Protocol of the Session on November 20, 2013

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die aktuelle Diskussion über die Zukunft der Braunkohle in NRW, die in jüngster Zeit auflebt, kommt zur richtigen Zeit und eröffnet jenseits tagespolitischer Polemik perspektivisch sogar die Chance für Kompromisse hinsichtlich des von der Linken in Brandenburg seit Jahren verfolgten Ziels des sozial verträglichen Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung. Konkreter Aufhänger in NRW ist die Zukunft des Tagebaufeldes Garzweiler II. Die Bedeutung dieses Einzelfalls sowohl für die Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene als auch für die Braunkohleregionen in Mittel- und Ostdeutschland ist erheblich.

Diese Diskussion wird nicht folgenlos auch für die Pläne von Vattenfall hinsichtlich des Neuaufschlusses von Tagebauen in Brandenburg und in Sachsen bleiben. Für uns Linke geht es dabei schon lange nicht mehr um die Frage des Ob, sondern vielmehr müssen auch wir die Frage beantworten: Wie soll der Ausstieg erfolgen? Eine gute Grundlage bildet dabei die Energiestrategie 2030. Spätestens bis zum Jahr 2020 wird aus unserer Sicht Klarheit darüber bestehen, inwieweit Speichertechnologien großtechnisch eingesetzt werden können und konventionelle Regelleistungen nötig sind. Zu diesem Zeitpunkt wird auch abzuschätzen sein, ob der erfolgreiche Netzaus- und -umbau im erforderlichen Zeitraum realisierbar ist, um eine sichere und bezahlbare Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu gewährleisten.

Die konventionellen Technologien Kohle und Gas werden bis dahin die Brücke hin zu den erneuerbaren Energien bilden. Der technologische Fortschritt des nächsten Jahrzehnts, insbesondere in den Bereichen Systemintegration der erneuerbaren Energien, wird über die Notwendigkeit der Länge der Brücke, das heißt über die Dauer der Nutzung der Braunkohle zur Stromerzeugung entscheiden.

Unser politisches Ziel ist der sozial verträgliche Ausstieg bis zum Jahr 2040.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal unsere zentralen Forderungen hinsichtlich der künftigen Energiepolitik und eines modernisierten EEG zusammenfassen.

Erstens. Strompreise müssen für alle bezahlbar bleiben. Deshalb sollten kurzfristig die Stromsteuer gesenkt und ein reduzierter Mehrwertsteuersatz eingeführt werden. Steigende Strompreise müssen vollständig in den Transfer- und Sozialleistungen berücksichtigt werden sowie eine Abwrackprämie für energieintensive Haushaltsgeräte muss eingeführt werden.

Zweitens. Wir fordern einen bundesweit abgestimmten Ausbau- und Finanzierungsplan, mit dem der weitere Zubau von Anlagen mit dem Netzausbau abgestimmt wird.

Drittens. Wir fordern eine kritische Überprüfung der derzeitig umfassenden Entlastung energieintensiver Betriebe.

Viertens. Das bisherige Marktprämienmodell muss dringend reformiert werden. Ziel muss es sein, sinkende Strompreise an der Börse auch an den Endverbraucher weiterzugeben.

Fünftens. Einführung eines möglichst technologieunabhängigen Vergütungssatzes. Eine Technologieneutralität bei den Prämiensätzen würde den Zubau der jeweils günstigsten Technologie fördern.

Sechstens. Bestandsschutz der EEG-Altanlagen schafft Planungs- und Investitionssicherheit.

Siebtens. Anreize schaffen, damit EEG-Neuanlagen vermehrt Systemdienstleistungen wie Frequenz- und Spannungserhaltung übernehmen. Das wäre ein Beitrag zur Substituierung von konventionellen Energieträgern.

Achtens und zum Schluss: Die verpflichtende Direktvermarktung eines Teils von neu installierten EEG-Anlagen ab einer bestimmten Größenordnung muss eingeführt werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Der Abgeordnete Beyer setzt für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Ness, ich muss Ihnen zu Beginn zu meinem größten Bedauern mitteilen, dass ich mich im Allgemeinen nicht an Ihre Reden erinnern kann, und ich fürchte, auch bei dieser wird das leider Gottes so sein.

