Protocol of the Session on June 5, 2013

„Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.“

Wie also funktioniert Rassismus, welches sind seine Elemente? Memmi ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Zuerst geht es um die nachdrückliche Betonung von tatsächlichen oder fiktiven Unterschieden zwischen Rassisten und den Opfern. Zweitens werden diese Unterschiede zum Vorteil der Rassisten gewertet. Drittens werden diese Unterschiede verabsolutiert und mehr oder weniger für endgültig erklärt. Viertens werden diese tatsächlichen, mehr aber noch ausgedachte und durch Vorurteile verfestigte Unterschiede benutzt, um Privilegien oder Aggressionen gegenüber sogenannten Randgruppen zu rechtfertigen.

Damit wird deutlich, dass es schon lange nicht mehr um angebliche biologische Unterschiede im Rassismus geht, sondern um kulturelle Unterschiede, die nach dem Schema Memmis verabsolutiert werden, um rassistische Einstellungen zu rechtfertigen. Daraus erwächst der klare Auftrag, erstens politische Bildung als kulturelle Bildung im Land Brandenburg als Schwerpunkt zu setzen, und zwar nicht nur für Jugendliche, und zweitens die brandenburgischen entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen besonders in ihrer Bildungsarbeit zu unterstützen; die langfristige finanzielle Förderung des Verbundes entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen Brandenburg sollte dabei unser besonderes Anliegen sein. Drittens gilt es, regelmäßige Begegnungen zu organisieren, auch in den Dörfern und in den Kleinstädten, nicht bloß fernsehwirksame Events auf großen Plätzen mit möglichst politischer Prominenz; denn da, wo keine Fremden sind, ist der Fremdenhass am größten. Viertens geht es auch um politische Bildung bei Repräsentanten der Staatsmacht - Behördenmitarbeitern, Polizisten usw. Wissen jedenfalls, das dazu führt, dass das ursprünglich Fremde vertrauter wird, verhindert Rassismus und dummes Reden über Afrikaner, Araber, Juden, Sorben oder Polen.

Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich bin auch fertig. - Wenn das alles mitbedacht wird, dann sollte es doch möglich sein, dass sich der neue Artikel 2 mit Leben erfüllt. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann. - Das Wort erhält nun die Landesregierung. Herr Staatssekretär Zeeb hat das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie beraten heute in der Tat einen ganz besonderen Gesetzesantrag, der, wie ich denke, die Fortschrittlichkeit unserer brandenburgischen Landesverfassung nochmals unterstreichen kann.

In den bisherigen Debatten stellten manche die Frage, ob eine solche sogenannte Antirassismusnovelle in unserer Verfassung wirklich einen Platz hat oder haben muss. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit - natürlich -, dass die Verfassung kein gewöhnliches Gesetz ist, das häufig Änderungen unterworfen werden darf. Sie muss größere Festigkeit aufweisen als die nachgeordneten Normen, weil diese sich an der Verfassung orientieren und orientieren müssen. Aber genau das ist der Grund, warum die Antirassismusnovelle an keinem anderen Ort in unserem landesrechtlichen Normengefüge ihren primären Platz hat und haben soll als eben in unserer Landesverfassung - dies deshalb, weil wir nicht die leisesten Zweifel daran haben können, dass die aktive Bekämpfung rassistischer Ideologien und Handlungen ein Grundwert unserer Gesellschaft ist.

Ebenso sind wir alle miteinander davon überzeugt, dass die rechtshistorisch bedingte - Frau Nonnemacher hat darauf hingewiesen - Verwendung des Begriffs „Rasse“ im Fundament unserer Werteordnung nichts zu suchen hat. Grundwerte der Gesellschaft und Werteordnungsfundamente sollten aber gerade in der Verfassung, dem geschriebenen Grundgesetz eines Landes, ihren Niederschlag finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Besondere einer Verfassungsänderung ist, dass sie eine Zweidrittelmehrheit voraussetzt. Das bedeutet, dass auch solche grundlegenden Entscheidungen und Bekenntnisse nur in großem Konsens möglich sind. Umgekehrt bedeutet das, dass alle demokratischen Volksvertreter die Möglichkeit haben, sich zu einem solchen zentralen Anliegen auch durch näheres Zusammenrücken über die tagespolitischen Auseinandersetzungen hinaus zu erklären und zu bekennen.

