Protocol of the Session on June 5, 2013

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Sie informieren, dass der zuständige Katastrophenstab beschlossen hat, die Stadt Mühlberg zu evakuieren. Die Evakuierung wird in Kürze beginnen, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Ich bitte Sie um Ihr Verständnis die Stimmung können Sie sich vorstellen bei der Lage -, dass ich jetzt dort hinfahren werde. - Vielen Dank.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Viertes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/7322

1. Lesung

Herr Abgeordneter Richter beginnt die Debatte für die SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat sich mit der Verabschiedung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes im Dezember letzten Jahres für weitere Änderungen entschieden, die bis zum III. Quartal dieses Jahres erledigt sein sollten. Die Hauptgründe damals waren: Es sollte den sehr unterschiedlichen Belastungen der Landkreise und der kreisfreien Städte mit den ständig steigenden Soziallasten besser begegnet werden als bisher. Der Demografiefaktor sollte moderat ausgeweitet werden, auch - wir haben es vorige Woche erfahren -, um die Folgewirkungen eines statistischen Einwohnerverlustes infolge der Ergebnisse des Zensus abzufedern. Außerdem sollte geprüft werden, ob es weitere Änderungen aufgrund der Empfehlungen von Prof. Lenk aus dem Gutachten geben sollte.

Heute liegt nun der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des FAG zur Beratung vor. Wenn wir über das Finanzausgleichsgesetz reden, dann reden wir natürlich immer über die Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen. Insgesamt hat sich das Brandenburgische FAG bewährt, dessen bin ich mir ziemlich sicher.

Es gibt eine sichere, zuverlässige, nachvollziehbare Finanzierung der kommunalen Ebene. 20 % aller Einnahmen des Landes und 40 % der Sonderzuweisungen gehen in die kommunale Ebene. Angesichts von rund 3 Milliarden Euro Zuweisungen an die Gemeinden - bei einem Gesamtetat von 10 Milliarden Euro - erkennt man, welch erheblicher Anteil das ist. 29,9 % der Gesamtausgaben des Landes gehen also an die kommunale Ebene. Das Bundesministerium der Finanzen hat ermittelt, dass

das - gemessen am jeweiligen Landeshaushalt - der höchste Anteil unter allen Bundesländern ist. Auch bei den absoluten Zuweisungen an die Kommunen liegt Brandenburg mit 1 210 Euro je Einwohner bundesweit an der Spitze. Auch diese Feststellung beruht auf Ermittlungen des Bundesministeriums der Finanzen.

Natürlich weiß ich, dass dabei zu beachten ist, dass die Finanzzuweisungen von der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen abhängen, und ich weiß natürlich auch, dass Durchschnittszahlen immer so ihre Tücken haben. Trotzdem stimmt die Grundaussage: Das Land Brandenburg praktiziert insgesamt eine kommunalfreundliche Ausgabenpolitik.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Aber - ich will ein Aber hinterherschicken - innerhalb der kommunalen Ebene gibt es große Unterschiede. Insbesondere die Landkreise und die kreisfreien Städte müssen die rasant gestiegenen Kosten der Soziallasten verkraften. Sie sind Träger der Soziallasten, und sie sind davon ganz besonders betroffen. Viele Landkreise mussten deshalb schon ihre Kreisumlage erhöhen; die Kommunen ächzen darunter. Dieses Instrument haben die kreisfreien Städte nicht zur Verfügung.

Aber auch zwischen den Landkreisen gibt es große Unterschiede. Die Zuschussbedarfe zur sozialen Sicherung aus dem jeweiligen kommunalen Haushalt - ich betone das: nicht die Gesamtkosten, sondern das, was aus dem kommunalen Haushalt dazugeschossen werden muss - schwankten im Jahr 2009 zwischen 290 und 608 Euro je Einwohner. Das sind Angaben aus den Landkreisen, die ganz erhebliche Unterschiede zeigen. Gerade in den Landkreisen, die wirtschaftlich nicht so stark sind, sind die Soziallasten besonders hoch. Das heißt, diese Landkreise sind sozusagen doppelt betroffen.

Deshalb ist hier eine gezielte Einflussnahme gerechtfertigt und erforderlich. In dieser Einschätzung war sich auch die Arbeitsgruppe des FAG-Beirats einig. Aber in Sachen Finanzierung gab es unterschiedliche Auffassungen. Der FAG-Beirat sprach sich ganz klar für eine Finanzierung aus zusätzlichen Mitteln des Landes mittels eines weiteren Aufstockungsbetrages aus.

Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf schlägt einen anderen Weg vor: Die Finanzierung soll aus frei werdenden Mitteln aus der Abschaffung des Vorwegabzuges erfolgen.

Bei einer insgesamt zurückgehenden Finanzausstattung des Landes Brandenburg müssen die zur Verfügung stehenden Mittel zielgenauer dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Allein der Einwohnerschlüssel reicht da nicht aus.

