Protocol of the Session on January 20, 2010

Bei der SPD hieß es immer verbrämt: Ja, ja, die Aufgabenkritik.

Aber ich will nun zur Sache sprechen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Zu den eigenen Re- den und Taten!)

- Zu den eigenen Reden rede ich gerne.

Im geltenden Polizeigesetz heißt es:

„Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren... Sie hat im Rahmen dieser Aufgaben auch Straftaten zu verhüten... und die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistungen und das Handeln in Gefahrenfällen zu treffen.“

In Ihrem Antrag wird behauptet, wir hätten in Brandenburg keine handlungsfähige oder einsatzbereite Polizei. Ich widerspreche. Nach zehn Jahren Schwarz-Rot haben wir in Brandenburg eine handlungsfähige und einsatzbereite Polizei. Es gibt überhaupt nur eine einzige Gefahr, dass das nicht so bliebe: die Polizeireform, die unter der Regierung Platzeck geplant ist. Die Regierung Platzeck gefährdet mit der Art des Herangehens die innere Sicherheit im Land. Es ist überhaupt nicht deutlich, wohin der Weg gehen soll. Die soeben zitierten Statistiken kann man zwar so interpretieren, aber man muss auch erkennen, dass in Bayern - ebenfalls ein Flächenland - auf 100 000 Einwohner 5 203 Fälle von Kriminalität kommen. Bei uns in Brandenburg sind es auf 100 000 Einwohner immerhin 8 246 Fälle.

Bayern hat nicht in der Mitte eine Großstadt von dreieinhalb Millionen Menschen und auch nicht eine 250 km lange Grenze zur Republik Polen mit all ihren Herausforderungen für die Kriminalitätsbekämpfung.

Aber die CDU wird nicht den Fehler begehen, den die Linke, insbesondere der Kollege Dr. Scharfenberg, hier über - man kann schon sagen - zwei Jahrzehnte gemacht hat. Wir werden das, was jetzt geplant ist, begleiten und dabei insbesondere auf folgende Punkte unser Augenmerk legen.

Erstens: Es ist notwendig, dass an unserer Polizeischule in Oranienburg weiter ausgebildet wird, so wie das von der alten Landesregierung beschlossen wurde.

(Beifall CDU)

Es darf nicht dazu kommen, dass der rote Faden der Ausbildung gekappt und diese gestoppt wird und der Innenminister so einen Stellenabbau durch die kalte Küche verwirklicht.

Wir wollen zweitens, dass die Aus- und Fortbildung in Brandenburg deutlich verbessert wird. Das betrifft insbesondere Themen wie die Computerkriminalität, die Vermögensabschöpfung, aber natürlich auch die Sprachausbildung.

Wir wollen drittens - weil es auch um die Haushaltssituation geht -, dass in Brandenburg weiterhin der Einsatz moderner Technik ganz vorn dran ist. Dazu gehört auch moderne Kommunikationstechnik wie der Digitalfunk, dessen Einführung überfällig ist.

Wir wollen viertens kein Aufweichen unseres guten und bewährten Polizeigesetzes. Sie haben im Koalitionsvertrag manche Prüfaufträge vereinbart. Wir sagen ganz klar: Wenn Sie die Hand an das Polizeigesetz legen, dann nehmen Sie der Polizei die Möglichkeit, Kriminalität effektiv und auf Augenhöhe zu bekämpfen.

Wir wollen fünftens eine Polizei für das gesamte Land. Es darf nicht sein, dass sich derjenige, der ein hohes Einkommen oder

Vermögen hat, eine bessere Sicherheit nur deshalb organisieren kann, weil er über mehr private Mittel verfügt.

(Holzschuher [SPD]: Da sind wir sogar einer Meinung!)

- Das ist schön, dass wir einer Meinung sind, aber dann machen Sie es doch einfach!

(Holzschuher [SPD] : Machen wir!)

Es darf auch nicht sein, dass die Beantwortung der Frage, ob die Polizei schützt und wann sie denn kommt, davon abhängt, wo jemand in Brandenburg wohnt. Das richtet sich ganz klar an die Polizeistruktur.

Wir wollen - sechstens - stabile Interventionszeiten. Die geplante Reduzierung der Wachen in der Fläche bzw. deren Umwandlung wird automatisch zur Folge haben, dass die Interventionszeiten steigen.

Wir wollen - siebentens - keine Reduzierung der Kriminalitätsbekämpfung. In Schleswig-Holstein gab es einen Finanzminister, der Innenminister wurde und jetzt in der Opposition sitzt. Er hat mit durchgesetzt, dass Verkehrsunfälle nicht mehr von der Polizei aufgenommen wurden. Jetzt rudert man in Schleswig-Holstein zurück.

Nach unserem Polizeigesetz müssen auch zivilrechtliche Streitigkeiten von der Polizei begleitet werden. Was passiert denn, wenn die Polizei nachts nicht mehr zum Verkehrsunfall kommt? Dann wird sich der Stärkere, der besser reden kann, der mehr Lebenserfahrung hat, der die besseren Beziehungen hat, durchsetzen gegen denjenigen, der eben nicht über diese Erfahrung verfügt.

