Protocol of the Session on September 26, 2012

Minister Woidke spricht für die Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Lakenmacher, vielleicht hätten Sie einmal googeln sollen, was Strategie eigentlich heißt. Ich möchte Ihnen gern einmal vorlesen, was zumindest bei Wikipedia steht:

„Strategie (von altgriechisch strategós ‚Feldherr, Kom- mandant‘) ist ein längerfristig ausgerichtetes Anstreben eines Ziels unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel und Ressourcen.“

Sie schauen noch einmal nach, ob das auch stimmt - das ist gut.

(Heiterkeit)

Genau diese Längerfristigkeit der Strategie muss noch einmal betont werden. Ich bin auch den Vorrednern dankbar, die das getan haben. Es ist natürlich nicht so, dass die Strategie unverändert geblieben wäre. Sie wurde überarbeitet. Aber eines ist auch klar: Sie hat in ihren Kernaussagen und der Kernausrichtung auch heute noch eine sehr hohe Aktualität.

Es kamen verschiedene Richtlinien hinzu: unter anderem die EGovernment-Richtlinie und die IT-Organisationsrichtlinie. Es tut mir sehr leid - heute ist der Europäische Tag der Sprachen, klärte mich der Kollege Finanzminister gerade auf -, dass wir uns in diesem Bereich mit so vielen Anglizismen herumschlagen müssen. Jedoch wurde diese Strategie durch viele Richtlinien ergänzt, angepasst und weiterentwickelt. Zudem wurden vor allem viele gute und sinnvolle Maßnahmen sowie Projekte in die Praxis umgesetzt, und zwar nicht nur im Bereich der Landesverwaltung, sondern auch im Bereich der Kommunen sowie insbesondere im Verhältnis der Landesverwaltung und der Kommunalverwaltung zu Wirtschaft und Bürgern.

Dazu zählen beispielsweise das Portal service.brandenburg.de, der elektronische Vergabemarktplatz, die Internetwache der Brandenburger Polizei, das elektronische Gesetz- und Verordnungsblatt sowie der kommunale Bürgerservice Maerker.

Auch wenn es daneben - vor allem vor dem Hintergrund einer Reihe von Gesetzesinitiativen im Bund und in einzelnen Ländern - noch weitere Anwendungsgebiete zu erschließen gilt, bin ich der Auffassung, dass der Schwerpunkt der Arbeiten gegenwärtig weniger auf einer Neufassung oder Neuausrichtung der Strategie liegen muss, sondern mehr auf der operativen Umsetzung einiger bedeutsamer längerfristiger Vorhaben der Landesregierung. Im Vordergrund stehen hier - das möchte ich noch einmal sagen - vor allem die bekannten Bemühungen zur Konsolidierung des zentralen IT-Dienstleisters der Landesregierung und damit zusammenhängend natürlich auch der IT-Infrastrukturen in der Landesregierung.

Um es mit einem Satz zu sagen: Herr Lakenmacher, zurzeit bedarf es aus meiner Sicht weniger der Überarbeitung nach wie vor im Wesentlichen zutreffender strategischer Kernaussagen als einer praktischen Umsetzung dieser strukturellen Grundentscheidung. Ihr Antrag enthält aus meiner Sicht eine falsche Prioritätensetzung und sollte daher abgelehnt werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Schlusswort erhält der Antragsteller. Bitte, Herr Lakenmacher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Goetz, Frau Kollegin Nonnemacher, wenn Sie hier anführen, dass der Antrag deshalb nicht notwendig sei, weil sich die Enquetekommission damit befasst, dann überzeugt mich das schlicht und ergreifend nicht. Natürlich kann und soll sich die Enquetekommission mit E-Government befassen - keine Frage -,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

jedoch werden die Ergebnisse der Enquetekommission wohl erst im Jahr 2014 vorgelegt und sind dann lediglich Empfehlungen für die kommende Wahlperiode, Herr Goetz. Das heißt, es wird frühestens im Jahr 2015 dazu kommen, dass Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden. Hätten Sie das gelesen, wüssten Sie es. Unser Antrag zielt darauf ab, bereits Mitte 2013 oder noch früher - das wäre viel besser - ein neues Konzept zu haben.