Natürlich - ich richte das Wort an Herrn Lakenmacher - erfüllt diese Novelle auch eine symbolische Funktion. Dazu stehen wir aber gern; denn Symbole sind per se nichts Schlechtes. Ich denke, dass dieses Symbol - Herr Abgeordneter Ness hat vorher auf die langjährige Arbeit engagierter Menschen Bezug genommen; ich schaue auch auf den Zuschauerkreis hier - eben wichtig, notwendig und richtig ist. Es bleibt eben nicht bei einer reinen Symbolwirkung, weil die Antirassismusklausel als Verfassungsgrundsatz, wenn dieses Gesetz denn so verabschie

det wird, das Land zusätzlich zu verstärkter antirassistischer und antifremdenfeindlicher Aktivität verpflichtet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, man kann auch stolz darauf sein, wenn man mit einem solchen Anliegen Vorbildern aus anderen Ländern folgt, also nicht unbedingt Vorreiter ist. Man kann trotzdem diesen richtigen Weg gehen. Wir sind auch nicht isoliert, es werden noch viele andere folgen.

Mir wurde gesagt: Vor ein paar Wochen hat auch die Assemblée Nationale in Paris eben diesen Geist aufgegriffen und für die französische Verfassung ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Ich bin mir sicher, weitere werden folgen.

Es gibt also keinen Grund für uns, dieser allgemeinen Rechtsentwicklung, auch Verfassungsrechtsentwicklung, hinterherzuhinken und die unbestrittenen gesellschaftlichen Grundüberzeugen nicht in die Verfassung aufzunehmen.

Ich darf dem Ratschlag des Herrn Abgeordneten Ness vielleicht noch eine Hoffnung hinzufügen: dass auch diejenige Fraktion, die den Gesetzentwurf bisher noch nicht förmlich gezeichnet hat, dem vorhin erwähnten breiten Zusammenrücken aller Demokraten noch nähertreten wird. - Vielen Dank.

Herr Staatssekretär Zeeb, es ist zur richtigen Zeit eine Frage angemeldet worden. Herr Dombrowski möchte sie stellen. Lassen Sie sie zu?

Gerne. Ich war gerade am Ende, aber ich werde die Frage gerne beantworten.

Bitte, Herr Dombrowski.

Herr Staatsekretär, Sie haben von „Symbol“ gesprochen. Können Sie bitte noch einmal ausführen, worin denn eigentlich seit Inkrafttreten unserer Verfassung das Defizit besteht, das heute zu einer Änderung der Verfassung führen soll? Denn es ist ja in Brandenburg die neunte oder zehnte Änderung der Verfassung. Im Freistaat Sachsen wird sie jetzt, nach 22 Jahren, zum ersten Mal geändert, um die Schuldenbremse aufzunehmen. Also konkret: Wo ist das Handlungsdefizit? Was wäre in Brandenburg anders gelaufen, wenn wir diesen Passus früher oder schon von Beginn an in der Verfassung gehabt hätten?

Herr Abgeordneter Dombrowski, ich habe ganz klar ausgeführt, dass ein Symbol nichts Schlechtes ist, sondern im Gegenteil: Wenn sich eine demokratische Gemeinschaft auch über den Verfassungsgesetzgeber zu dem bekennt, was im Land nottut, und wenn seit fünfzehn Jahren gesellschaftliche Arbeit Früchte trägt - das wurde vorher ausgeführt -, sodass die Rechten, die Rassisten sich in diesem Land nicht mehr geduldet fühlen können, dann, glaube ich, ist es ein positiv-symbolischer Akt, die Verfassung zu ändern.