(Krause [DIE LINKE]: Das ist wie in der CDU!)

Die Menschen wollen, dass die Polizei kommt. Sie vertrauen der Polizei, und wir wollen das auch.

(Beifall CDU)

An die Adresse des Justizministers: Wir wollen nicht, dass Ladendiebstahl bagatellisiert wird. Das kann man so machen; dann verschwindet das aus der Statistik. Das hätte zur Folge, dass wir kapitulieren, dass der Rechtsstaat vor der Kriminalität kapituliert.

Wir wollen - achtens - eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit Polen.

Als Letztes zu dieser angeblich unabhängigen Kommission, Frau Kollegin Stark: Da sitzen ja bis auf den Gewerkschaftschef Schuster nur Bedienstete des Landes drin, meistens Bedienstete der Polizei. Wie unabhängig werden denn die Kolleginnen und Kollegen - übrigens in der Mehrzahl im höheren Dienst, den Sie gerade kritisiert haben - agieren, wenn Ihr Minister Ihnen vorgibt, 2 000 oder 3 000 Stellen abzubauen?

Insofern hätten wir uns gewünscht, dass diese Kommission tatsächlich unabhängig ist und nicht nur mit „verdienten“ Sozialdemokraten an der Spitze ausgestattet wird. Wir hätten uns gewünscht, dass die Deutsche Polizeigewerkschaft und vor allen Dingen der Bund Deutscher Kriminalbeamter ebenfalls vertre

ten sind und dass nicht selektiv ausgesucht wird. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Für die Linksfraktion spricht der Abgeordnete Dr. Scharfenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine neue Landesregierung, ein neuer Innenminister, neue Herausforderungen bei der weiteren Entwicklung der Polizei auf ihrem zentralen Aufgabengebiet: die öffentliche Sicherheit dauerhaft zu gewährleisten. Das ist der Rahmen, über den wir jetzt reden.

Ich erinnere daran: Seit der Polizeistrukturreform 2002 gibt es eine anhaltende Diskussion um die Personalentwicklung der Polizei. Diese Diskussion stand bisher vordergründig, um nicht zu sagen ausschließlich, unter dem Gesichtspunkt der Zwänge der Haushaltskonsolidierung. Als der damalige Innenminister Schönbohm 2002 die infolge der Strukturreform angestrebte Reduzierung der Polizei um 725 Stellen als Obergrenze bezeichnete und die Zusammenlegung der ursprünglich fünf Polizeipräsidien plus Präsidium der Wasserschutzpolizei zu zwei Präsidien verkündete, war noch nicht absehbar, dass diese Entwicklung in den Folgejahren immer weiter vorangetrieben würde. Wer hätte denn damals gedacht, dass wenige Jahre später ein Personalabbau um 1 766 Stellen als normal angesehen würde?

Wir haben die schmerzhafte Diskussion um den Einschnitt bei der Kriminalpolizei hinter uns, die in ihrer konkreten Umsetzung gegen den Rat der Fachleute erfolgt ist. Nicht zuletzt dadurch ist der Eindruck entstanden, dass die Qualität der Kriminalitätsbekämpfung und die staatliche Aufgabe der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zunehmend eingeschränkt werden. Ich verweise hier insbesondere auf den Zusammenhang zwischen dem Wegfall der Kontrollen an der Grenze zu Polen, dem Rückzug der Bundespolizei und den Befürchtungen wegen einer Erhöhung der Grenzkriminalität, unabhängig davon, inwieweit das berechtigt ist. Ernst nehmen muss man auch den starken Rückgang bei der Aufklärungsquote, der im vergangenen Jahr landesweit durchgängig zu verzeichnen war und der von uns kritisiert worden ist.

Wir haben immer wieder kritisiert, dass Brandenburg Vorreiter bei der Verschärfung des Polizeigesetzes war. Hier kann ich an Herrn Petke anknüpfen. Damit sollte offensichtlich auch der Eindruck erweckt werden, dass sich Personalabbau mit verschärften Eingriffsrechten, die den Preis des Abbaus von Bürgerrechten nach sich ziehen, kompensieren ließe.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Linke in ihrer damaligen Verantwortung als Oppositionsfraktion konsequent gegen einen solch einseitigen Kurs ausgesprochen. Das werden wir auch weiterhin tun. So soll das Polizeigesetz hinsichtlich verschiedener Eingriffsrechte, die im Laufe der Zeit, insbesondere in den letzten zehn Jahren, aufgenommen wurden, evaluiert werden. Zugleich besteht damit die Möglichkeit einer Rechtsangleichung an Berlin. Kritisch infrage gestellt werden muss der immer wieder postulierte Grundsatz, dass durch technische

Mittel, zum Beispiel die Videoüberwachung, weniger Polizei gebraucht würde.