Im Übrigen spricht auch überhaupt nichts dagegen, dass eine im Jahr 2013 verabschiedete E-Government-Strategie zwei Jahre später noch einmal ergänzt und überarbeitet wird.

(Beifall CDU)

Herr Minister, das Argument, dass das Innenministerium fortwährend an der Strategie arbeitet, kann nicht dazu führen, unseren Antrag abzulehnen. Bezüglich der praktischen Umsetzung, die Sie hier herausgestellt haben, ist Folgendes zu sagen: Fangen Sie doch einfach auf Ihrer eigenen Internetpräsenz im Innenministerium an! Wenn es Überlegungen und Papiere gibt, dann ist das bestens. Beteiligen Sie uns dann aber bitte auch! Beteiligen Sie den Landtag, die kommunalen Spitzenverbände und die Datenschutzbeauftragte!

Ich betone am Ende noch einmal: Es herrscht dringender Handlungsbedarf. Deshalb bitte ich nochmals um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Es steht der Antrag der CDU-Fraktion - Neue E-Government-Strategie für Brandenburg -, der Ihnen in der Drucksache 5/5987 vorliegt, zur Abstimmung. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei drei Enthaltungen und einigen Ja-Stimmen ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Modularisierung der Beruflichen Bildung und Verbesserung des Übergangssystems in der Beruflichen Bildung

Antrag der Fraktion der CDU der Fraktion der FDP

Der Abgeordnete Büttner beginnt die Debatte für die FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stimmen, glaube ich, alle darin überein, dass das duale Berufsbildungssystem in Deutschland europa- und sogar weltweit große Anerkennung erfährt. Durch die enge Verzahnung von Betrieb und Berufsschule kann die Theorie gleich in der Praxis angewandt werden. Dass das Berufsprinzip das Kennzeichen des Qualitätsanspruchs ist, bleibt natürlich völlig unbestritten.

FDP- und CDU-Fraktion haben Ihnen nun einen Antrag vorgelegt, der sich für die Modularisierung der beruflichen Bildung einsetzt. Das ist kein neues Konzept, das kennen wir bereits aus der Hochschulbildung. In der Hochschulbildung ist dieser Schritt

bereits getan, und auch die berufliche Bildung kann von der Modularisierung profitieren. Das umfasst Berufsbildungsmaßnahmen im Übergangssystem und in den Berufsschulen. Die Grundprinzipien des dualen Systems - das Berufskonzept und die Abschlussprüfung - sollen natürlich erhalten bleiben; sie sollen sogar gestärkt werden.

Es ergeben sich mehrere Vorteile: Junge Menschen, die von einer Ausbildung in eine andere wechseln wollen, haben die Möglichkeit, sich bereits absolvierte Module anrechnen zu lassen. Dadurch verlieren sie nicht unnötig Zeit - Zeit ist gerade heutzutage ein wichtiger Faktor, den man nicht verlieren sollte -, und dadurch ergeben sich auch keine kostspieligen Doppelbelegungen.

Vor allem aber gibt es hinsichtlich des Übergangssystems enorme Vorteile. Im aktuellen Schuljahr befinden sich rund 3 100 junge Menschen in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Das sind 17,6 %, meine Damen und Herren. Allein, dass wir hier über 17,6 % der Menschen reden, die in einem Berufsvorbereitungsjahr sind - ganz offensichtlich, weil sie aufgrund einer schlechten Bildungspolitik nicht in die Situation versetzt wurden, einen Ausbildungsplatz zu bekommen -, ist eigentlich einen Skandal wert. Sie können Kurse absolvieren, die ihnen, wenn sie in einer regulären Ausbildung sind, jedoch nicht angerechnet werden. Das ist ein Problem, denn sie lernen zwar, aber es bringt ihnen für den Abschluss nichts, und das demotiviert.

Ziel muss sein, dass relevante Kurse in der Anerkennung berücksichtigt werden müssen, sodass keine Zeit vergeudet wird und die jungen Menschen dazu angehalten werden, die Zeit im Übergangssystem effektiv für ihren Berufsweg zu nutzen. Somit wird eine Anreizebene geschaffen, um sich im Übergangssystem zu engagieren, und die Motivation in diesem System wird erhöht. Dazu müssen die Kurse im Übergangssystem auf Grundlage von Rahmenlehrplänen unterrichtet werden. Das führt auch zu einer höheren Akzeptanz der Vorqualifikation in Unternehmen und Betrieben, zur Effizienzsteigerung und zur Kostensenkung von berufsvorbereitenden Maßnahmen.

