Es muss klar werden: Der Binnenmarkt ist kein Selbstzweck. Ziel ist die ausgewogene Balance von wirtschaftlicher Entwicklung und sozialem Fortschritt für die Menschen. Wirtschaftliche Freiheiten und Wettbewerbsregeln dürfen nicht den Vorrang vor sozialen Grundrechten und sozialem Fortschritt haben. Es darf nicht mehr sein, dass nationale Sozial- und Beschäftigungsgesetze und Praktiken unter dem Vorwand des Wettbewerbs und der unternehmerischen Freiheiten aufgeweicht oder ganz umgangen werden, dass Lohn- und Sozialdumping Wettbewerbsgegenstände werden.
EU-weit sind Mindestlöhne einzuführen, die sich an den jeweiligen nationalen Durchschnittseinkommen orientieren. Anzustreben ist auch eine EU-weite solidarische, ergänzende Arbeitslosenversicherung, die aber keine Bedrohung für nationale Systeme der sozialen Sicherheit werden darf. Ähnliches sollte dann auch für EU-Regelungen im Bereich der Rente und der Förderung des aktiven Alterns sowie der gesunden Arbeit für ältere Arbeitnehmer gelten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist so und wird dabei bleiben, dass jeder EU-Mitgliedsstaat im Bereich der Sozialpolitik Herr seines eigenen Sozialsystems ist und auf soziale Probleme eigenständig reagieren kann und muss. Der EU kommt im Bereich der sozialen Dimension weitgehend eine Koordinierungsfunktion zu. Völlige Harmonisierung ist hier nicht angedacht.
Damit das aber weiterhin nicht zulasten der sozial Schwachen geht und Sozialdumping im Rahmen des Binnenmarkts nicht mehr möglich ist, muss die EU im Bereich Beschäftigung und Soziales endlich die ihr zugewiesenen Aufgaben richtig wahrnehmen und umfassende Mindeststandards erlassen.
Beispiele für auf diese Weise bereits eingeführte europäische Mindeststandards sind unter anderem die Arbeitnehmerentsenderichtlinie und die Arbeitszeitrichtlinie. Diese Mindeststandards müssen fortentwickelt, und weitere, neue müssen festgesetzt werden. Sie dürfen vor allem nicht wieder unterwandert werden. Echte soziale Marktwirtschaft in Deutschland wie in Europa ist die Lösung, nicht Sozial- und Lohndumping und Fachkräfteklau. - Wir lehnen Ihren Entschließungsantrag ab.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Herr Kollege Bernig, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie den von der Linken geforderten flächendeckenden Mindestlohn mal eben auf 12 Euro hochgesetzt haben, oder war das ein Versprecher?
Die demografische Entwicklung, meine Damen und Herren, wird in Brandenburg zu einem Rückgang nicht nur der allgemeinen Bevölkerungszahl, sondern auch der Zahl der Erwerbspersonen führen. Bis 2030 nimmt die Gruppe der 25- bis 44-Jährigen um 27 %, die der 45- bis 64-Jährigen um 15 % ab. Für berlinferne Regionen wird sogar eine Halbierung erwartet. Das Potenzial an Arbeitskräften wird laut OECD in Deutschland in den nächsten Jahren so stark schrumpfen wie in keinem anderen Industrieland. Frau Schier hat darauf ebenfalls hingewiesen.
Auf diese Herausforderung müssen wir mit einer Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren, einer familien- und kinderfreundlichen Politik und lebenslanger Bildungsbeteiligung reagieren. Mit einem Mix aus Bildung, Qualifizierung und gezielter Unterstützung für alle Erwerbsfähigen müssen wir das einheimische Fachkräftepotenzial mobilisieren. Allen Prognosen nach wird dies aber nicht ausreichen. Brandenburg braucht - wie ganz Deutschland - eine gezielte, einladende Einwanderungspolitik für ausländische Fachkräfte, und zwar sowohl aus EU-Ländern als auch aus Drittstaaten.