Zum Defizit habe ich auch Stellung genommen, Herr Dombrowski. Es ist ein begriffliches Defizit - möglicherweise auch mehr -, sodass der rechtshistorisch geprägte Begriff „Rasse“ gestrichen werden muss, weil er falsch ist. Und weil es Rassismus gibt, wird er ersetzt.

(Zuruf des Abgeordneten Lakenmacher [CDU])

Das ist das zweite Anliegen dieses Gesetzentwurfs, Herr Lakenmacher: diesen missverständlichen, oft missbrauchten Begriff zu streichen und durch eine Gegnerschaft gegen Rassismus zu ersetzen.

(Starker Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Wir sind am Ende der Aussprache angelangt.

Ich komme zur Abstimmung. Die Einreicher beantragen die Überweisung des Entwufs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg in der Drucksache 5/7321, eingebracht durch die Fraktionen SPD, DIE LINKE, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, an den Hauptausschuss - federführend - und an den Ausschuss für Inneres.

Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenenthaltungen? Der Antrag ist mit deutlicher Mehrheit überwiesen worden. Ich weise darauf hin, dass der noch vorliegende Entschließungsantrag der Faktion der CDU bei der Endabstimmung eingebracht wird.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und eröffne Tagesordnungspunkt 5:

Umsetzung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ der Landesregierung (gemäß Beschluss des Landtages vom 25.03.2010 - Drs. 5/632-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 5/7317

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Dr. Münch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute hören wir nicht irgendeinen Bericht, sondern es geht darum, dass wir heute 15 Jahre „Tolerantes Brandenburg“ gemeinsam begehen.

15 Jahre „Tolerantes Brandenburg“ stehen für kontinuierliche, gemeinsame Arbeit von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, 15 Jahre Zusammenarbeit für eine lebendige Demokratie und eine offene, freiheitliche und solidarische Gesellschaft für eine, die stark genug ist, sich ihrer Feinde sehr gut zu erwehren.

Die Bürgerinnen und Bürger in den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, in den Vereinen und Gemeinden, die Zivilcourage zeigen und Verantwortung für das Ganze übernehmen - sie alle sind es, die das tolerante Brandenburg, unser tolerantes Brandenburg gestalten. 15 Jahre „Tolerantes Brandenburg“ sind für mich deshalb heute Anlass, Ihnen allen ganz herzlich Dank zu sagen.

Ich freue mich, dass einige der Träger heute anwesend sind und begrüße sie sehr herzlich. Schön, dass Sie alle hier sind!

(Allgemeiner Beifall)

Ich freue mich sehr, dass so viele Partner und Freunde aus Wissenschaft und Praxis einen Beitrag zu dem Bericht geleistet haben. Zu sehen sind auch unterschiedliche Perspektiven, die die einzelnen Partner auf das „Tolerante Brandenburg“ haben, und das zeigt, wie vielfältig diese Toleranz in den 15 Jahren gewachsen ist.

Dieses Brandenburger Miteinander wird in dem Bericht sehr deutlich, und Sie sehen auch, wie die Träger die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre einschätzen. Was ist uns in den vergangenen 15 Jahren gelungen? Es ist nicht weniger, als dass sich das Gesicht Brandenburgs gewandelt hat: hin zur mehr Weltoffenheit, mehr Toleranz und einer engagierten Demokratie.

Das landesweite Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus ist überall im Land präsent und bündelt ganz unterschiedliche Handlungsansätze, viel Fachwissen und verschiedene Ressourcen. Vor allem aber unterstützt es unsere Bürgerinnen und Bürger beim Engagement für unsere Demokratie.

