Protocol of the Session on September 26, 2013

Danke, Herr Lipsdorf. - Es gibt eine Kurzintervention auf der linken Seite, durch Frau Abgeordnete Kaiser.

Nachdem der Kollege Lipsdorf in der Debatte über die Antwort auf die vorliegende Große Anfrage noch einmal das Thema der sogenannten Beutekunst angesprochen hat, möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und mich von der Vermischung dieses Themas mit dem Debattenthema distanzieren und die CDU-Fraktion darum bitten, ihre Sprecherin darauf aufmerksam zu machen, dass sie hier in einer für meine Begriffe nicht haltbaren Art die Ursachen des 2. Weltkriegs und das Unrecht, das Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion widerfahren ist, dargestellt hat. Ich hoffe, dass sie sich massiv dafür einsetzen wird, dass Unrecht ausgeglichen wird, indem zum Beispiel endlich entsprechende Opferrenten für ehemalige Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und deren Familien erkämpft werden.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kaiser. - Es gibt die Möglichkeit zu reagieren. Frau Abgeordnete Dr. Ludwig, Sie haben das Wort.

(Frau Lehmann [SPD]: Aber jetzt nicht von „Krieg und Frieden“ anfangen!)

- Keine Sorge, das tue ich nicht.

Aber solche Unterstellungen, die von links außen kommen, kann man nicht stehen lassen. Das finde ich eine Unverschämtheit, dass Sie gelebtes Völkerrecht in dieser Art und Weise diskreditieren!

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

Ich verwahre mich gegen das, was Sie mir hier gerade unterstellen: dass ich, was den 2. Weltkrieg betrifft, in irgendeiner Art und Weise diskutiert hätte, wer Schuld hat oder nicht Schuld hat. Das Thema Beutekunst hat damit überhaupt nichts zu tun. Wenn Sie die Haager Landkriegsordnung nicht kennen, Frau Kaiser, dann sollten Sie bitte überlegen, bevor Sie hier solche Statements abgeben. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ich beende die Aussprache. Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 27 zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Bergschäden durch den Braunkohlebergbau

Große Anfrage 26 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/6935

Antwort der Landesregierung

Drucksache 5/7796

Ferner liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/7901 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Vogel erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Wenn man den Hochglanzbroschüren von Vattenfall glaubt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass in der Lausitz mit großem technischen Aufwand ein paar große Löcher gegraben werden, wertvolle Braunkohle hieraus entnommen wird und am Ende eine wundervolle Seenlandschaft entsteht. Gleichzeitig verdient - quasi als Nebeneffekt - bei dieser Aktion das Braunkohleunternehmen viel Geld und verteilt es an seine Angestellten und an regionale Zulieferer weiter, füllt nebenher das Steuersäckel auf, sodass alle etwas davon haben. Fast nebenbei wird mit der entnommenen Braunkohle noch jede Menge preiswerte Energie erzeugt, die neuerdings auch noch den Ausbau der erneuerbaren Energien flankierend unterstützt. Allerdings werden in dieser märchenhaften Verzerrung der Realität die Folgelasten für Mensch, Umwelt, Natur und Klima, für Wasserhaushalt und Atmosphäre wie auch die gesellschaftlichen Folgelasten ausgeblendet.

Mit unserer Großen Anfrage „Bergschäden durch den Braunkohlebergbau“ wollten wir erfahren, wie sich die Landesregierung zu den tatsächlichen Sorgen und Problemen der Menschen verhält - gegenüber denjenigen vor Ort, die nicht das Glück haben, nur von fern auf die Braunkohletagebaue zu schauen: Familien, die am Rande der Tagebaulöcher wohnen und damit konfrontiert sind, dass Nachbardörfer mit Verwandten oder Freunden oder vielleicht auch nur die Wege dorthin unwiderruflich verschwinden, Bürger, die wir pauschal als „Tagebaurandbetroffene“ bezeichnen, deren Schicksale aber keineswegs pauschal abgehandelt werden können.