Seit Jahren setzen wir Grünen uns für eine moderne und transparente Einwanderungssteuerung durch ein Punktesystem ein, eine Einwanderungssteuerung, wie sie auch in klassischen Einwanderungsländern wie den USA und Kanada praktiziert wird.
Wir wollen allerdings im Unterschied zur FDP keinesfalls den gesamten Bereich der Arbeitsmigration - von der Hochqualifizierten bis zur Saisonarbeiterin - steuern.
Die FDP-Fraktion hebt im Antragstext und auch im Entschließungsantrag doch sehr auf die Zuwanderung billiger Arbeitskräfte ab. Hier gilt es sehr genau hinzuschauen. Hinter dem lautstarken Lamento der Wirtschaft über Fachkräftemangel steckt nicht immer ein realer Mangel, sondern oft mangelt es an dem Willen, diese Fachkräfte vernünftig zu bezahlen. Wenn sich hochqualifizierte Kräfte mit exzellenten Zeugnissen und langjähriger Berufserfahrung jahrelang vergeblich um eine Stelle bewerben, dann liegt hier kein Fachkräftemangel, sondern liegen gegebenenfalls Fälle von Alters-, Frauen- oder Familiendiskriminierung vor.
Wir wollen Zuwanderung, aber eine bessere Bezahlung von Pflegekräften würde das Fachkräfteproblem ebenso nachhaltig beeinflussen.
Bei Einwanderungssteuerung durch ein Punktesystem soll nach grünen Vorstellungen zudem einfließen, welche Auswirkungen die Abwerbung von Fachkräften auf die Heimatländer hat. Denn auch da haben wir eine Verantwortung, um die Risiken
Dass sich Brandenburg im Rahmen der leider zu engen bundesgesetzlichen Vorgaben aktiv bemüht, Fachkräfte anzuwerben, und sich als weltoffenes und kulturell vielfältiges Land zu präsentieren versucht, wird von uns Grünen unterstützt. Wir sehen aber in Zuwanderung und Anwerbung von ausländischen Fachkräften nur ein Instrument in einer ganzen Palette von Maßnahmen, um die demografischen und wirtschaftlichen Probleme zu bewältigen. Vor allem wollen wir nicht, dass Einheimische gegen Zuwanderer, Junge gegen Ältere und Menschen in Beschäftigung gegen Arbeitslose ausgespielt werden.
Wir wollen kein Nebeneinander von Fachkräftemangel einerseits und verfestigter, hoher struktureller Arbeitslosigkeit andererseits. Wir wollen, dass sich die Brandenburger Betriebe ihrer Verantwortung für Ausbildung und Weiterbildung stellen. Wir wollen, dass sich das Land um zügige Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen bemüht. Weiterbildung und Qualifizierung hätte es auch gestärkt, wenn Brandenburg für die nächste EU-Förderperiode den ESF gegenüber dem EFRE gestärkt hätte.
Wir wollen kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Zuwanderung ist eine notwendige und wünschenswerte Option, Qualifikation und Integration der hiesigen Erwerbsfähigen in den Arbeitsmarkt ebenso. - Vielen Dank.
- Ah, es lernen alle dazu! - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schönen guten Morgen!
Lieber Kollege Büttner, das Fachkräfteproblem ist hier von allen Kollegen schon gut beschrieben worden. Auch die demografische Entwicklung wurde dargestellt - darauf brauche ich nicht mehr einzugehen. Ich wundere mich nur, dass Sie das Thema Fachkräfte heute ansprechen, obwohl Sie genau wissen, dass Brandenburg seit 2005 an dem Thema dran war.
