Herr Platzeck, ich möchte daran erinnern: Wahrscheinlich wären Sie mit Ihrer Zugtour - Ihrer Sommertour 2008 - sogar nach Finsterwalde gekommen und hätten nicht auf das Auto umsteigen müssen. Aber das, was Sie an einem Tag nicht geschafft haben, weil Ihnen keine adäquaten Fahrzeiten mit der Bahn nach Finsterwalde ermöglicht werden konnten, haben die Pendler jeden Tag zu ertragen. Nach Berlin beträgt die Fahrzeit - wir haben gerade das Beispiel Finsterwalde gehabt - 2,15 Stunden, nach Potsdam 2,50 Stunden. Das schafft ein Profiradfahrer, selbst wenn er nicht gedopt ist, mit dem Fahrrad schneller. So ist es sicherlich nicht nur für mich naheliegend, dass hier die DB Regio AG Gewinne auf Kosten der ländlichen Regionen erzielt.
- Ich bin sicher, wenn Sie nachher reden, wird das alles klargestellt. Es wird alles besser, und wir bekommen jede Bahn, die wir uns wünschen.
- Ja, prima. Hoffentlich ist es angeschlossen. Herrn Ströbele haben sie es schon einmal geklaut. Wir fordern daher, das zurückerstattete Geld und die Mitteleinsparung im Zuge der Einführung des Wettbewerbs vorwiegend für die SPNV-Verbindungen im ländlichen Raum zu verwenden.
Dabei wollen wir nicht weltfremd sein. Auch wir wissen, dass der SPNV im ländlichen Bereich nicht die Nachfrage generiert,
die für einen halbwegs wirtschaftlichen Betrieb, wenn man überhaupt von Wirtschaftlichkeit in dieser Frage reden kann, notwendig wäre.
Daher plädieren wir nicht einfach für die blinde Wiederherstellung abbestellter Linien. Nein, wir denken, dass hier intelligente Lösungen in Abstimmung zu anderen Verkehrsformen gefunden werden müssen. Die Pendler spielen dabei, wie bereits erwähnt, eine besondere Rolle.
So wäre ein Kompromiss dahin gehend denkbar, dass zumindest für die Pendler aus den bisher nicht direkt mit Berlin verbundenen Regionen jeweils morgens und abends zwei Zugpaare eingerichtet werden.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Wir sollten die Chance nutzen, die uns dank der Initiative der Privatbahnen und der EU-Kommission gewährt wird, die Fehlentwicklungen des großen Verkehrsvertrages von 2002 zu berichtigen. Dabei haben wir die Verpflichtung, die Gelder sinnvoll zu reinvestieren. Von der Landesregierung erwarten wir schnellstmöglich eine klare Positionierung, wie sie die Situation bewertet und ob und in welcher Form sie gedenkt, die zurückerstatteten Mittel in Zukunft zu investieren. Meiner Mitarbeit und die meiner Fraktion können Sie auf jeden Fall gewiss sein. - Ich bedanke mich für Ihr Gehör.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Anlass der Aktuellen Stunde ist der Verkehrsvertrag von 2002. Er regelt für zehn Jahre die Schienenpersonennahverkehrsversorgung mit einem Volumen von rund 2 Milliarden Euro.
Die CDU-Fraktion nennt in ihrem Antrag zwei Themen. Es soll geklärt werden, wie der Vertrag abgeschlossen wurde und wie möglicherweise zurückerstattete Mittel eingesetzt werden können. Doch schauen wir zurück. Erst seit 1996 sind die Länder Aufgabenträger der Schienenpersonennahverkehrsversorgung kurz SPNV genannt. Als der Verkehrsvertrag 2002 geschlossen wurde, war Wettbewerb auf der Schiene noch ziemlich unüblich. Die DB Regio war zu diesem Zeitpunkt der einzige Partner, der für diesen großen Auftrag infrage kam. Diesen Hintergrund muss man beachten, und man sollte nicht vorschnell von der heutigen Situation auf damals schließen.
Verhandlungsgrundlage war Ende der 90er Jahre ein von den Bundesländern in Auftrag gegebenes Gutachten. Dies war Grundlage für die Zuweisungen der Regionalisierungsmittel und für die Verhandlung der Bahnverträge durch die Bundesländer.