Manchmal wird die Tatsache der geringer werdenden Finanzausstattung noch nicht so richtig ernst genommen, das Gefühl habe ich aus Diskussionen. Ich will die wichtigsten Gründe noch einmal ganz schnell nennen. Da sind natürlich die bis 2020 wegfallenden Mittel aus dem Solidarpakt - ganz erhebliche Mittel, Hunderte von Millionen, die wir heute noch kriegen, aber ab 2020 nicht mehr bekommen. Da sind zum anderen die veränderten Förderbedingungen der EU. Wir sind nicht mehr in der Höchstförderzone. Es ist zwar ein gutes Ergebnis wir haben uns in 20 Jahren gut entwickelt -, dass wir nicht mehr die höchsten Fördersätze im Rahmen der Europäischen

Gemeinschaft brauchen; das heißt aber andererseits auch, dass wir nicht mehr so viel Fördergeld aus Brüssel erhalten.

Brandenburg erhält auch weniger Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich, weil wir - ganz einfach - weniger Brandenburger werden. Wir verlieren Bevölkerung, und damit verlieren wir auch Geld. Schließlich entfällt wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz auch die Möglichkeit der Kreditaufnahme. Wir wollen ja auch gar keine Kredite aufnehmen. Aber selbst diese Möglichkeit gibt es gesetzlich ab 2019 nicht mehr.

Das Land, aber auch seine Kommunen müssen sich diesen veränderten Finanzbeziehungen stellen, und wir müssen Änderungen vornehmen. Die vorgeschlagene Lösung ist ein Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Solidarität innerhalb der kommunalen Ebene. Es ist nicht die Lösung aller Probleme, das wissen wir auch.

Ab 2014 wird also in § 15 FAG ein zusätzlicher Sozial- und Jugendhilfelastenausgleich verankert, der 2014 mit 10 Millionen Euro und 2015 mit 20 Millionen Euro gespeist wird. Als Verteilungsmechanismus wurde bewusst ein Modell gewählt, das im FAG-Beirat bereits diskutiert wurde - wir haben also nichts Neues erfunden - und mit dem die besonders betroffenen Landkreise und kreisfreien Städte unterstützt werden, aber auch Leistungsanreize für eine effiziente Leistungserbringung erhalten bleiben. Es wird also nicht alles bezahlt, was anfällt, sondern es gibt Zuwendungen. Die Anstrengung der Landkreise und der kreisfreien Städte, ihre Aufgaben effizient zu lösen, muss bestehen bleiben.

Bei der nächsten Symmetrieuntersuchung soll dieser Ansatz wissenschaftlich geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Damit ist das Wichtigste zu diesem Punkt eigentlich schon gesagt.

Außerdem soll der schon vorhandene Demografiefaktor auf fünf Jahre ausgeweitet werden; auch das ist eine Empfehlung von Prof. Lenk. Das heißt, die Anpassung in Gemeinden mit stark schrumpfenden Einwohnerzahlen soll ein bisschen gestreckt werden, sodass sie die Wucht nicht sogleich trifft. Am Ende kommt sie trotzdem unten an. Sie müssen sich anpassen, aber sie haben ein bisschen mehr Zeit.

Kommunen, die überdurchschnittliche Bevölkerungsverluste erleiden - das habe ich gerade gesagt -, würden davon profitieren.

Ein weiterer Punkt ist die gesetzliche Fixierung der Pflicht zur Untersuchung auch der horizontalen Verteilung der Mittel bei den regelmäßigen Symmetrieuntersuchungen laut FAG. Wir waren bei der letzten Symmetrieuntersuchung sehr enttäuscht, dass die Gutachter keine konkreten Vorschläge gemacht haben, die uns jetzt bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs hätten helfen können. Die horizontale Untersuchung war bisher in Brandenburg nicht gesetzlich geregelt. Mit diesem Zusatz wird das beim nächsten Mal zur Pflichtaufgabe der Gutachter werden.

Außerdem gibt es einige wenige Veränderungen, die der besseren Lesbarkeit oder der besseren Handhabung des Gesetzes dienen.

Natürlich ist mir bewusst, dass mit diesem Gesetzentwurf längst nicht alle Probleme gelöst sind. Wir haben uns hier auf die Auf

gabenstellung aus dem Entschließungsantrag in der Drucksache 5/6513 vom Herbst vorigen Jahres konzentriert. Mehr war in der Kürze der Zeit vernünftigerweise, glaube ich, nicht zu leisten.

Natürlich weiß ich, dass für ein ganz großes Problem, die Schuldenlast von drei der vier kreisfreien Städte, noch immer keine Lösung angeboten werden kann. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Nach einer sorgfältigen Analyse der Gründe für die hohe Verschuldung - das muss man sauber zu Ende denken und untersuchen - und eventuell notwendiger Korrekturen wird es aber ohne Hilfe des Landes nicht gehen. Allein können diese Kommunen die Entschuldung nicht schaffen.

