Protocol of the Session on September 25, 2013

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste aus Potsdam! Man könnte glatt lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Sowohl die Landesregierung als auch die Koalitionsfraktionen verharren im Zeitalter des Aktengeheimnisses. Dabei ist das Aktengeheimnis ein Relikt aus vordemokratischer Zeit. Zumindest sieht das Staatsrat Dr. Kleindiek aus Hamburg so. Er hat noch mehr schöne Zitate zum Thema gesammelt und der SPD kürzlich in einer Veranstaltung nahegebracht, etwa dieses:

„Es bedarf keiner näheren Begründung, daß die öffentliche Verwaltung nur dann rechtsstaatlich einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten kann, wenn sichergestellt ist, daß über die dienstlichen Vorgänge von seiten der Behördenbediensteten nach außen grundsätzlich Stillschweigen bewahrt wird.“

Das stammt aus dem Jahre 1970 und ist von unserem Bundesverfassungsgericht. In genau dieser Denkweise ist die Koalition stecken geblieben.

Nach einer Anhörung, in der der Regierungsentwurf viel Kritik einstecken musste, weil er den Zugang zur Behördeninformation mehr erschwert als erleichtert, kamen die Koalitionsfraktionen jetzt im Innenausschuss mit einem Antrag daher, der quasi keine inhaltlichen Änderungen enthält. Da ist die Rede von redaktionellen Neuformulierungen, keinerlei inhaltlichen Änderungen und einer Anpassung der Nummerierung. Der fünfseitige Antrag sieht nach viel aus, ist aber an Peinlichkeit nicht zu überbieten, meine Damen und Herren.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Allein die ILB wird nicht in Gänze aus dem Anwendungsbereich herausgenommen, und es wird klargestellt, dass die antragstellenden Personen ein Recht auf Kopien haben und dass sie sich Notizen anfertigen dürfen. „Willkommen im Informationszeitalter!“ möchte man dazu sagen.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Dabei hatten die Juso-Hochschulgruppe Potsdam und die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen erst kürzlich zu einem Fachgespräch geladen, das sich der Frage widmete, wie man denn den qualitativen Sprung von der Informationsfreiheit zur Transparenzgesetzgebung schaffe. Aber wir kommen in Brandenburg ja nicht einmal bis zur Informa

tionsfreiheit, wenn sich die Bürger darüber freuen sollen, dass sie sich jetzt Notizen machen dürfen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Und das, obwohl die SPD auf Bundesebene im Mai selbst einen Gesetzentwurf für ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz vorgelegt hat. Da hätten sie sich doch einmal bedienen können, wenn sie schon unseren Gesetzentwurf komplett ignorieren.

Zur Erinnerung: Meine Fraktion hat bereits im August letzten Jahres einen umfassenden Entwurf vorgelegt, der in der Anhörung sehr gelobt wurde. Darin setzen wir uns für ein Gesetz ein, das den Bürgerinnen und Bürgern den weitestgehenden Zugang zu Informationen in Behörden und öffentlichen Stellen verschafft. Wir fordern einen Informationsanspruch gegenüber kommunalen Unternehmen und solchen, die Verbrauchsprodukte herstellen. Das neue Gesetz sollte die bisherige Rechtslage übersichtlicher machen und den Geist von Open Data in sich tragen. Wir wollen maximale Transparenz und nur ein Minimum an Ausnahmen. Schließlich sind die öffentlichen Daten mithilfe von Steuergeldern, also auf Kosten der Öffentlichkeit, zusammengetragen worden. Die Bürgerinnen und Bürger haben schon deshalb einen Anspruch darauf, Zugang zu diesen Informationen zu bekommen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Um die Dürftigkeit Ihres Gesetzentwurfes etwas zu kaschieren, legen Sie jetzt - last minute - einen Entschließungsantrag zu Open Government Data vor. Da ist dann plötzlich von Transparenzkultur und Öffnung von Datenschätzen die Rede. Warum haben Sie denn ein Jahr untätig verrinnen lassen, um den Gesetzentwurf nachzubessern?

