Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Anfang des Jahres, da überraschten die Bildungsminister aus Bayern, Niedersachsen und Sachsen mit der Vorstellung von Eckpunkten eines sogenannten Bildungsstaatsvertrags. Einheitliche Standards für Schulabschlüsse und in der Lehrerbildung sollten da vereinbart werden. Das klingt populär, das ist populär, aber die Initiative, die ist schlicht und ergreifend populistisch. Denn nichts sagt diese Initiative zur ebenso populären Forderung zur Abschaffung des Kooperationsverbots, und genau das scheint auch gewollt zu sein. Das Kooperationsverbot soll erhalten bleiben, das Kooperationsverbot, das uns verbietet, dass im Bildungsbereich bei so wichtigen Themen wie Inklusion Bund und Länder dieses Thema gemeinsam stemmen, das soll zementiert werden. Und neben dem Wahlkampfeffekt - das kam ja kurz vor der Niedersachsenwahl - ist das des Pudels Kern der Initiative. Die dient in keiner Weise dem bildungspolitischen Fortschritt, denn: Bildungspolitik in Deutschland ist schon wesentlich weiter. Wir haben bereits seit 2004 gemeinsame Standards für die von der Kultusministerkonferenz anerkannten Abschlüsse. Wir haben auch kein Anerkennungsproblem, denn diese so erworbenen Abschlüsse nach diesen Standards der Kultusministerkonferenz sind bundesweit anzuerkennen.
Beim Abitur sind wir schon einen Schritt weiter. Da haben wir nicht nur diese gemeinsamen Standards, sondern dann ab 2017 sogar einen gemeinsamen Aufgabenpool für die Abiturprüfung. Wir haben gemeinsame Qualitätsrahmen für Schulevaluation, und wir haben die gemeinsamen Standards zur Lehrerbildung. Wir haben all das. Und die Bundesländer, die ein ehrliches Interesse an mehr Vergleichbarkeit in der Bildung haben, die sollten als Allererstes diese Regelung in ihrem eigenen Land umsetzen.
Wie die Lehrerbildung zeigt, haben gerade diese Länder, die jetzt diese Initiative ergriffen haben, hier auch großen Nachholbedarf. Brandenburg hat, wie Sie wissen, die Lehramtsausbildung auf Bachelor und Master umgestellt mit 300 Punkten und mindestens fünf Jahren für alle Lehrämter - für alle Lehrämter. Dagegen gibt es in Bayern noch immer keine Initiative in diese Richtung. Und Sachsen hat eine vierjährige Grundschullehrerausbildung eingeführt mit einem anschließenden Jahr Referendariat.
An dieser Stelle noch einmal zur Erinnerung: Brandenburg hat sich bei der Föderalismusreform explizit gegen eine Ausweitung der Länderkompetenzen eingesetzt und dafür viel Kritik eingesteckt - gerade auch von den Südländern, gerade auch aus Bayern. Brandenburg wird deshalb aber zukünftig auch alle ernsthaften und sinnvollen Initiativen für mehr und bessere Vergleichbarkeit, für einheitlichere Standards unterstützen.
Aber: Das Problem mit den gemeinsamen Abiturprüfungen mit Berlin hat für mich auch gezeigt: Vereinheitlichung ist kein Selbstzweck. Schon deshalb würde ich nicht mehr jeder Initiative einfach hinterherlaufen. Für mich lohnt es sich, genauer hinzuschauen, ob die Bedingungen von vier- oder sechsjähriger Grundschule, von unterschiedlich aufgebauten Bildungssystemen in den einzelnen Ländern, unterschiedlichen Größendimensionen von Stadtstaat und von dünn besiedeltem Flächenland, ob all das Vereinheitlichung überhaupt sinnvoll und umsetzbar macht.
Bei der Initiative aus Sachsen, Niedersachsen und Bayern stellen sich all diese Fragen nicht, denn das war eine bunte Wahlkampfrakete, bei der auch nichts mehr hinterherkam und die spätestens mit der Niedersachsenwahl verglüht ist. - Vielen Dank.
