Protocol of the Session on November 20, 2013

Wenn ich mir aber den Untersuchungsbericht der unabhängigen Kommission zur Haasenburg ansehe, so erkenne ich durchaus Rückenwind für dieses Vorhaben. Dort heißt es nämlich:

„Kontrolle und Aufsicht verlangen ständige aufmerksame Beobachtung und frühes konsequentes Einschreiten. Kontrollen sollten verstetigt, die gegenseitige Unterstützung der Behörden gestärkt, der Austausch mit dem Fachaufsicht führenden Ministerium gepflegt werden. Die geplante Eingliederung des Landesjugendamtes in das MBJS sieht die Kommission jedenfalls unter dem Aspekt von Verbesserung des Informationsflusses und der Koordination von zwei Organisationen und Hierarchieebenen positiv.“

Das ist ein Votum, das wir ernst nehmen sollten. Der Fall Haasenburg zeigt gerade nicht, wie die Opposition behauptet Gordon, jetzt hast du es uns ja gegeben -, dass der Gesetzentwurf falsch ist. Er zeigt das Gegenteil. Der Gesetzentwurf ist richtig und notwendig. Auch was die Anhörung zum AG KJHG betrifft, scheinen wir in verschiedenen Veranstaltungen gewesen zu sein. Es gab eben nicht rundherum ablehnende Beiträge der Geladenen. Im Gegenteil, auch du, Gordon, wirst dich erinnern, dass der Städte- und Gemeindebund sogar noch sehr viel weitergehende Beschlüsse gefordert hat. Er hätte nämlich gern auch noch die Kontrolle übernommen.

Eine gravierende Änderung betrifft in diesem Gesetz den Landesjugendhilfeausschuss. Aus ihm wird der LandesKinder- und Jugendausschuss. Allerdings geht es hier weniger um den Namen. Viel wichtiger sind seine Aufgaben, seine Arbeitsweise, aber auch seine Zusammensetzung.

Ich hatte schon anlässlich der 1. Lesung des Gesetzentwurfes gesagt, dass wir großen Wert auf das bisher Erreichte bezogen auf die Arbeitsweise legen und dass wir das erhalten wollen. Damit meine ich: Wir haben bisher fachlich diskutiert. Wir haben sachlich diskutiert. Wir haben auf Augenhöhe diskutiert. Wir waren uns nicht immer einig, aber wir haben einander immer zugehört und den anderen ernst genommen. Mir - und ich denke auch den anderen Kollegen hier - war es wichtig, dass das so bleibt. Was die Zusammensetzung angeht, werden wir die Anzahl der politischen Vertreterinnen und Vertreter im Landes-Kinder- und Jugendausschuss so lassen, wie sie vorher

im Landesjugendhilfeausschuss war, nämlich bei neun. Wir wollen, dass alle Fraktionen, die im Landtag vertreten sind, auch im Landes-Kinder- und Jugendausschuss berücksichtigt werden. Das ist zurzeit gerade nicht der Fall.

Was die Verteilung der neuen Mandate angeht, richten wir uns nach den Mehrheitsverhältnissen, ganz einfach deshalb, weil sie das Wahlergebnis und den Wählerwillen widerspiegeln.

Außerdem - diesen Punkt möchte ich ebenfalls noch hervorheben - haben wir das Befassungsrecht des Kinder- und Jugendausschusses abgerundet - Gordon Hoffmann hat darüber eben ausführlich berichtet -, und zwar mit einem wichtigen Punkt: Wir haben nämlich festgelegt, dass zu den Themen, für die das Befassungsrecht nach § 12 Abs. 1 besteht, Beschlüsse gefasst werden können. Das ist eine Forderung aus der Anhörung, die wir aufgenommen haben.

Insgesamt können wir sowohl mit dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung als auch mit der Art und Weise, wie er zustande gekommen ist, zufrieden sein. Ich möchte mit einem Satz schließen, den ich schon in der Augustsitzung des Plenums anlässlich der 1. Lesung gesagt habe. Ich wiederhole diesen Satz, weil ich ihn wichtig finde:

„Der neue Landes-Kinder- und Jugendausschuss soll sich … nicht nur mit allen Aufgaben der Jugendhilfe, sondern daneben auch mit den Lebenssituationen von jungen Menschen sich befassen.“

Das ist eine nicht unerhebliche Ausweitung unserer Tätigkeit. Sie wird uns einiges an Arbeit abverlangen, aber es ist wichtige und sinnvolle Arbeit, und ich werde sie gerne machen - ich denke, das können auch die Kollegen für sich sagen -, auch in der neuen Struktur. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Muhß. - Wir kommen nun zum Beitrag der FDP-Fraktion. Herr Abgeordneter Büttner hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfestrukturen lehnen wir, die FDP-Fraktion, entschieden ab. Der Kollege Hoffmann ist auf einige Gründe bereits eingegangen, ich will Ihnen aber noch unsere Sicht darlegen.

Herr Kollege Jürgens, damit Sie nicht noch einmal die gleiche Zwischenfrage stellen müssen, werde ich nachher explizit auf Ihre Frage eingehen und Ihnen sowie Herrn Krause das noch einmal sehr deutlich erklären, damit Sie es auch verstehen.