In Hamburg wirbt die Landesregierung mit folgenden Sprüchen für das neue Transparenzgesetz: Haben Sie einen Plan? Haben Sie Geheimnisse? - Und: Heute schon was gemerkt? Vielleicht sollte sich die Koalition auch einmal diese Frage stellen.

Wir stimmen im Übrigen sämtlichen Entschließungsanträgen und Änderungsanträgen zu, die dieses erschütternd kleinmütige Gesetz positiv ergänzen oder verändern können. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Minister Holzschuher spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe vorhin vernommen, dass der CDU-Fraktion, die aus ihrer Sicht in der Mitte sitzt, dieser Gesetzentwurf von Rot-Rot zu konservativ ist. Da ist es auch sehr bemerkenswert, dass ich gleich in dieser Position hier einen Gesetzentwurf vertreten kann, den ich aber sehr gern vertrete, weil im Gegensatz zu dem, was hier heute von Oppositionskreisen angeführt wurde, die Thematik in diesem Land überhaupt nicht konservativ zurückhaltend behandelt wird. Wir haben immer noch - das ist

betont worden - ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Akteneinsicht und sind damit immer noch ein progressives Land, was diese Thematik angeht, und der Gesetzentwurf der Landesregierung stärkt die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf Akteneinsicht noch darüber hinaus. Den Empfehlungen des Landtages folgend, können die Bürgerinnen und Bürger in der Zukunft wählen, welche Art des Informationszugangs sie beanspruchen. Das ist aus meiner Sicht bereits eindeutig im Gesetzentwurf geregelt, ich bin aber durchaus dankbar, dass durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen hier nochmals Klarstellung erfolgt ist, auch was die Kopien angeht.

Eine weitere bedeutsame Änderung ist die Erweiterung des Geltungsbereichs des AIG auf den Bereich der mittelbaren Landesverwaltung. So können demnächst Anträge auf Informationszugang auch gegenüber Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts gestellt werden. Auch sind die Regelungen zum Geltungsbereich durch einen Verzicht auf Verweisungen auf andere Rechtsvorschriften nunmehr deutlich anwenderfreundlicher und transparenter formuliert. Schließlich ist auch der Schutz von Unternehmensdaten auf Betriebsund Geschäftsgeheimnisse beschränkt worden, sodass auch hier zukünftig weitergehende Informationsrechte bestehen, soweit Unternehmensdaten sich in Akten der öffentlichen Hand befinden. Ich sagte bereits, dass auch die Änderungen, die im Ergebnis der Beratungen des Innenausschusses erfolgen sollen, durchaus noch weitere Fortschritte bringen. Deshalb halte ich es für weit überzogen, was hier von Oppositionskreisen an Kritik zu diesem Gesetzentwurf gekommen ist, der im Übrigen umsetzt, was als Beschlussempfehlung seitens des Landtags an die Landesregierung gerichtet worden ist.

Wir haben darüber hinaus - das, denke ich, ist unstreitig - die Aufhebung des Personalausweisgesetzes geregelt. Das war eine notwendige Anpassung, die hier nicht weiter thematisiert werden muss.

Zum Thema Open Data liegen ein umfangreicher Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auch Änderungsanträge aus anderen Fraktionen und ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor. Im Gegensatz zu dem, was hier an Vorwürfen kam, ist es überhaupt nicht die Absicht, dieses Thema auszublenden. Ich bin aber der Meinung, dass es eine andere Regelungsmaterie ist, ob einzelne, individuelle Bürgerinnen und Bürger oder auch Unternehmen Akteneinsicht in konkreten Fällen beantragen oder ob wir über Open-Data-Strategien der Landesregierung reden - das ist eine ganz andere Thematik, die völlig anders geregelt werden muss - das betone ich auch -, aber eben nicht im Zusammenhang mit diesem Gesetz, jedenfalls nicht in der Systematik, wie wir sie uns vorstellen.