- Von Sumo war nie die Rede, Frau Hackenschmidt. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen - wir alle erfahren es auch immer wieder in den Diskussionen, die wir alle führen -, dass die Menschen in Deutschland unzufrieden sind mit der gegenwärtigen Situation, mit den negativen Begleiterscheinungen, mit den negativen Auswüchsen des Bildungsföderalismus und dass sie von uns zu Recht erwarten, dass wir da irgendetwas machen. Diesen Menschen geht es im Kern darum, dass die Mobilität der Familien beim Schulwechsel nicht gehemmt wird, dass sie also, wenn sie denn müssen, in ein anderes Bundesland umziehen können und dass die Kinder nicht diejenigen sind, die darunter am meisten zu leiden haben. Und sie erwarten auch, dass wir, die Politik, endlich die Vergleichbarkeit von Leistungen vernünftig ermöglichen. Das sind berechtigte Forderungen aus meiner Sicht, denen wir Bildungspolitiker - egal ob im Land oder im Bund - uns stellen müssen, denen wir nachkommen müssen. Wir müssen dafür sinnvolle und praktikable Lösungen finden.
Ein Bildungsstaatsvertrag, wie er angeregt wurde, zwischen den Ländern - möglicherweise auch mit dem Bund - kann dafür eine geeignete Maßnahme sein, wie ich finde, wie wir unserer gesamtstaatlichen Verantwortung im Bildungswesen gerecht werden und so für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen können. Denn damit könnte es tatsächlich gelingen, dass wir die wichtigen Beschlüsse der KMK zu den Bildungsstandards in den Ländern endlich rechtlich verbindlich umsetzen können. Denn das sind sie bisher eben nicht. Die KMK hat viel beschlossen und kann auch viel beschließen, aber es gibt keine rechtliche Verbindlichkeit, das umzusetzen, und das würde sich mit einem solchen Bildungsstaatsvertrag ändern.
Jetzt höre ich von den Bildungspolitikern von SPD, von der Linken aus den Ländern laufend - so, wie wir es eben auch gehört haben -: Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern abschaffen! Da sage ich ganz ehrlich und ganz offen: Ich persönlich bin da auch nicht der Meinung wie mein Kollege An
dreas Büttner, dass es eine rückwärtsgewandte Forderung ist. Ich bin auch der Meinung, dass sich dieses Kooperationsverbot nicht bewährt hat. Ich glaube auch, dass wir es aufheben sollten.
Aber ich will auch sagen, dass das eine und das andere einander überhaupt nicht ausschließt. Man kann durchaus das Kooperationsverbot aufheben oder über die Aufhebung nachdenken und trotzdem auf der anderen Seite zusehen, wie wir zu mehr Vergleichbarkeit kommen. Wer allerdings glaubt, dass die Aufhebung des Kooperationsverbots allein dafür sorgen würde, dass sich unser Bildungswesen automatisch - wie von Zauberhand geleitet - plötzlich zu einem transparenten, gerechten und vergleichbaren Bildungssystem entwickelt, der liegt natürlich auch völlig falsch. Und besonders scheinheilig ist es, wenn man diese Aufhebung des Kooperationsverbots im Prinzip vor dem Hintergrund fordert, dass man sich sagt „Okay, dann kann der Bund schön das Geld rüberschieben, und was wir damit machen, entscheiden wir ganz allein“, denn damit würden wir letztlich nur erreichen, dass das Bildungssystem, dass der Flickenteppich noch mehr zerfasert.
Dann höre ich des Öfteren auch die Forderung - Sie alle hören sie sicherlich auch -: Macht doch den Bund zur entscheidenden Instanz! Übertragt die Bildungskompetenz dem Bund! Ich glaube, auch das kann nicht das Ziel sein, denn dann laufen wir nämlich Gefahr - und das wissen Sie auch -, dass wir alle vier Jahre mit jeder neuen Regierung bundesweit das gesamte Bildungswesen umkrempeln, und das kann keiner wollen. Das können auch Sie nicht wollen, und ich glaube, dass wollen auch die Menschen im Land nicht.
