Protocol of the Session on January 20, 2010

„Staatswirtschaft“

- Sie benutzen den Begriff sicherlich in diffamierender Absicht -,

„auf kommunaler Ebene mit all ihren Gefahren der Vetternwirtschaft, unsachgemäßen und unwirtschaftlichen Aufgabenerledigung und personeller Verquickung vor Ort ist damit Tür und Tor geöffnet.“

dann ist das eine unglaubliche Diffamierung dessen, was die Kommunen in Brandenburg tun.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Nicht zuletzt bei der Debatte über die Funktionsfähigkeit der Berliner S-Bahn haben wir die Frage von privater Aufgabenerledigung diskutiert, und Sie schließen daraus, dass man die S-Bahn privatisieren müsste, damit sie funktioniert. Wir schließen daraus, dass dieser Irrglaube, man müsse nur genug Shareholder-Value ans Firmament malen, um dann die Deutsche Bahn für den Börsengang richtig verkaufen zu können, der falsche Weg ist. Da bleiben wir unterschiedlicher Auffassung auch in diesem Haus.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Es ist eins ums andere Mal deutlich geworden, dass es auch bei privater Aufgabenerledigung - ich will das nicht verteufeln; wir haben ja in Brandenburg sehr viele Beispiele dafür, dass das bei bestimmten Aufgaben gut klappt -, wenn wir uns die großen Elektrizitätswerke in den USA angucken, zu Störungen kommt, es zu Versorgungsunsicherheiten kommt, und zwar nicht deshalb, weil dies anders organisiert ist, sondern weil auch dort der Gewinnabsicht zu viel und der Versorgungssicherheit zu wenig Wert beigemessen wird.

(Bischoff [SPD]: Auch bei den Atomkraftwerken!)

Deswegen sind wir der Auffassung, es ist in Brandenburg richtig geregelt. Die Kommunen können dies selbst entscheiden. Da, wo sie verlässliche Partner haben, können sie die wählen; da, wo sie sie nicht haben, können sie es selber machen. Es soll dabei bleiben. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Minister. - Frau Teuteberg erhält jetzt zu einer Kurzintervention das Wort, und der Minister hat Gelegenheit, darauf zu reagieren. Sie haben für diese Intervention drei Minuten Zeit.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Ich fürchte, die Debatte muss hier leider einmal vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Sehr gut!)

Man könnte hier den Eindruck gewinnen, der Antrag, den wir gestellt haben, beinhalte, die wirtschaftliche Betätigung zu verbieten. Dem ist nicht so.

Mancher Jurist scheint hier anerkannte Verfassungsgrundsätze zu verdrängen. Es geht doch nur darum, anzuerkennen, dass es schützenswerte Interessen privater Anbieter gibt, die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen kommunaler wirtschaftlicher Betätigung auch vor Verwaltungsgerichten überprüfen zu lassen.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD] - Holzschuher [SPD]: Das ist doch jetzt schon so!)

- Nein. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist vor allem eine Vorschrift für die innerstaatliche Kompetenzverteilung.

(Frau Alter [SPD]: Auf welchen Redebeitrag beziehen Sie sich denn?)

- Das sage ich Ihnen gern.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Es gibt derzeit keinen Rechtsschutz für das Ob wirtschaftlicher Betätigung von Kommunen, lediglich für zivilrechtliche Fragen des Wie der wirtschaftlichen Betätigung, und hier geht es um das Ob.

(Dr. Woidke [SPD]: Ja, ja!)

Wenn in Grundrechte eingegriffen wird, wie es die wirtschaftliche Betätigung tut im Hinblick auf Berufs- und Eigentumsfreiheit, dann bedarf das auch einer Ermächtigungsgrundlage und des gerichtlichen Rechtsschutzes.

(Schippel [SPD]: Worauf bezieht sich Ihre Intervention eigentlich?)

- Darauf, dass es den Rechtsschutz angeblich schon gäbe, dass alles klar sei.

(Frau Alter [SPD]: Wer hat das denn gesagt?)

Gerade ein Innenminister sollte wissen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Aufgaben und Befugnissen. Das ist auch im Polizeirecht so. Die Daseinsvorsorge ist erst einmal nur eine Aufgabe, aber mit welchen Mitteln man sie bewältigt, ist eine ganz andere Frage. In jedem Bereich, wo in Grundrechte eingegriffen wird - was durchaus gerechtfertigt sein kann; dann muss man das vor dem Verwaltungsgericht darlegen -, ist die öffentliche Gewalt grundrechtsgebunden,

(Holzschuher [SPD]: Niemand greift in Grundrechte von Unternehmern ein!)

und zwar auch, wenn sie sich wirtschaftlich betätigt.

Sie betonen in Ihrem Entschließungsantrag ja auch ganz groß die demokratische Kontrolle und Verantwortung.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Ist das jetzt ein Redebeitrag?)

Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wenn man in die kommunale Praxis guckt, ist es doch so: Wenn Stadtverordnete wissen wollen, wie die wirtschaftliche Situation des kommunalen Unternehmens ist, wird immer auf die private Rechtsform und das Betriebsgeheimnis verwiesen. - So viel zur demokratischen Kontrolle.

(Beifall FDP und CDU)

Frau Kollegin Teuteberg, ich bitte Sie...

Ich komme gleich zum Ende.

Ich bitte Sie, sich an die Regularien der Kurzintervention zu halten.

Es geht hier um Daseinsvorsorge.

Frau Teuteberg, ich bitte Sie, sich an die Regularien der Kurzintervention zu halten, sich auf einen Redebeitrag zu beziehen und zum Ende zu kommen. Ihre drei Minuten sind abgelaufen.

Das war die Frage des Rechtsschutzes. Man kann den Eindruck gewinnen, es ginge hier um Daseinsvorsorge nicht durch, sondern für kommunale Unternehmen. Wir sagen: Konzentration auf die Kernaufgaben bedeutet dann kraftvolle, handlungsfähige Selbstverwaltung. - Danke.

(Beifall FDP und CDU sowie Zurufe der Abgeordneten Schippel und Schulze [SPD])

Das war „strapazierte“ Redezeit. - Der Herr Minister darf noch einmal erwidern.

Gewohnt kurz: Erstens,

(Petke [CDU]: Ich habe was gelernt!)

was die Grundaufgaben betrifft: - Ich bin unterschiedlicher Auffassung. Ich beobachte, dass in den USA Teile dessen, was das Militär zu leisten hat, inzwischen privatisiert sind.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Ja, genau!)

Das ist etwas, was ich als gesellschaftliche Entwicklung grundsätzlich für falsch halte, dies zu tun - mit all seinen negativen Auswirkungen, die wir dabei betrachten.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es gibt Bereiche, da ist es unterschiedlich bedeutbar und eindeutbar, was eine Kommune freiwillig entscheiden kann, und wir geben ihnen vor Ort die Möglichkeit, dies nach ihren sachlichen Einschätzungen, Erfahrungen zu bestimmen. Sie wollen sie bevormunden.

Ich sage einmal mit Blick auf die kürzlich ausgebrochene Finanz- und Weltwirtschaftskrise: Die Sparkassen in Deutschland waren der wesentliche Pfeiler dabei, dass wir für den Mittelstand nach wie vor Kredite haben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)