Protocol of the Session on November 20, 2013

(Burkardt [CDU]: Jetzt fehlt nur noch der Bund!)

- Der Bund hat damit nichts zu tun.

Als es noch möglich war, die Weichen anders zu stellen - in den Jahren 2008 und 2009 -, haben Sie sich aus dieser Problematik vornehm herausgehalten. Von der CDU, die immerhin das dafür verantwortliche Innenministerium besetzt hatte, war dazu nicht viel zu hören, obwohl ihr damaliger Innenpolitischer Sprecher ansonsten sehr wortgewaltig aufgetreten ist. Für mich ist Ihr jetziges Verhalten ein weiterer Beweis dafür, dass Sie nicht an einer tragfähigen Problemlösung interessiert sind, sondern weidlich Ihren Oppositionsbonus auskosten.

Ich kann für die Linke sagen, dass wir uns seit Jahren - auch in unserer Verantwortung als Regierungspartei - für die Rechte Beitragspflichtiger eingesetzt haben. Ich habe mich im Namen meiner Fraktion wiederholt und eindeutig dafür ausgesprochen, dass die bereits in der Abgabenordnung vorgesehene Möglichkeit zur Durchführung von Musterverfahren ausgebaut und

die Verbände ausdrücklich ermutigt werden sollen, bei rechtlichen Auseinandersetzungen diesen Weg zu gehen.

(Zurufe von der CDU: Wo denn? Erfolgreich?)

Eine solche Bündelung von Verfahren stärkt zweifellos die Position der Beitragspflichtigen, denn manch einer scheut aus verschiedenen Gründen - Herr Goetz hat es anschaulich aufgezeigt - den Zugang zu den gesetzlich vorgesehenen Einspruchsmöglichkeiten.

Musterverfahren erleichtern aber auch die Arbeit der Verbände und letztlich der Gerichte. Es ist bedauerlich, dass es nach wie vor eine ganze Reihe von Aufgabenträgern gibt, die sich dem Weg von Musterverfahren verschließen. Wir haben das innerhalb der Koalition zum Thema gemacht und uns für eine entsprechende Initiative der Koalitionsfraktionen eingesetzt. Als der Gesetzentwurf der oppositionellen CDU vorlag, haben wir dafür geworben, dass er in den Innenausschuss überwiesen und inhaltlich diskutiert wird.

Meine Damen und Herren! Die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf im Innenausschuss hat gezeigt, dass sich die in Mecklenburg-Vorpommern gültige Vorschrift zur Durchführung von Musterverfahren insgesamt bewährt. Wir konnten zur Kenntnis nehmen, dass die Verbände - auch die kommunalen Spitzenverbände - vorsichtig im Umgang mit einer solchen Regelung sind; sie haben eher abgeraten. Trotzdem sind wir nach wie vor der Meinung, dass eine solche Regelung im KAG hilfreich wäre und auch den Aufgabenträgern eher nutzen würde. In mancher harten Diskussion mit der SPD haben wir für die Aufnahme von Musterverfahren in das KAG gekämpft. Leider hat unser Koalitionspartner dazu eine andere Auffassung, bei der er geblieben ist.

Ich bedaure es sehr, dass wir zu diesem - im Vergleich zu anderen Problemen - sicher nicht so gewichtigen Thema keine Einigung erreichen konnten.

(Schippel [SPD]: Wir bedauern es auch! - Zuruf des Ab- geordneten Genilke [CDU])

Dabei gibt es keine zwingenden Gründe für eine Ablehnung außer der - nach meiner Ansicht unbegründeten - Sorge einiger Verbände. Ihre Zwischenbemerkung war wenig geistreich, Herr Genilke.

Da diese Frage nicht nur die Problematik der Altanschließer betrifft, sondern weit darüber hinausgeht, kann ich Ihnen auch mit Blick auf die nächste Wahlperiode versichern: Wir bleiben an diesem Thema dran; ich sage das in aller Deutlichkeit.

(Lachen bei der CDU)

Da können Sie grinsen, wie Sie wollen.

