellschaft in den letzten 20 Jahren hier im Land Brandenburg zum Positiven verändert hat. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger stehen nämlich mit ganz großer Mehrheit für die Werte, für die unsere wunderbare brandenburgische Landesverfassung schon immer stand. Sie haben in den letzten Jahren aber durch das Engagement der Zivilgesellschaft in diesem Land immer mehr auch gezeigt, dass sie ganz klar gegen jede Form des Rassismus in unserer Gesellschaft antreten. Die Brandenburger stehen für ein Land, das weltoffen ist, und für ein Land der Toleranz.

Wir wissen aber auch, dass das Thema - Frau Nonnemacher hat es angesprochen - damit in keiner Weise ad acta gelegt werden kann. Rassismus bleibt ein großes Problem. Wir brauchen einen langen Atem. Das haben wir in den letzten 20 Jahren auch erkannt. Diejenigen, die Parolen verbreiten, Gewalt und Hass säen, sind eben auch noch lebendig in unserer Gesellschaft. Gerade aber weil die Zivilgesellschaft in diesem Land so stark geworden ist und gerade weil die Werte, für die die Verfassung steht, so deutlich in unserer Gesellschaft verankert sind, ist es sinnvoll, ein klares Signal nach außen zu senden, dass wir diese Parolen und diesen Hass in jeder Hinsicht bekämpfen müssen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir haben es gerade erst wieder erlebt und diskutieren immer noch sehr betroffen über die entsetzliche Mordserie der NSU und die Frage, warum das so lange unentdeckt bleiben konnte. Wir erleben leider jeden Sonnabend, jedes Wochenende in den Fußballstadien - um einmal ein Beispiel zu nennen - nicht nur unseres Landes allerdings, sondern deutschlandweit, wie Sportler, die von der Hautfarbe oder der Herkunft nicht in das Schema einiger sogenannter Fans passen, mit Hass überzogen werden. Das ist schon noch ein sehr wichtiges Thema - der Kampf gegen den Rassismus in unserer Gesellschaft.

Deswegen begrüße ich als Innenminister diese Verfassungsänderung im Namen der Landesregierung ganz ausdrücklich uneingeschränkt.

Die Änderung der Verfassung ist wohlgemerkt eine Klarstellung, denn unsere moderne Verfassung, unsere wirklich gute brandenburgische Landesverfassung, stand immer schon für den Kampf gegen Rassismus - natürlich. Eine einmütige Klarstellung dieses Hauses zu dieser Zeit ist noch einmal eine Bekräftigung und ein gutes Signal.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Dass das Wort Rasse aus der Verfassung gestrichen wird, finde ich ganz persönlich sehr gut. Es ist zwar rechtshistorisch zu erklären, warum das Wort da steht und warum es noch im Grundgesetz steht, aber es ist ein sprachlich völlig verfehltes Relikt. Es gehört ersetzt durch eine richtige Formulierung - so, wie sie jetzt hier im Entwurf vorgeschlagen wird. Das ist sehr positiv. Der Schutzbereich des Artikels 12 Landesverfassung bleibt dadurch uneingeschränkt erhalten.

Auch die weitere Änderung, die vorgeschlagen wird, macht unsere Verfassung noch moderner. Nur Mecklenburg-Vorpommern hat bisher einen ähnlichen Weg gewählt.

Mit diesen beiden Veränderungen, die wir hier vorschlagen, werden wir auch ein Signal an andere Länder und vielleicht eines Tages auch an den Bund senden, uns zu folgen. Darauf können wir stolz sein. Das Land Brandenburg zeigt, dass es im Kampf gegen den Rassismus nicht müde wird und deutschlandweit Signale sendet. Ich freue mich, wenn hier jetzt in wenigen Minuten dieser Beschluss so gefasst wird. Das ist ein gutes Zeichen und das ist ein guter Tag für das Land Brandenburg. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, der Vorsitzende des Rates für sorbische/wendische Angelegenheiten hat auch um Rederecht gebeten. Das ist gute Tradition, wenn sie vom Thema betroffen sind. Da er selbst nicht da sein kann, wird Herr Nowak ihn vertreten, wie er das schon einmal gemacht hat. Herzlich willkommen wieder einmal im Landtag, Herr Nowak. Sie haben das Wort.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Nowak (Rat für sorbische/wendische Angelegenheiten):

Ces´cony kn˘ez prezident! Ces´cone wótpósla´ncki a wótpósla´nce! My bramborske Serby se wjaselimy, aˇz naˇsa wustawa, mje´nˇsyny a aktiwity p´se´siwo rasizmoju su ´zinsa temy w parlamen´se.

Wir begrüßen die Streichung des Rassebegriffs aus unserer Verfassung und die Verdeutlichung antirassistischen Engagements. In unserer Geschichte waren wir Wenden als vom deutschen Staat klassifizierte slawische Untermenschen Objekt von Politik, die mit dem Begriff Rasse hantierte. Deshalb ist die Beschäftigung mit solcher Begrifflichkeit nicht nur symbolisch wichtig.

