Bevor ich die Aussprache eröffne, begrüße ich ganz herzlich die zahlreichen Vertreterinnen und Vertreter, die sich für das „Tolerante Brandenburg“ engagieren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAA, der Mobilen Beratungsteams.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verfassungsänderungen sind etwas Besonderes, und so soll es auch bleiben. Aber wir sind gut beraten, wenn wir den Spielraum unserer Verfassung nutzen, um aus Sicht unseres Landes eigene Akzente zu setzen. Mit der vorliegenden Verfassungsnovelle wollen wir das friedliche Zusammenleben in unserem Land fördern und fremdenfeindliches und rassistisches Gedankengut ächten.
Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist eine eigenständige Aufgabe in einem demokratisch verfassten Land. Rassismus ist eine Ideologie, die nicht nur einige Ewiggestrige vor sich hertragen, sondern sie ist, wie in seriösen Umfragen aufgezeigt, auch in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt. Das sehen wir gerade vor dem aktuellen Hintergrund der verstärkten Aufnahme von Flüchtlingen in der Bundesrepublik.
Wir Linken haben seit langem die Diskussion um eine antifaschistische Klausel geführt. Eine von uns 2008 beantragte Änderung der Verfassung ist damals in 1. Lesung abgelehnt worden. Ähnliche Diskussionen fanden in Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern statt. In Mecklenburg-Vorpommern haben sich schon 2007 SPD, CDU, Linke und FDP auf eine Verfassungsbestimmung mit ähnlicher Zielrichtung geeinigt, wie wir sie heute als Gesetzentwurf von SPD, Linken, FDP und Bündnisgrünen vorlegen.
Der Diskussionsprozess wurde im Herbst vergangenen Jahres durch Äußerungen des Landtagspräsidenten befördert, der sich in Reaktion auf die rechtsextremistischen Angriffe in Spremberg eindeutig für eine Antirassismusklausel in der Landesverfassung aussprach.
Daraufhin haben wir uns mit unserem Koalitionspartner unkompliziert auf einen ersten Entwurf für eine solche Verfassungsnovelle einigen können. Dieser beinhaltete eine Antirassismusklausel, die ursprünglich als Verbot formuliert war, sowie die Streichung des Begriffs „Rasse“ aus der Verfassung.
Was dann folgte, war schon ein besonderes Verfahren, das ich für beispielhaft halte. In enger Zusammenarbeit mit allen drei Oppositionsfraktionen haben wir - nach einer qualifizierten Diskussion mit Wissenschaftlern - eine deutliche Überarbeitung des Gesetzentwurfs erreichen können. Insgesamt drei Fachgespräche fanden statt. Jede der fünf Fraktionen hatte dafür einen Experten benannt. Ich möchte mich ausdrücklich bei allen Gesprächspartnern für die konstruktive Atmosphäre bedanken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Zentrum des Gesetzentwurfs steht die Antirassismusklausel. Sie war ursprünglich als Verbotsnorm in den Artikel 12, den Gleichheitsgrundsatz, eingeordnet. Im Ergebnis der Diskussion haben wir diese Klausel als ein Staatsziel formuliert und in die Verfassungsgrundsätze in Artikel 2 eingeordnet. Dazu war in einer Brandenburger Tageszeitung zu lesen, dass die antragstellenden Fraktionen damit einerseits deutlich über das Ziel hinausschießen, andererseits nur Symbolpolitik betreiben würden. Das ist für mich schon wegen der in sich widersprüchlichen Aussage nicht akzeptabel. Es wäre gut gewesen, wenn sich der Autor mit der Funktion von Verfassungen beschäftigt hätte. Neben ihrem normativen Gehalt kann eine Verfassung sehr wohl Signale an die Politik und in die Gesellschaft senden.