Da ist zum Beispiel das Dorf Neupetershain am Westrand des Tagebaus Welzow. Einige Häuser des Dorfes stehen nur ca. 200 m von der Abbaukante entfernt. Dort stellten seit 2005 mehrere Anwohner Risse an ihren Gebäuden fest. Ein typischer Fall ist eine Bewohnerin, die sich mit ihrer Schadensvermutung von Setzungsrissen infolge der Grundwasserabsenkung an Vattenfall wandte, damit der Schaden repariert und entschädigt werden kann. Vattenfall verweigerte jedoch die Schadensregulierung mit dem Hinweis, dass die Ursache Bergbau nicht nachzuweisen sei. Der Betroffenen blieb nur der Weg, privat einen Gutachter mit der Schadensbegutachtung zu beauftragen und auf eigenes Risiko vorzufinanzieren.

Nun liegt Vattenfall seit mehr als einem Jahr ein Gutachten der betroffenen Hausbesitzerin vor, welches bestätigt, dass die Schadensursache vermutlich Setzungen infolge des Bergbaus sind. Doch Vattenfall ist weiterhin nicht gewillt, den Schaden detaillierter zu untersuchen oder ihn zu begleichen. Es scheint dort, am Rande des Tagebaulochs, keine Behörde zu geben, die ein Beweissicherungsverfahren anordnet. Es gibt offenbar keine staatliche Instanz, welche die Einschätzung Vattenfalls überprüft, noch nicht einmal eine Schlichtungsstelle, an die sich die Betroffenen wenden können.

Ich sage: Es gibt diese Schlichtungsstelle noch nicht, da auch die Landesregierung die Sinnhaftigkeit einer solchen Schlichtungsstelle in der Antwort auf die Frage 17 in der Großen Anfrage bejaht. Einziger Knackpunkt: Für die Einrichtung einer solchen Stelle müsste das Unternehmen bereit sein, mitzuarbeiten. Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Jedenfalls wäre das ein schönes Thema gewesen, Herr Minister Christoffers, für den Vertrag mit Vattenfall, den die Landesregierung erst vor wenigen Tagen vorgestellt hat. In der offiziellen Verlautbarung ist dazu allerdings nichts zu finden.

(Beifall B90/GRÜNE)

Aus Neupetershain, Welzow und Proschim haben sich 38 Betroffene in der Bürgerinitiative „Vermutete Bergschäden“ zusammengeschlossen, die sich im Mai dieses Jahres in einem offenen Brief mit ihrem Anliegen an uns Abgeordnete gewandt haben. Dort ist die von den von Bergschäden Betroffenen als demütigend empfundene Situation beschrieben, die seit 2005 Schadensbildung an ihren Gebäuden feststellen und seitdem noch keinen Schritt in Richtung Schadensregulierung weitergekommen sind.

Die Feststellung der Ursachen wird immer schwieriger, weil eine kontinuierliche und flächendeckende Beweissicherung nicht stattfindet. Dabei muss immer die rechtlich missliche Situation der Betroffenen im Auge behalten werden. Vattenfall und die LMBV gelten so lange als unschuldig an dem Bergschaden, bis ihnen der Geschädigte zweifelsfrei die Ursache - Bergschaden infolge des Bergbaus - nachweisen kann. Verbleibt auch nur der geringste Zweifel an der Ursache, gilt für den Tagebaubetreiber die Unschuldsvermutung. Das ist in unseren Augen eine absurde Rechtslage, die dringend mit einer Beweislastumkehr korrigiert werden muss, einer Beweislastumkehr, die übrigens für den untertägigen Steinkohlebergbau gilt.

(Beifall B90/GRÜNE)

Das ist eine Position - das erfreut mich sehr, deswegen hätten hier auch noch andere klatschen können -, die laut Antwort der Landesregierung auf die Frage 15 auch von der Landesregierung zumindest zaghaft unterstützt wird.