Im Übrigen wird es wahrscheinlich zu deutlichen Veränderungen des FAG kommen. Wenn der neue Landtag die Arbeit der Enquetekommission 5/2 vollendet und zum Beispiel eine neue Aufgabenverteilung zwischen dem Land und den Kommunen beschlossen hat, wird es auch eine neue Verteilung der Finanzmittel geben müssen. Das ist die logische Folge. Aber so lange können die kreisfreien Städte nicht warten.

Der vorliegende Gesetzentwurf stärkt die Landkreise und die kreisfreien Städte, weil sie aufgrund der stark gestiegenen Kosten für Sozialleistungen besonders hohe Lasten zu tragen haben. Die Art der Finanzierung sichert, dass niemand schlechter gestellt wird. Außerdem reagiert der Entwurf auf die Probleme des demografischen Wandels, indem er längere Anpassungszeiten möglich macht.

Die SPD begrüßt diesen Gesetzentwurf und bittet um Überweisung an den Haushaltsausschuss - federführend - und an den Innenausschuss als zuständigen Fachausschuss. - Danke schön.

(Beifall SPD)

Der Abgeordnete Burkardt setzt für die CDU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Richter, ich beginne mit dem Positiven: Die Aussage, dass die Verschuldungslage der Kommunen dringenden Handlungsbedarf signalisiert, unterstreichen wir ausdrücklich. Es reicht aber nicht aus, das Problem zu beschreiben und dann zur Tagesordnung überzugehen. Das, was uns mit diesem Gesetzentwurf vorliegt, kann man auch überschreiben mit „Der Berg kreißt und gebiert ein Mäuslein, das hoffentlich des Brutkastens nicht bedarf.“

Was ist der Inhalt? Es werden 10, im nächsten Jahr 20 Millionen Euro umverteilt aus der Rückführung des Vorwegabzugs, den das Land in den letzten Jahren immer für sich vereinnahmt hat, und der Demografiefaktor wird von drei auf fünf Jahre ausgedehnt. Das ist alles.

(Richter [SPD]: Das war der Auftrag vom letzten Herbst!)

Wenn Sie nun als Erfolg feiern, dass Sie im Übrigen auch die gesetzliche Verpflichtung für die Erstellung eines Symmetrie

gutachtens fest terminieren, so gehörte zumindest dazu, zu erkennen zu geben, dass man die Erkenntnisse des Symmetriegutachtens aufnimmt und bereit ist, sie umzusetzen. Das haben Sie bei der letzten Novelle zum FAG nicht getan, beim Haushalt ebenfalls nicht. Das Einzige, was Sie jetzt vornehmen, ist eine Umverteilung von einem kommunalen Topf in den anderen, und es ist nicht etwa so, dass das Land hier extra Geld in die Hand nimmt.

Ich erinnere an die Entstehung des Vorwegabzugs. Er war nichts anderes als ein Betrag, den sich das Land aus dem Topf genommen hat, nachdem der Finanzminister durch die Zuordnung eines Teils der Mittel vom Solidarpakt zum kommunalen Finanzausgleich auf die Idee gekommen war, es könnte ein bisschen zu viel gewesen sein.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Nein!)

Das war damals alles so in Ordnung, nur nehmen dummerweise die Mittel aus dem Solidarpakt generell ab. Damit nehmen sie auch bei den Kommunen ab, und es entfällt die Grundlage für diesen Griff in die Kasse des kommunalen Finanzausgleiches.

Wer sich die 23 Seiten dieses Gesetzentwurfs anschaut, wird feststellen müssen, dass die Kommunalfinanzen mehr oder weniger gesund gebetet werden, die eigene Landesregierung gelobt und im Übrigen eine Faktenklitterung betrieben wird.

(Beifall CDU)

Ein entschiedenes Sowohl-als-auch-nichts anderes. Die dramatische Entwicklung der Kassenkredite wird relativiert. Da werden Pro-Kopf-Zahlen ausgerechnet, dann stellt man fest, dass man in Ostdeutschland vor allen anderen Ländern liegt. Dann schaut man schnell nach Westen und stellt fest, im Westen gibt es ein paar Länder, die noch viel schlechter liegen. Das hilft den Kommunen nicht. Es hilft weder Cottbus noch Frankfurt noch Brandenburg.

Um nur zwei Zahlen zu nennen: Der Stand der Kassenkredite ist von 2009 auf 2011 - das sind die letzten Jahre, für die Zahlen verfügbar sind - von 618 Millionen Euro auf 793 Millionen und damit geradezu dramatisch angestiegen. Da kann etwas mit der Aufgabenverteilung nicht in Ordnung sein.

(Beifall CDU)