Um das Übergangssystem auch qualitativ hochwertiger auszugestalten, ist die Bildung im praktischen Bereich besonders wichtig. Das bedeutet, dass die Berufsschulen mehr mit den Unternehmen kooperieren müssen. Auch das kann dazu führen, dass die Akzeptanz der Wirtschaft gegenüber dem Übergangssystem gestärkt wird. Auch Weiterbildungsmöglichkeiten können durch die Modularisierung nahtlos an bereits bestehende Kenntnisse angeknüpft und damit effektiver und effizienter gestaltet werden.

Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, sich am Runden Tisch der Bundesregierung zur Koordination der Ausbildungsordnungen zu beteiligen und genau diesen Weg zu gehen. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, diesen Antrag in den Ausschuss für Arbeit und Soziales zu überweisen, und wir wollen gern mit Ihnen die Inhalte dieses Antrags dort weiterdiskutieren und bitten ausdrücklich um eine Überweisung in diesen - zuständigen Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Der Abgeordnete Baer setzt für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion bedenkt uns zum Schluss des heutigen Tages mit einem Thema, das wirklich nicht neu ist. Ich denke, Herr Büttner, was Sie eben gesagt haben, war alter Wein in neuen Schläuchen.

Vor mehr als 100 Jahren wurde mit der Gewerbeverordnungsnovelle von 1897 das duale Prinzip der Berufsausbildung - das heißt praktische Ausbildung im Betrieb und theoretischer Unterricht in der Berufsschule - erstmals festgeschrieben. Die Debatte zur Modularisierung wird seit mehr als 30 Jahren engagiert geführt, und aus meiner Sicht gab es bis heute auch keine überzeugenden Argumente, warum die Modularisierung der Berufsausbildung unbedingt umzusetzen sei. Vor gut 10 Jahren hat die FDP bereits das Thema Modularisierung in den deutschen Bundestag eingebracht, und ihr Antrag ist dort abgelehnt worden. Heute nun dürfen wir uns im Brandenburger Landtag erneut diesem Thema widmen. Man könnte meinen, es ist in der letzten Zeit alles dazu gesagt worden. Lassen Sie mich trotzdem einige wesentliche Argumente in Erinnerung rufen.

Das deutsche duale Ausbildungssystem wird weltweit als vorbildlich angesehen. Es ist, so meine ich, ein klarer Standortvorteil, ein Erfolgsmodell für unsere Wirtschaft. Dabei ist die Ausrichtung der Ausbildung auf den Erwerb breiter beruflicher Fähigkeiten besonders hervorzuheben, denn die Ausbildung wird in Deutschland eben nicht auf die direkte Verwertbarkeit im Betrieb reduziert. Warum die Modularisierung der beruflichen Bildung die Weiterbildung erleichtern soll, wie in dem Antrag von Ihnen beschrieben, erschließt sich mir auch nach Ihrer Rede, Herr Büttner, nicht. Vielmehr macht es die Modularisierung notwendig, Wissenslücken zu schließen, die eigentlich in der Ausbildung hätten geschlossen werden müssen.

Wenn es um lebenslanges Lernen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten als Bestandteil guter Arbeit geht, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, haben Sie mich auf Ihrer Seite. Aber Berufsausbildung darf nicht zu einem Baukastensystem werden, aus dem sich jeder bedienen kann. Denn das würde bedeuten, dass jungen Menschen gerade das für ihren aktuellen Arbeitsplatz Nötigste vermittelt würde, sie jedoch ohne Absolvierung weiterer Module nicht in anderen Betrieben eingesetzt werden könnten.

