Protocol of the Session on November 20, 2013

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

So bleibt ein schaler Beigeschmack: Musterklage klingt gut und weckt falsche Hoffnungen, das KAG versteht sowieso niemand - der Wahlkampf lässt grüßen.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE - Wider- spruch bei der CDU)

Für die Landesregierung spricht Minister Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich relativ kurz fassen, insbesondere nach dem, was Herr Abgeordneter Richter und Frau Abgeordnete Nonnemacher gerade zu dem vorgelegten Gesetzentwurf der CDU-Fraktion gesagt haben.

In der Tat ist es so, dass bereits heute selbstverständlich Musterverfahren möglich und in vielen Fällen sinnvoll sind. Das hat niemand bestritten. Das bestreiten auch nicht die verantwortlichen Träger der Zweckverbände und andere in den Kommunen Tätige, wenn es um tatsächlich gleichgelagerte Fälle geht. Das wird in vielen Fällen im Land so praktiziert. Herr Abgeordneter Goetz hat ein konkretes Beispiel genannt, wo das genau so, wie es sein soll, vor Ort durchgeführt wird. Das ist etwas, was im Sinne der Widerspruchsführer und im Sinne der Verbände sein kann. Es kann so sein, aber es muss nicht in allen Fällen so sein.

Ich halte nichts davon, den Spielraum der Kommunen - und es geht nun einmal um kommunale Angelegenheiten - durch zwingende Regelungen immer weiter einzuschränken. Es mag ja sein, dass es auch unvernünftige Entscheidungen auf kommunaler Ebene gibt. Es mag sein, dass das nicht alles immer bis zum Ende durchdacht ist. Aber so ist das, nicht nur bei dieser Thematik, sondern generell, wenn Entscheidungen getroffen werden. Dafür gibt es auf kommunaler Ebene Regularien. Dafür gibt es gewählte und bestellte Vertreter, die kontrollieren und Einfluss auf Entscheidungen nehmen können. Dafür gibt es letztlich Wahlen und Abstimmungen auf kommunaler Ebene, durch die das reguliert wird.

Es ist nicht Aufgabe des Landesgesetzgebers, in allen Fällen durch zwingende Vorschriften vorzugeben, wie etwas geregelt werden muss. Wir können nun einmal nicht die Vielfalt der Möglichkeiten in einem Gesetz konkret regeln und überblicken. Es wird möglicherweise den einen oder anderen Fall geben, wo das greift. Es wird aber auch Fälle geben, in denen es genau in die falsche Richtung geht. Vielleicht wäre man auch in Ihrem Verband, Herr Abgeordneter Goetz, sehr unglücklich über einen Zwang unter allen Umständen, der etwas vorgeben würde - übrigens, wie es der CDU-Gesetzentwurf vorsieht, mit Beschränkungen des Verfahrens, die ich auch rechtsstaatlich für äußerst problematisch halte.

Einen Zwang zum Abschluss einer Vereinbarung über das weitere Verfahren vor einem Gericht zwischen den Verfahrensbeteiligten, die sich gegenüberstehen - das ist das Wesen eines Gerichtsverfahrens -, sich über Verfahrensmaßstäbe zu einigen, ist unserer Rechtsordnung fremd. Ich weiß nicht, ob diese Regelung, wenn das so in Kraft treten würde, tatsächlich so Bestand haben dürfte. Darüber hinaus aber würde sie, wie ich bereits gesagt habe, den kommunalen Handlungsspielraum zu sehr einschränken. Deshalb plädiere ich dafür, diesen Antrag abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlussabstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses. Die CDU-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung)

(Unruhe - Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

- Was für ein Problem haben Sie?

(Zurufe: Die Abstimmung! - Abgeordneter Bischoff [SPD] meldet sich zu Wort.)

- Herr Bischoff.

Herr Präsident! Aus den Reihen der Abgeordneten wird dringlich darum gebeten, dass Sie den entsprechenden Beschlussentwurf bitte noch einmal deutlich und eindeutig nachvollziehbar verlesen, sodass klar ist, dass wir unsere Abstimmung dementsprechend nachjustieren können.

(Heiterkeit bei CDU und B90/GRÜNE)

Entschuldigung, ich bin davon ausgegangen, dass die Abgeordneten des Lesens mächtig sind.

