Protocol of the Session on February 27, 2013

So bleibt Brandenburg bei der Beteiligung der Öffentlichkeit hinter dem Vorschlag von Rheinland-Pfalz zurück, da nicht das Verwaltungsverfahrensgesetz gelten, sondern Näheres per Rechtsverordnung festgelegt werden soll. Ein „angemessenes Maß“ ist vorgesehen, soll aber erst noch definiert werden.

Rheinland-Pfalz schlägt zudem vor, dass über die Flugverfahren Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt hergestellt werden muss. Dem steht der schon genannte Brandenburger Freibrief für den Bundesverkehrsminister gegenüber. Wozu das Ganze? Die Bürgerinitiativen können Sie damit jedenfalls nicht gewinnen.

Doch zurück zum Brandenburger Verantwortungsbereich: In der Anhörung im Infrastrukturausschuss führte Rechtsanwältin

Heß noch einmal deutlich aus, dass zwei Wege zu einem Nachtflugverbot am BER führen: erstens die Änderung der gemeinsamen Landesplanung mit Berlin, zweitens eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses.

Für die einvernehmliche Regelung muss die Landesregierung nun, wie bereits von Ministerpräsident Platzeck angekündigt, schnellstmöglich Verhandlungen mit Berlin aufnehmen. Den zweiten Weg kann Brandenburg aber auch allein beschreiten. Im Planfeststellungsbeschluss wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Planfeststellungsbehörde berechtigt ist, Flugbetriebsregeln zu ändern, wenn sich die Rahmenbedingungen verändert haben.

(Holzschuher [SPD]: Genau!)

Genau das ist am BER der Fall: veränderte Flugrouten, noch nicht abgeschlossene Lärmschutzmaßnahmen, neue lärmmedizinische Erkenntnisse - um nur einige zu nennen, Kollege Holzschuher. Wenn es die Landesregierung also mit dem Nachtflugverbot ernst meint, muss sie neben den Verhandlungen mit Berlin auch die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses anstreben.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Ein konsequentes Nachtflugverbot hat erst dann Bestand, wenn es im Planfeststellungsbeschluss gerichtlich verankert ist.

Eines werden wir jedenfalls nicht hinnehmen: dass die Landesregierung sich halbherzig in Verhandlungen begibt und sich im Falle des Scheiterns mit dem Hinweis, man habe es ja versucht, aus der Verantwortung zieht. Schließlich ist es die Landesregierung, die diese missliche Situation, in der sie sich nun befindet, selbst herbeigeführt hat. Hätten Sie, Ministerpräsident Platzeck, von vornherein klar Stellung für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger bezogen, anstatt herumzudrucksen und sich mit Verweis auf die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Lösung herauszureden, hätten Sie Ihre Berliner Genossinnen und Genossen nicht aus heiterem Himmel vor den Kopf stoßen müssen. Dann wären Sie allerdings vermutlich auch nicht Aufsichtsratsvorsitzender geworden. Aber das wäre wahrscheinlich ein Vorteil gewesen; denn es hätte Ihnen den eklatanten Interessenkonflikt, in dem Sie sich aktuell befinden, erspart. Ich tue mich jedenfalls schwer mit der Vorstellung, dass Sie die Forderung des Volksbegehens tatsächlich gegen den Willen des Bundes und des Landes Berlin durchsetzen und dabei weiter Aufsichtsratsvorsitzender bleiben.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Ich möchte zusammenfassen: Wir fordern von der Landesregierung, das Volksbegehren nicht nur anzunehmen, sondern dessen Forderung nach einem Nachtflugverbot am BER von 22 Uhr bis 6 Uhr tatsächlich umzusetzen. Dazu müssen drei konkrete Schritte unternommen werden:

Erstens sind Verhandlungen mit dem Land Berlin aufzunehmen. Zweitens ist eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses in Angriff zu nehmen. Drittens bedarf es einer Bundesratsinitiative, die klar und unmissverständlich ein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr fordert.