Trotzdem müssen wir die Frage beantworten, wie wir diesem Wildwuchs, wie wir diesem Flickenteppich beikommen wollen und können. Aus meiner Sicht kann ein Staatsvertrag eine solche Maßnahme sein. Er ist die richtige Antwort auf die wichtigen Fragen wie Vergleichbarkeit, Transparenz der Schulabschlüsse, der Leistungsgerechtigkeit, und ich glaube, das ist die richtige Möglichkeit, diese Fragen sinnvoll, praktikabel und rechtsverbindlich zu beantworten.
Ich hoffe, dass die Ministerin auch heute hier in der Debatte den Mut hat, ihre Ansicht zu wiederholen, die sie am 10. Januar im Bildungsausschuss geäußert hat, als sie den Staatsvertrag als in der Sache gar nicht verkehrt bezeichnet hatte.
In der Hoffnung, dass Sie den Mut nicht verloren hat, bitten wir um Zustimmung zu diesem gemeinsamen Antrag. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank an FDP und CDU für den Antrag. So können wir noch
einmal einiges miteinander klären. Natürlich ist die Linke für Bildungskooperation über Ländergrenzen hinweg
Ich bin ja sozialisiert worden in einem verschwundenen Land, in dem man von Saßnitz bis Morgenröthe-Rautenkranz und von Schwedt bis Suhl zur gleichen Zeit das Gleiche gelernt und das gleiche Abitur geschrieben hat und überall das Gleiche gemacht hat. Also eine gewisse Affinität zu dieser Gleichheit können Sie schon einmal grundsätzlich unterstellen, denn das hat einen schon geprägt.
Und natürlich sind auch wir, Herr Hoffmann, Herr Büttner, genau wie Sie immer zu den Veranstaltungen unterwegs, wo alle sich über unterschiedliche Schulbücher und all diese Dinge beklagen. - Kennen wir!
Zu dem verschwundenen Land, wo es bestimmte Nichtmobilität gegeben hat aus Gründen, die Sie kennen, ist also Mobilität als Erfordernis jetzt hinzugekommen und natürlich die Herausforderungen der Wissensgesellschaft und natürlich Europa und natürlich die Welt und natürlich all das, was es erforderlich macht, mobil zu sein.
Die Linke hat die Föderalismusreform 2006, die dieses unsägliche Kooperationsverbot von Bund und Ländern bei der Bildung zur Folge hatte, ja auch abgelehnt. Ihre Stimme - die der Antragsteller - war damals nicht so sehr zu hören. Seit 2006 haben sich die Schulsysteme der Länder - und da bin ich wieder bei Ihnen - noch weiter auseinanderentwickelt. Alle Versuche, Anschlussfähigkeit, Durchlässigkeit zu sichern, haben zu noch mehr Bürokratie für die betroffenen, auf Mobilität angewiesenen Menschen geführt.
Auch der schwere Tanker - und da bin ich auch bei Ihnen - KMK, also Kultusministerkonferenz, bewegt sich nur mühselig. Einige Bildungsstandards sind auf dem Weg. Der gemeinsame Aufgabenpool - Kollege Thomas Günther hat darüber gesprochen ist für 2016/17 vorgesehen. Und bei der Lehrerbildung - erinnern Sie sich bitte - haben wir gerade wegen dieser KMK-Beschlüsse zur Vergleichbarkeit auf diesen Quedlinburger Beschluss aufgebaut und unser Lehrerbildungsgesetz dahingehend schon angepasst.
All das - und auch hier bin ich bei Ihnen - ist zu wenig, zu langsam, ist noch ineffizient, ist noch nicht leistungsfähig. Es gibt kaum Steuerungsmöglichkeiten, und es verschärft ja insgesamt in allen Systemen auch die soziale Segregation. Nun kommen aber diese drei Länder und wollen per Staatsvertrag Bewegung in diese Sache bringen. Auch die FDP zieht sich zusammen mit der CDU die „Unterwanderstiefel“ an und will, dass wir alle beim Unterwandern des Kooperationsverbots mittels Staatsvertrag mitmachen.