Aber wir schaffen mit dieser Regelung auch einen eigenständigen normativen Gehalt. Wir verpflichten das Land zum Schutz des friedlichen Zusammenlebens und zur Aktivität gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Verfassungsänderung soll ihre Wirkung auch bei der Rechtsanwendung in Verwaltungen und in der Rechtsprechung entfalten. Wir erhoffen uns davon, dass der verfassungsrechtliche Rückhalt für die Auseinandersetzung mit rassistischen und fremdenfeindlichen Aktivitäten gestärkt wird.
Natürlich löst eine Antirassismusklausel nicht alle Probleme, aber sie ist ein klares Signal an die Brandenburgerinnen und Brandenburger. Sie ist eine, aber sicher nicht die einzige Möglichkeit, immer mehr Menschen für die Gefahren des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit zu sensibilisieren und einer Verbreitung dieses Gedankengutes entschieden entgegenzuwirken.
Meine Damen und Herren, wir haben uns bewusst entschieden, neben der Antirassismusklausel in Artikel 2 eine wesentliche Veränderung in Artikel 12 vorzunehmen. Das Wort „Rasse“ soll gestrichen werden. Es gibt keine Rassen, in die Menschen eingeteilt werden können. Allein die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in Gesetzestexten erweckt den Eindruck, als ob es menschliche Rassen gebe. Deshalb positionieren wir uns konsequent, indem wir den Begriff „Rasse“ streichen.
Sehr wohl gibt es aber eine Diskriminierung „aus rassistischen Gründen“. Genau das soll künftig als nicht mit der Verfassung vereinbar definiert werden. Ich freue mich ungeachtet des Ent
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion der CDU. Herr Abgeordneter Lakenmacher, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linke hat in verschiedenen Landtagen den Versuch unternommen, sogenannte Antirassismus- oder Antifaschismusklauseln in die Landesverfassungen einzuführen.
Im Mai 2012 scheiterte dieses Vorhaben in Thüringen durch die breite Ablehnung von FDP, Grünen, SPD und CDU.
Meine Damen und Herren, ich möchte zu Beginn eine absolute Selbstverständlichkeit voranstellen: Die Christlich Demokratische Union spricht sich eindeutig und ganz entschieden gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Extremismus jeglicher Couleur aus.
Die hier vorgeschlagene Verfassungsänderung ist weder geeignet, Herr Scharfenberg, noch ist sie überhaupt notwendig, um besser, sozusagen mit einem schärferen Schwert, gegen Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bei uns in Brandenburg vorzugehen.
In der Gesetzesbegründung schwingt ja immer die Hoffnung mit - Sie haben das gerade durch Ihre Rede eindrucksvoll unterstrichen -, dass mithilfe der Verfassungsänderung das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit der Rechtsextremen über das vom Grundgesetz garantierte Maß eingeschränkt werden kann. Aber ein freiheitlich-demokratischer Staat muss gleichermaßen alle - ich wiederhole: alle - extremistischen Positionen ablehnen und dies auch unmissverständlich - und ausnahmslos, Herr Scharfenberg - zum Ausdruck bringen. Die Aufnahme einer Einzelfallregelung allein gegen den Rechtsextremismus in die Landesverfassung hätte eben zur Folge, dass von dem antitotalitären Grundkonsens, der den meisten Verfassungen aus guten Gründen zugrunde liegt, abgerückt würde.
Eine starke Demokratie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie sich mit allen Formen von Extremismus auseinandersetzt und sich allen Formen von Extremismus entgegenstellt. Dazu, Herr Scharfenberg, braucht es Zivilcourage, Wissen, Aufklärung und vor allem gute politische Bildung. Eines braucht es nicht: diese Verfassungsänderung; so viel steht fest.
Meine Damen und Herren, eine Landesverfassung sollte nur die grundlegenden Normen wie Grundrechte, Verfassungsgrundsätze und Regelungen zur Staatsorganisation enthalten. Sie darf nicht durch eine Vielzahl von Staatszielen zu einer Art Verfassungsroman werden. Eine Verfassung legt kurz und präg
nant die Grundwerte und die Grundprinzipien des Staatswesens fest - nicht mehr und nicht weniger. Eine Verfassung darf nur dann geändert werden, wenn es die konkrete Notwendigkeit gibt.