Für uns wird nicht deutlich, dass durch diese Gesetzesänderung eine höhere Qualität der Kinder- und Jugendhilfestrukturen in Brandenburg erreicht werden kann. Der Entwurf missachtet auch Strukturvorgaben des SGB VIII, insbesondere die Zweigliedrigkeit der Jugendhilfe, durch die Integration des Landesjugendamtes in das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. Bei der Integration in das Ministerium ist vorgese

hen, die bestehende Struktur des Landesjugendamtes aufzulösen und lediglich die Aufgabenerfüllung zu übernehmen.

Meine Damen und Herren, bei der derzeitigen Performance des Ministeriums finde ich das mehr als nur bedenklich. Frau Kollegin Mächtig, Sie sitzen gerade vor mir. Ich will es auch in die Regionen hineingeben, dass die Auflösung des Landesjugendamtes und die damit verbundene Aufgabe des Standortes Bernau zu einer Schwächung der dortigen Region führen wird.

Die Eingliederung in das Ministerium und die Aufgabe des Standortes sind fachlich in keiner Weise begründet oder auch nur nachvollziehbar. Es ist lediglich vor dem Hintergrund von Einsparbemühungen zu verstehen. Das, meine Damen und Herren, sollte bei einem solch gesellschaftlich relevanten Bereich wie der Jugendhilfe nicht die oberste Priorität genießen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, der unsererseits zur Ablehnung dieses Gesetzes führt, ist der Einschnitt in die Beschlussrechte des neu zu gründenden Landes-Kinder- und Jugendausschusses. Zwar werden diesem Beratungsrechte gegenüber der Landesregierung neu zugewiesen, und das Recht auf Benehmensherstellung sowie weitere Beteiligungs- und Informationsrechte werden zugesprochen. Diese können aber eben den Wegfall des Beschlussrechtes für die Angelegenheiten nach § 85 Abs. 2 SGB VIII nicht kompensieren. Ich lese Ihnen das einmal vor, damit es deutlich wird. In dem bisher gültigen Gesetz steht:

„Der Landesjugendhilfeausschuss befasst sich mit allen Aufgaben der Jugendhilfe. Er beschließt über die Angelegenheiten der Jugendhilfe, soweit sie nach § 85 Abs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zur Zuständigkeit des Landesjugendamtes gehören, mit Ausnahme der laufenden Geschäfte.“

Der jetzige Gesetzestext, der hier als Beschlussempfehlung vorliegt, heißt:

„Der Landes-Kinder- und Jugendausschuss berät die oberste Landesjugendbehörde zu den Themen seines Befassungsrechts. Er kann dazu Beschlüsse fassen.“

Toll! Toll, dass er dazu Beschlüsse fassen kann. Die kann er sich einrahmen und sich an die Wand hängen. Aber diese haben in keiner Weise irgendeine Verbindlichkeit.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [B90/GRÜNE])

Das ist schlicht und ergreifend nicht das, was wir wollen. Herr Kollege Jürgens, Sie können den Kopf schütteln, es ändert nichts an der Tatsache. Notfalls muss man dann, wenn es dazu kommt und dort Beschlüsse gefasst werden, die nicht vom Ministerium umgesetzt werden, gerichtlich feststellen lassen, dass diese Regelung schlichtweg falsch ist und die Beschlüsse eben nicht bindend sind. Das ist genau der Punkt, um den es uns in diesem Gesetzentwurf geht.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Zuletzt möchte ich noch einen höchst aktuellen Anlass zur Begründung unserer Ablehnung nennen: den Fall Haasenburg, den wir später noch auf der Tagesordnung haben. Hier gab es

massive Aufsichtspflichtverletzungen seitens des Landesjugendamtes, aber eben auch deutliche Versäumnisse des Ministeriums. Bevor die Struktur verändert bzw. das Landesjugendamt aufgelöst wird, sollten diese Vorkommnisse und Vorwürfe in Bezug auf die Haasenburg umfangreich geklärt werden,

(Beifall B90/GRÜNE)

- der Satz war noch nicht zu Ende -, damit man herausfinden kann, wie eine vernünftige Aufsichtsstruktur funktioniert. Deswegen ist dieses Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfestrukturen eben kein Weiterentwicklungsgesetz, sondern führt dazu, dass Kinder- und Jugendhilfestrukturen letztendlich in ihren Rechten missachtet werden. Und deswegen ist es im Zweifelsfall ein Gesetz zur Vernichtung der Kinder- und Jugendhilfestrukturen. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf kategorisch ab. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Herr Abgeordneter Krause hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon überrascht über die deutliche, klare Kritik an diesem Gesetzentwurf. Das muss ich so sagen. Aber die Debatte ist ja auch dafür da, um diese Auseinandersetzungen zu führen.

Die Linke hat diesen Gesetzentwurf und auch das Zustandekommen dieses Weges, den wir hier miteinander beschreiten, kritisch betrachtet und diese Kritik auch verlautbart. Gleichwohl ist das Zustandekommen im Rahmen der Richtlinienkompetenz zulässig.