Aktuell aber macht Vattenfall die Regeln noch selbst, wann und wer entschädigt wird. Gezahlt wird laut Auskunft der Landesregierung nur in der Hälfte - genau: in 51 % - der Fälle und laut Auskunft der Betroffenen extrem zeitverzögert sowie nur dann, wenn die Betroffenen eine Stillschweigevereinbarung unterzeichnen. Ein Vergleich der Entschädigungszahlungen bei gleichgelagerten Fällen ist daher nicht möglich. In 43 % der Fälle wird eine Entschädigung abgelehnt. Die Landesregierung schreibt in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zu diesem

Umgang der beiden Bergbauunternehmen Vattenfall und LMBV: „Diese Vorgehensweise stellt ein weitgehendes Entgegenkommen der beiden Lausitzer Bergbauunternehmen dar …“.

Doch es sind nicht nur die Schäden am Eigentum, die uns in der Großen Anfrage beschäftigt haben, sondern auch die Gesundheitsgefährdung für die Menschen. So wird dem aktiven Tagebau bescheinigt, dass er keine Erhöhung der Feinstaubbelastung verursache. Dennoch stellen Bewohner des Tagebaurands immer wieder tage-, wochen- und monatsweise eine ungewöhnlich starke Staubbelastung fest. Die Staubbelastung wird nur von Vattenfall dokumentiert und erst nachträglich den Behörden vorgelegt. Bereits die zulässigen 35 Überschreitungen des Tagesmittelwertes pro Jahr bedeuten aber eine erhebliche Belastung der Anwohner. Gemessen wird nämlich ein sogenannter Immissionsjahreswert, ein Durchschnittswert pro Jahr, der an 35 Tagen im Jahr überschritten werden darf. Die Geheimniskrämerei um die Daten und die mangelnde Neutralität der Messungen - es misst nicht das Landesumweltamt vergiften darüber hinaus die Atmosphäre.

Ein anderes Beispiel für die Gesundheitsgefährdung haben wir gestern der „Lausitzer Rundschau“ entnehmen können: Die Stadt Welzow möchte eine Schallpegelmessung installieren, um die Geräusche aus dem näherrückenden Tagebau aufzuzeichnen. Denn seit dem Sommer klagen Anwohner zunehmend über unerträgliche Geräusche von Bandanlagen und Förderbrücke: „Vor allem nachts halten es viele Menschen nicht mehr aus“, heißt es hier. Herr Dr. Ulrich Obst vom Landesbergamt erläuterte dagegen, dass es momentan kein technisches Messgerät für den Dauerbetrieb gebe, das die Geräusche aus dem Tagebau vom Siedlungslärm und anderen Einflüssen trennen könne und damit gerichtsfeste Werte liefere. Damit ist das Problem sehr deutlich geworden: Man kann zwar messen, aber letztlich Stichwort „keine Beweislastumkehr“ - besteht keine Möglichkeit, gerichtsfest nachzuweisen, dass die Lärmbelastung unerträglich ist und dafür Entschädigungen zu leisten sind.

Unserer Auffassung nach muss es möglich sein, relevante Informationen zum Bergbau nicht nur an vielen Stellen im Lande zu haben - das ist ein Ergebnis der Großen Anfrage -, aktuell beim Landesbergamt, beim LUGV, bei Vattenfall, bei der LMBV. Der Zugang zu diesen Informationen ist unterschiedlich geregelt. Betroffene werden teilweise von Amt zu Amt, von Pontius zu Pilatus geschickt. Das ist kein Weg.

Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt jemand seine Rechte geltend machen kann, ist, dass er über grundlegende Informationen über seine Probleme verfügt. Da bietet sich, wie es in anderen Bereichen auch möglich ist, eine „One-Stop-Agency“, also ein einheitlicher Ansprechpartner an, bei dem alle diese Informationen gesammelt werden und jeder und jede die Möglichkeit hat, die entsprechende Information ohne große Probleme zu erhalten.

(Beifall B90/GRÜNE)

Es ist einfach an der Zeit, pragmatisch zu denken und pragmatisch zu handeln. Bis zur Einführung der Beweislastumkehr im Bundesbergrecht - vielleicht kommt sie ja mit der neuen Regierungsbildung auf Bundesebene -,

(Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

- die angesichts der geschilderten Fälle eigentlich niemand infrage stellen kann, benötigen wir nicht nur eine Schlichtungsstelle für die Betroffenen, sondern auch eine neue Kultur im Umgang mit den Betroffenen des Bergbaus. Denn diese Menschen müssen für die Energieversorgung anderer eine große Last auf sich nehmen.