(Beifall und Heiterkeit bei CDU und FDP)

Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses lautet: „Der Landtag möge den oben genannten Gesetzentwurf ablehnen.“ Wir beginnen noch einmal von vorn mit der namentlichen Abstimmung. Bitte.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es jemanden, der noch nicht abgestimmt hat?

(Der Abgeordnete Krause [DIE LINKE]) gibt sein Votum ab.)

Ich bitte um einen Moment Geduld für die Auszählung.

Meine Damen, meine Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt: Mit Ja gestimmt und damit den Gesetzentwurf abgelehnt haben 52 Abgeordnete und mit Nein haben 23 gestimmt. Zwei Abgeordnete haben sich enthalten.

(Abstimmungslisten s. Anlage S. 6804)

Damit können wir den Tagesordnungspunkt 7 schließen und ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Sechstes Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/7642

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 5/8181

Wir beginnen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Der Abgeordnete Wichmann spricht.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit etwas Positivem beginnen. Wir haben uns als Fraktion sehr gefreut, nachdem wir im Frühjahr den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zur Kenntnis genommen haben, das in einem bayerischen Fall entschieden hat, dass sowohl Verjährungsfristen als auch die Festsetzungsverjährung im kommunalen Abgabenrecht nicht auf den Sanktnimmerleinstag verschoben werden dürfen, sondern dass es da auch ein zeitliches Ende geben muss, und dass auch unsere Landesregierung hierbei relativ schnell aktiv geworden ist und ein Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt hat. Dies wird auch für die Zukunft zu einer Klarstellung dieser zeitlichen Obergrenze und Höchstfrist maßgeblich beitragen.

Wir hatten dazu im Innenausschuss insgesamt zwei Anhörungen und haben uns im Ausschuss sehr intensiv mit diesem Gesetzentwurf befasst. Ich kann für unsere Fraktion sagen, dass wir die Grundintention, eine zeitliche Obergrenze einzuführen, zwar begrüßen, aber die im Gesetzentwurf getroffenen Regelungen nicht mittragen wollen. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf erarbeitet. Ich möchte Ihnen erläutern, wie wir dazu gekommen sind.

Es ist so, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, der Gesetzgeber hat einen großen Ermessens- und Gestaltungsspielraum, wie er diese zeitliche Obergrenze definiert.

Wir haben in diesem Gesetzentwurf zwei Fristen. Ich möchte mit der ersten, nämlich der zeitlichen Obergrenze, beginnen. Die Landesregierung schlägt uns eine von 15 Jahren vor. Infolge der Auswertung der Anhörungen und auch mit Blick auf andere Rechtsbereiche, wo wir solche Fristen haben, haben wir uns entschieden, Ihnen eine zehnjährige zeitliche Obergrenze vorzuschlagen.

Im Steuer- und Abgabenrecht haben wir die höchste gesetzliche Sonderfrist bei zehn Jahren für Steuerhinterziehung, zum Beispiel im § 169 Abgabenordnung. Man fragt sich schon, warum der Beitragsschuldner schlechter gestellt sein soll als der Steuerhinterzieher. Ich denke, das ist ein sehr schlagkräftiges Argument, warum als zeitliche Obergrenze mit Blick auf die Fälle, die in der Zukunft kommen werden, die Frist von zehn Jahren eigentlich ausreichen müsste. Des Weiteren haben wir Ihnen empfohlen, die Hemmung, die die Landesregierung uns vorgeschlagen hat, zeitlich anders zu wählen und anders zu begründen.

Im Gesetzentwurf führt die Landesregierung aus, dass aufgrund der besonderen Lage nach der deutschen Einheit zehn Jahre bis zum 3. Oktober 2000 angesetzt sind, in der die zeitliche Ober

grenze und die Verjährung nicht greifen, sondern aufgrund dieses besonderen Sachverhaltes gehemmt sein sollen.