(Zurufe von der CDU)

Ich will Ihnen eins sagen: Wenn Sie jetzt in meiner Rolle wären, würden Sie sich das wesentlich leichter machen. Das weiß ich ganz genau.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Oh! bei der CDU)

Wir werden an diesem Thema dranbleiben und wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass es zu einer solchen Regelung im KAG kommt. Bis dahin werden wir die Verbände ermutigen das können wir alle gemeinsam machen, wenn wir es denn wollen -, die in der Abgabenordnung vorgesehene Option der Musterverfahren von sich aus anzuwenden. Diese Möglichkeit ist immer gegeben. Ich denke, da sind so manche Unsicherheiten zu beseitigen. - Danke.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Es folgt eine Kurzintervention von Herrn Wichmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scharfenberg, ich bin Ihnen für Ihren Redebeitrag außerordentlich dankbar, denn Sie haben damit zumindest heute einmal die Katze aus dem Sack gelassen, worum es bei Ihrer Ablehnung wirklich geht.

Sie haben gerade selbst gesagt, es sei eigentlich ein vernünftiger Gesetzentwurf. Es sind vernünftige Vorschläge, und die Bedenken, die dagegen vorgetragen wurden, sind eigentlich nicht haltbar und auch nicht wirklich berechtigt.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Das habe ich immer gesagt!)

Jetzt frage ich mich, aus welchem Grund Sie dann trotzdem den Bürgerinnen und Bürgern draußen im Land - und denen sind Sie verpflichtet, nicht einzelnen Verbänden, nicht einzelnen Aufgabenträgern, nicht einzelnen Parteikollegen in irgendwelchen Kommunen - diese Verbesserung des Rechtsschutzes vorenthalten. Sie könnte zu Befriedung eines Konflikts beitragen, der uns alle seit Jahrzehnten in Brandenburg beschäftigt. Auf diese Frage möchten wir von Ihnen heute noch eine Antwort haben.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Ein abschließender Punkt: Die namentliche Abstimmung hat natürlich den Vorteil, dass man den Bürgern draußen im Land sagen kann, wie sich jeder Einzelne bei dieser Sachfrage verhalten und hier abgestimmt hat. - Herzlichen Dank.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

Herr Dr. Scharfenberg, Sie müssen nicht auf diese Kurzintervention reagieren, aber Sie dürfen.

Lieber Herr Wichmann, ich habe nicht nur heute, sondern in der Vergangenheit immer gesagt, dass ich eine solche Regelung für sinnvoll halte. Das ist nichts Neues. Ich habe das immer gesagt, und ich habe hier auch in aller Deutlichkeit gesagt, dass das eine Frage ist, über die wir uns in einer Koalition zu verständigen haben.

Sie wissen vielleicht aus der Vergangenheit auch, dass im Ergebnis einer solchen Diskussion entweder eine Übereinstimmung erzielt wird oder nicht. Sie ist in dieser Frage nicht erzielt worden. Mehr will ich dazu nicht sagen. - Danke.

(Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

Wir setzen mit dem Beitrag der Abgeordneten Nonnemacher fort. Sie spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste von den verschiedenen Verbänden, die Sie heute so zahlreich erschienen sind! Die CDU-Fraktion will mit ihrem Gesetzentwurf im zweiten Anlauf ein hehres Ziel erreichen. Durch Musterverfahren sollen die Bürgerinnen und Bürger bessere Möglichkeiten bekommen, ihre Rechte wahrzunehmen, und für alle am Verfahren Beteiligten soll die Rechtssicherheit verbessert werden.

Die CDU-Fraktion nimmt damit eine Initiative zweier Interessensverbände auf. Die Zulassung von Musterklagen ist - neben der grundsätzlichen Abschaffung der Beiträge für sogenannte Altanschließer - eine der wesentlichen Forderungen des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer - VDGN - und des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU - und spielt eine wichtige Rolle in deren Kampagne gegen Altanschließerbeiträge. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass die Vertreter dieser Verbände den Gesetzentwurf in der Anhörung am 23. Mai dieses Jahres unterstützten. Es wurden aber durchaus zahlreiche Argumente gebracht, warum der Gesetzentwurf nicht zustimmungsfähig ist.

