Protocol of the Session on November 21, 2013

Was das Thema „weit hergeholt“ angeht, möchte ich noch einmal auf die Schätzung der Zahl der Anspruchsberechtigten eingehen; denn auch dazu steht in dem Bericht etwas. Noch im Jahr 2011 waren es 4 210 Anspruchsberechtigte. Damals haben Sie noch die SGB-Leistungsempfänger herausgerechnet. Nachher hat sich herausgestellt, dass das Schüler-BAföG doch nicht angerechnet wird und die SGB-Leistungsempfänger zum Kreis der Anspruchsberechtigten dazuzuzählen sind.

Jetzt hätte man davon ausgehen können, dass sich die Zahl erhöht. Das ist aber nicht richtig. Der Blick auf die Realität zeigt, dass im Jahr 2013 statt der erwarteten weit mehr als 4 200 Anträge nur 2 500 vorliegen. Damit die Bilanz nicht schlechter ausfällt, wird einfach nach dem Motto verfahren: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt, und passen die Schätzungen einfach der Realität an. - Da 2 500 Anträge vorliegen, wird die Schätzung auf 2 500 angepasst. Das ist wie in der Planwirtschaft der DDR. Erich Honecker hätte es nicht besser hinbekommen. 100 % Planerfüllung - herzlichen Glückwunsch!

Unabhängig davon will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, dass wir nicht in Abrede stellen, dass diese Förderung für jeden Einzelnen, der sie erhält, eine wertvolle Unterstützung ist. Das ist völlig klar.

(Jürgens [DIE LINKE]: Das ist doch schon mal eine Aussage!)

Auch wenn der Zusammenhang nicht wirklich nachgewiesen werden konnte, legt der Bericht die Vermutung nahe, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die sich aufgrund der Förderung dazu entschieden haben, den Weg zum Abitur zu gehen. Das muss man durchaus positiv würdigen. Auf der anderen Seite wissen wir, dass man jeden Euro nur einmal ausgeben kann. Auch wenn ich 3 Euro in das Phrasenschwein werfen muss - es ist so. Ich glaube, dass dieses Geld an vielen anderen Stellen durchaus effizienter eingesetzt werden könnte, um viel mehr Schülerinnen und Schüler zu fördern und viel mehr Gutes zu bewirken.

Unabhängig davon freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Schön, dass Sie die rote Lampe endlich würdigen. - Wir setzen mit dem Beitrag des Abgeordneten Günther fort. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede des Kollegen Hoffmann hatte ich kurz überlegt, etwas ganz anderes zu sagen, weil ich über den positiven Grundakzent positiv überrascht war.

Was liegt uns hier auf dem Tisch? Die Evaluation eines neuen Förderinstruments - Schüler-BAföG -, das es in Brandenburg und nirgendwo sonst gibt. Das ist eine einmalige, gute Sache. Ich fand es mutig, schon nach drei Jahren eine Evaluation dieses neuen Förderinstruments anzusetzen.

Kollege Hoffmann hat etwas von „Inanspruchnahme“ gesagt. In diesem Zusammenhang kann ich einen Vergleich zu dem uns allen bekannten Bildungs- und Teilhabepaket ziehen. Man wäre froh, wenn dessen Inanspruchnahme nur halbwegs so gut wäre wie beim Brandenburger Schüler-BAföG.

(Beifall SPD)

Das Schüler-BAföG ist eine Leistung, die 2 500 Schüler der 11., 12. und 13. Klassen aus einkommensschwachen Familien bekommen. Das ist eine gute Inanspruchnahme, wenn man die Gesamteinwohnerzahl berücksichtigt und zudem weiß, dass ungefähr 20 000 Schülerinnen und Schüler in Brandenburg die gymnasiale Oberstufe besuchen. Deshalb kann ich feststellen: Das Schüler-BAföG kommt an. Es wird angenommen. Es ist bekannt; denn viele haben mitgeholfen, dass es bekannt wird.