Gerade aus der Sicht von Minderheiten besteht immer die Gefahr, dass bei Diskussionen um unterschiedliche Gruppen in unserer Gesellschaft rassistische Argumentationsmuster auf allen beteiligten Seiten zutage treten. Da nehme ich die wendische Seite durchaus nicht aus. Um dem gemeinsam entschlossen entgegenzutreten und dieses Entgegentreten sichtbar zu machen, ist die Verfassungsänderung aus unserer Sicht ein sehr guter Weg.

Wir begrüßen ebenfalls, dass im Zuge der Verfassungsänderung der Wendenbegriff gleichberechtigten Eingang in unseren Artikel 25 und damit in die Verfassung findet. Für die Selbstidentifikation vieler Wendinnen und Wenden in der Niederlausitz ist dies ein Zeichen der Anerkennung unserer Identität, ein Zeichen der Akzeptanz und Wertschätzung und durchaus ein Zeichen der Wiedergutmachung im Hinblick auf antiwendische Ressentiments der Vergangenheit. Ich möchte deutlich hervorheben, dass wir positiv überrascht sind, dass die Initiative dieser Ergänzung im Zusammenhang mit der angestrebten Novellierung des Sorben-Wenden-Gesetzes von Ihnen, werte Abgeordnete, ausging.

Ich möchte auf einen weiteren positiven Aspekt der parlamentarischen Diskussion über die vorliegende Verfassungsänderung verweisen. In der Anhörung vor dem Hauptausschuss befürworteten Anzuhörende eine Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung. Unter anderem auch in der Koalitionsvereinbarung steht:

„Die Koalition steht für eine integrative Minderheitenpolitik, die die Kulturen und Sprachen der ethnischen Minderheiten, wie die Regionalsprachen, als Bereicherung im Zusammenleben von Menschen in unserem Land und weltweit betrachtet.“

Die Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung ebenso wie ein Verweis auf die Regionalsprache Niederdeutsch wären sowohl in diesem Zusammenhang als auch im Hinblick

auf die durch Deutschland ratifizierten Verpflichtungen zum Minderheitenschutz angezeigt, um neben uns Wenden auch die Brandenburger Sinti und Roma sowie die Sprecherinnen und Sprecher des Niederdeutschen anzuerkennen.

Die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein zeigt mit ihren Artikeln 5 und 9, wie leicht dies geht. Dabei geht es nicht darum, allen drei Gruppen pauschal die gleichen Fördermaßnahmen zu garantieren, da sich unsere jeweilige Situation unterscheidet. Uns ist auch klar, dass aus einer Erwähnung in der Verfassung allein keine praktische Umsetzung im politisch gesellschaftlichen Umfeld vor Ort folgt. Das mussten wir Wenden sowohl bei der Umdeutung unseres Verfassungsartikels im Zuge der Entscheidungen um Rogow/Horno als auch jetzt im Hinblick auf die Novellierung des Sorben-Wenden-Gesetzes erleben, wo Unkenntnis und Unwille die Verfassungsbestimmungen bisher oftmals ins Leere laufen lassen. Aber eine auch aus der Landesverfassung resultierende Anerkennung aller drei autochthonen bzw. sprachlichen Minderheiten wäre eine Regelung ganz im Sinne des neuen Artikels 7a.

Pozicionˇerujomy se jasnje solidarnje drugim mje´nˇsynam a na´zejamy se, aˇz dajo p´sez take diskusije wˇecej sensibilnos´ci za mjenˇsy´nowe pótrjeby. - Wutˇsobny ´zek. Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Nowak. - Herr Dombrowski hatte geteilte Redezeit angemeldet und hat deshalb Gelegenheit zum Schlusswort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Die CDU-Fraktion steht natürlich zu dem, was wir gemeinsam vereinbart haben. Daher ist die Änderung in der Verfassung in der Tat - ich habe es schon am Eingang meines ersten Redebeitrages gesagt - auch ein guter Abschluss für die Tagungsreihe in diesem Plenargebäude.

Nur möchte ich durch diese Verfassungsänderung nicht Dinge einfach unwidersprochen ins Protokoll genommen sehen, die wir alle schon in den Beratungen diskutiert haben, um nicht falsche Erwartungen zu wecken, jedenfalls nicht an meine Fraktion. Ich habe es vorhin schon gesagt: Brandenburg ist ein friedliches Land mit friedlichen Bürgern. Die Bürger sind dankbar dafür, dass wir die Demokratie errungen haben. Diese Demokratie weiter zu erhalten und zu gestalten ist, so meine ich, im Interesse und auch der Wille der meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger. Von daher kann ich mit diesen Kampfbegriffen nach wie vor hier überhaupt nichts anfangen.