Natürlich ist es deshalb umso wichtiger, dass die angekündigte Arbeitsgruppe so schnell wie möglich ein Ergebnis zeitigt. Wir wissen sehr wohl, dass es in den Regelungen im Landesaufnahmegesetz und in den dazugehörigen Verordnungen Probleme gibt und dass wir dort vielleicht auch das Wort „Wohnungen“ verankern sollten. Insofern begrüße ich es sehr, dass der Sozialminister hier heute darüber gesprochen hat.
Vielleicht könnte man im Ergebnis auch überlegen, dass vom Land nicht so viele Wohnblöcke in den Kommunen abgerissen werden, für deren Abriss die Landesregierung zurzeit 5 Millionen Euro bereitgestellt hat.
Befürchtungen, dass die Bevölkerung die neue Situation, die entsteht, nicht mittragen könnte, haben sich bei uns zum Glück noch nicht bestätigt. Ich denke dabei an die jetzige Situation in Berlin-Hellersdorf.
Ich möchte deshalb, dass wir auch weiter auf die Kommunen zugehen und sie frühzeitig informieren und beraten. Zum Beispiel im Barnim und jüngst in Märkisch-Oderland haben sich Vereine und Organisationen zusammengefunden, um gemeinsam zu überlegen, wie man die neuen Nachbarn begrüßen, wie man sich bei der Betreuung, der Beratung, beim Sprachunterricht beteiligen kann.
Das ist interessant, weil entgegengesetzt zu der ablehnenden Haltung der kommunalen Spitzenverbände Kommunen bereits eigene Konzepte für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern erarbeitet haben. Ich weiß das von Potsdam, und in Barnim gibt es so etwas auch.
Viele Landkreise und kreisfreie Städte sind verstärkt um Wohnungsunterbringung bemüht und stellen vermehrt Wohnungen bereit. Nur nicht alle Wohnungsunternehmen wollen da mitmachen.
Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Vor 15 Jahren war unser Land bereits einmal mit einer großen Zahl von Flüchtlingen - damals vor allen Dingen aus dem ehemaligen Jugoslawien - konfrontiert worden. Damals begegneten die Brandenburgerinnen und Brandenburger den Flüchtlingen mit viel Ruhe, gemeinschaftlicher Gelassenheit und Solidarität. Das sollte uns auch diesmal gelingen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit April 2011 debattieren wir über eine menschenwürdige Unterbrin
gung von Flüchtlingen. Der wegweisende Landtagsbeschluss vom 7. Juni 2012 hatte die Erarbeitung eines Unterbringungskonzepts erbeten und konkrete Vorgaben bezüglich baulicher Voraussetzungen, Verweildauer in Gemeinschaftsunterkünften, Anforderungen an soziale Betreuung und Bedarfe besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge formuliert.
Hinter den Kulissen wurde gearbeitet, mit den kommunalen Spitzenverbänden verhandelt. Der uns vorliegende Bericht fasst den Sachstand folgendermaßen zusammen:
„Im Ergebnis dieser Beratungen und nach Auswertung der kommunalen Stellungnahmen ist festzustellen, dass angesichts grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten zu der Zielsetzung einer gemeinsamen Unterbringungskonzeption für Flüchtlinge im Land Brandenburg eine Verständigung in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht gefunden werden konnte.“
Man kann es auch wesentlich einfacher ausführen: Der vorliegende Bericht ist kein Unterbringungskonzept, sondern eine Dokumentation des Scheiterns.
Die Vorgaben des Landtags wurden weitgehend vertagt, umgangen oder einfach nicht beachtet. Das langfristige Ziel und Leitmotiv des Berichts, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen, wird in keiner Weise angemessen mit konkreten Konzepten unterfüttert.
Die Gemeinschaftsunterkünfte ohne Privatsphäre bleiben bestehen, bauliche Voraussetzungen und die Mindestausstattung hinsichtlich des speziellen Wohn-, Beratungs- und Betreuungsbedarfs werden eben nicht erkennbar verbessert.
