Dazu liegen ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion mit Drucksache 5/8212 sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Drucksache 5/8213 vor.
Einen wunderschönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will am Anfang kurz begründen, warum wir diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Wir haben hier auch dann und wann Aktuelle Stunden, die einem ein wenig an den Haaren herbeigezogen vorkommen. Heute ist das nicht der Fall,
denn wir haben hier heute ein Thema, das so aktuell ist wie kaum ein anderes, denn wir sind mitten in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU auf Bundesebene. Ein wichtiges Thema ist dort: „Wie gestalten wir die Energiewende aus? Wie kommen wir bei der Energiewende voran, und wie schaffen wir es, dass die unterschiedlichen Ziele auch realisiert werden?“
Das ist für uns in Brandenburg ein besonders wichtiges Thema, weil Brandenburg ein Land der Energieerzeugung ist. Darauf sind wir auch verdammt stolz. Wir sind nicht nur stolz darauf, dass wir ein Land sind, das im Bereich der erneuerbaren Energien schon weit vorangeschritten ist, das auch große Anerkennung findet, weil wir bei den erneuerbaren Energien so große Fortschritte gemacht haben. Wir haben dreimal hintereinander den Leitstern als das Bundesland bekommen, das beim Ausbau der alternativen Energien am vorbildlichsten ist. Darauf sind wir verdammt stolz. Aber wir stehen als Sozialdemokraten, auch als Regierung zu dem Energiemix, und deshalb bekennen wir uns auch dazu, dass wir die Braunkohle als Brückentechnologie weiterhin brauchen, um die Energiewende organisieren zu können.
Wir haben eine heftige und auch kontroverse Debatte in diesem Land über die Energiepolitik. Wir als Sozialdemokraten - das will ich hier sehr deutlich sagen - stehen zum Energiemix. Wir stehen dazu, dass wir kontinuierlich entsprechend unserer Energiestrategie 2030 die alternativen Energien ausbauen und dabei unsere Vorreiterrolle beibehalten. Wir stehen aber auch dazu, dass wir unseren Beitrag zur Versorgungssicherheit in der Bundesrepublik Deutschland leisten. Und wir stehen dazu, dass wir weiterhin die Arbeitsplätze in der Lausitz brauchen und erst recht - dazu komme ich noch einmal - die Ausbildungsplätze, die dort in der Lausitz zur Verfügung gestellt werden.
Kommen wir zum Thema Energiewende insgesamt: Als die Energiewende eingeleitet worden ist, veröffentlichte Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, einen heute immer noch sehr lesenswerten Beitrag in der „ZEIT“. Dort hat er dieses Projekt mit dem Projekt des Mannes auf dem Mond verglichen. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Energiewende eine Herausforderung in der Größenordnung von 10 Jahren ist, die wir kontinuierlich an dieser Energiewende arbeiten müssen, und auch eine Herausforderung ist, die sehr viel Geld verschlingen wird.
Wenn wir heute eine Bilanz dieser Energiewende ziehen, die notwendig ist, da nach Fukushima - hier gibt es mittlerweile einen großen Konsens in der Bundesrepublik Deutschland - der Ausstieg aus der Atomenergie unausweichlich war, und wenn wir diese Energiewende voranbringen wollen, dann wird klar,
dass wir verschiedene Ziele gleichzeitig verfolgen müssen. Wir müssen die Versorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten, aber auch die der Industrie in diesem Land. Wir müssen gewährleisten, dass das Klima durch die einzelnen Schritte, die wir einleiten, geschont wird. Wir müssen aber auch gewährleisten, dass Energie bezahlbar bleibt. Und wir müssen gewährleisten, dass dieses Land Bundesrepublik Deutschland ein Industrieland bleibt. Das ist eine Facette, die in den Debatten der vergangenen Wochen und Monaten oftmals vergessen worden ist: Wir müssen durch die Energiewende gewährleisten, dass wir weiter ein Industrieland bleiben und unsere Industriearbeitsplätze erhalten.
