Protocol of the Session on January 14, 2013

(Beifall CDU)

Wer es nicht glaubt: Minister Vogelsänger war dabei und kann es bestätigen.

Die CDU-Fraktion vertraut Ihnen schon lange nicht mehr, Herr Ministerpräsident. Das wird Sie nicht überraschen und das wird sich an der Abstimmung zeigen.

Meine Damen und Herren, ein Ministerpräsident verdient nach meiner Auffassung immer einen respektvollen Umgang, aber keinen Majestätsgehorsam. Im Dezember habe ich die unzutreffende Verwendung des Begriffs „Patriotismus“ im Zusammenhang mit dem Flughafenbau kritisiert. Ein Patriotismusappell an den Landtag - das klang heute so ähnlich wieder durch, wenn auch anders umschrieben - kann nämlich kein Schutzschild für einen Regierungschef sein, hinter dem er in Deckung geht und der ihn vor Verantwortung und persönlichen Konsequenzen bewahrt.

(Beifall CDU)

Ich will daran erinnern, wie ein anderer Staatsmann in Deutschland mit politischer Verantwortung umgegangen ist. Der Namensgeber des Flughafens BER, Willy Brandt, trat 1974 als

Bundeskanzler zurück, weil sein Referent Günter Guillaume als DDR-Spion enttarnt wurde. Brandt war nicht zuständig für die Kontrolle der Personen, aber er übernahm mit seinem Rücktritt die politische Verantwortung für die Fahrlässigkeit innerhalb der Bundesregierung und Verwaltung. Willy Brandt hat aus politischem Anstand und der Verantwortung gegenüber seinem Amt die angemessenen Konsequenzen gezogen. Darin, Herr Ministerpräsident, unterscheiden Sie sich von Willy Brandt.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Auch das, Herr Ministerpräsident, ist Ihnen gestern in der Fernsehsendung vor Millionen Zuschauern in Erinnerung gerufen worden: wie andere honorige Staatsmänner und Politiker mit solchen Dingen umgegangen sind.

Zehn Jahre lang haben Sie sich am Flughafen kaum öfter als für die vier Mindestsitzungen pro Jahr blicken lassen. Die Ausnahmen waren Spatenstiche, Eröffnungen von Teilabschnitten und das Durchschneiden roter Bändchen. Den Verhaltenskodex für Mitglieder der Landesregierung in Landesgesellschaften haben Sie nicht ernst genommen, ja, vielleicht kennen Sie ihn gar nicht. Ich helfe Ihnen aber gern auf die Sprünge. Darin steht, dass sich Aufsichtsräte selbst um Informationen bemühen müssen. Zudem wären Sie nach diesem Kodex, den Sie selbst aufgestellt haben, sogar verpflichtet gewesen, Fortbildungen zu besuchen, um diese Aufgabe gewissenhaft zu erfüllen und wichtige Fragen verstehen und bewerten zu können. Sie haben kaum Interesse für die technischen und organisatorischen Fragen des Projekts gezeigt, sondern sich einfach auf die Eröffnungsfeierlichkeiten gefreut.

(Beifall CDU - Zuruf von der SPD: Das ist bösartig!)

Angenehm war es sicher auch, den Flughafen in Sonntagsreden und vor Besuchern aus aller Welt als Wachstumsmotor und künftiges Aushängeschild darzustellen. Aber wozu wählen die Leute eigentlich Politiker? Damit sie Verantwortung übernehmen, Gesamtverantwortung wahrnehmen - und dies nicht nur dann, wenn es ihnen passt.

Ja, Brandenburg ist nicht allein verantwortlich für diese Katastrophe, und, ja, der Ministerpräsident ist auch nicht allein verantwortlich. Aber jeder, der in Brandenburg Regierungsverantwortung trägt, der Ministerpräsident, das Kabinett und jeder Abgeordnete der Koalition - das sind Sie, meine Damen und Herren -, hat die Aufgabe, Probleme für das Land zu erkennen. Ich werde doch auch nicht erst aktiv, wenn mich jemand anschreibt. Sonst könnten die Bürger zu Recht fragen: Wozu brauchen wir Politiker, wenn keiner bereit ist, Verantwortung wahrzunehmen?

