Dieser eingeschränkte Leistungsbezug sollte zunächst nur im ersten Jahr des Aufenthaltes der Betroffenen gelten. Mit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 1993 erhielten Anspruchsberechtigte im Vergleich zu Sozialhilfeleistungsberechtigten seither deutlich geringere Leistungen. Sie sind - das wurde schon erwähnt - in 20 Jahren nicht ein einziges Mal an die Preisentwicklung angepasst worden und lagen bei ca. 60 % der sonst üblichen Sätze.
Vorrangiges Ziel war es, Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie ihnen gleichgestellte ausländische Staatsangehörige von Leistungen auszuschließen, die Leistungen einzuschränken und eher Sachleistungen als Geldleistungen auszureichen.
Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - SGB II; es betrifft die sogenannten HartzIV-Sätze - vom 9. Februar 2010 hätte allen die Verfassungswidrigkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes klar sein können. Damals urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Berechnungen der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Erwachsene verfassungswidrig seien. Die Berechnungen seien intransparent und genügten nicht dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
Intensiv wurde damals über gerichtsfeste Neuberechnungen der Hartz-IV-Regelsätze gestritten. Dass die erheblich darunter liegenden Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes ebenfalls das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzten, wurde ausgeblendet. Die Tendenz, dass in Deutschland von einer Regierung nicht mehr agiert, sondern nur noch auf höchstrichterliche Entscheidungen hin reagiert wird, setzte sich auch dabei fort. So bedurfte es erneut einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, bis dieses am 18. Juli dieses Jahres unmissverständlich klarstellte: Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz garantiert ein menschenwürdiges Existenzminimum, das durch entsprechende Leistungen gemäß dem So
zialstaatsprinzip zu sichern ist. Es ist ein einheitliches, das physische und soziokulturelle Minimum umfassendes Grundrecht und gilt für Ausländer und deutsche Staatsbürger gleichermaßen. Hervorzuheben ist auch, dass Menschenwürde und Existenzminimum nicht durch migrationspolitische Erwägungen zu relativieren seien.
Durch dieses Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich nach 20 Jahren das unselige Asylbewerberleistungsgesetz endgültig erledigt. Es gehört, was viele Menschenrechtsorganisationen seit Langem fordern, abgeschafft!
Für eine eigengesetzliche Regelung für Asylbewerber und bestimmte andere ausländische Staatsangehörige besteht keinerlei Notwendigkeit mehr. Sie können und sie sollten in die Regelungen unserer Sozialgesetzbücher einbezogen werden - wie alle anderen Menschen auch.
Sie haben entweder Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende oder auf Sozialhilfe. Dabei erwerben sie auch die Möglichkeit auf Integration in den Arbeitsmarkt und das Recht auf Krankenversorgung. Das von den meisten Betroffenen als deprimierend und quälend empfundene jahrelange Herumhängen ohne Aussicht auf eine Beschäftigung hätte ein Ende.
Aber nicht nur aus menschen- und verfassungsrechtlichen Erwägungen macht das Asylbewerberleistungsgesetz keinen Sinn mehr, sondern auch aus finanziellen Erwägungen. Der Gesetzgeber ist zur Neuberechnung der Leistungen verpflichtet, und diese müssen sich an den Leistungen von SGB II und SGB XII orientieren. Das Argument der Kosteneinsparung für öffentliche Haushalte fällt weg. Für die Ebene der Kommunen und Länder würde sich eine Eingliederung der Mehrzahl der Leistungsberechtigten in das SGB II sogar finanziell entlastend auswirken. Zudem ist der Verwaltungsaufwand für die Aufrechterhaltung eines gesonderten Fürsorgesystems unverhältnismäßig hoch. Außerdem würde mit dem Asylbewerberleistungsgesetz endlich auch das schikanöse Sachleistungsprinzip ein Ende haben.
Wir Grüne wollen die diskriminierende Sonderbehandlung von Flüchtlingen ein für alle Mal beenden. Wir freuen uns sehr, dass aus unserem Antrag ein gemeinsamer Antrag von drei Fraktionen hervorgegangen ist und dass der Landtag Brandenburg mit einer breiten Mehrheit die sehr honorige Bundesratsinitiative der Länder Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz begrüßt und unterstützt. Weitere A-Länder haben bereits ihre Zustimmung signalisiert. Die Landesregierung wird sich schon am 12. Oktober in der Ländervertretung dazu positionieren können. - Vielen Dank.
Die Abgeordnete Lehmann setzt für die SPD-Fraktion fort. Während sie an das Mikrofon tritt, begrüße ich unsere neuen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Für die Bundespolitik war es schon ein herber Schlag ins Gesicht, als im Juli dieses Jahres das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Höhe der Geldleistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes evident unzureichend ist, weil sie seit 1993 nicht verändert worden ist.
Der Bundesgesetzgeber wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert, unverzüglich für diesen Leistungsbereich eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen.