In der Debatte vom 28. August 2013, die wir in diesem Saal hatten, haben wir deutlich gemacht, dass wir mit verschiedenen Punkten des vorliegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung unsere Probleme hatten. Ich habe dazu ausgeführt und deutlich kenntlich gemacht, wo wir Veränderungsbedarf für uns in dieser Richtung sehen.

Wir haben im Ausschuss eine Anhörung durchgeführt und die Koalitionsfraktionen haben Änderungsanträge zu den wesentlichen Punkten, die ich damals kritisch beleuchtet habe, eingebracht. Die Anzahl der politischen Vertreterinnen und Vertreter in diesem Gremium wird von fünf auf neun verändert. Wir kommen damit zur alten Regelung zurück. Es gibt keine Reduzierung der politischen Vertretung in diesem Gremium.

Wir werden - das ist neu - erstmals alle Fraktionen, die im brandenburgischen Landtag vertreten sind, im Landes-Kinderund Jugendausschuss widerspiegeln. Ich denke schon, dass das eine Qualitätsentwicklung ist, der man hier auch positiv Rechnung tragen kann.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir haben eine Präzisierung der Befassungs-, Beratungs- und Informationsrechte in § 12 Abs. 1 vorgenommen. Insbesondere haben wir noch einmal eine sprachliche Veränderung im Bereich Schule und Jugendhilfe, um hier die Abgrenzungen zu verdeutlichen, eingeführt. Auch dieser Änderungsantrag ist mit Mehrheit im Ausschuss beschlossen worden.

Wir haben in § 25 Abs. 4 Konnexitätsbestimmungen hineinformuliert, um dies auch darzustellen. Außerdem haben wir eine Konkretisierung hinsichtlich der Überörtlichkeit in § 8 Abs. 3 aufgenommen und dort den Halbsatz „soweit dies nicht anderen Stellen zugeordnet werden kann“ weggestrichen, um damit klarzustellen, dass hiermit keine Kommunalisierung angestrebt wird.

Ich finde, dass das wichtige Punkte sind; sie waren auch uns als Linke in der Koalition wichtig. Wir haben gemeinsam entschieden, sie so einzubringen. Außerdem haben wir das Beschlussrecht. Daran hat sich in der Ausschussberatung und auch heute hier wieder massive Kritik entzündet. Ich sage ganz deutlich, dass ich das nicht nachvollziehen kann. Möglicherweise ist dies auch eine schwierige Situation. Wir alle, die wir uns in dieser Debatte miteinander dazu austauschen, sind keine Juristen.

Ich gehe davon aus, dass mit der Regelung, die jetzt gefunden worden ist, ganz klar ein Beschlussrecht für diesen LandesKinder- und Jugendausschuss besteht. Nach meiner Auffassung kann man es auch gar nicht deutlicher formulieren. Der Satz heißt: „Er kann dazu Beschlüsse fassen.“ - Ich weiß nicht, was daran mehrdeutig, uneindeutig oder unkonkret sein soll. Es steht da: „Er kann … Beschlüsse fassen.“ Dass ein Beschluss bindend ist, ist doch dann klar.

Die aktuelle Regelung, Herr Büttner, haben Sie selbst gerade vorgetragen. Da steht: „Er beschließt …“ Jetzt heißt es: „Er kann … Beschlüsse fassen.“ Ich sehe da keinen qualitativen Unterschied. Die Richtung ist klar: Diese Koalition möchte, dass der Ausschuss bindende Beschlüsse fassen kann. Ich glaube, dass die Regelung dies auch widerspiegelt.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Wir brauchen uns an der Stelle möglicherweise auch nicht zu streiten - Sie haben dazu eine andere Auffassung. Ich glaube, dass klar ist, dass es dann auch eine Verbindlichkeit der Beschlusslage geben muss. Auch als Nichtjurist weiß ich, dass falls es für diejenigen, die später einmal darüber zu entscheiden haben, unklar bleiben sollte - diese gern auch in die Protokolle des Gesetzgebers, also unseres Landtages schauen und da noch einmal prüfen können, welche Intention der Gesetzgeber verfolgt hat. Deswegen betone ich in dieser Debatte nochmals: Die Koalition möchte, dass dieser Landeskinder- und Jugendausschuss ein Beschlussrecht hat, und für uns ist klar, dass Beschlüsse bindend sein sollen - Punkt.

(Beifall DIE LINKE)

Den Entschließungsantrag, den die Oppositionsfraktionen eingebracht haben, lehnen wir ab. Ich glaube, dass Kollegin Muhß hier schon klargemacht hat, dass das Beispiel Haasenburg nicht geeignet ist, um ein Aufhalten des Gesetzentwurfs zu begründen. Ich glaube auch, dass wir in Abläufen und Strukturen, in Regelungen, in Workflows usw. natürlich zu Veränderungen

kommen müssen, dies alles wird aber im exekutiven Bereich untergesetzlich geregelt - ich sehe hier keinen Grund, dass wir den Gesetzentwurf anhalten müssen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krause. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete von Halem hat das Wort.