Der Anspruch einer bürgernahen Polizei ist vor allem durch leibhaftige Polizeibeamte, die vor Ort sind, zu realisieren. Das muss der Schwerpunkt sein. Bürgernahe Polizei heißt für uns nicht zuletzt, dass es keine beliebigen Einschnitte in das Netz der Wachen geben darf. Die heftigen Diskussionen um die beschlossenen bzw. bereits vollzogenen Wachenschließungen zeigen, dass es eine hohe Sensibilität in der Bevölkerung für diese Fragen gibt. Es ist nachvollziehbar und lohnenswert, um jede vorhandene Wache zu kämpfen, und wenn es nur um den Erhalt als Tageswache geht. Die Polizei als Ansprechpartner direkt vor Ort zu haben ist ein wichtiges Anliegen der Bürger, das allerdings im großen Flächenland Brandenburg nicht so leicht sicherzustellen ist.

Deshalb muss weiter darum gerungen werden, den Revierpolizisten eine entsprechende Ausstattung zu sichern und nicht durch viele andere Einsätze zu verhindern, dass sie sich, wie es eigentlich sein soll, im Wesentlichen in ihrem Revier aufhalten und engagieren. Problematisch ist, dass die ursprünglich mit der Polizeireform von 2002 in Aussicht gestellte deutliche Erhöhung der Zahl der Revierpolizisten nie erfolgt ist und - im Gegenteil - im Nachhinein Abstriche von der bescheidenen Erhöhung gemacht wurden. Das spüren die Bürger.

Ich will in diesem Zusammenhang auch den Anspruch der Linken artikulieren, dass die kommunale Kriminalitätsverhütung wieder mehr Aufmerksamkeit erhalten muss. Diese wichtige Form der präventiven Arbeit kann nur im engen Zusammenspiel zwischen Kommunen und Polizei funktionieren, und das muss organisiert werden. Der hohe Stellenwert, den kommunale Kriminalitätsverhütung in den 90er Jahren unter Alwin Ziel hatte, ist in den letzten Jahren nicht wieder erreicht worden. Deshalb steht auch die Frage, wie der im Wesentlichen dafür eingerichtete Landespräventionsrat künftig wirksam wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns allerdings auch darüber im Klaren, dass die schwierige Haushaltssituation, die sich weiter verschärfen wird, dabei nicht unberücksichtigt bleiben kann. Wir sind keine Traumtänzer, die sich ihre Welt nach Belieben zusammenbasteln, sondern wir müssen von den realen Bedingungen ausgehen.

Deshalb sage ich ganz klar, dass eine weitere Reduzierung der Anzahl der Stellen in der Polizei nicht zu vermeiden sein wird. Die Reduzierung erfolgt allerdings nur unter der Voraussetzung das muss man, denke ich, betonen -, dass es dabei eben nicht um Kündigungen, sondern um altersbedingtes Ausscheiden geht und dass die ohnehin gebeutelte Polizei keine zusätzlichen Belastungen erfahren soll. Verschärft worden ist die Diskussion durch die angebliche Zielstellung, bis 2020 3 000 Polizeibeamte weniger zu haben. Wir haben mit Zustimmung zur Kenntnis genommen, dass sich Innenminister Speer eindeutig von dieser ominösen Zahl - 3 000 - distanziert hat.

Die Polizei muss handlungsfähig sein, und das in einer möglichst dauerhaften und effizienten Struktur. Diese Forderung stellten nicht zuletzt die Polizeigewerkschaften im Zusammenhang mit der Landtagswahl auf; sie war auch heute auf der Demo zu hören. Sie ist eine Schlussfolgerung aus der regelrechten Reformwut der vergangenen zehn Jahre, die die Polizei ständig in Atem gehalten und für die Verunsicherung gesorgt hat. Dazu

gehört vor allem die Entwicklung des Personalkörpers der Polizei durch die Festlegung eines bedarfsgerechten Ausbildungsund Einstellungskorridors. Schon mit der Entscheidung über den Haushalt 2010 werden wir uns damit zu befassen haben. Das wird keine leichte Entscheidung sein, aber ich bin sicher, dass sie sehr verantwortungsbewusst getroffen wird. Nulljahrgänge an der Fachhochschule der Polizei kann es aus Sicht der Linken - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Ausbildungsquote - nicht geben.

(Beifall DIE LINKE)

So habe ich auch die Ausführungen der Kollegin Stark verstanden.

Die Diskussion um dieses schwierige Anliegen wird angesichts eines angriffslustigen - um nicht zu sagen: demagogischen Agierens der CDU, die Panikmache betreibt, nicht gerade leichter. Wenn Herr Petke sagt, dass die neue Regierung die innere Sicherheit aufs Spiel setze, so ist das einfach lächerlich. Der Rahmen, in dem wir uns gegenwärtig bewegen und noch eine Weile bewegen werden, ist von einem CDU-geführten Innenministerium gesetzt worden. Bis 2012 steht der Personalabbau fest - das mussten wir akzeptieren -, und das unter Ihrer wesentlichen Mitwirkung, lieber Herr Petke.

(Beifall DIE LINKE)