Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Sehr geehrte Kollegen! Ab dem Wintersemester 2013/2014 soll ein bekenntnisgebundener Studiengang für Jüdische Theologie an
der Universität Potsdam angeboten werden. Die CDU-Fraktion unterstützt die geplante Rabbinerausbildung in Potsdam eindeutig.
Für die Errichtung dieses Studiengangs müssen aber vom Landtag die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Zu regeln sind insbesondere die Rahmenbedingungen - Studien-, Prüfungs-, Promotions-, Habilitationsordnungen - sowie die Ernennung von bekenntnisgebundenen Professoren. Denn im Gegensatz zu nicht religiösen oder weltanschaulich gebundenen Studiengängen sind dabei die Selbstbestimmungsrechte der jeweiligen Religionsgemeinschaft, die sich aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland herleiten, zu beachten.
In allen anderen Bundesländern - dort, wo es bekenntnisgebundene Fakultäten gibt -, wird dies für die Errichtung dieser Fakultäten oder Institute durch einen Staatsvertrag geregelt, der alle damit in Beziehung stehenden Dinge festlegt. Es ist der Vorzug von Staatsverträgen, dass die jeweilige Religionsgemeinschaft - ich sage einmal - auf Augenhöhe mit der Landesregierung verhandeln kann und dieser Vertrag auch nachgeordnete staatliche Einrichtungen, zum Beispiel Hochschulen, bindet und zum anderen die jeweiligen Besonderheiten der Religionsgemeinschaft berücksichtigt.
Diesen Weg geht die Landesregierung so nicht. Die Landesregierung möchte mit dem Entwurf die zu klärenden Fragen abstrakt und nicht konkret für die Anforderungen der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hochschulgesetz regeln. Das ist in der Bundesrepublik bislang ohne Vorbild und tangiert natürlich das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften.
In der Anhörung zum Gesetzentwurf am 16. Januar wurde deutlich, dass insbesondere die Kirchen dort Einschnitte in ihrem Selbstbestimmungsrecht befürchten. Ein Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes kommt zu der Auffassung, dass § 7a, über den wir hier heute diskutieren, verfassungsrechtlich sehr bedenklich ist. Absatz 5 delegiert die Entscheidung über die Einrichtung eines bekenntnisgebundenen Studiengangs weitestgehend an die Hochschulen, natürlich mit Zustimmungsvorbehalt des Ministeriums. Ich zitiere aus diesem Gutachten nur zwei Sätze:
„Angesichts der erheblichen Grundsatzrelevanz der Materie müsste der Gesetzgeber in § 7a jedenfalls die Frage des Ob der Einrichtung eines konkreten bekenntnisgebundenen Studiengangs und die Eckpunkte des Wie, also der konkreten Ausgestaltung, selbst regeln. Hinsichtlich des Wie fehlen insbesondere gesetzliche Regelungen …“
„…die es ermöglichen, die aus der Bekenntnisgebundenheit des Studiengangs folgenden Besonderheiten zu berücksichtigen.“
Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Schierack, Sie haben gerade gesagt, das Gutachten, aus dem Sie gerade zitiert haben, habe erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken kenntlich gemacht. Können Sie aus dem Gutachten zitieren, wo genau dieser Passus steht, oder ist es nicht vielmehr so, dass Sie diese verfassungsmäßigen Bedenken in das Gutachten hineininterpretieren?
Ich kann Ihnen jetzt nicht die Seite sagen, Entschuldigung, das fehlt mir jetzt. Aber in der Anhörung war das gesagt worden, und auch in dem Gutachten ist das eindeutig so beschrieben.
Die für die kooperierenden Religionsgemeinschaften wichtige Frage, ob die Hochschule bzw. das Land in den Fällen einer Umsetzung eines Hochschullehrers erneut eine Planstelle für die Studiengänge bereitstellen muss, wird in dem Gesetz nicht geregelt. Meines Erachtens ist eine solche Regelung aber erforderlich. Eine Verpflichtung zur dauerhaften Finanzierung der Fakultät oder Einrichtung entsteht eben nicht, eine einfache öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen Hochschule und Religionsgemeinschaft kann das im Gegensatz zu einem Staatsvertrag eben nicht leisten.