Interessant finde ich, dass - laut Evaluation - die mit Abstand meisten Antragsteller von der Möglichkeit, Schüler-BAföG zu beantragen, von Eltern, von Bekannten oder in der Schule erfahren haben. Das zeigt, dass das Thema Schüler-BAföG, obwohl es erst vor relativ kurzer Zeit eingeführt wurde, erstaunlich präsent im Land ist.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Schulen, die meist sehr genau über den sozialen Hintergrund ihrer Schüler Bescheid wissen und die dieses Wissen offensichtlich genutzt haben, um gezielt über das Schüler-BAföG zu informieren und dafür zu werben.

Auch einige Landkreise haben offensichtlich ihre Leistungsempfänger gezielt darauf hingewiesen, dass es auch das Schüler-BAföG gibt und wer anspruchsberechtigt ist. Das macht sich dann besonders gut, wenn sich Jobcenter und BAföG-Amt unter einem Dach befinden.

Wichtig ist folgende Feststellung: Das Schüler-BAföG ist nicht ausschließlich eine zusätzliche Leistung für Hartz-IV-Empfänger. Das sollte sie auch nie sein. Etwa die Hälfte der Familien

bekommt diese Leistung, weil das monatliche Haushaltsnettoeinkommen unter 2 000 Euro - bei einem minderjährigen Kind oder unter 2 500 Euro - bei zwei minderjährigen Kindern liegt. Zu dieser Gruppe zählen in Brandenburg aktuell immerhin 1 200 Familien. Das ist die soziale Realität in Brandenburg im Jahr 2013.

Schaut man sich den prozentualen Anteil der Schüler-BAföGEmpfänger regionalisiert nach Landkreisen an, erkennt man: Das ist praktisch identisch mit dem Sozialatlas Brandenburgs. In der Stadt Potsdam und in Potsdam-Mittelmark bekommen wir ahnen es - weniger als 10 % der Schülerschaft in der Sekundarstufe II diese Leistung; dafür sind es in der Prignitz über 40 % der Schülerinnen und Schüler - eine Zahl, die mich wirklich umgehauen hat.

Angesichts dieser Zahlen sage ich: Das Schüler-BAföG kommt genau an der richtigen Stelle an, nämlich dort, wo es gebraucht wird.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt einen - zumindest für mich - weiteren interessanten Fakt, auch wenn dieser nur eine Nebenerkenntnis der Evaluation ist: Mehr als die Hälfte - 51 % - der Empfänger von Schüler-BAföG besuchen ein Gymnasium. Daran wird deutlich, dass das brandenburgische Gymnasium nicht das ist, was manche noch vom Gymnasium denken. Es ist nicht mehr eine elitäre Bildungsanstalt für Besserverdienende. Falls bisher noch jemand diese Position vertreten hat, so sollte sie mit der vorliegenden Evaluation endgültig vom Tisch sein.

Die Möglichkeit der Ausbildungsförderung für Abiturienten ist den betroffenen Familien sehr wichtig, was man an der hohen Rücklaufquote sieht: 40 % derjenigen, die angefragt wurden, haben geantwortet. Jeder, der schon einmal eine Umfrage gemacht hat, weiß: Das ist eine ganze Menge.

Ich behaupte: Den Menschen sind diese 50 oder 100 Euro einfach wichtig. Deshalb setzen sie sich damit auseinander. Sie antworten, weil sie um Sinn und Zweck dieses Förderinstruments genau wissen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, ich bin sehr gespannt.

Kollege Günther, Sie haben gerade noch einmal ausgeführt: 41 % der Gymnasiasten. Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass sich diese Zahl - 41 % - nicht auf alle Schüler in der gymnasialen Oberstufe bezieht, sondern auf den Anteil der Gymnasiasten unter den Leistungsempfängern, dass das also nichts darüber aussagt, wie viele Gymnasiasten SchülerBAföG erhalten?

(Vereinzelt Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Nicht 41, sondern 51 % derer, die Schüler-BAföG erhalten, befinden sich an einem Gymnasium. Und das ist - ich habe extra noch einmal nachgeguckt - ein bisschen weniger als der Anteil der Kinder insgesamt, die an einem Gymnasium das Abitur machen. Also kann man sagen - das ist meine Schlussfolgerung daraus -, dass das Gymnasium in Brandenburg nicht sozial selektiert. Nur das war die Aussage. Schauen Sie noch einmal genau hin: 51 % derer, die die Leistung bekommen, befinden sich am Gymnasium.