Die Fantasie hält sich bei diesen Eckpunkten aber sehr in Grenzen, Herr Kollege Büttner. Bildungsstandards gibt es schon, ein Monitoring gibt es schon. An Vergleichsarbeiten mangelt es
Überhaupt nicht nachvollziehbar ist die Forderung dieser drei Länder nach einer Finanzierung des Instituts zur Qualitätssicherung. Wir haben schon mit Berlin ein gemeinsames - auch ohne großen Staatsvertrag.
Und es gibt das IQB, es gibt für den gesamten Bund ein Qualitätsentwicklungsinstitut. Also was wollen wir denn noch für Institute schaffen, die die Qualität in diesem Land sichern? Oder sollen die sich zusammenschließen oder wie? Die können jedenfalls jetzt schon kooperieren; das verbietet diesen Instituten niemand.
Ja, die gegenseitige Anerkennung - darauf haben Sie auch noch einmal abgezielt - der Abschlüsse in der Lehrerbildung wird angesichts des Fachkräftemangels auf dem Lehrerarbeitsmarkt zunehmend wichtiger. Ich sehe auch die Gefahr, Herr Büttner, dass Länder künftig nur noch für den eigenen Bedarf ausbilden und ihre Gesetze so stricken, dass genau das passiert. Aber dazu bedürfte es nun wirklich einer bundesweiten Regelung, und eine der wichtigen Stellschrauben wollen Sie oder diese drei Länder ja gar nicht anpacken - da wollen Sie ja draufspringen -, nämlich die gleiche Besoldung und Vergütung für alle Lehrer in allen Bundesländern.
Dann hätten wir das Problem ja nicht mehr. Nein, ein solcher Staatsvertrag ist nicht nur ein Umweg, er ist auch ein Irrweg, und wir sollten keine Kraft darauf verschwenden. Ein wirkliches Umsteuern ist nötig. Die Linke hält es für geboten, zum einen das Kooperationsverbot aufzuheben. Und Sie haben Recht: Das löst lange nicht alles. Und jetzt kommt das, was die Linke zusätzlich will: eine neue Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern für Bildung im Grundgesetz verankern,
Und, meine Damen und Herren - jetzt gucke ich vor allem in Richtung CDU -, dafür scheint es ja durchaus Mehrheiten auch außerhalb der Linken zu geben. Ich habe Frau Prof. Wanka sehr interessiert gelesen, und wir kennen sie hier ja alle gut. Auch sie war für das Aufheben des Kooperationsverbots, und das klingt doch schon mal ganz gut. Engagieren Sie sich also dafür in Ihren Parteien, meine Damen und Herren Abgeordnete, und lösen Sie sich von diesem Staatsvertragsstückwerk.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei den Verhaltensforschern wird die Übersprungshandlung als eine Handlung definiert, die vom Beobachter als unerwartet empfunden wird, da sie innerhalb einer Verhaltensabfolge auftritt, in der sie keinem unmittelbaren Zweck zu dienen scheint. „Diese Bewegungen scheinen irrelevant in dem Sinne zu sein, dass sie unabhängig vom Kontext der unmittelbar vorhergehenden oder folgenden Verhaltensweisen auftreten“, beschreibt Wikipedia. Ich frage mich, ob wir es hier vielleicht mit einer solchen Handlung zu tun haben.
Da kommt aus den CDU/CSU-Reihen der Vorschlag, genau das zu tun, was die Kultusministerkonferenz entweder schon getan hat oder gerade dabei ist zu tun. Den Sinn der grundlegenden Forderung will ich hier auch gar nicht bestreiten. Aber ist Ihnen das KMK-Prozedere vielleicht einfach zu langwierig? Haben CDU und CSU und mit Ihnen jetzt vielleicht auch die antragstellende FDP einfach Angst, im Wahlkampfjahr mit den Bemühungen der KMK nicht genügend eigene Profilbildung erreichen zu können - vielleicht, weil sie auch kaum noch Mitglieder in der KMK haben? Musste dafür extra diese Parallelhandlung erfunden werden? Ich weiß es nicht. Warum wir den Bildungsstaatsvertrag brauchen sollten - ich habe keine Ahnung.