Und wir müssen gewährleisten, dass die einzelnen Schritte, die eingeleitet werden, auch die notwendige Akzeptanz finden. Da will ich auf ein Phänomen aufmerksam machen, das angesichts der Braunkohledebatte in diesem Land etwas in den Hintergrund rückt: Wir haben in diesem Land mittlerweile mehr Bürgerinitiativen, die gegen Windkraft vorgehen, als Bürgerinitiativen, die gegen Braunkohle aktiv sind. Ich glaube, dass das die Herausforderung bei der Energiewende sehr gut beschreibt. Wir müssen Akzeptanz für alle Schritte, die wir einleiten, gewährleisten und dabei sehr konsequent vorgehen.
Wenn wir jetzt, nach zwei Jahren Energiewende, die auf Bundesebene von einer schwarz-gelben Koalition verantwortet ist, Bilanz ziehen, müssen wir feststellen, dass diese Energiewende bisher schlecht gemanagt worden ist und sich da dringend etwas ändern muss. Das wird am deutlichsten in der Diskussion um das Energieeinspeisegesetz, das auch Bestandteil der Koalitionsverhandlungen ist. Um sich zu verdeutlichen, wie dieses EEG mittlerweile aus dem Ruder gelaufen ist, muss man sich vor Augen halten, was eine durchschnittliche dreiköpfige Familie 1998 für Strom bezahlt hat und was sie heute bezahlt.
Das EEG ist von Rot-Grün eingeleitet und von Schwarz-Gelb fortgeführt worden. Das EEG ist gut gewesen, um die Energiewende auf die Spur zu setzen. Aber mittlerweile hat sich herausgestellt, dass wir damit auch eine gigantische Umverteilungsmaschinerie in Gang gesetzt haben, die neu reguliert werden muss. Man muss sich die Zahlen vor Augen halten: In diesem Jahr sind über das EEG 20,6 Milliarden Euro umverteilt worden. 20,6 Milliarden Euro! Das sind Summen, die Bürgerinnen und Bürger für diejenigen zahlen, die Investitionen in erneuerbare Energien tätigen.
Für das nächste Jahr wird eine Steigerung der EEG-Umlage auf 23,6 Milliarden Euro veranschlagt. Das zeigt, dass sich diese Spirale so nicht weiterdrehen darf und wir zu Veränderungen kommen müssen. Das ist auch Gegenstand der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene.
Wir müssen auch deutlich machen, dass diese EEG-Umlage nicht allein die Bürgerinnen und Bürger belastet, sondern auch die Industrie. Wenn man sich die Zusammensetzung anschaut, stellt man fest, dass die Bürgerinnen und Bürger mit etwa
6 Milliarden Euro durch die EEG-Umlage belastet sind und die Industrie in Deutschland in fast derselben Größenordnung. Das ist ein Faktor, der auch die Wettbewerbsfähigkeit betrifft.
Nun gibt es eine große Diskussion darüber, dass einige Unternehmen von der EEG-Umlage befreit sind. Insbesondere die Grünen fordern, dass diese Befreiung generell zurückgenommen wird. Ich glaube, dass man eine sehr differenzierte Debatte darüber führen muss:
Von der EEG-Umlage sind in Brandenburg ganze 51 Unternehmen befreit - ganze 51 Unternehmen! Da wird oftmals erzählt, dass es dabei um Golfplätze und Ähnliches gehe. Das ist natürlich nicht der Fall, sondern die Befreiung von der EEG-Umlage betrifft beispielsweise die Papierfabriken in Brandenburg. Wer sich mit den Papierfabriken in Eisenhüttenstadt, Spremberg oder Schwedt intensiv auseinandersetzt, weiß, dass dort die Personalkosten nur noch einen relativ geringen Anteil an den gesamten Produktionskosten ausmachen, sondern die Ausgaben dort im Kern aus Energiekosten resultieren. Etwa 90 % der gesamten Produktionskosten in der Papierindustrie sind Stromkosten. Wer also eine generelle Abschaffung der Befreiung von der EEG-Umlage fordert, muss wissen, dass er damit den Bestand von Industriearbeitsplätzen auch in Brandenburg gefährdet.
Ein anderes Beispiel sind die Verkehrsbetriebe in Potsdam. Die Straßenbahn, die durch diese Stadt fährt, ist ebenfalls von der EEG-Umlage befreit. Nun kann man sicherlich darüber diskutieren, ob diese Befreiung abgeschafft werden soll. Dann sollte man aber auch wissen, dass das Straßenbahnfahren in Potsdam damit teurer wird. Es ist also eine hochkomplexe Materie. Wenn man dieses Thema diskutiert, muss man zu Entscheidungen und Lösungen kommen, die vernünftig sind.