In dem hier vorgelegten Entwurf, den wir heute debattieren, wird nicht einmal ansatzweise von Ihnen dargelegt, dass der Rechtsextremismus in Brandenburg mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ausreichend bekämpft werden könnte.
Mit unserem Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, fordern wir deshalb, dass die Landesregierung zunächst einmal darlegt, dass das Einfügen einer Staatszielbestimmung, die Sie hier anstreben, in die Landesverfassung wegen etwa bestehender Lücken überhaupt notwendig ist. Ich erkenne, wir erkennen diese Notwendigkeit jedenfalls nicht.
Ihr Vorhaben bleibt deshalb leider das, was es nun einmal ist: reine Symbolpolitik, die von einer verfehlten Innenpolitik und einer verfehlten Bildungspolitik von Rot-Rot ablenken soll. Dort besteht dringender Handlungsbedarf, dort ist Handeln angezeigt, aber nicht in unserer Landesverfassung.
Die Verpflichtung zum Vorgehen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und jedwede Form von Extremismus sowie der Schutz des friedlichen Zusammenlebens der Menschen sind als Verfassungsgrundsätze bereits hinreichend verankert und auch durch einfaches Gesetzesrecht ausgestaltet. So heißt es in Artikel 7 Brandenburgische Landesverfassung:
„(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Grundlage jeder solidarischen Gemeinschaft. (2) Jeder schuldet jedem die Anerkennung seiner Würde.“
„Brandenburg ist ein freiheitliches, rechtsstaatliches, soziales, dem Frieden und der Gerechtigkeit […] verpflichtetes demokratisches Land, welches die Zusammenarbeit mit anderen Völkern […] anstrebt.“
Durch die Ausgestaltung des einfachen Rechts, zum Beispiel des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts oder des Strafrechts hier sei nur § 130 Strafgesetzbuch genannt, der die Volksverhetzung pönalisiert, also unter Strafe stellt - …
… wird die Wehrhaftigkeit des Staates unterstrichen, und man muss die Frage stellen: Glauben Sie denn nicht daran, das tolerante Brandenburg würde funktionieren?
Die CDU-Fraktion ist nicht von der Notwendigkeit der Verfassungsänderung überzeugt. Wir lehnen den Gesetzentwurf deshalb ab. - Herzlichen Dank.
Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Ness, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich meinen Beitrag mit einer Vorbemerkung beginnen: Ich hätte mir gewünscht, wir hätten die Tagesordnung heute umgedreht und zunächst über das „Tolerante Brandenburg“ geredet, dessen Arbeit - 15 Jahre Tätigkeit - wir heute würdigen wollen. Ich glaube, es hätte eine gewisse Logik gehabt, wenn wir danach über die angestrebte Verfassungsänderung gesprochen hätten, denn ich sehe diese als Konsequenz von Erfahrungen aus 23 Jahren, zu denen eben auch 15 Jahre Umsetzung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ gehören. Die heute vorgeschlagene Verfassungsänderung - die Antirassismusklausel und die Streichung des Begriffs „Rasse“ ist für mich in gewisser Hinsicht eine Bilanz auch der Lernprozesse, die wir in diesen 23 Jahren durchlaufen haben.
Ich bedauere es sehr, dass ich hier einen Redebeitrag von Herrn Lakenmacher hören musste, den ich als Rückfall in den frühen Schönbohm empfinde. Schönbohm hatte sich als Innenminister weiterentwickelt und Konsequenzen aus den Erfahrungen mit Rechtsextremismus gezogen. Ich glaube, den Beitrag von Herrn Lakenmacher müssen wir leider unter dem Gesichtspunkt „Rückfall auf Schönbohm von 2000“ verbuchen, der damals sagte, dass man mit zivilgesellschaftlichem Widerstand nichts gegen Rechtsextremismus erreichen könne.