Eine Brandenburger Besonderheit ist die schnelle Vernetzung und Reaktion, die flächendeckende Präsenz der Beraterinnen und Berater bei besonderen Problemen vor Ort. Zum Brandenburger Netzwerk gehören mehr als 60 Expertinnen und Experten des landesweiten Beratungsnetzwerks, 33 Kooperationspartner der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“, 16 lokale Aktionspläne und viele Einzelprojekte.

Ein großer Dank geht an alle Aktiven und Berater aus dem landesweiten Beratungsnetzwerk - die RAA, das MBT, die Sportjugend, die Fachstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung, die Opferperspektive und das landesweite Aktionsbündnis.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herzlichen Dank allen Bürgerbündnissen, allen Akteuren in den Verwaltungen und vor allen Dingen den engagierten Bürgerinnen und Bürgern im Land. Sie alle haben dazu beigetragen, dass das „Tolerante Brandenburg“ noch stärker unsere Gesellschaft prägt.

Die Studienreihe „Jugend in Brandenburg“ des Instituts für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Potsdam belegt, dass rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung messbar zurückgegangen sind. Die Ergebnisse der letzten Studie aus dem Jahr 2010 zeigen, dass die Zustimmung zu rechtsextremistischen Aussagen kontinuierlich schwindet. Im Jahr 2005 hatten 52,7 % der Jugendlichen rechtsextreme Einstellungen völlig abgelehnt. Im Jahr 2010 waren es schon 60,2 %.

Neben den positiven Entwicklungen, die wir verzeichnen können und die jeder spürt, der sich im Land seit vielen Jahren für Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagiert, bleibt ein harter Kern rechtsextremer Einstellungen bei rund 3 % der Jugendlichen. Deswegen wissen wir, dass wir heute zwar innehalten und sagen dürfen: Wir haben in den fünfzehn Jahren viel erreicht. Das ist aber kein Grund, sich auszuruhen. Ich denke, das wissen alle Beteiligten. Wir dürfen nicht nachlassen in unserem Engagement für Demokratie und Toleranz, damit die demokratische Achtsamkeit der Bürgerinnen und Bürger auch weiter wächst.

Gute Beispiele haben wir in den letzten Wochen erleben können, wenn ich an die Reaktionen auf das Konzert in Finowfurt denke oder ähnliche Vorgänge in vielen Regionen des Landes, wo immer wieder versucht wird, Brandenburgerinnen und Brandenburger zu provozieren.

Am vergangenen Wochenende fand auf allen Fußballplätzen im Land Brandenburg der AOK-Fußballtag für Vielfalt und Toleranz statt. Es freut mich sehr, dass der Fußball hier sehr engagiert an unserer Seite steht. Ich habe in Cottbus ein Spiel anstoßen dürfen, an dem sich auch der FC Energie Cottbus, der hier an unserer Seite steht, beteiligt hat. Das ist alles nicht selbstverständlich. Sie wissen, dass es immer wieder Versuche gibt, gerade in bestimmten Sportbereichen, die radikale Fanszene im Fußball oder bei Kampfsportarten - zu instrumentalisieren. Deswegen ist es umso wichtiger, dass hier auch der organisierte Sport fest an unserer Seite steht.

Die Brandenburgische Sportjugend organisiert in Kooperation mit dem „Toleranten Brandenburg“ die Tage der Demokratie vom 16. bis 18. August in Potsdam. Dazu lade ich Sie heute schon alle herzlich ein: ein großes Demokratiecamp im BUGAPark für Brandenburger Jugendliche ab 16 Jahren. Kumulus e. V. plant 2014 landesweite Juniorwahlen, um Jugendliche an Prozesse der demokratischen Willensbildung heranzuführen und das politische Interesse anzuregen, denn beides geht unmittelbar Hand in Hand: unsere Bemühungen um Teilhabe, um Demokratie schon bei jungen Menschen, angefangen bei den Kindern bis hin dazu, dass wir eine demokratische Kultur für alle Menschen aufbauen wollen.