Nun möchte ich auf einen anderen Punkt aufmerksam machen, der wichtig ist, wenn wir über künftige Energiepolitik diskutieren. Dieser betrifft die Ost-West-Ungerechtigkeit bei Netzentgelten. Derzeit ist es so geregelt, dass die Bundesländer, in denen alternative Energien besonders stark ausgebaut werden wie in Brandenburg -, auch die Kosten für einen Ausbau der Netze tragen müssen.
In der Konsequenz bedeutet das, dass die Bürger in Brandenburg gegenwärtig mit 6,85 Cent pro Kilowattstunde bei der Netzumlage belastet werden, die Bürger in Baden-Württemberg aber - dort gibt es zwar einen „grünen“ Ministerpräsidenten, aber deutlich weniger Windräder als bei uns - mit 5,51 Cent und demnach mit 1 Cent weniger beteiligt wurden.
Insofern müssen wir auch darüber eine Diskussion führen - im Interesse der Brandenburger -, wie wir mehr Gerechtigkeit bei der Organisation von Energiepreisen erreichen. Wir in Brandenburg wollen unseren Beitrag zur Versorgungssicherheit über die Braunkohle leisten. Zudem wollen wir unseren Beitrag leisten, damit die Energiewende durch den Ausbau alternativer Energien gelingt. Da können und wollen wir mehr leisten als andere Länder. Dies darf aber nicht dazu führen, dass wir beim Strompreis benachteiligt werden.
Ich will aus aktuellen Gründen ein Thema ansprechen, das heute in den Medien auch schon eine Rolle gespielt hat. Ich glaube, uns in Brandenburg ist nicht damit gedient, wenn wir in der Energiediskussion die eine Energieform gegen die andere ausspielen.
Ich habe vorhin darauf hingewiesen: Wir sind ein energieproduzierendes Land, und zwar über Alternativen, jedoch haben wir auch eine Verantwortung für die Grundlastversorgung durch die Braunkohle übernommen. Tausende Menschen, die in der Energiewirtschaft tätig sind und diese Arbeit dort in der Lausitz leisten, haben gute Arbeit und auch gut bezahlte Arbeit. Zudem sind sie stolz auf das, was sie dort leisten.
Insofern sind wir in Brandenburg gut damit beraten, nicht so zu tun, als seien das böse Energiearbeiter, während Menschen, die Windräder aufstellen, gute Arbeiter sind. Beide Gruppen leisten ihren Beitrag und müssen unterstützt werden. Aus diesem Grund ist es fatal, was die neue Landesvorsitzende der Grünen, die erst am vergangenen Wochenende gewählt wurde, als Erstes verlauten ließ. Dazu kann man sagen: Erster Satz, erster Fehler.
Sich hinzustellen und zu sagen, man müsse darauf drängen, dass bei Vattenfall keine Auszubildenden mehr eingestellt werden, ist eine Kampfansage an die Jugend in der Lausitz. Das geht so in keinem Fall und muss eindeutig zurückgewiesen werden.
Die gestrige Entschuldigung von Herrn Vogel ist nicht ausreichend. Sie, Herr Vogel, haben versucht, einen enormen Fehler, den Ihre neue Vorsitzende begangen hat, schönzureden. Damit kommen Sie nicht durch. Ich glaube, die Menschen in der Lausitz merken das auch.
Sie werden sich an meine Rede erinnern, die ich im Anschluss an die Regierungserklärung gehalten habe. Ich habe damals gesagt: Sie machen vielen Menschen in diesem Land Angst. Zudem habe ich Ihnen bzw. den Grünen prognostiziert, dass Sie insbesondere in der Lausitz am Wahltag ein Fiasko erleben werden. Und dieses Fiasko haben Sie erlebt. Schauen Sie sich Ihre Wahlergebnisse an: in Lauchhammer 1,8 % und in Spremberg 2 %.
Wie oft thematisieren die Grünen hier die Lausitz und tun so, als seien sie dort die Interessenwahrer? - Stellen Sie sich doch einmal die Frage, warum die Menschen in der Lausitz vor Ihren energiepolitischen Vorstellungen offensichtlich so enorm viel Angst haben. Diese Angst besteht eindeutig, was durch die Wahlergebnisse auch belegt und dokumentiert ist.
(Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Wie gut, dass die SPD einen solch grandiosen Wahlsieg in Brandenburg er- rungen hat! - Beifall CDU - Ministerpräsident Dr. Woidke: Ein paar Stimmen mehr als die Grünen ha- ben wir schon noch!)
Frau Nonnemacher, durch Lautstärke werden Sie Ihre 3,3 %, die Sie in Spree-Neiße erreicht haben, nicht rechtfertigen können. Machen Sie sich klar, dass Sie durch Ihre Ansagen in Richtung Lausitz bzw. durch Ihre Ansagen an die Menschen dort Vertrauen verspielen und diesen Menschen Angst machen.
Die Aussage Ihrer Vorsitzenden am Wochenende ist eine Katastrophe. Ein Unternehmen wie Vattenfall, das eine Ausbildungsquote von 10 % hat, ist nicht nur ein wichtiger Arbeitgeber, sondern auch jemand, der durch das Angebot an Ausbildungsplätzen gewährleistete, dass die Abwanderung aus der Lausitz gestoppt wurde.
Wenn sich Ihre Landesvorsitzende hinstellt und sagt, die Menschen sollen dort keine Ausbildungsplätze mehr annehmen, fordern Sie sie schlicht und ergreifend indirekt dazu auf: Gehen Sie raus aus der Lausitz und wandern Sie ab nach Westdeutschland. - Das hatten wir in den 90er Jahren und brauchen wir nicht noch einmal. Insofern erwarte ich von Ihnen, dass Sie sich heute klar davon distanzieren und diese Äußerung zurücknehmen.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen ausdrücklich, dass die SPD-Fraktion heute das Thema der Energiepolitik in den Mittelpunkt ihrer Aktuellen Stunde gestellt hat.
Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, noch einmal zu rekapitulieren, was die wesentlichen Bestimmungsgrößen dieses Transformationsprozesses sind und waren. Es ist erstens der zwischen allen demokratischen Parteien konsensual verabredete Ausstieg aus der Atomenergie, es ist zweitens die Einsicht, dass die fossilen Energieträger einer naturgesetzlichen Endlichkeit unterliegen, und es ist drittens - dieser Aspekt spielt in der öffentlichen Wahrnehmung leider eine indirekte Rolle -, dass die externen Kosten und die zu erwartenden negativen externen Effekte beim weiteren Abbau fossiler Energieträger zu steigenden Kosten führen. Diesbezüglich nenne ich das Beispiel Fracking.
Insofern begrüßen wir es, dass die SPD-Fraktion einen sehr treffenden Arbeitstitel für diese Aktuelle Stunde gewählt hat, nämlich - ich zitiere sinngemäß - die Energiepolitik nach den Maßstäben von Vernunft und Augenmaß zu gestalten. Beide entscheidenden Begriffe verlangen nach einer politischen Diskussion und Orientierung.
Ich versuche zunächst, den Begriff der Vernunft in diesem Zusammenhang zu erläutern: Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass der Transformationsprozess unserer Energiesysteme unsere Volkswirtschaft vor gewaltige Herausforderungen stellt. Wir sind uns auch einig, dass wir eine Operation am Herz-Kreislauf-System unserer Volkswirtschaft vornehmen und uns dabei der Bedeutung gewahr sein müssen, dass wir auf makroökonomischer Ebene in alle relevanten Sektoren unserer Volkswirtschaft eingreifen und auf mikroökonomischer Ebene das Handeln der einzelnen Wirtschaftssubjekte bestimmen. Zudem nehmen wir auf den Wertschöpfungsprozess des gesamten Energiesektors Einfluss, insbesondere auf dessen primäre Wertschöpfungsaktivitäten.
Das alles - eingedenk dieser Tatsache - muss uns in die Verantwortung bringen, zu erkennen, dass es darum geht, in einem globalen Maßstab die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft - die der Bundesrepublik Deutschland im Allgemeinen und die des Landes Brandenburg im Besonderen - zu erhalten. Es geht also um die Frage der Bezahlbarkeit von Energie für Menschen und Unternehmen.