Wenn Sie diese Punkte nicht angehen, sondern stattdessen den zweifelhaften Aussagen des Entschließungsantrags folgen, bei

spielsweise dass Änderungen der Landesplanung eigentlich gar nichts bringen oder dass vermeintlich Wettbewerbsnachteile drohen, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Linke, werden Ihnen die Bürgerinnen und Bürger Ihren Sinneswandel mit Sicherheit nicht abnehmen. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Das Wort erhält noch einmal die Fraktion der FDP. Herr Abgeordneter Goetz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ende 2011 hatte sich der Landtag mit der - damals erfolgreichen - Volksinitiative befasst, ebenfalls zum gleichen Thema: Volksbegehren zu einem Nachtflugverbot am BER. Damals haben in diesem Landtag zehn Abgeordnete für das Volksbegehren gestimmt und sich damit dafür ausgesprochen, dass ein umfassendes Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr eingeführt wird.

Danach passierte das, was die damalige Landtagsmehrheit nicht für möglich hielt: Die Vertreter der Bürgerbegehren, die Volksentscheider, letztlich das Volk stand auf, hat seine Interessen weiter artikuliert und ein Volksbegehren erwirkt, das erstmals in der Geschichte Brandenburgs erfolgreich war, und zwar mit einem Quorum, das weit über die erforderliche Zahl hinausging, nämlich mit - bereinigt - 106 391 Stimmen. Das ist der Hintergrund des heutigen Sinneswandels, wie er von der Landesregierung vollzogen wird.

Herr Ministerpräsident, Sie haben nach Bekanntwerden der Zahl von 106 391 Stimmen zunächst erklärt, das seien ja nur 5 % der Wahlberechtigten in Brandenburg. Das mag man am Ende so sehen. Ich erinnere aber auch daran - das als Vergleichszahl -: Die FDP hatte 2009 mit 7,2 % oder 100 400 Stimmen das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte erzielt. Das waren weniger Bürger, als dem erfolgreichen Volksbegehren zugestimmt haben. Das zeigt, wie ernst man das Volksbegehren nehmen sollte. Es wird aber auch deutlich, dass Bürger, die in dieser Zahl dem Volksbegehren zugestimmt haben, eine gute Landtagsfraktion wählen können.

(Jürgens [DIE LINKE]: Herr Beyer hat vorhin von „Parti- kularinteressen“ gesprochen!)

- Hören Sie einfach zu! Dann können Sie etwas lernen, Herr Jürgens. Dann sehen wir weiter. Vielleicht können Sie sich kurz beherrschen und lassen mich meine Redezeit nutzen. Ich höre Ihnen auch zu, wenn Sie sprechen, obwohl mir durchaus nicht alles gefällt, was Sie erzählen; darunter ist nämlich viel Seltsames.

(Beifall FDP und CDU)

Die Zustimmung des Ministerpräsidenten ist deshalb erfolgt, weil der Volksentscheid erfolgreich gewesen wäre. Auch das ist die Überzeugung, die inzwischen zum Ausdruck gekommen ist. Gerade die Linke hat sich verdient gemacht, indem sie entsprechende Befragungen hat durchführen lassen. Es ist deutlich geworden, dass über 40 % der Brandenburger für ein Nachtflug

verbot stimmen wollten. Die Landesregierung hatte die deutliche Sorge, dass das Volksbegehren zum Erfolg geführt worden wäre.

Herr Ministerpräsident, manche werfen Ihnen jetzt vor, dass Ihr Sinneswandel nicht von Herzen komme, dass es also nicht um die Gesundheit der Anwohner gehe, sondern darum, wie Sie auch selbst sagen, den Frieden im Lande, quasi den „Märkischen Landfrieden“, zu erhalten. Ich mache Ihnen diesen Vorwurf ausdrücklich nicht. Natürlich haben wir diesen Druck erzeugt. Es war doch Sinn des Drucks, dass Sie Ihre Meinung ändern. Wenn das der Grund ist, zu einer anderen Auffassung zu kommen und sich für eine Nachtruhe von 22 Uhr bis 6 Uhr einzusetzen - wenn auch nicht aus besserer Einsicht in die Erfordernisse der Gesundheit, sondern weil das Volk in großen Teilen das will -, dann ist das dennoch in Ordnung und zu akzeptieren. Auch damit können wir leben.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD - Frau Melior [SPD]: Genau!)