In dem Zeitraum von 1997 bis 2013 hat sich in Brandenburg der Anteil von in Wohnungen untergebrachten Flüchtlingen von 10 % auf knapp 39 % erhöht. Das ist erfreulich, aber damit liegt Brandenburg im Ländervergleich immer noch im unteren Drittel.
Auch der Vergleich zwischen den Kommunen in Brandenburg mit Wohnungsunterbringung zwischen 12 % und 100 %, wie in der Prignitz, zeigt, dass der große Spielraum der bundesgesetzlichen Vorgaben des § 83 des Asylverfahrensgesetzes höchst unterschiedlich genutzt wird. Dabei weisen Erfahrungen einzelner Kommunen und anderer Länder immer wieder darauf hin, dass Wohnungsunterbringung vielfach kostengünstiger sein kann. Zumindest entfallen bei dezentraler Unterkunft erhebliche Bewachungskosten der Gemeinschaftsunterkünfte.
Der Bericht benennt auch sehr klar die problematischen Fehlanreize, die nach dem Landesaufnahmegesetz die Schaffung von Gemeinschaftsunterkünften mit 2 300 Euro pro Platz begünstigen, die Förderung von Wohnungen bislang aber nicht zulassen. Ich höre mit Freude, dass Herr Minister Baaske jetzt wenigstens da schnell heranwill.
Es gilt dringend zu ändern: Veränderte Betreuungs- und Beratungsstrukturen und Reduzierung von Bewachungskosten müssten sich im Kostenerstattungssystem widerspiegeln. Damit würde auch den berechtigten Forderungen der Kommunen nach
gekommen. Denn selbstverständlich können verbesserte Standards auch Mehrkosten verursachen, die dann konnexitätsrelevant sind.
Aber die gesetzlichen Regelungen sollen jetzt erst zu Beginn der nächsten Wahlperiode - also nicht vor 2015 - vorgelegt werden. Die Finanzierung von Sprachkursen, die Regelfinanzierung der Beratungsstelle für Traumatisierte in Fürstenwalde, die Festlegung der Schutzbedürftigkeit - alles hängt in der Luft.
Für das Scheitern des Unterbringungskonzeptes werden immer die steigenden Flüchtlingszahlen angeführt. Nur zur Erinnerung, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Im Jahr 1992 gab es 450 000 Asylanträge in Deutschland, von 2006 bis 2008 nur noch etwa 30 000 jährlich. Der Anstieg auf 64 000 Asylanträge im letzten Jahr und die prognostizierten Zahlen für 2013 sind sicher eine Herausforderung, aber eine bewältigbare.
Meine Damen und Herren, damit ist die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt beendet, und Sie haben den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen.
Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Die CDU-Fraktion hat jedoch die Überweisung an den Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz beantragt. Wer diesem Anliegen Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? Beides ist nicht der Fall. Damit ist diese Vorlage überwiesen.
Bildungsgerechtigkeit und Bildungschancen ermöglichen - Alphaplan gegen Analphabetismus vorlegen und realisieren!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen bei diesem Antrag über ein sehr sensibles Thema. Als Analphabetismus bezeichnet man kulturell, bildungs- oder psychisch bedingte individuelle Defizite im Lesen oder Schreiben - bis hin zu völligem Unvermögen in diesen Disziplinen.
Der Alphabund definiert als funktionalen Analphabetismus, wenn die schriftsprachlichen Kompetenzen von Erwachsenen niedriger sind als diejenigen, die minimal erforderlich sind und als selbstverständlich vorausgesetzt werden, um den jeweiligen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Die veröffentlichte leo. - Level-One Studie hat gezeigt: 0,5 % der erwachsenen Bevölkerung erreichen die Wortebene beim Lesen und Schreiben nicht, weitere 2,9 % erreichen die Satzebene nicht und können nur einige Wörter lesen und schreiben, weitere 10 % der Bevölkerung können mit kurzen Sätzen umgehen, scheitern aber an Texten.
