Wenn das jedoch in so großer Zahl berichtet wird, muss man ein Augenmerk darauf legen; das würde ich in meiner Verantwortung als Volksvertreterin jedenfalls so sehen. Es ist tatsächlich so, dass wir eine Vielzahl von Familien haben, in denen der notwendige Familienzusammenhalt nicht mehr vorhanden ist, oder die weit auseinandergerissen sind usw. - das kennen wir alles. Aber genauso gibt es immer noch eine Anzahl von Familien, in denen diese Strukturen richtig gut funktionieren. Dann hat für mich immer die Familie Vorrang vor einer Betreuung durch Dritte.
(Beifall CDU - Frau Lehmann [SPD]: Er hat nichts ande- res behauptet! - Bischoff [SPD]: Das sehen alle so!)
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn ich die Vielzahl von Formalien sehe, die auf die Familien jetzt einströmen - sei es die Vorsorgevollmacht, die Patientenverfügung und, und, und; ich exerziere das übrigens selber gerade durch und kann Ihnen gerne einmal davon berichten -, habe ich zunehmend den Eindruck, dass wir auf eine formaljuristisch durchorganisierte Gesellschaft mit ausgeprägter Absicherungsmentalität zusteuern. Das kann es nicht sein. Hier befördern wir Dinge, die ich nicht für gut halte. Das ist garantiert auch nicht den Familien zuträglich. Es belastet sie eher, als dass es sie entlastet.
Werte Kollegin Schulz-Höpfner, hier liegt ein Missverständnis vor. Ich habe in meiner Rede auf die Diskussion im Rechtsausschuss abgestellt und auf den Vorwurf des Landesrechnungshofs, dass die Richter an den Amtsgerichten leichtfertig Betreuer bestellen würden. Sie haben gesagt, dass Sie in der Praxis ähnliche Erfahrungen machen. Das mag so sein, aber dass Sie aus dieser Erfahrung heraus einen generellen Vorwurf erheben, habe ich zurückgewiesen. Ansonsten sind wir relativ nah beieinander.
Ich vermute, ihr werdet euch dann im Ausschuss einig werden. Wir setzen mit dem Beitrag der Abgeordneten Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Lieber Herr Weiser! Die Zahl der rechtlichen Betreuungen nach dem 1992 in Kraft getretenen Betreuungsgesetz ist in Brandenburg wie in der gesamten Bundesrepublik drastisch gestiegen. Noch drastischer gestiegen sind die Kosten für Aufwandsentschädigungen und Vergütungen der Betreuung. Während im Zeitraum von 2000 bis 2011 die Zahl der Betreuten um etwa 50 % gestiegen ist, haben sich die Kosten vervierfacht. Das Land Brandenburg gibt bereits jetzt mehr Geld für rechtliche Betreuung als für die gesamte Sozialgerichtsbarkeit aus.
Der Bericht des Landesrechnungshofs beziffert die Kosten eindrucksvoll mit 33 Millionen Euro pro anno in 2011 oder 90 000 Euro täglich. 85 % dieser Kosten entfallen auf berufsmäßige Betreuer. Der Anteil ehrenamtlicher Betreuer, die nur eine jährliche Aufwandsentschädigung von 399 Euro erhalten, sinkt ständig und liegt aktuell unter 40 %.
- Der Satz wurde erhöht. - Die Zunahme der Zahl der Betreuten mutet auf den ersten Blick ganz plausibel an. Die demografische Entwicklung mit einer starken Zunahme der über 65-Jährigen und insbesondere der Hochaltrigen und damit einhergehend die zunehmende Zahl der Demenzerkrankungen könnte als Erklärung dienen. Doch die Daten, die der Landesrechnungshof in seinem Bericht zusammenträgt, sprechen eine andere Sprache. Weniger als ein Viertel der Betreuten war 65 Jahre oder älter, der demografische Wandel spielt also nur eine untergeordnete Rolle. Der typische beruflich Betreute ist nach den statistischen Erhebungen 51 Jahre alt, männlich und wird seit sechs Jahren rechtlich betreut. Die häufigsten Gründe für die Betreuung sind demgemäß auch keine altersassoziierten Probleme, sondern geistige Behinderung, psychische Erkrankung und Alkoholabhängigkeit.
Erschreckend finde ich im Bericht, welche Gründe sowohl in den Betreuungsanregungen als auch in den Betreuungsanordnungen aufgeführt werden: Soziale Auffälligkeit - Ruhestörung, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden -, Sehbehinderung, Analphabetismus oder gar Diabetes sind allesamt keine Gründe, die allein eine rechtliche Betreuung rechtfertigen würden. Sie weisen vielmehr auf anderweitigen sozialen, medizinischen oder psychopädagogischen Betreuungsbedarf hin.