Als ich die erste Fachkräftestudie in Auftrag gegeben habe, haben alle - nicht nur hier in Brandenburg, sondern überall - gesagt: Was soll denn das? 280 000 Arbeitslose und du gibst eine Studie in Auftrag, dass angeblich Fachkräfte fehlen? - Aber wer ein bisschen in Unternehmen hineingehorcht hat, hat mitbekommen, dass es wirklich so war: Da standen Fräsmaschinen still, da standen Drehmaschinen still, da wurden Schweißer gesucht, insbesondere in der Lausitz. Die Studie hat dann bewiesen, dass, wenn man in Unternehmen hineingeht und fragt
Die Ergebnisse der nächsten Studie gab es 2010. Die Zahlen sind in der Tat alarmierend, das ist keine Frage. Diese Studie sagt: Wir werden auch 2030 ein großes Gap im Raum BerlinBrandenburg haben. Ungefähr eine halbe Million Fachkräftestellen können nicht besetzt werden - jetzt kommt das Komma -, wenn wir nicht allesamt unsere Hausaufgaben machen. „Hausaufgaben machen“ heißt auch zu gucken, was wir mit Migration, durch Integration von Ausländern, aber vor allem mit Leuten, die wir hier in diesem Land haben, hinbekommen.
Die Fachkräftestrategie wurde hier schon mehrfach beschrieben: B-H-G - bilden, halten, gewinnen. Kurzgefasst: Bilden heißt: gute Schule. Halten heißt: ordentlich bezahlen. Gewinnen heißt: eben auch von woanders welche holen. Das muss natürlich alles ein Mix sein. Frau Nonnemacher hat das gerade beschrieben: Es geht nicht, dass man nur in eine Richtung fährt also nur bildet oder nur zusieht, dass man die Leute, die man hat, hält -, sondern man muss immer wieder versuchen, alle drei Punkte voranzubringen.
Ihr Antrag dazu ist etwas einseitig formuliert. Sie können ja nachher noch einmal geraderücken, ob Sie wirklich meinen, dass man jetzt nur noch ins Ausland schaut - ich kann mir das nicht vorstellen. Ich denke, man muss jetzt gemeinsam schauen, was man hinbekommt. Aber wie gesagt: Nur in eine Richtung werden wir auf jeden Fall nicht marschieren.
- nein, nicht zu gewinnen, sondern zu halten -, möchte ich auf zwei Dinge hinweisen, die die Landesregierung gerade macht, zwei Förderprogramme, die gut laufen. Das ist auch eine Art Werbeblock, den ich hier noch einmal anbringe: Wir haben seit einigen Monaten das Brandenburg-Stipendium am Start. Wir reagieren damit darauf, dass zwei Drittel der jungen Leute, die in Brandenburg studieren, nach dem Studium nicht in Brandenburg bleiben. 30 % bleiben hier - es gibt auch Studien, die besagen, dass es vielleicht noch weniger sind -, das heißt, 70 % gehen nach dem Studium aus Brandenburg weg. Das ist nicht gut, das kostet alles einen Haufen Geld. Das sind auch viele Brandenburger Kinder - die waren hier auf den GynäkologischGeburtshilflichen Abteilungen, hier in den Grundschulen, hier in den weiterführenden Schulen, sie haben das Abi gemacht, studieren hier. Und wupp! - dann sind sie weg. Das kostet einen Haufen Geld. Darum haben wir gesagt: Dann geben wir ein bisschen Geld dazu, damit eine Bindungskraft zwischen den Studenten und den Unternehmen entsteht.
Brandenburg-Stipendium heißt also: Wenn jemand eine Abschlussarbeit - Diplom-, Master-, Bachelorarbeit - für ein Unternehmen schreiben will zu einer Idee, die das Unternehmen hat, zahlen wir 375 Euro, das Unternehmen gibt noch einmal 125 Euro dazu. Damit gibt es eine Bindung zwischen dem Unternehmen und dem Studenten. Vielleicht finden sie zueinander und der Student bleibt danach in dem Unternehmen.