Kommen wir neben den statistischen Daten auch zu der Frage in der Umfrage und den Aussagen, die die Befragten dazu getroffen haben: Wie wichtig ist Ihnen diese Leistung? Was bedeutet Ihnen diese Unterstützung? - Mich hat schon sehr überrascht, dass die Leute in Bezug auf das Schüler-BAföG sagen: Das, was ich hier bekomme, ist nicht einfach Geld, das ich mitnehme, sondern das reizt mich an, diese Ausbildung, Abitur zu machen, es reizt mich aber auch an - und das haben drei Viertel gesagt -, eine weitere Ausbildung anzustrengen, zum Beispiel ein Studium. Die überraschendste Aussage allerdings war die auf die Frage, die ich gar nicht gestellt hätte, die aber der Gutachter gestellt hat: Halten Sie die Höhe der Leistung für ausreichend? Ich hätte gedacht, da sagt selbstverständlich jeder: Natürlich ist die nicht ausreichend, ich hätte gerne mehr. Das ist ja auch nachvollziehbar. Aber das Gegenteil ist der Fall, die Mehrzahl derer, die Schüler-BAföG bekommen, halten diese Leistung auch der Höhe nach für ausreichend. Große Überraschung!

Ich weiß natürlich, meine Damen und Herren, dass sich die meisten hier im Raum nicht oder nur schwer vorstellen können, dass 100 Euro mehr oder weniger im monatlichen Budget …

Herr Hoffmann, ich glaube, eine Frage pro Rede reicht. Danke.

Es entwickelt sich zu Zwiegesprächen. Keine Mehrfachfragen!

… die Bildungskarriere der einzelnen Kinder beeinflussen können. Das können sich viele hier nicht vorstellen. Da sage ich aber: Ja, es gibt in Brandenburg Familien - nicht wenige - und zahlreiche Regionen, in denen man vor der Frage steht: Kann ich es mir leisten oder nicht? Da muss Politik nämlich nicht nur das muss sie auch, aber nicht nur - Lehrer einstellen; das haben wir gemacht. Es reicht auch nicht, nur schicke Schulgebäude hinzustellen - auch die gibt es in Brandenburg -, sondern die Politik muss diesen Familien eben auch Entscheidungshilfe zu der Frage einer höheren Bildungslaufbahn ihrer Kinder geben. Da ist dieser Anreiz zugegebenermaßen ein kleiner.

Ich habe gerade gesagt, diese 3,6 Millionen Euro, die im Haushalt des Bildungsministeriums stehen, sind nur ein Drittel von dem, was wir heute zum Beispiel beschlossen haben, um Vertretungsunterricht zu organisieren.

Wie kommt nun aber Schüler-BAföG zu den Bedürftigen? Wir kennen das ja alle aus unseren Bürgersprechstunden. Da kommen Bürgerinnen und Bürger, die beschweren sich darüber,

dass Anträge zu schwierig sind, dass Behörden zu unfreundlich sind, dass alles viel zu kompliziert und zu bürokratisch ist. Mich hat am Ergebnis der Umfrage sehr überrascht, dass die Familien äußerten, dass sie von den Ämtern Hilfe und Unterstützung bekommen, dass das auch noch schnell geht und dass sie mit der Arbeit der Ämter - und das dürfte auch einmalig sein - zufrieden sind, auch mit der Beratung durch die Ämter. Da kann ich nur sagen: Vielen Dank an die Landkreise und kreisfreien Städte.