Allerdings, Herr Ministerpräsident, ist dieser Sinneswandel nicht der erste. Ich erinnere daran, dass Mitte der 90er-Jahre Ihr Amtsvorgänger, als es um die Standortentscheidung ging, Schönefeld noch als „unmenschlichen Standort“ bezeichnete. Kurz danach hat er für das Land Brandenburg genau diesem Standort zugestimmt.

Zu einem weiteren Sinneswandel kam es 2010, als der Flugroutenbetrug aufflog. Ich erinnere daran, dass es damals eine Reihe von Protesten gab. Besonders gut erinnere ich mich an einen in Stahnsdorf. Dort trafen sich neben der Gemeindeverwaltung ungefähr 8 000 Menschen. Wir beide waren dabei. Sie haben damals unter anderem erklärt: „Die Sicherheit kommt zuerst.“ Das ist völlig unstreitig. „Dann kommen Gesundheit und Lärmschutz, erst dann die Wirtschaftlichkeit.“ Das war Ihre Aussage dort. Das ist auch gefilmt worden. Auf dem TeltowKanal kann man sich das anschauen.

Das haben wir damals gern gehört. Nur wenige haben es geglaubt. Diejenigen, die misstrauisch waren, hatten Recht, weil sich die Reihenfolge später umkehrte und plötzlich die Wirtschaftlichkeit Vorrang vor Lärmschutz und Gesundheit erhielt.

Nunmehr erleben wir einen weiteren Sinneswandel, der dazu führen soll, dass am Ende doch mehr Lärmschutz durchgesetzt wird. Dabei sind alle Argumente, die gegen ein verlängertes Nachtflugverbot vorgetragen werden, genauso vorgetragen wurden, als es um ein Nachtflugverbot von 0 Uhr bis 5 Uhr ging.

Alles, was gesagt worden ist - die Wirtschaft bricht zusammen, nichts funktioniert mehr, wir brauchen diese Nachtflüge -, ist genauso vorgetragen worden gegen ein Nachtflugverbot 0 bis 5 Uhr, wie es jetzt gegen ein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr vorgetragen wird. Und erstaunlicherweise redet über das Flugverbot von 0 bis 5 Uhr niemand mehr. Das spielt alles keine Rolle.

Man muss auch wissen, dass das, was immer als Kompromiss verkauft wird - Nachtflugverbot 0 bis 5 Uhr -, eben kein Kompromiss ist. Jede Minute dieses Nachtflugverbots wurde vor Gericht erstritten.

Natürlich ist auch klar, wenn über Rentabilität gesprochen wird, dass dieser Flughafen nie rentabel sein wird. Er müsste überhaupt erst einmal in Betrieb gehen. Zweitens haben wir solche Kostensteigerungen, dass nach ursprünglichen Rentabilitätsvoraussagen 2028/29 - jetzt vielleicht erst 2040 oder 2050; wann auch immer - eine schwarze Null erreicht werden kann. In absehbarer Zeit ist damit nicht zu rechnen.

Es bleibt dabei, dass der Flughafen in Schönefeld am falschen Standort ist und dieser Geburtsfehler des Flughafens nicht ausgeräumt werden kann. Mit dauerhaften Nachteilen ist zu rechnen, der Flughafen muss also auf Dauer Rücksicht nehmen auf die Interessen, auf die Nachteile, die sich für Hunderttausende in seinem Umfeld ergeben werden.