Wir halten die Einzelfallregelung, die diese Materie regelt, für unabdingbar, weil die Besonderheiten der jeweiligen Religionsgemeinschaft zu berücksichtigen sind. Das leistet der vorgelegte Gesetzentwurf nicht, deswegen müssen wir ihn leider ablehnen.
Noch eine persönliche Anmerkung: Ich finde es schade, dass wir hier im Parlament keinen Konsens dazu gefunden haben. Bei dieser wichtigen Frage hätte ich mir sehr gewünscht, dass wir sie konsensualer lösen. Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben und es tut mir leid, dass wir hier nicht zu einem Konsens gekommen sind. Ich finde das sehr bedauerlich. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Schierack. - Wir kommen nun zum Redebeitrag der SPD-Fraktion. Frau Abgeordnete Melior hat das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schierack, ich finde es auch ausgesprochen bedauerlich, dass
wir nicht zum Konsens kommen, weil ich denke, dass wir gar nicht so weit auseinander sind. Aber ich will versuchen, das in meiner Rede noch einmal kurz zu erläutern.
Ich finde, wir setzen hier heute sozusagen den Schlussstein in den romanischen Bogen für die Jüdische Theologie an der Universität Potsdam, denn wir ermöglichen mit der Gesetzesänderung die Berufung von konfessionsgebundenen Professorinnen und Professoren für die Jüdische Theologie. Eine lange und strittig geführte Diskussion um die Einführung der jüdischen Theologie an unseren Hochschulen hier in Brandenburg neigt sich damit dem Ende entgegen.
Diese Entscheidung ist eine - ich will an der Stelle nicht zum Pathos neigen, aber dennoch der Sache angemessen sagen historische Entscheidung. Schon 1836 bezeichnete Abraham Geiger die Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät als ein dringendes Bedürfnis der Zeit. Fast 180 Jahre später sind wir nun endlich so weit.
Mit der vorgelegten konkreten Änderung in § 7a beschreiten wir - auch das haben Sie richtig gesagt, Herr Prof. Dr. Schierack - insofern einen ganz neuen Weg, als wir als Gegenüber für die Berufung konfessionsgebundener Professuren keine der beiden großen Kirchen in Deutschland haben, die meistens und auch das ist richtig - über Staatsverträge verfügen, die sie mit den jeweiligen Bundesländern geschlossen haben.
Die Regelung zur Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät soll über einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen. Das hat zu erneuter Diskussion auch im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur geführt. Das vom Parlamentarischen Beratungsdienst des Landtages gefertigte Gutachten hat - wie ich hier zurückhaltend, aber dennoch klar sage - leider nicht zur Klärung beigetragen, sondern nach meinem Dafürhalten noch weitere Verunsicherung gebracht.
Meine Damen und Herren, wie verhält es sich ganz konkret mit der Möglichkeit der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung? Ich zitiere hier nicht aus dem Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes, sondern ich zitiere den Experten in Deutschland, Professor für Kirchen- und Staatskirchenrecht Hans-Michael Heinig aus Göttingen, aus der Anhörung vom 16. Januar 2013:
„Der Gesetzentwurf scheint mir für die in ihm beschriebenen Ziele geeignet, das Anliegen zu verwirklichen. Der Weg über den öffentlich-rechtlichen Vertrag ist ein zu beschreitender Weg.“
Er sprach in der Anhörung davon, dass das Gesetz eine Fußnote in der europäischen Religionsgeschichte und ein ganzes Kapitel in der Geschichte des deutschen Religionsverfassungsrechts sei. Wir sind die ersten auf diesem Gebiet. Eine einschlägige Rechtspraxis bzw. Rechtsprechung dazu gibt es bisher nicht. Das ist auch Teil des Problems.
Meine Damen und Herren, das, was wir hier heute verabschieden, gilt nicht nur für die jüdische Theologie. Es eröffnet die theoretische Möglichkeit der universitären Ausbildung auch für andere Konfessionen. Ich halte das für selbstverständlich und finde zugleich richtig, dass der zuständige Ausschuss ins Benehmen zu setzen ist, wenn es dazu kommen sollte. Bisher ist das aber nicht der Fall.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Anmerkung zur evangelischen und katholischen Kirche. Beide haben Staatskirchenverträge und beide finden Berücksichtigung in § 7a Absatz 6 mit der Formulierung:
Die evangelische Kirche hat die universitäre theologische Ausbildung bereits weitgehend geregelt. Für die katholische Theologie sollte das ebenfalls im Einvernehmen erfolgen.
