Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Görke, das Thema, wie sich die Rente angesichts des demografischen Wandels und des Strukturwandels der Arbeitswelt entwickelt, ist seit über 20 Jahren Gegenstand emotionalster Debatten in diesem Lande. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich auch die Enquetekommission, die im Dezember 2010 seitens der Bundesregierung unter dem Titel „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ eingesetzt wurde, auch diesem Thema gewidmet hat, wenngleich nicht sehr ausführlich, sondern man hat den Eindruck, eher en passant.
In der Projektgruppe 4 ist nämlich folgende Definition der zukünftigen Entwicklung abgegeben und als Mehrheitsmeinung der Enquetekommission festgehalten worden:
„… macht eine Reihe von Vorschlägen, um die langfristige Tragfähigkeitslücke in der staatlichen Alterssicherung zu reduzieren. Zum einen darf von bestehenden Reformmaßnahmen wie der Rente mit 67 nicht Abstand genommen werden. Vielmehr sollte aufgrund der weiter zunehmenden Lebenserwartung ein weiterer Anstieg des gesetzlichen Rentenalters in Erwägung gezogen werden. So würde ein über das Jahr 2029 hinausgehender schrittweiser Anstieg auf 69 Jahre im Jahr …“
„die Tragfähigkeitslücke der öffentlichen Haushalte voraussichtlich um 0,7 Prozentpunkte reduzieren. Zu bedenken wäre zudem, ob nicht ein regelgebundenes Verfahren einzuführen wäre, analog zur Schuldenbremse. Beispielsweise könnte das gesetzliche Renteneintrittsalter an die Entwicklung der ferneren Lebenserwartung gekoppelt werden unter der Setzung, dass sich das Verhältnis von Erwerbsphase und Ruhestandsphase nicht ändern soll.“
Daraufhin haben die Kommissionsmitglieder der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE ein eigenes Sondervotum abgegeben. Ich zitiere daraus:
„Eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre wird abgelehnt. Dies wird nicht als angemessene Antwort auf die derzeitige demografische Entwicklung angesehen, da dies das gesamtgesellschaftliche Problem auf eine kleine Bevölkerungsgruppe, nämlich die Rentnerinnen und Rentner, abwälzen würde. Übergänge in die Rente sollten an der individuellen Leistungsfähigkeit festgemacht werden und nicht die Problematik der Altersarmut verschärfen.“
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Antwort. Wie bewertet die Landesregierung die Idee, das gesetzliche Renteneintrittsalter gänzlich abzuschaffen und den Renteneintritt ab dem 60. Lebensjahr bei entsprechenden Abschlägen bzw. bei 45-jähriger Einzahlungsdauer, also bei 45 Beitragsjahren, abschlagsfrei zu gestalten?
Sie haben jetzt ziemlich viele Dinge durcheinandergebracht. Da die Landesregierung nicht täglich über neu auf dem Tisch landende Vorschläge, wie man die Rente weiterentwickeln kann, eine jeweilige Positionsbestimmung vornimmt, gibt es zu dem gerade von Ihnen vorgetragenen Vorschlag keine dezidierte Position.
Man muss noch einmal klar in Erinnerung rufen: Wir haben als Staat drei Stellschrauben, mit denen wir auf die aktuelle Rentenentwicklung Einfluss nehmen können: Das ist der Beitragssatz, das ist das Renteneintrittsalter und es ist der Staatszuschuss. Hier gibt es eine klare Struktur. Wir sind dabei, das Renteneintrittsalter bis zum Jahre 2029 auf 67 anzuheben. Wir haben dabei eine ganze Reihe von Problemen zu bewältigen. Darauf muss diese Regierung, dieses Land Einfluss nehmen, beispielsweise darauf, dass im Sinne der Überprüfungsklausel gegenwärtig weniger als 50 % der Beschäftigten zwischen 60 und 64 wirklich sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Bevor dieses Problem nicht gelöst ist, ist auch der Übergang in ein höheres Renteneintrittsalter sehr schwer.
Wenn man auf eine Rentenpolitik käme, wo es kein gesetzliches Renteneintrittsalter mehr gäbe, wäre die Planung der Rente für die Menschen nicht mehr möglich, weil wir dann nur noch wesentlich schwieriger berechnen können, wie die Kassenlage überhaupt aussieht. Da wir diesen Dreisatz von Beitrag, Staatszuschuss und Renteneintrittsalter sehen müssen, kann man nicht einfach an einer Stellschraube nach Belieben drehen, sondern die Rentenpolitik ist vermutlich, auch wenn sie etwas trocken daherkommt, eines der anspruchsvollsten Themen, das die Politik zu bewältigen hat.
Sie sprachen von einer relativ kleinen Gruppe, die von diesen Auswirkungen betroffen wäre. Werden wir aber nicht alle einmal Rentner?
Es gibt auch Menschen, die dieses Alter nicht erreichen. Von daher ist ein einfaches Ja auch schon wieder zu viel. Ich denke, das war jetzt mehr philosophisch gefragt.
Wir kommen nun zur nächsten Frage, die auch der Staatssekretär beantworten muss. Es handelt sich um Frage 1247 (Bildung einer Pflegekammer), gestellt von Frau Schier.
Die Einrichtung einer Pflegekammer wird in Brandenburg zurzeit sehr unterschiedlich diskutiert. Während einige Pflegeverbände für die Einrichtung plädieren, sprechen sich Pflegekräfte oft gegenteilig aus. Das wurde auch in der Zuschrift 5/283 deutlich.
Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie die Diskussion um die Bildung einer Pflegekammer für Brandenburg?