War der Vertrag nun überkompensiert? Festzustellen ist, dass der Vertrag bereits 2003 von der Firma Connex angefochten wurde. Den Rechtsstreit dazu hat das Land Brandenburg gewonnen. Das kann die CDU nicht ganz ausblenden.
Richtig ist aber auch: Die EU hat nunmehr ein Eckpunktepapier zum Bahnvertrag an den Bund gesandt, zu dem sich der
Bund verhalten muss. Das Verfahren läuft. Ob es Nachverhandlungen gibt bzw. ob und in welcher Höhe die EU eine Überkompensation feststellt, dazu kann jetzt noch nichts gesagt werden oder es wäre Kaffeesatzleserei.
Aus Erfahrung wissen wir aber, dass es äußerst schwierig ist, eine Überkompensation genau nachzuweisen. Diese würde mit Sicherheit zu einem Rechtsstreit führen, der erst nach mehreren Jahren abgeschlossen sein kann.
Bei realistischer Betrachtung müssen wir feststellen, dass es sehr unsicher ist, ob wir aus dem Bahnvertrag mehr Geld für das System erhalten. Tatsache ist jedoch, dass unter Wettbewerbsbedingungen gegenüber den damaligen Ausschreibungsergebnissen Kosteneinsparungen von 15 bis 20 % hätten erzielt werden können. Das wissen wir heute alle. 2002 bot das System keine vergleichbaren Anreize. Umso wichtiger ist es heute, die Möglichkeiten des Wettbewerbs konsequent zu nutzen.
Eine andere Frage ist es, ob durch den Wettbewerb mehr Geld für das System frei wird. Auch da habe ich meine Zweifel. Aus dem aktuellen Stadtbahnvertrag wissen wir, dass die positiven Effekte sicher erst ab 2014 einstellbar sein werden. Dann wird es aber auch eine Revision der Regionalisierungsmittel geben. Bei der letzten Revision wurden die ostdeutschen Länder begünstigt. Ich wage die Behauptung, dass wir eher weniger Regionalisierungsmittel zugewiesen bekommen werden. Schauen Sie sich den Bundeshaushalt an.
Insgesamt sollte somit klar sein: Wir sprechen nicht über mehr Geld im System. Damit dürften die von der CDU gestellten Fragen beantwortet sein.
Es ist aber eine weitere Frage zu stellen, die mir die wirklich entscheidende zu sein scheint: Wie können wir bei knapper werdenden Ressourcen einen zukunftsfähigen SPNV ermöglichen? Dazu vier Anmerkungen.
Erstens: Mit dem Landesnahverkehrsvertrag 2008 bis 2012 hat Brandenburg eine gute konzeptionelle Grundlage. Im Jahr 2012 - mit dem Auslaufen des großen Bahnvertrags - wird er fortgeschrieben. Das ist ein wichtiger Meilenstein. Bei den Ausschreibungen orientieren wir uns am Perspektivnetz 2020 und beziehen die demografische Entwicklung natürlich ein.
Zweitens: Die Möglichkeiten des Wettbewerbs müssen wir weiter konsequent nutzen. 2007 war ein Viertel der regionalen Verkehrsleistungen im Wettbewerb. 2012 werden es bereits drei Viertel sein. Nur über den Wettbewerb realisieren wir heute Kostensenkungen, aber auch Effizienzsteigerungspotenziale.
Drittens: Eine weitere Ausdünnung des SPNV darf es nicht geben. Da haben Sie Recht, Herr Genilke. Durch die Revision des Regionalisierungsnetzes 2006 und die damit verbundenen empfindlichen Mittelkürzungen kam es zu starken Abbestellungen. Das ist - das können Sie uns glauben - Vergangenheit. Für meine Region, die Lausitz, gibt es die klare Aussage, dass der aktuelle Bestand gesichert ist.
Viertens: Auch für den ländlichen Raum hat sich die Etablierung des Verkehrsverbundes als richtig erwiesen. Der VBB
umfasst das gesamte Land Brandenburg und ermöglicht ein gutes, koordiniertes Verkehrsangebot und ein attraktives Tarifsystem für alle Regionen. Mit den RE-Linien wird das gesamte Land erschlossen. Schnelle, attraktive Verbindungen in den Metropolenraum sind auch für den ländlichen Raum von Vorteil.