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Sie haben es im Mai 2012 fertiggebracht, die Abgeordneten und die Öffentlichkeit zur Eröffnung einer Baustelle einzuladen, die ein Flughafen sein sollte. Beim Brandschutz sollten unter dem aberwitzigen Begriff „Mensch-Maschine-Lösung“ 700 mutige und „feuerfeste“ Studenten im Notfall die Türen öffnen und schließen - wirklich innovativ!

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Ich will an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Die ganze Nummer ist nur deshalb aufgeflogen, weil das von Ihnen und von vielen gescholtene Planungsbüro die Unterschrift unter diesen wahnwitzigen Antrag „Mensch-Maschine-Lösung“ verweigert hat.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Ansonsten hätten Sie als Aufsichtsrat und Ihr geschätzter Herr Schwarz bei diesem nicht genehmigungsfähigen Antrag hinterher einfach gesagt: Leider hat die Baugenehmigungsbehörde dies abgelehnt, jetzt wird alles ins Trudeln kommen. - Aber die Wahrheit ist eine andere, und Sie kennen sie natürlich auch.

Als dann vier Wochen vor der geplanten Eröffnung der Termin am 3. Juni 2012 abgesagt wurde, waren Sie stocksauer und haben im Alleingang von einem völlig unrealistischen Ersatztermin im August 2012 gesprochen. Diese Aussage offenbarte, wie wenig Sie sich mit dem Projekt beschäftigt hatten.

(Beifall CDU)

Sie haben auch zu verantworten, dass die langjährigen Planer von einem Tag zum anderen ihre Sachen packen mussten und deren Wissen und Erfahrung auf einen Schlag verloren waren. Auf der anderen Seite hielten Sie trotz massivster Kritik am Flughafengeschäftsführer Schwarz fest. Auch in der Dezembersitzung des Hauptausschusses haben Sie symbolisch - das machen Sie ja gern - Ihre Verbundenheit mit Herrn Schwarz dokumentiert, indem Sie ihn - für alle sichtbar - kräftig umarmt und heftig verteidigt haben.

(Zurufe von der SPD)

Berlin und Brandenburg wurden mehrfach international blamiert. Die langfristigen Folgen sind heute noch gar nicht abzusehen. In jedem Landesteil, ob in den wirtschaftlich stärkeren Regionen um Berlin oder auf dem Land, weitab von der Hauptstadt, werden die Menschen spüren, dass noch mehr Geld für wichtige Investitionen fehlt, weil Ihre Fehler das Land zu dramatischen Mehrausgaben zwingen. Brandenburg hat bisher rund 450 Millionen Euro zusätzlich als Risikovorsorge bereitgestellt. Von diesen 450 Millionen Euro könnte man besser - ich wiederhole es - ungefähr die Hälfte der Landesstraßen sanieren, ca. 4 500 Lehrer- oder Polizeistellen in beiden Jahren finanzieren, doppelt so viel wie bisher im Jahr für unsere Kindergärten ausgeben, den Jahresetat für Hochschulen und Forschungseinrichtungen sichern. Jetzt muss man sich nur vorstellen - Herr Holzschuher, Sie werden uns erklären, wie Sie das alles finanzieren -, welche Rechnungen wir mit weiteren 500 Millionen, 700 Millionen oder vielleicht 1 Milliarde Euro aufmachen müssen. Genau diese Diskussionen werden wir hier bald führen, nicht so schnell, weil auch im Laufe des Jahres wohl noch keine Kostenklarheit da sein wird; aber es wird irgendwann kommen, das ist dann die Stunde der Wahrheit.

Herr Ministerpräsident, Sie haben versagt und großen Schaden für Brandenburg verursacht. Trotzdem halten Sie sich für einen Macher und Retter. Jeder kann Fehler machen. Wer arbeitet, dem kann auch einmal etwas danebengehen. Die Regierung macht nicht alles falsch, die Opposition nicht alles richtig. Aber worüber wir bei diesem Flughafen reden, das ist keine

einmalige Fehlentscheidung, sondern ein zehnjähriges Dauerversagen des Ministerpräsidenten.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Erst Ende letzter Woche kam die nächste Hiobsbotschaft: dass die EU-Kommission mit einem Verfahren droht. Der Grund sind mögliche Fehler bei der Flugroutenplanung. Ich frage mich mittlerweile, ob überhaupt irgendetwas bei diesem Projekt ordnungsgemäß abgelaufen ist.