Obwohl sich die Debatte zur Einführung von verpflichtenden Musterverfahren vor allem an der Beitragserhebung im Trinkwasser- und Abwasserbereich entzündet, umfasst der Gesetzentwurf alle auf satzungsrechtlicher Grundlage erhobenen Kommunalabgaben - also auch die Abfallwirtschaft, die Straßenausbaubeitragssatzungen oder den Rettungsdienst. Die von der CDU geplante Verpflichtung aller Verfahrensbeteiligten, ein Musterverfahren bis zum Ende durchzuziehen und nicht aussteigen zu können, könnte - wenn der Landtag es so beschließen würde - zu durchaus schwierigen finanziellen Folgen in unseren Kommunen und Zweckverbänden führen und ihre Gestaltungsfreiheit einschränken. Bei Klagen bis zur letzten Instanz können dann über Jahre keine Beiträge oder Gebühren erhoben werden.

Leider gehen die Antragsteller auf diese Folgen für die Kommunen und Zweckverbände nicht ein. Die Hinweise in der Anhörung, dass diese Situation vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung nach Artikel 28 Grundgesetz bedenklich sein könnte, sind nicht von der Hand zu weisen. Gerade diese Möglichkeit, die Verfahrensruhe zu beenden, besteht aber in dem oft genug herangezogenen Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern.

Wir Grünen haben übrigens diesen Richter als Anzuhörenden benannt, denn wir hören gern auch andere Argumente und

nicht nur die, von denen wir unsere Meinung bestätigt haben wollen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Herr Ring, Richter am Verwaltungsgericht Schwerin, sagte

„Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern eine weiche Regelung. Sowohl der Zweckverband als auch die Widersprechenden können aussteigen.“

Es lässt sich feststellen, dass die mangelnde Akzeptanz kommunaler Abgabenerhebung nicht nur in der Art und Weise der handelnden Behörde begründet liegt, sondern oftmals in der Ablehnung der Abgabenansprüche an sich. Das ist zwar menschlich verständlich, kann aber nicht zum Leitmotiv unseres Zusammenlebens werden. Das Sankt-Florians-Prinzip löst keine Probleme. Entsprechend würde auch die Einführung von verpflichtenden Musterklagen sicherlich nicht zu weniger Klagen oder Gerichtsverhandlungen führen, wie uns Herr Wichmann glauben machen will.

Ich fasse zusammen:

Erstens. Musterverfahren sind auch nach derzeitiger Rechtslage möglich. Es wird auch in sinnvollen Fällen davon Gebrauch gemacht.

Zweitens. Im Abgabenrecht unterscheiden sich die Fälle beträchtlich hinsichtlich Grundstücksfläche, Geschossigkeit, Innen-/Außenbereich, Bebauungsplangebiet, Gewerbenutzungen usw.; wirklich identische Fälle werden sich nur schwer finden lassen.

Drittens. Ein befriedender Effekt ist nicht zu erwarten, da bei verlorenen Musterverfahren individuell weitergeklagt werden kann und wird.

Viertens. Es ist mit erheblicher Unsicherheit bei der Beitragsund Gebührenerhebung der Kommunen in allen Bereichen des KAG zu rechnen.

Fünftens. Das taktische Kalkül vor dem Hintergrund der parallelen Befassung der Verjährungsfristen - also die Flucht in die Verjährung - ist unübersehbar und verstimmt.

Mit der Beantragung einer namentlichen Abstimmung versucht die CDU, dem zweiten Aufguss ihres Gesetzentwurfes nun doch ein wenig Glanz und Bedeutung zu verleihen. Wenn Ihnen das Thema, Herr Wichmann, wirklich wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie versucht, die fundierten Kritikpunkte aus der Anhörung aufzunehmen und den Gesetzentwurf nachzubessern.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)