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU - Lachen bei der SPD)

Ich war ja echt gespannt, was uns hier heute Morgen erwartet. Dass es allerdings eine Energiedebatte ohne Energie werden wird, hat mich dann doch sehr verwundert. Das, was wir hier heute erlebt haben, war zumindest vonseiten der SPD der Versuch zum großen Theater - ich betone ausdrücklich: der Versuch -, die Brandenburger Uraufführung des „Guten Menschen von Sezuan“, Hauptdarsteller Klaus Ness in dem steten Bemühen darzulegen, wie gern diese rot-rote Landesregierung doch gut wäre, wenn es da leider Gottes nicht die böse Welt gäbe, diese böse Bundesregierung, ehemalige Bundesregierung - Schwarz-Gelb noch im Amt -, die es einfach nicht möglich macht, dass Rot-Rot hier im Land gut handelt.

(Zuruf von der Regierungsbank)

Also in gewisser Weise die ewige Frage nach den Möglichkeiten des Menschen, gut zu handeln, und die alte Frage, ob das unter den Bedingungen einer schwarz-gelben Bundesregierung überhaupt möglich ist. Klasse, lieber Kollege Ness. Ich muss allerdings sagen: Auch die schauspielerische Leistung war maximal befriedigend.

Ich erinnere mich diesbezüglich immer gern an die Aussagen des ehemaligen Ministerpräsidenten, der hier einmal gefordert hat, die Reden mit etwas mehr Empathie vorzutragen. Mir ist heute bewusst geworden, worum es dabei letztlich geht.

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Dann gratis - als kleine Zugabe - noch das schöne Nebenschauspiel um die zugegebenermaßen belustigenden Aussagen der neuen Landesvorsitzenden der Grünen. Lieber Herr Kollege Ness, ich bedanke mich sehr. Sie haben bei der Gelegenheit den alles entscheidenden Unterschied zwischen BürgerlichLiberalen auf der einen Seite und Salonsozialisten auf der anderen Seite deutlich gemacht.

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE und vereinzelt bei der SPD)

Wir Liberalen werden diese Aussage frühestens nach 100 Tagen aufnehmen, wenn die Kollegin dann immer noch nicht in einen professionellen Modus umgeschaltet haben sollte. Bis dahin nehmen wir diese Aussage als das, was sie ist: ein - wie gesagt - belustigender Anfangsfehler. Aber die Sozialdemokraten verfahren da eben nach dem alten Motto: Gebt es immer kräftig den Kleinen, denn an die Großen trauen wir uns ja nicht heran.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, was den Gegenstand der beantragten Aktuellen Stunde anbelangt, die Energiepolitik, war das nun wahrlich kein großes Theater. Das war maximal eine Kurzgeschichte, bei der der Titel schon nicht besonders überzeugen konnte: „Energiewende mit Vernunft und Augenmaß“. Na toll, ich musste mehrfach denken: „Rückwärts in die Vergangenheit!“ - Das war wohl eher der Titel, den man hier hätte vergeben müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich will Ihnen zugestehen, dass es Ihnen wenigstens im Antrag der Aktuellen Stunde gelungen ist, das alles entscheidende Zauberwort zu formulieren, indem Sie schreiben, „die Brandenburger Interessen zu bekräftigen“. Das ist auch meine Erwartung an die heutige Aktuelle Stunde. Aber wenn das, was Sie dort formuliert haben, unsere Interessen sind, kann ich nur sagen: Gute Nacht, du weißer Adler! Dann ist mir klar, warum Sie von RotRot die blasse Variante von Rot bevorzugen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der Zieldefinierung der Energiestrategie 2030, die zugegebenermaßen so schlecht nicht ist, brauchen wir nun ihre operative Umsetzung. Aber seit der Verabschiedung der Strategie vor mehr als einem Jahr erleben wir eine rot-rote Landesregierung, die dazu nicht in der Lage ist. Wir erleben eine rot-rote Landesregierung, die die Chancen der Energiepolitik als Mittelstandspolitik für das Land Brandenburg nicht zu nutzen weiß. Vielmehr werden diverse Nebenkriegsschauplätze eröffnet. Na toll: die vierte Säule, die Akzeptanz - schön, dass das jetzt formuliert ist, Herr Minister! Was die rot-rote Landesregierung aber nicht leistet, ist Führung in der Energiepolitik. Führung muss aber von einer Landesregierung erwartet werden. Darin liegen die Defizite.