Ein Ministerpräsident hat die Aufgabe, sein Land voranzubringen und verantwortungsvoll mit dem Steuergeld der Bürger umzugehen. Sie haben diese Pflicht grob verletzt und das in Sie gesetzte Vertrauen vieler Menschen enttäuscht. Ihre Vertrauensfrage sollten Sie nicht an die 55 Abgeordneten der Koalition richten. Das ist eine Showveranstaltung mit absehbarem Ausgang, und Sie wissen das natürlich.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Fragen Sie lieber die vielen Brandenburger, die auf neue Arbeit gehofft haben, ihre Arbeit verloren oder Angst vor dem Verlust ihres Jobs haben. Diese würden Ihnen etwas erzählen zum Thema Wahrheit, Klarheit und Transparenz. Aber die fragen Sie nicht. Die Erfahrung zeigt, dass eine Vertrauensfrage in Deutschland immer von Politikern gestellt wurde, deren Amtszeit mit großen Schritten dem Ende entgegeneilte.

(Ooch! bei der SPD)

Auch heute weiß man: Es braut sich was zusammen am Brauhausberg.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90 - Zurufe von der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie verschanzen sich hinter einer leicht einzufordernden Vertrauenserklärung Ihrer Koalition. Das ist schade für die politische Kultur, und das ist schlecht für Brandenburg. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Wir setzen die Sitzung mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Das Wort hat der Abgeordnete Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Bundeslandes stellt ein Ministerpräsident die Vertrauensfrage nach der Landesverfassung. Sie wird in der Tat nur aus einem besonderen Anlass gestellt, in einer außerordentlich schwierigen Situation. Wir erleben eine Diskussion über die Vertrauensfrage; diese ist allerdings in der Verfassung klar geregelt.

Die Vertrauensfrage setzt nicht etwa voraus, dass Vertrauen zerstört ist, sondern die Väter und Mütter unserer Verfassung haben an dieses Instrument - mit dem Ziel, das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments ausgesprochen zu bekommen - nur die Erwartung geknüpft, dass es lediglich in einer besonders prekären Lage, in der wir uns unstreitig befinden - dazu kom

me ich noch -, zur Anwendung kommt. Dies ist ganz normal nach der Verfassung. Es ist eben nicht, wie ich neulich hörte - ich glaube, es ist Herr Vogel, der so zitiert wird -, gar ein „Verfassungsmissbrauch“. Eine solche Behauptung ist völlig absurd.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Nein, die Vertrauensfrage ist Bestandteil unserer Demokratie.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Gott sei Dank!)

Sie soll, wie gesagt, nur in besonderen Lagen gestellt werden; in einer solchen Situation befinden wir uns in der Tat.

Die Vertrauensfrage ist übrigens auch mit Konsequenzen verbunden.

(Oh! bei der CDU)

Sollte der Landtag das Vertrauen nicht aussprechen, dann wäre eine mögliche Konsequenz die Auflösung unseres Parlaments, und es könnte zu Neuwahlen kommen.

(Bretz [CDU]: Ist das jetzt ein Verfahrensvorschlag?)

Wenn wir uns aber in Ruhe über die Situation unterhalten und über das Thema debattieren, werden wir zu dem Ergebnis kommen, dass das, was heute auf der Tagesordnung steht, gerade keinen Anlass bietet, das Vertrauen in den Ministerpräsidenten infrage zu stellen.

(Einzelbeifall des Abgeordneten Bischoff [SPD] - Lachen bei der CDU - Zuruf von der CDU: Danke, Mike!)

Verantwortung für das Land zu übernehmen in einer so schwierigen Situation - das ist keine Selbstverständlichkeit. Deswegen ist es auch naheliegend, dass der Ministerpräsident das Vertrauen des Landtages für sich erbittet.