Das bedeutet: Für den ländlichen Raum wird entscheidend sein, ob auch Nebenstrecken beschleunigt, modernisiert und kosteneffizient betrieben werden. In diesem Zusammenhang müssen wir die Regionalisierung des Schienennetzes angehen.
Bei der Sicherung der Wirtschaftlichkeit von Nebenstrecken hat Brandenburg gute Erfahrungen mit alternativen Betreibern gemacht. Ich nenne hier das Beispiel Puttlitz-Pritzwalk durch die Prignitzer Eisenbahn GmbH, die den Schülerverkehr absichert.
Im Bundeskoalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP wird die Regionalisierung der Infrastruktur angesprochen. Das bedeutet hoffentlich, dass die Länder künftig mehr Verantwortung bekommen und Kostensenkungsspielräume gerade im ländlichen Raum auf schwächer frequentierten Strecken erschließen können.
Im Bereich des ÖPNV müssen wir zu einer Dynamisierung kommen und damit unvermeidliche Kostensteigerungen auffangen, wie das auch im SPNV der Fall ist.
Sollten sich durch den Wettbewerb Mehreinnahmen ergeben, halte ich ein Investitionsprogramm gerade für den ÖPNV für sinnvoll, um dort die Qualität des Angebots dauerhaft zu sichern.
Auch das Thema marode Bahnhöfe muss man genauer betrachten. Verantwortlich für die Verkehrsanlagen ist zunächst die DB Station & Service AG. Brandenburg fördert schon heute über die ÖPNV-Richtlinie zum Beispiel die Projekte „Park and Ride“ und „Park and Drive“. Am meisten fallen jedoch oft die verwahrlosten Gebäude ins Auge. Wer kennt sie nicht? Doch das sind Immobilien in den verschiedensten Eigentumsformen, die mit dem Verkehr meist nichts mehr zu tun haben. Hier ist vor allem kommunales Engagement gefragt. Gute Beispiele dafür gibt es schon: in Großräschen der Umbau zum Fitnesscenter oder in Luckenwalde zur Bibliothek. Im Rahmen der bestehenden Förderung für Städtebau gibt das Land hier auch kräftig zu.
Ein zentrales Thema im Zusammenhang mit wettbewerblichen Ausschreibungen ist für uns Sozialdemokraten: Die Ausschreibungen dürfen nicht zulasten von Sozialstandards bei den Beschäftigten gehen. Wir begrüßen daher die Verhandlungen über ein Fairnessabkommen zum Stadtbahnvertrag und gehen davon aus, dass Brandenburg bei allen künftigen Ausschreibungen natürlich die EU-Verordnung 1370 anwendet.
Wir würden einen Branchentarifvertrag sehr begrüßen, aber da müssen sich die Tarifpartner einigen. Wie Sie wissen, hat die Koalition vereinbart, ein Vergabegesetz vorzulegen. Ich gehe davon aus, dass dies bald geschieht und wir somit bis zur Vorlage eines Branchentarifvertrags eine gute Grundlage für sozial faire Ausschreibungen haben werden.
Zusammengefasst möchte ich sagen, wir liefern Antworten auf die zentrale Frage: Wie erreichen wir in Brandenburg einen zu
kunftsfähigen SPNV? Das hilft den Betroffenen und ist zielführend. Eine parlamentarische Debatte zum Prozedere von Vertragsabschlüssen und dem Einsatz von eventuell zurückerstatteten Mitteln zu führen hilft uns nicht weiter und den Menschen im Land kaum.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mit der durch die CDU heute beantragten Aktuellen Stunde in einem seltsamen Spannungsfeld - das möchte ich durchaus zugeben zwischen innerer Bestätigung, dass nun endlich nach sieben Jahren die kritischen Auffassungen der Linken zum Bahnvertrag und seinem Zustandekommen bei der CDU angelangt sind,
Deshalb möchte ich sehr gern daran mitwirken, Ihre Fragen zu beantworten, Herr Senftleben, wie im letzten Absatz Ihres Antrags formuliert: unter welchen Bedingungen der Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn AG abgeschlossen wurde, inwiefern die Ausdünnung des SPNV-Angebots und der mangelhafte Zustand vieler Bahnhöfe vor allem im ländlichen Raum mit dem Verkehrsvertrag in Beziehung stehen und wie die möglicherweise zurückerstatteten Mittel in Zukunft investiert werden sollen.