Wir schlagen Ihnen in unserem Änderungsantrag vor, diese zeitliche Hemmung zu verlängern, nämlich auf 14 Jahre, bis zum Ende des Jahres 2004. Das möchte ich Ihnen gerne begründen: Wir haben erst zur Mitte des Jahres 2004 überhaupt Klarheit über die wirksame Gründung unserer Aufgabenträger und Zweckverbände gehabt. Erst in diesem Jahr haben wir als Gesetzgeber, aber auch die Regierung und die Kommunen aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung wirklich Klarheit gehabt, sodass spätestens im Jahr 2004 jedem klar sein musste, dass auch die Altanschließer zur Beitragsveranlagung mit herangezogen werden müssen. Insofern ist es aus unserer Sicht besser begründet und fundierter, diese Hemmung etwas länger zu gestalten und die zeitliche Obergrenze, die auch für die Fälle in der Zukunft Geltung haben wird, von 15 auf zehn Jahre herunterzunehmen.

Damit kommen wir im Ergebnis - das muss man auch so ehrlich sagen - zu einem Jahr weniger Zeit für die Aufgabenträger, die Altanschließerbeiträge noch einzusammeln. Wir stehen als CDU-Fraktion aber auch ganz klar auf dem Standpunkt, dass es jetzt schon viele Jahre bekannt ist, dass die Altanschließerbeiträge veranlagt werden müssen. Die Zweckverbände wissen und tun dies auch. Insofern ist dieser verkürzte Verjährungsvorschlag aus unserer Sicht der bessere. Ich kann Sie nur bitten, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.

Wenn dies, wovon wir ausgehen, nicht passieren wird, ist für uns auch ganz klar, dass wir den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen werden. Das hat im Übrigen auch damit zu tun, dass Sie sich eben beim Tagesordnungspunkt 7 ohne stichhaltige Argumente dagegen ausgesprochen haben, Musterverfahren zuzulassen und verpflichtend einzuführen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU - Widerspruch bei der SPD und der Frak- tion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Richter setzt für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alles Wesentliche ist gesagt. Wir sind auch nicht zum ersten Mal in dieser Debatte. Insofern können wir den Vorspann sehr kurz fassen. Wir haben relativ kurzfristig, Herr Wichmann, ich erst heute Morgen, von Ihrem neuen Änderungsantrag erfahren. Insofern ist es auch schwer, die Auswirkungen jetzt schon sachkundig abzuwägen. Fakt ist: Am Ende unterscheiden wir uns um ein Jahr. Der Gesetzentwurf der Landesregierung würde bedeuten, dass Ende 2015 die Verjährung gegeben ist, also noch zwei Jahre Zeit für die Verbände und Aufgabenträger wäre. Bei dem Antrag der CDU würde das Ende im Jahr 2014 sein. Das ist der Unterschied.

Die Wirkung in die Zukunft konnten wir leider nicht diskutieren, weil das im Ausschuss noch nicht Gegenstand der Diskussion war.

Auch hierzu hatten wir eine Anhörung und die Verschiedenheit der einzelnen Interessenvertreter ist auch hier wieder ganz deutlich geworden. Die Vertreter der Verbände, der Aufgabenträger, der Kommunen, der kommunalen Unternehmen usw. haben für eine möglichst lange Verjährung, nämlich von 20 Jahren plädiert. Sie haben dies mit der Intention des Urteils des Bundesverfassungsgerichts begründet, Rechtssicherheit zu schaffen. Rechtssicherheit hat man nach 20 Jahren, aber auch nach 15 Jahren, nach 20 Jahren nur eben etwas später. Das soll jetzt nicht zynisch klingen. Aber das Argument Rechtssicherheit würde damit gewährleistet sein und es würde nicht das Risiko bestehen, dass es die Verbände bei dem vorfristigen Ablauf nicht geschafft haben, die Beiträge einzuziehen. Schließlich würden die Lasten dann bei den Verbänden und damit bei den Kommunen und letztendlich beim Land Brandenburg verbleiben.

Die Vertreter verschiedener Bürgerinitiativen, Grundstücksnutzer usw. haben für eine möglichst kurze Frist plädiert, was ich nachvollziehen kann. Ich meine, es waren auch welche dabei, die sich für eine rückwirkende Verjährung ausgesprochen haben. Das kann ich auch irgendwie verstehen, aber das widerspricht den rechtlichen Situationen hier bei uns im Land Brandenburg, was Beitragsgerechtigkeit und dergleichen angeht. Das möchte ich nicht weiter ausführen.