Wenn der Landesrechnungshof - meine Damen und Herren, der Landesrechnungshof und nicht etwa die überörtliche Betreuungsbehörde - darauf hinweist, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, dass rechtliche Betreuung als Ersatz für Beratungsleistungen dienen dürfe, so haben wir ein sozialstaatliches Problem. Wollen wir explodierende Kosten für Berufsbetreuung eindämmen, so ist im Interesse der betroffenen Menschen zuallererst hier anzusetzen. Ihre Autonomie muss durch zielgenaue Hilfsangebote gestärkt werden. Eine Betreuungsanordnung durch die Justiz zu erwirken, um Behörden zu entlasten oder Kosten zu verschieben, ist absolut inakzeptabel.
Auch über die dringend erforderliche Zahl der Begrenzung von Betreuungen pro Berufsbetreuer wird zu reden sein. Eine wei
tere prophylaktische Maßnahme stellt eine Informationsoffensive über Versorgungsvollmachten, eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Justiz und Betreuungsbehörden sowie die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer dar. An diesem Punkt setzt auch der Antrag der CDU-Fraktion an, der gezielt Betreuungsvereine bei der Gewinnung und Qualifizierung ehrenamtlicher Betreuer unterstützen will.
Ich habe für diesen Antrag insgesamt sehr viel Sympathie. Auch die Entwicklung eines Konzepts zur Betreuung und den Vorschlag der Förderfähigkeit von Freiwilligenagenturen finde ich sehr unterstützenswert. Unsere Fraktion begrüßt es daher sehr, wenn der Antrag in die entsprechenden Ausschüsse überwiesen wird.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass die Fallzahlen in den letzten Jahren enorm gestiegen sind. Es ist richtig, dass die Zahl der ehrenamtlich durchgeführten Betreuungen zurückgegangen ist. Es ist richtig, dass die Kosten angestiegen sind. Das alles ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung - das ist hier bereits angeschnitten worden -, neben den demografischen Aspekten sicherlich ein Zurückgehen der Integrationsfähigkeit dieser Gesellschaft. Es ist unklar, welche Rolle bei dieser Frage institutionelle Regelungen spielen, inwieweit hier also über die Betreuungsvereine, über die Gerichte gesteuert werden kann. Es besteht Konsens darüber, dass es Handlungsbedarf gibt. Insofern ist die Frage: Wie?
Da ist es sehr zu begrüßen, dass ein Konzept zu entwickeln ist, wie die rechtlichen, qualitativen und finanziellen Faktoren zu gewichten sind. Das deckt sich mit unseren Überlegungen. Ein solches Konzept hat viele Akteure und muss durch bundesrechtliche Änderungen flankiert werden. Klar ist, dass mit einer einzelnen Maßnahme, beispielsweise der Förderung von Betreuungsvereinen, der Gesamtproblematik der Herausforderung nicht Rechnung getragen wird. Deshalb muss vermutlich grundsätzlich neu überlegt werden, wie der Grundsatz der Subsidiarität umgesetzt werden kann, also ob die Anordnung einer Betreuung wirklich die Ultima Ratio ist und wie die Stärkung der ehrenamtlichen Betreuung neu zu regeln ist.
Kurzum: Die Landesregierung ist gut beraten, ein Handlungskonzept zu entwickeln, das auf vier Ebenen ansetzt.
Erstens: Es geht um die Bündelung der Verantwortung für Aufgaben und Kosten. Wir haben gegenwärtig eine Situation, wo Organisations- und Kostenverantwortung gespalten sind. Wir werden prüfen, ob diese Verantwortung zukünftig von einem Träger wahrgenommen werden kann. Mit dieser Konzentration bündeln sich auch die Interessenlagen. So könnte auch der Grundsatz des Vorrangs der anderen Hilfen besser umgesetzt werden - das was hier auch immer wieder angesprochen worden ist, also die Stärkung der gesellschaftlichen Integration. Zudem wäre dieses Modell geeignet, ehrenamtliche Betreuer
effektiver zu gewinnen. Diese Option ist gemeinsam mit allen Akteuren zu prüfen und zu bewerten. Voraussetzung für diese Umsetzung sind jedoch auch - das ist hier auch schon angesprochen worden - bundesrechtliche Änderungen.
In diesem Zusammenhang noch mal herzlichen Dank an den Landesrechnungshof, weil dieser Prüfbericht in der Tat eine gute Grundlage für die Gesamtdebatte darstellt.
Zweitens: Es geht um die Zusammenarbeit der Akteure. Es ist klar, es sind viele Akteure, die betroffen sind. Wir können auch nicht warten, bis der Bundesgesetzgeber oder der Landesgesetzgeber ein neues Gesetz erlassen hat, weil viel vorher geschehen kann. Unabhängig davon geht es also darum, die Zusammenarbeit der Betreuungsrichter und der örtlichen Betreuungsbehörden zu stärken. Mehr Verständnis füreinander, mehr Wissen voneinander könnten beispielsweise in Workshops und in Fortbildungen gefördert werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, wie die Datenlage und die Transparenz optimiert werden können oder wie Netzwerke und Arbeitsgemeinschaften so unterstützt und gefördert werden können, dass der fachliche Austausch verbessert wird und in diesem Sinne eine Qualitätsorientierung besser verankert werden kann.