Lassen Sie es mich explizit sagen: § 7a sieht keine Regelung in der für die katholische Kirche wichtigen Frage des Lebenswandels vor. Dies soll jedoch in keiner Weise eine Vorfestlegung für eine potenzielle katholische Theologie an den brandenburgischen Hochschulen darstellen. Sollte es eines Tages das einhellige Bedürfnis nach einer katholischen Theologie im Land geben, muss verhandelt und eine adäquate Lösung für alle Beteiligten angestrebt werden.
Meine Damen und Herren, im vorliegenden Änderungsantrag finden Sie sowohl die Regelung über die Herstellung des Benehmens mit dem Fachausschuss als auch die in der Anhörung empfohlene Streichung des dritten Satzes in Absatz 2. Das Wort „grundsätzlich“ in Absatz 2 wollen wir gern beibehalten, verweisen aber ausdrücklich darauf, dass es sich um ausschließlich redaktionelle Änderungen handeln soll und alles andere miteinander zu klären ist.
Das war ein kleiner Exkurs in die komplizierte Materie der Religionsgeschichte. Seien Sie versichert, dass mit dieser Änderung einer universitären jüdischen Theologie jetzt nichts mehr im Wege steht. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich der Universität Potsdam, dem Abraham Geiger Kolleg, aber auch der Ziegler School, denn sie haben alles parallel zu unserer Gesetzgebung hier auf den Weg gebracht. Ich wünsche der universitären jüdischen Ausbildung einen guten Start und - frei nach dem Pastoraltheologen Rainer Bucher zitiert - viele Konfrontationen mit dem Denken der Gegenwart. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Melior. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Lipsdorf erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegt uns ein Gesetzentwurf vor. Ich sage am Anfang: Die FDP-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. Das werde ich gleich begründen, nur so viel vorweg: Wir haben uns sehr intensiv mit dem Gesetzentwurf beschäftigt - und das in liberaler Art und Weise. Deswegen bin ich gern in der FDP und gern in dieser Fraktion. Das möchte ich an dieser Stelle einmal sagen.
- Ja, das soll man ruhig ab und zu betonen. - Der Gesetzentwurf sieht die Einführung eines neuen § 7a - kommen wir
einmal zur Sache zurück - in das Brandenburgische Hochschulgesetz vor. Dieser ermöglicht die Einrichtung bekenntnisgebundener theologischer Studiengänge an staatlichen Hochschulen. Frau Melior sagte es schon, da wird ein 180 Jahre alter Traum von Abraham Geiger wahr.
Konkreter Anlass für die Gesetzesänderung ist das Vorhaben der Universität Potsdam und des Abraham Geiger Kollegs, an der Universität die akademische Ausbildung von Rabbinern und Rabbinerinnen sowie Kantoren und Kantorinnen anzubieten. Innerhalb der Philosophischen Fakultät der Universität soll eine Schule für jüdische Theologie mit sechs Professuren eingerichtet werden. Das Studium kann zum kommenden Wintersemester 2013/14 beginnen.
Aufgrund der Neutralitätspflicht des Staates in Fragen der Religion und Weltanschauung richtet sich das Gesetz an alle Religionsgemeinschaften. Wir als FDP-Fraktion möchten explizit festhalten, dass § 7a keinen Vorgriff auf Entscheidungen über andere theologische Studiengänge darstellt. Die Einrichtung theologischer Studienangebote an staatlichen Hochschulen ist grundgesetzlich vor dem Hintergrund von Recht und Pflicht des Staates, Bildung und Wissenschaft an den Hochschulen zu organisieren, erlaubt. Dabei muss der Staat allerdings das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft berücksichtigen und achten, deren Theologie Gegenstand von Unterricht bzw. Studium ist.
Dementsprechend sieht § 7a für die jeweils betroffene Kirche oder Religionsgemeinschaft ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung oder Änderung von theologischen Studiengängen sowie ein Mitspracherecht in Fragen der Studien-, Prüfungs-, Promotions- und Habilitationsordnung vor.