Wir schlagen deshalb in unserem Entschließungsantrag vor, zügig diese Landesinformationsstelle Bergbau einzurichten, um auch Schwellenangst, einen vermuteten Bergschaden zu melden, zu reduzieren, um verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen, die Auswirkungen des Bergbaus besser zu dokumentieren und letztlich auch den gesetzlichen Anforderungen des Umweltinformationsgesetzes in Brandenburg endlich zum Durchbruch zu verhelfen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich denke, wir alle können mit der Umsetzung und der Annahme dieses Antrages erreichen, dass die Bürgerinnen und Bürger verlorengegangenes Vertrauen in das Land Brandenburg und die Bergbauunternehmen zurückgewinnen können - auf der Basis eines fairen Informationszuganges und darauf aufbauender Schadensregulierung. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Hackenschmidt hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Thema sowie der dazugehörige Entschließungsantrag erinnern stark an eine Debatte, die wir im Juni hier geführt haben. Damals hatten sowohl die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch die CDU Vorschläge zur Regulierung und Schlichtung von Bergschäden gemacht.

Im Ergebnis der Beratung ist ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen angenommen worden, in dem die Landesregierung dazu aufgefordert wurde zu prüfen, wie das Bundesberggesetz geändert werden könnte, um beispielsweise die Information und Beteiligung bei der Genehmigung von Projekten nach dem Berggesetz zu verbessern und zu eruieren, welche Verfahren zur Schlichtung von Bergschadensmeldungen installiert werden können.

Die Antwort auf diese Prüfaufträge steht noch aus. Da die Aufträge aber den Inhalt Ihrer aktuellen Forderung betreffen, müssen wir Ihren Antrag hier nicht beschließen - oder, um mit den Worten von Frau Kollegin Niels, die heute leider nicht da ist, vom Juni zu sprechen: „Ich finde, das ist ein großartiger Entschließungsantrag, weil er weitergeht als unser Antrag …“. Das hat Frau Niels damals gesagt, und dem ist, denke ich, nichts hinzuzufügen. Die Debatte über die Große Anfrage halte ich für sehr wichtig, da die Anfrage ein guter Beleg dafür ist, wie sie Grünen Sachverhalte so verzerren, bis sie in ihr ideologisches Konzept passen.

Aus Ihrer Sicht stellt sich der Braunkohleabbau wie folgt dar:

Bei der Erschließung eines Braunkohletagebaues wird das Grundwasser abgesenkt, was dem Wasserhaushalt bereits schwere Schäden zufügt. Nach dem Ende des Bergbaues kehrt das Grundwasser zurück und richtet wieder gewaltige Schäden an. Die Daten hierzu werden unter Verschluss gehalten, sodass Geschädigte nicht zu ihrem Recht kommen.

Das Gute an Großen Anfragen ist jedoch, dass sie ausführlich beantwortet werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, simple Erklärungen dazu richtigzustellen, und den Antworten der Landesregierung sind viele Informationen zu entnehmen, die das von Ihnen gezeichnete Bild korrigieren. Um nur einige Beispiele zu nennen: Sie vergleichen immer wieder mit dem Vorbild NRW. Hierzu ist festzustellen, dass die Anzahl der gemeldeten Schadensfälle in Brandenburg deutlich geringer ist: in NRW etwa 35 000 Meldungen pro Jahr, in Brandenburg ca. 6 200 - in 20 Jahren! - also ein Hundertstel.

Im Bereich der LMBV ist zudem eine deutlich abnehmende Tendenz bei den Schadensanmeldungen zu verzeichnen. Eine Schlichtungsstelle wie in NRW, in der Vertreter des Netzwerkes der Bergbaugeschädigten sitzen, ist doch hier nicht eins zu eins umsetzbar, weil es in Brandenburg eine derartige Institution der Betroffenen überhaupt nicht gibt.