Liebe Frau Schier, vielen Dank für die Frage. Das ist in der Tat eine sehr umstrittene Debatte, die wir bundesweit gegenwärtig zur möglichen Einrichtung einer solchen Kammer haben. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, mit welchem Blick die Landesregierung auf diese Debatte schaut.
Wir haben in Brandenburg gegenwärtig etwa 26 000 Menschen, die in der Pflege aktiv sind. Wir haben aufgrund des erwartbaren demografischen Wandels und der damit verbundenen Zunahme der Pflegebedürftigen eine Brandenburger Pflegestudie in Auftrag gegeben. Wir haben auch schon erste prognostische Daten über die weitere Entwicklung der Pflegenden, die wir in den nächsten Jahren brauchen werden, und wir werden bis zum Jahr 2030 von derzeit 26 000 auf vermutlich 54 000 Pflegende hochgehen müssen, wenn alles so bliebe, wie es jetzt ist, was wir natürlich nicht wollen. Wir werden auch alles tun, um dagegen anzugehen.
Wir haben gleichzeitig die Situation, dass das sogenannte Erwerbspersonenpotenzial, also die Menschen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden, im gleichen Zeitraum um etwa 25 % nach unten geht. Gleichzeitig kommt hinzu - das wissen Sie alle -, dass die Arbeitsbedingungen der Pflegenden sehr hart sind. Das ist ein außerordentlich anspruchsvoller Job. Die Bezahlung ist nicht so, wie man sie sich angesichts dieser harten Arbeit wünscht, die diese Menschen verrichten müssen. Auch die Vereinbarkeitsregeln sind nicht so weit entwickelt. Damit haben wir das Problem, in Zukunft hinreichend viele Menschen für diesen anspruchsvollen Beruf zu finden.
Vor diesem Hintergrund ist die Debatte zu sehen: Kann man mit einer Pflegekammer einen zusätzlichen Impuls geben, der darauf hinwirkt, die Attraktivität des Berufsbildes der Pflegenden zu stärken? Dabei ist auch klar, dass eine Pflegekammer nicht die Arbeit abnehmen kann, die eigentlich die Unternehmen leisten müssten, also diejenigen, die über die Einstellung der Pflegekräfte entscheiden. Sie ist auch nicht in der Lage, unsere Arbeit abzunehmen, die wir als Landesregierung zu erledigen haben, und sie ist auch nicht in der Lage, die Arbeit der Gewerkschaften und Berufsverbände zu ersetzen. Wir gehen aber davon aus, dass eine Pflegekammer möglicherweise das Berufsbild attraktiver nach außen tragen und dafür werben könnte, wie sinnvoll und attraktiv dieser Beruf ist, und dass man auch im Sinne des Berufsethos einige Beiträge zusätzlicher Art leisten könnte, die derzeit nicht hinreichend nach außen dringen.
Die Frage, welche Berufe von den Menschen präferiert werden, ist ja eine zutiefst gesellschaftspolitische Debatte. Dabei ist auch maßgeblich, wer sich einmischt und wer eine starke Stimme hat. Wenn über eine Pflegekammer, wo all diejenigen Mitglied wären, die in der Pflegebranche tätig sind, eine starke Stimme generiert werden könnte, wären wir dem gegenüber sehr offen.
Aber Sie haben es schon angeschnitten: Wir sehen auch eine Reihe von Problemen. Insofern ist unsere Position gegenwärtig, dass wir uns zunächst anschauen, was in den Ländern, die bereits etwas weiter in der Konzeption einer solchen Pflegekammer sind, geschieht. Es gibt zwei Länder - das sind Rheinland-Pfalz und Niedersachsen -, die gegenwärtig gerade eine Umfrage bei den Pflegenden vorbereiten, und es gibt eine ganze Reihe von Ländern, die in einer ähnlichen Situation sind wie wir. Wir wollen die Angelegenheit etwas stärker im Gleichklang mit diesen Ländern vorantreiben; wir werden also in Brandenburg keinen Sonderweg anstreben.
Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass angesichts dieser riesigen Herausforderung, die im Bereich der Pflege zu bewältigen ist, ein einfaches „Weiter so!“ unzureichend ist. Insofern müssen wir darüber nachdenken, was wir alles tun können. Das muss man aber mit Augenmaß betreiben. Insofern ist ein Blick in die anderen Länder, die uns hier voraus sind, ganz wichtig. Vielen Dank.
Sie haben es ja gesagt: Wenn die Pflegekammer nur dazu dienen würde, die Attraktivität der Pflegeberufe, bei denen wir
auch in Zukunft einen hohen Personalbedarf haben werden, zu verbessern, wäre das schon ein richtiger Schritt. Meine Frage, die ich aber eigentlich hatte, war die nach bestehenden Verbindungen zu anderen Ländern.
Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass das ein Thema in Ihrem Ministerium ist und Sie in regem Kontakt mit anderen Bundesländern stehen, die sich in der Entwicklung befinden, eventuell eine Pflegekammer zu gründen. Habe ich das richtig verstanden?
Genau, das war meine Position: Enger Kontakt mit den Ländern, die augenblicklich dabei sind, Umfragen zu machen, Konzepte aufzustellen, und sich in der gleichen Situation wie wir befinden.
Vielen Dank für diese Antworten. - Wir sind damit am Ende der Fragestunde angelangt. Ich entlasse Sie bis 13 Uhr in die Mittagspause.
Bevor wir in den Tagesordnungspunkt 3 einsteigen, möchte ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Stadtschule Altlandsberg bei uns begrüßen. Seien Sie - mitsamt den Lehrinnen, die hier schon öfter zu Gast waren - herzlich willkommen.