Es besteht auch die Möglichkeit, Werkstudenten einzustellen. MTU und Rolls-Royce haben ein paar Hundert Werkstudenten,
die können sich das leisten; ein KMU kann sich das in der Regel nicht leisten. Aber dann kann dort ein Werkstudent für ein Jahr eingestellt werden; er muss 840 Euro bezahlen, wir zahlen 75 % davon. Auch hier kann eine Bindungswirkung entstehen. Das heißt also, wir wollen die Studenten, die hier sind, halten, wir wollen sie hier an die Unternehmen binden - darum das Brandenburg-Stipendium. Die Studenten müssen übrigens nicht aus Brandenburg kommen, es gibt keine Landeskinderregelung.
Ebenso ist es bei dem anderen Projekt, dem „Innovationsassistenten“. Wir haben schon ungefähr 200 Anträge im Land. Es werden täglich mehr, weil das bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen in diesem Land gut ankommt. „Innovationsassistent“ bedeutet, dass ein junger Student - nicht unbedingt aus Brandenburg - in einem Unternehmen angestellt wird und für das Unternehmen etwas Neues macht. Zum Beispiel: Ein Unternehmen hat bisher ganz gut am Markt gearbeitet, kommt auch ganz gut klar, aber stellt dann plötzlich fest: Menschenskinder, ich brauche unbedingt einen Qualitätsstandard in diesem Laden. - Das muss dann aber vorbereitet werden, es müssen Sachen erarbeitet werden, man muss es zertifizieren lassen. Dafür kann man sich dann einen Studenten holen, den wir bezuschussen - zwei Jahre lang 60 % des Gehalts. Damit können wir junge Studenten an die Unternehmen binden. Wie gesagt muss das nicht jemand sein, der aus Brandenburg kommt. Ich habe gerade ein Unternehmen in Neuruppin besucht, das zwei Rostocker Maschinenbauingenieure eingestellt hat und damit Studenten von außerhalb nach Brandenburg bringt. Das ist mir genauso lieb, als wenn es sich um einen Studenten handelt, der in Brandenburg studiert hat.
Die Strategie, die wir fahren, ist also, erst einmal zu gucken: Was machen wir mit den Leuten, die in diesem Land sind?
Das andere ist: Wir hatten eine ESF-Jahrestagung. Jutta Allmendinger vom Berliner Wissenschaftszentrum hat gesagt: Es gibt ein riesengroßes Potenzial an erwerbslosen Frauen in diesem Land. 5 Millionen Frauen sitzen zu Hause - Klammer auf: vor allem im Westen, Klammer wieder zu -, weil es dort schlicht und ergreifend Standesdünkel gibt, sodass die Frau, deren Mann arbeiten geht, zu Hause bleibt. Die sind mitunter hochqualifiziert, haben studiert, haben einen Abschluss, aber weil der Mann arbeiten geht, ist es normal, dass die Frau zu Hause bleibt. Das ist im Osten nicht so, das gebe ich gerne zu, das ist auch gut so. Wie gesagt, das ist ein Riesenpotenzial, das zunächst einmal aufgeschlossen werden muss.
Die Kollegen Baer und Bernig haben es angesprochen: Was ist mit den älteren Arbeitslosen, die wir in den letzten Jahren massenhaft in den Vorruhestand geschickt haben, anstatt sie nach wie vor zu qualifizieren und mit Gesundheitsmanagement im Betrieb gesund und fit zu halten? Da passiert auch viel zu wenig. Auch darüber, was man da machen kann, müssen wir nachdenken. Mit unseren Förderprogrammen sind auch die Unternehmen gefordert, etwas zu tun.
Des Weiteren muss ich mich natürlich auch um die Leute kümmern, die langzeitarbeitslos sind. Das haben fast alle Vorredner mit Ausnahme der FDP - gesagt. Frau Schier hat es auch hervorgehoben: Langzeitarbeitslose sind auch ein riesengroßes Potenzial, wo man mit mehr Qualifizierung, mehr Unterstützung herangehen muss. Das machen wir gerade, indem wir zum Beispiel ein Programm fahren, mit dem wir den Landkrei