Meine Damen und Herren, Schüler-BAföG hilft den Familien nicht nur, es ist auch eine unbürokratische Leistung; denn auch darauf sollte noch einmal hingewiesen werden - wer zum Beispiel Arbeitslosengeld II oder Wohngeld oder Kinderzuschlag bezieht, dessen Anspruch ist schon einmal geprüft worden, und deshalb bekommt er eben auch automatisch SchülerBAföG. Unbürokratisch finde ich auch die Tatsache, dass keine Quittungen gesammelt und eingereicht werden müssen. Da gibt es natürlich Raum für Mutmaßungen und Spekulationen, klar, aber der Gutachter hat zumindest gesagt, dass er keine Anzeichen dafür gesehen hat, dass eine Fehlverwendung der Mittel vorliegt. Das ist auch ganz klar, denn hier bekommen Familien Geld und Unterstützung, bei denen das Geld so knapp ist, dass sie jeden Euro dringend für die Ausbildung ihrer Kinder brauchen.

Aber, meine Damen und Herren, nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte. Genau das möchte die Koalition mit dem Gesetzentwurf. Wenn nur rund 3 % der Familien den geringeren Satz von 50 Euro dieser Ausbildungsförderung bekommen, dann liegt es nahe zu sagen: Auch die sollen in Zukunft 100 Euro bekommen, zumal das für den Landeshaushalt mit überschaubaren 36 000 Euro jährlich zu Buche schlägt. Dafür aber wird die Bearbeitung der Anträge noch unbürokratischer und die Botschaft noch klarer. Und die lautet: In Brandenburg gibt es 100 Euro zur Unterstützung von Kindern aus einkommensschwachen Familien. Ich würde mir genauso wie der Gutachter wünschen, dass diese Botschaft noch klarer, noch stärker, noch deutlicher nach außen vermittelt wird - von Schulen, Landesregierung, Medien, Elternhäusern, Politikern, von allen, die dazu etwas zu sagen haben; denn die Brandenburger Ausbildungsförderung ist keine milde Gabe, sondern eine Unterstützung auf dem mühsamen Weg zum Aufstieg durch Bildung. Und das zu fördern ist eine Kernaufgabe von Bildungspolitik. Dafür ist jeder Euro gut angelegtes Geld. Vielen Dank

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Büttner setzt für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einigen Wochen, Anfang Oktober, haben die Ministerinnen Münch und Kunst stolz die wissenschaftliche Evaluation zum Schüler-BAföG, die von der rot-roten Landesregierung in Auftrag gegeben wurde, vorgestellt. Ich bin fast ein bisschen überrascht darüber - wenn ich an die hitzigen und heftigen Debatten denke, die wir bei der Einführung des Schüler-BAföG hier hatten -, wie ruhig und entspannt die Debatte heute verläuft. Keine

Sorge, ich habe mich heute genug aufgeregt, ich werde mich jetzt nicht mehr aufregen.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Versprochen?)

- Versprochen, Frau Mächtig.

Bei der Vorstellung der Evaluation wurde darauf hingewiesen, welch ein Erfolg die Einführung des Schüler-BAföG doch sei. Und schlussfolgernd aus dieser Studie hat die Landesregierung heute die vorliegende Änderung des Gesetzes eingebracht. Sinn und Zweck - Herr Günther hat es noch einmal begründet soll es sein, die unterschiedlichen Fördersätze von 50 und 100 Euro anzugleichen. Zukünftig sollen eben alle Empfänger des Schüler-BAföG 100 Euro erhalten. Diese Schlussfolgerung ziehen Sie aus einer Evaluation, bei der die Schüler, die das BAföG erhalten, befragt wurden.

(Frau Prof. Dr. Heppener [SPD]: Wer denn sonst?)

Ich finde das ganz interessant, denn selbstverständlich werden Sie mir, wenn ich Ihnen 100 Euro gebe und Sie frage, ob Sie das toll finden, dass Sie die 100 Euro bekommen, wahrscheinlich antworten: Ja, ich finde es gut, die 100 Euro zu bekommen. Denn Sie wollen die 100 Euro ja behalten.

(Hoffmann [CDU]: Außer Herr Günther!)

- Außer Herr Günther, der würde sie natürlich zurückgeben.

Das heißt, in meinen Augen ist in keiner Weise eine vergleichbare Aussage darüber möglich, ob das Schüler-BAföG wirklich ein Anreiz dafür ist, das Abitur oder die Fachhochschulreife abzulegen.