Drittens: Es geht um betreuungsvermeidende Maßnahmen. Ich glaube, da gab es auch einen breiten Konsens. Das muss eine der Einfallschneisen sein, um dieser Problematik besser Herr werden zu können. Es geht also um Konzepte, wie rechtliche Betreuungen vermieden werden können. Denn nicht alle, die heute eine rechtliche Betreuung haben, brauchen eine solche, sondern sie brauchen konkrete Unterstützung. Deshalb geht es um niedrigschwellige Angebote und hier vor allen Dingen um das Instrument der Vorsorgevollmachten, das in den letzten Jahren auch schon stark entwickelt worden ist, wo wir aber durchaus noch Entfaltungsmöglichkeiten sehen.
Viertens: Es geht um die Stärkung des Ehrenamtes. Ehrenamtliche Betreuung leisten vorwiegend Familienangehörige. Damit sie diese wertvolle und wichtige Arbeit leisten können, brauchen auch sie Unterstützung. Und deshalb brauchen sie Maßnahmen, die ihre wertvolle Tätigkeit auch in entsprechendem Maße einbinden und ihnen die rechtlichen und sonstigen Kompetenzen vermitteln. Das wird auf dem Gebiet des Betreuungswesens immer wichtiger, um Ehrenamtliche zu gewinnen. Und welche Rolle die Betreuungsvereine dabei spielen, muss genauer geklärt werden. Es gibt, glaube ich, einen Dissens darüber, welche Möglichkeiten da bestehen. Aber ein Dissens kann ja auch gut dafür sein, genauer hinzuschauen: Was ist da los und welche Möglichkeiten bestehen?
Zu guter Letzt: Ich denke, es ist deutlich geworden, dass wir hier nichts übers Knie brechen können und dass es keinen Königsweg gibt. Insofern brauchen wir eine umfassendere Strategie. Wir haben ein Angebot auf vier Ebenen unterbreitet. Das werden wir ausarbeiten, und das wird dann in den entsprechenden Gremien diskutiert. Hoffentlich kommen wir am Ende zu einem tragfähigen Kompromiss, der zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lage beiträgt. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Debatte angelangt. Es hat inzwischen offenbar eine Einigung gege
ben, an welche Ausschüsse überwiesen werden soll, was keinen weiteren Ausschuss hindert, sich im Rahmen der Selbstbefassung dieses Themas anzunehmen. Gegenwärtig liegt mir der Wunsch der Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie als federführendem Ausschuss und an den Rechtsausschuss vor. Wer diesem Ansinnen folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Oder Enthaltungen? - Das ist beides nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag überwiesen.
Die Aussprache beginnt natürlich die CDU-Fraktion, weil sie die antragsstellende Fraktion ist. Der Abgeordnete Lakenmacher spricht.
und fordere Sie erneut auf, Herr Innenminister, die Polizei des fünftgrößten Flächenlandes, die Polizei des Landes Brandenburg, endlich so aufzustellen, dass Eigentumskriminalität in Brandenburg wirksam und vor allem dauerhaft bekämpft werden kann.
Sie wissen: Die Kriminalitätsbelastung in Brandenburg und Kriminalitätsphänomene wie die Grenzkriminalität, die grenzüberschreitende Kriminalität, die Diebstahlkriminalität oder die wieder massiv gestiegene Einbruchskriminalität waren hier schon mehrfach seitens der CDU-Fraktion eingebrachte Themen.
Herr Innenminister, ich habe Sie und Ihren Vorgänger immer wieder darauf hingewiesen, dass die mit der rot-roten Polizeireform - die vieles ist, aber kein Meisterstück - eingeführte Struktur zu noch höherer Kriminalitätsbelastung, noch weniger Straftatenverfolgung und noch weniger Straftatenverhütung führen wird, ja führen muss.
Ich habe Sie gewarnt, dass die Strukturreform und der von Ihnen geplante Personalabbau zwangsläufig dazu führen, dass die Bürger immer länger auf die Polizei warten müssen und dass die Einsatzreaktionszeiten der Polizei steigen. Ich sage Ihnen: Das ist eingetreten.
Ich habe prognostiziert, dass die Präsenz der Polizei dramatisch abnehmen wird. Ich sage Ihnen: Das ist eingetreten.
Ich habe darauf hingewiesen, dass unsere Polizisten aufgrund der Arbeitsverdichtung, die Ihre Reform mit sich bringt, noch öfter erkranken werden. Ich sage Ihnen: Das ist eingetreten.