Mit dem Baukastensystem schaffen wir junge Berufstätige, die, auf die Bedürfnisse eines konkreten Betriebs ausgerichtet, zielgenau ausgebildet worden sind, aber bei wirtschaftlichen Turbulenzen eines Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr ohne eine weitere Qualifizierung vermittelbar sind. Es besteht die Gefahr von Schmalspurausbildungen, und dies ist dann der Einstieg in den Niedriglohnsektor. Das, lieber Herr Büttner, unterscheidet uns eben. Im Gegensatz zu dem, was Sie heute Morgen in der Debatte gesagt haben: Es ist eben nicht alles sozial, was Arbeit schafft, sondern sozial ist, was gute Arbeit schafft.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungs- bank)

Was wir brauchen, meine Damen und Herren, sind Fachkräfte, die eine solide Ausbildung haben und im besten Fall nach dem Berufsschulabschluss eine Spezialisierung erhalten. Ich be

fürchte, dass die Modularisierung nur zu einer weiteren unternehmensbezogenen Spezialisierung der Ausbildung auf geringerem Qualitätsniveau führt und Betriebe aus Kostengründen nur noch Ausbildung in Modulen anbieten. Genau das wollen wir als SPD-Fraktion nicht. Ausbildung muss umfassend und vielseitig sein und bleiben.

Ich bleibe dabei: Das Prinzip der geschlossenen Berufsbilder hat sich bewährt. Wir brauchen eine umfassende Ausbildung von hoher fachlicher Qualität. Wir brauchen eine Ausbildung, die die Auszubildenden befähigt, ihre berufliche Zukunft selbst zu gestalten, und sie nicht in Abhängigkeit einzelner Unternehmen zwingt. Deswegen werden wir folgerichtig - Sie vermuten es schon - den Antrag ablehnen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Hoffmann spricht für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die duale Berufsausbildung made in Germany ist ein Erfolgsmodell - das haben wir eben wieder gehört, von beiden Rednern. Wir genießen damit weltweit hohes Ansehen, und damit das so bleibt, muss verantwortliche Bildungspolitik künftig alle Potenziale der dualen Ausbildung identifizieren und vor allen Dingen auch ausschöpfen.

Es ist erfreulich, dass immer mehr junge Menschen sofort nach dem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz finden, dass wir nicht mehr die Situation haben wie vor einigen Jahren, als viele junge Menschen im sogenannten Übergangssystem zunächst auf eine Ausbildung vorbereitet werden mussten. Die Zahl der jungen Menschen im Übergangssystem ist seit dem Jahr 2005 um 30 % gesunken. Das sind etwa 123 000 Jugendliche weniger als noch vor 7 Jahren, und das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Noch vor einigen Jahren landeten aus Gründen des Ausbildungsplatzmangels viele Jugendliche im Übergangssystem, die eigentlich ausbildungsreif waren. Das ist heute glücklicherweise immer seltener der Fall.

Deshalb kann sich dieses Übergangssystem heute auch stärker um seine eigentliche Funktion - die Vorbereitung und Wegbegleitung in die Ausbildung - kümmern und Jugendliche für einen Arbeitsplatz fit machen. Denn viele Jugendliche befinden sich heute im Übergangssystem, haben die Ausbildungsreife noch nicht erlangt und müssen ihre individuellen Chancen auf einen Ausbildungsplatz noch verbessern, weil sie entweder noch keinen oder nur einen sehr niedrigen Schulabschluss haben. Diese Jugendlichen werden relativ häufig in Berufsvorbereitungsjahren oder in Bildungsgängen in Berufsschulen an die Ausbildungsreife herangeführt.

Jetzt kommen wir zu dem Punkt, bei dem wir glauben, dass dort Verbesserungsbedarf besteht. Häufig hakt es in diesem System, und das hat große Auswirkungen auf die Betroffenen und auf die Motivation, sich weiter anzustrengen. Es ist nicht förderlich, wenn erworbene Qualifizierungen oder Bestandteile von Kursen, die schon einmal belegt wurden, immer wieder nicht anerkannt werden und dann neu absolviert werden müssen. Wer zum zehnten Mal ein Bewerbungstraining macht,

fragt sich: Wofür brauche ich das überhaupt? - Da steht aus unserer Sicht das Land ganz klar in der Verantwortung. Hier kann das Land das System so umgestalten, dass Jugendliche keine Extrarunden drehen müssen, wenn sie Maßnahmen erfolgreich absolviert haben, und sie tatsächlich die Unterstützung erhalten, die sie für die Vorbereitung auf das Berufsleben brauchen.