Deshalb haben wir in unserem Entschließungsantrag wenigstens die wichtigsten Punkte formuliert: Wir müssen das

Wachstum in den erneuerbaren Energien und den Verbrauch in einen sinnvollen Zusammenhang stellen. Wir müssen endlich konsequent das Thema Systemintegration angehen. Und wir brauchen eine Ansiedlungspolitik: Wir müssen Energieverbraucher dorthin holen, wo Energie produziert wird. Hierzu hätte ich heute vom Wirtschaftsminister gerne die eine oder andere Antwort bekommen - vielleicht bekommt er ja die eine oder andere Ansage vom Ministerpräsidenten. Schließlich brauchen wir ein weiterhin gesundes Wachstum im Sinne der mittelständischen Unternehmen in der Energiewirtschaft.

(Beifall FDP)

Herr Ministerpräsident, Energiewende heißt Wende. Ich habe keine allzu große Hoffnung mehr. Mir würde es genügen, wenn diese Landesregierung statt der Wende wenigstens eine Beschleunigung hinbekommt. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Jungclaus.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Unsere Fraktion ist erfreut, dass die SPD die Energiewende als Thema der Aktuellen Stunde vorgeschlagen hat. Wir sind allerdings gleichermaßen über die Art und Weise verwundert, wie sich die SPD zurzeit langsam aber sicher von der Energiewende verabschiedet, die sie doch angeblich mit Vernunft und Augenmaß gestalten will.

(Beifall B90/GRÜNE)

Denn ist es das Ergebnis von Vernunft, wenn - wie in Brandenburg in den letzten drei Jahren - die CO2-Emissionen permanent ansteigen? Handelt eine Landesregierung mit Augenmaß, wenn sie Menschen aus Dörfern vertreibt, um an die Kohle unter deren Häusern zu kommen? Besonders ärgerlich ist, dass nun auch die Partei eines Hermann Scheer auf die Strompreislüge der alten Energiewirtschaft hereinfällt. Fakt ist: Das EEG ist ein Erfolgsmodell. Beim Start vor 13 Jahren hatten wir 5 % Ökostrom, heute sind es 25 %. Deshalb haben über 60 Länder das deutsche EEG übernommen. Sicher, das EEG ist stark reformbedürftig: Es war auf Markteinführung zugeschnitten, nicht auf 25 % Marktanteil. Ein für die Wahrnehmung beim Verbraucher besonders problematischer Webfehler ist, dass die EEG-Umlage steigt, während die erneuerbaren Energien eigentlich dafür sorgen, dass Strom an der Börse günstiger wird. Sinkende Börsenpreise werden von den Energieversorgern aber nicht an Endkunden weitergegeben, und so entsteht der Eindruck, dass ausschließlich erneuerbare Energien den Strompreis in die Höhe treiben. Das derzeitige Modell - je billiger der Kohlestrom auf den Markt geworfen werden muss, desto höher steigt die EEGUmlage - muss daher geändert werden.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir brauchen keine Mengenbegrenzung für EEG-Strom, sondern für die fossilen Energieträger. Die Grünen im Bund haben nachrechnen lassen, woher die Preissteigerung kommt: 52 %

durch gesunkene Börsenpreise, 25 % wegen gestiegener Industrieprivilegien und nur 13 % - also 0,18 Cent je Kilowattstunde - durch Zubau der erneuerbaren Energien. Ein Zubaustopp für Wind- und Solarenergie führt also nicht zur Entlastung - die Kosten für Industrieprivilegien schlagen doppelt so stark zu Buche. Deswegen kann ich Endkunden und mittelständische Unternehmen verstehen, die sich über steigende Preise empören. Diese Ausnahmen gehören auf ein Mindestmaß reduziert.