Der funktionale Analphabetismus in Deutschland ist mit 7,5 Millionen Menschen deutlich höher als der Schätzwert von etwa 4 Millionen. Weitere 13,3 Millionen Erwachsene befinden sich in der Situation, dass ihre Schriftsprache auch bei gebräuchlichem Wortschatz fehlerhaft ist.
Diese Zahlen zeigen uns, dass Analphabetismus kein Nischenproblem ist, sondern leider in unserer Gesellschaft angekommen ist. Insofern muss man etwas unternehmen, um das Thema vor allem zu enttabuisieren. Schließlich steht hinter diesen Zahlen jedes Mal ein Schicksal eines Menschen.
Leider trauen sich viele Betroffene nicht, ihr Problem anzusprechen und sich helfen zu lassen - schlichtweg, weil sie sich schämen. Aber nicht richtig lesen und schreiben zu können darf kein Grund für Scham sein. Im Gegenteil, unsere Gesellschaft und auch die Politik müssen für dieses Thema sensibilisiert werden, um das Problem zu lösen. Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, haben wir Ihnen heute diesen Antrag vorgelegt.
Es gibt aus unserer Sicht zwei Lösungsansätze. Der eine ist die präventive Lösung. Damit Analphabetismus gar nicht erst entsteht, brauchen wir von Beginn an eine adäquate individuelle Sprachförderung, die bereits in der frühkindlichen Bildung umgesetzt werden muss. Dies haben wir im Übrigen immer wieder gefordert. Eine individuelle Sprachförderung muss durch eine angemessene personelle Ausstattung in den Kitas flankiert werden. Wie heute Morgen bereits ausgeführt wurde, ist Brandenburg diesbezüglich leider bundesweites Schlusslicht.
Auch in der Schule muss eine echte individuelle Förderung möglich sein, wobei ebenfalls eine angemessene Personalausstattung unerlässlich ist. Jedoch muss auch die Qualifikation der Lehrkräfte gegeben sein, weshalb das Thema Analphabetismus auch wichtiger Bestandteil der Lehrerausbildung werden muss.
Es darf nicht sein, meine Damen und Herren, dass Schüler, wenn sie nach mindestens neun Jahren die Schule verlassen, nicht richtig lesen und schreiben können. Aus diesem Grund muss dies so früh wie möglich erkannt werden, und es muss den Menschen geholfen werden. Zudem muss der Kontakt zu außerschulischen Partnern gesucht werden; denn so kann den betroffenen jungen Menschen am besten geholfen werden.
Der zweite Ansatz ist der kompensatorische Ansatz, also Lösungen, die den bereits betroffenen Menschen helfen. Hier nimmt ebenfalls die Sensibilisierung einen wichtigen Stellenwert ein. Unter anderem müssen sogenannte Mitwisser sensibilisiert werden, wie sie den Betroffenen am besten helfen kön
nen. Eine Kampagne für die Gewinnung von sogenannten Alphapaten ist ein wichtiger Schritt, damit sich Menschen ehrenamtlich für die Alphabetisierung engagieren können und Betroffene Anlaufstellen haben.
Auch die Unternehmen in der Wirtschaft müssen einbezogen werden; denn etwa 57 % der funktionalen Analphabeten gehen regelmäßig einem Beruf nach. Von allen arbeitenden funktionalen Analphabeten sind 37 % in un- und angelernten Tätigkeiten beschäftigt - das ist mehr als zweimal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung -, 18 % in ausführenden Angestelltentätigkeiten, was niedriger ist als der Anteil an der Gesamtbevölkerung.
Auch hier muss für das Thema Alphabetisierung geworben und die Wirtschaft als Partner einbezogen werden, um so entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen konzipieren und organisieren zu können; denn Unternehmen sind mit Sicherheit daran interessiert, dass ihre Angestellten lesen und schreiben können und vor allem auch in der Arbeitswelt Chancen haben - Chancen, die sie erreicht haben und dann auch in die Realität umsetzen können.