Natürlich kann man das dann so machen wie die Grünen, zwar nicht inhaltlich - da werden wir, glaube ich, eine ganze Menge Dissens finden -, aber man könnte sich solch ein Gesetz vorstellen. Bloß gucken Sie sich das von der Thematik her einmal an: Zur Transparenz gehört meines Erachtens auch die Lesbarkeit eines Gesetzentwurfes. Ich habe irgendwann aufgehört tut mir leid -, Ihren Gesetzentwurf zu lesen, weil er so kompliziert ist, dass selbst ein juristisch gebildeter Abgeordneter bzw. ein juristisch gebildetes Mitglied der Landesregierung extrem lange Zeit darauf verwenden muss zu verstehen, was Sie eigentlich meinen, aber ein durchschnittlicher Bürger, der doch dadurch mehr Rechte bekommen soll, glaube ich, schon beim Lesen des ersten Paragraphen kopfschüttelnd aufhört.

Deswegen, glaube ich, besteht allemal Grund, zukünftig in Ruhe darüber nachzudenken, wie wir Open Data umsetzen, und da bietet der Entschließungsantrag einen hilfreichen Anstoß das finde ich richtig -, aber dieser Gesetzentwurf, den wir heute abschließend beraten, ist dann nicht der Ansatz dafür. Deswegen hoffe ich auch, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf in der veränderten Fassung die Zustimmung erhält. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Es gibt den Wunsch, eine Zwischenfrage zu stellen.

Ja, nun bin ich eigentlich fertig.

Ich habe gerade noch in das Schlusswort hineingesprochen, damit der Fragesteller noch zum Zuge kommt. - Herr Goetz.

Bitte. Wenn der Präsident das gestattet, mache ich das.

Ich hatte rechtzeitig gedrückt. Vielen Dank, Herr Minister.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden hatte: Ist es tatsächlich so für mich wahrzunehmen bzw. habe ich das richtig verstanden, dass Sie es nicht einmal für nötig halten, Gesetzentwürfe der Opposition auch nur zu Ende zu lesen, bevor Sie zu diesem Gesetzentwurf zu eigenen Stellungnahmen kommen?

(Beifall B90/GRÜNE)

Nein, das haben Sie, glaube ich, falsch verstanden. Ich habe gesagt: Ich habe es versucht. Aber vielleicht liegt es daran, dass ich erst seit 3,5 Wochen im Amt bin und deswegen noch nicht genügend Zeit hatte, so weit durchzudringen.

Ich wollte damit - vielleicht haben Sie es wirklich nicht verstanden - zum Ausdruck bringen und an alle appellieren diesbezüglich kann ich mich auch an die eigene Nase fassen -, Gesetze so zu formulieren, dass sie ein Durchschnittsbürger versteht. Wenn es um Transparenz und um Rechte des Bürgers geht, die er selbst gegenüber der Verwaltung in Anspruch nehmen soll, dann sollte man dies ganz besonders beherzigen. Insofern ist der Entwurf der Grünen deswegen - aber auch aus anderen Gründen habe ich meine Probleme damit nicht geeignet, eine Grundlage für zukünftiges Handeln zu bieten.

Das war das, was ich sagen wollte, Herr Goetz. Vielleicht haben Sie mich jetzt verstanden. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir kommen zur Abstimmung. Erstens stelle ich den Änderungsantrag der CDU-Fraktion, der Ihnen in der Drucksache 5/7995 vorliegt, zur Abstimmung. Wer diesem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Zweitens: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres in der Drucksache 5/7947. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich angenommen.

Drittens: Entschließungsantrag der FDP-Fraktion in der Drucksache 5/7997. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Viertens: Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 5/7998. Wer diesem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung und wenigen Gegenstimmen mehrheitlich angenommen.

Fünftens: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres - das gesamte Gesetz betreffend - in der Drucksache 5/7948. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? Ohne Enthaltungen mehrheitlich angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplanes des Landes Brandenburg für die Haushaltsjahre 2013 und 2014 (Nachtragshaus- haltsgesetz 2013/2014 - NTHG 2013/2014)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/7910

1. Lesung

in Verbindung damit:

Schuldentilgung mit Zinsminderausgaben

Antrag der Fraktion der CDU