Die Botschaft, Herr Ministerpräsident, hören wir wohl. Allerdings: Uns fehlt noch der Glaube. Der Entschließungsantrag, der von der Regierungskoalition vorgelegt wird, trägt dazu bei. Ich greife das auf, was Kollege Jungclaus dazu sagte, genauso ist es: Die Hintertür steht bereits jetzt sperrangelweit offen. Das ist die Sorge, die alle, die eigentlich dieses Nachtflugverbot wollen und die im Grunde auch mit Freude zur Kenntnis nehmen, dass es zu anderen Meinungen kommt, mit sich tragen.

Gehen Sie davon aus, Herr Ministerpräsident, dass bei allem, was Sie tun, mindestens 106 391 Brandenburger mit größter Aufmerksamkeit wahrnehmen, was hier geschieht.

Herr Abgeordneter Goetz, Ihre Redezeit ist nun deutlich überschritten.

Ich komme zum Schluss. - Ich möchte nicht missverstanden werden, deswegen so deutlich: Herr Ministerpräsident, verarschen Sie uns nicht; sonst bricht ein Sturm los, wie Sie ihn noch nicht erlebt haben. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP - Oh! bei der Fraktion DIE LINKE)

Verehrte Abgeordnete, ich bitte doch, nur die dem Hohen Haus angemessenen Wörter zu gebrauchen. Das eben benutzte Wort gehört nicht dazu.

(Beifall SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben allein schon im Laufe dieser Debatte gemerkt, wie vielschichtig, wie schwierig dieses Thema ist.

Herr Goetz, zu Ihrer letzter Bemerkung will ich nur sagen - es haben mehrere Kollegen aus Ihrer Partei schon eine ähnliche Wortwahl gehabt -: Ich habe mir auch in den Jahrzehnten, die ich jetzt politisch arbeite, keinen Zynismus zu eigen gemacht. Das ist mir fremd. Deshalb ist eine solche Begrifflichkeit - das kann ich Ihnen klipp und klar sagen - völlig fehl am Platz. Ich

werde das nicht tun. Ich habe das nicht getan und will es auch künftig nicht tun.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Verehrter Herr Jungclaus, Sie haben von der Initiative von Rheinland-Pfalz gesprochen und gefragt, warum wir uns ihr nicht einfach angeschlossen, sondern eine andere geschrieben haben. Das hat einen ganz praktischen politischen Grund. Ich denke, man sollte Politik so machen, dass sie am Ende auch irgendwie ein Schrittchen nach vorn führt. Die Rheinland-Pfälzer Initiative hat null Chance, im Bundesrat angenommen zu werden. Übrigens auch von Regierungen, in denen Sie mitregieren, wird sie nicht angenommen. Deshalb haben wir gesagt: Dann versuchen wir eine mit anderen zusammen, die eine Chance hat, überhaupt einen Schritt in die richtige Richtung zu bewegen. Alles andere ist Schaufensterpolitik, Herr Jungclaus. Das sollten wir dann nicht tun.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Kollege Beyer, ich habe - wie allen anderen - Ihrer Rede aufmerksam zugehört. Den letzten Satz - das gebe ich zu - habe ich nicht ganz verstanden. Vielleicht können wir uns dazu noch einmal austauschen. Der war sehr bedeutungsschwanger. Ich hoffe, dass Sie ihn bewusst so ungenau gelassen haben, damit man nichts Böses dabei denken muss.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Parteien der Regierungskoalition haben aus meiner Sicht gemacht, was sie tun müssen. Sie haben gesellschaftliche Entwicklung nicht negiert. Sie haben Schwingungen in der Gesellschaft aufgenommen. Sie haben unterschiedliche Interessen, die manchmal meilenweit - wie wir hier auch in der letzten Stunde wahrnehmen konnten - auseinanderliegen, gedanklich ein Stück anzunähern und zusammenzubringen versucht und haben sich damit auf den Weg gemacht, einen sinnvollen Kompromiss zu suchen. In welcher Situation dies passiert - es wurde mehrfach darauf hingewiesen -: Ein sehr erfolgreiches Volksbegehren ist die Grundlage.