(Beifall B90/GRÜNE)

Trotzdem kostet der Ausbau der erneuerbaren Energien viel Geld: 2012 ca. 17 Milliarden Euro; diese Kosten sind aber transparent. Und bei den konventionellen Energieträgern? Nach einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft lagen die versteckten Kosten für Atomstrom, Kohle und Erdgas 2012 bei 40 Milliarden Euro - mehr als doppelt so viel wie bei erneuerbaren Energien. Davon entfielen allein 14 Milliarden auf die von unserer Landesregierung als vermeintlich billig angepriesene Braunkohle. Auch wenn diese Kosten nicht auf unserer Stromrechnung auftauchen, müssen wir alle sie am Ende trotzdem bezahlen - siehe aktuell die braune Spree.

(Beifall B90/GRÜNE)

Der Ausbau der erneuerbaren Energien dagegen sorgt für konkrete Mehrwerte. Umweltschäden in Milliardenhöhe werden vermieden: Nach Aussage des Umweltbundesamtes sind es allein im Jahr 2010 5,8 Milliarden Euro. Der zentrale Ausbau sorgt für Beschäftigung, Einkommen und Steuereinnahmen. Auf ca. 9 Milliarden Euro beziffert das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung diese Wertschöpfungskette für das Jahr 2011. Trotzdem wird unsere Landesregierung nicht müde, die Braunkohle den erneuerbaren Energien als vermeintlich billige Alternative gegenüberzustellen. Auch in der Energiegruppe bei den Koalitionsverhandlungen im Bund verteidigt Ministerpräsident Woidke nicht die Interessen Brandenburgs, sondern betreibt - mit Ulrich Freese aus dem Vattenfall-Aufsichtsrat als Berater - klassische Klientelpolitik.

(Zurufe aus der SPD)

Und lieber Klaus Ness, Sie brauchen nicht Schlachten von gestern zu schlagen. Unsere Landesvorsitzende wie auch unser Fraktionsvorsitzender Axel Vogel haben gestern ausreichend zu verstehen gegeben, dass Ausbildungsplätze bei Vattenfall in der Lausitz auch von uns anerkannt werden. Darauf könnte man nun natürlich endlos herumhacken; man kann es aber auch lassen - gerade in Ihrer Partei nutzen ja momentan einige Personen die hundert Tage Schonfrist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die notwendige Reform des EEG darf nicht den Erfolg der erneuerbaren Energien abwürgen und weitere Arbeitsplätze in Brandenburg gefährden. Genau das droht aber, wenn sich SPD und CDU im Bund unter Mithilfe unseres Ministerpräsidenten auf eine reduzierte Nutzung von Solar- und Windenergie an Land einigen. Bitte lassen Sie es dazu nicht kommen, unterstützen Sie unseren Entschließungsantrag! - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Für die Landesregierung spricht Ministerpräsident Woidke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist Zufall, dass ich nach Herrn Jungclaus rede, aber es trifft sich gut. Herr Jungclaus, in einer Frage werden wir uns nicht einig: Sie meinen, erneuerbare Energien könnten wir nur voranbringen, wenn wir konventionelle Energieträger wie zum Beispiel die Lausitzer Braunkohle bekämpfen. Das ist Ihr Grundansatz, der leider auch im Interview Ihrer neuen Parteivorsitzenden wieder hervortrat. Ich will das Interview nicht überbewerten, aber es kennzeichnet Ihre Partei seit Jahren, dass sie in Gegnerschaft zu konventionellen Energieträgern steht, obwohl Sie genau wissen, dass wir diese brauchen. Ob wir nun heute über 25 %, 35 % oder 50 % erneuerbarer Energie im deutschen Netz reden - der andere Teil sind konventionelle Energieträger. Das bleibt auf absehbare Zeit auch so.