Zudem hat das Gericht eine sofort geltende Übergangsregelung angeordnet, die vorsieht, dass den Leistungsberechtigten ab 01.08. dieses Jahres Leistungssätze zu zahlen sind, die sich an den Regelleistungen für SGB-II- und -XII-Empfänger orientieren. Auch für eine kurze Aufenthaltsdauer oder Aufenthaltsperspektive in Deutschland schließt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus, den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf die Sicherung der physischen Existenz zu beschränken. Der Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz verlange, dass das Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss.
Auch wenn sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 in erster Linie auf die Verfassungsgemäßheit der Höhe der Grundleistungssätze bezieht, lassen die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts nur den Schluss zu, dass die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes überfällig und die Einbeziehung der betroffenen Personengruppe in die bestehenden Leistungssysteme nach dem SGB II und dem SGB XII geeignet ist, die Bedarfe auch für diesen betroffenen Personenkreis sicherzustellen.
Mit unserem Antrag möchten wir die Landesregierung auffordern, gemeinsam mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel der Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes und der Einbeziehung der betroffenen Personengruppen in die bestehenden Sozialleistungssysteme einzubringen.
In Brandenburg erhalten rund 3 100 Menschen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Landesregierung hat auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unverzüglich reagiert und für die Übergangsregel im Landeshaushalt bei den Asylbewerberleistungen 1,1 Millionen Euro im Jahr 2012 und 2,7 Millionen Euro im Jahr 2013 veranschlagt. Die Mehrkosten dürfen allerdings nicht allein den Ländern und den Kommunen aufgebürdet werden. Klare Botschaft: Der Bund muss sich an den Kosten des Asylbewerberleistungsgesetzes beteiligen, zudem die Flüchtlingszahlen und damit auch die Kosten in den kommenden Jahren - wir konnten das auch im heutigen Pressespiegel lesen - weiter steigen werden. Hier muss der Bund auch künftig einen Teil der Verantwortung mit übernehmen. Deutschland muss Asylbewerbern ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.
Mit unserem Antrag gehen wir heute einen großen Schritt in diese Richtung. Was Asylbewerber- und Flüchtlingsverbände schon lange einfordern, ist nun vom höchsten Gericht bestätigt worden. Schon deshalb vertraue ich darauf, dass unsere Bundesratsinitiative erfolgreich sein wird. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz definieren, was ich im Internet gefunden habe - es ist nachzulesen -:
„Ein Asylbewerber ist ein Flüchtling, der an einer Grenze oder bei einer Ausländerbehörde einen Asylantrag gestellt hat. Er erhält eine Aufenthaltsgestattung, bis über seinen Asylantrag abschließend entschieden ist. Die Dauer des Asylverfahrens ist unterschiedlich lang und von vielen Faktoren abhängig. Der Aufenthalt ist für den Zeitraum des Verfahrens gestattet. Asylbewerber erhalten in dieser Zeit staatliche Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, und diese ist aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes“
Den Menschen, die zu uns gekommen sind, um ihr Leben zu retten, wird Unterkunft gewährt, sie erhalten Geld oder Sachleistungen. Erst wenn ihnen Asyl gewährt wird, erhalten die Asylbewerber ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Außerdem haben sie mit der Asylberechtigung den Zugang zu allen sozialen Leistungen in Deutschland. Weshalb wollen Sie das ändern?
Wir haben umfangreiche soziale Sicherungssysteme. Die Leistungen sind aber an bestimmte Bedingungen geknüpft. Leistungen aus dem SGB II sollen dazu beitragen, dass die Leistungsempfänger ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sollen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützt werden. Das heißt nichts anderes, als: Sie stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das machen Asylbewerber mit der Gestattung eben nicht.
Im SGB XII wird ausgeführt, dass derjenige, der sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann, keine Sozialhilfe erhält. Sie sehen: Beide Sachverhalte treffen nicht auf Asylbewerber zu.
Sie nennen in Ihrer Begründung drei Zielstellungen, die bei der Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber Berücksichtigung finden sollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren und liebe Kollegin Nonnemacher, daran hat sich doch bis heute nichts geändert. Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde, wie Sie selbst im Antrag schreiben, 1993 beschlossen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir auf Bundesebene von 1998 bis 2005 eine rotgrüne Koalition hatten. Das war ein Zeitraum von sieben Jahren,
Sie hatten in dieser Koalition sieben Jahre lang Zeit, Gesetzesänderungen vorzunehmen. Das haben Sie anscheinend nicht gewollt. Wir können und wollen Ihrem Antrag nicht zustimmen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von meinen Kolleginnen Frau Nonnemacher und Frau Lehmann ist schon eine ganze Menge gesagt worden. Ich würde dem - etwas zugespitzt - noch einige Dinge hinzufügen wollen; denn eigentlich ist es eine Schande, dass in diesem Staat Bundesrepublik Deutschland so lange gegen die Würde des Menschen verstoßen werden konnte,
wenn dieser Mensch Flüchtling oder Asylbewerber war. Denn schon 1993 war dieses Gesetz grundgesetzwidrig, wie das Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich festgestellt hat. Deswegen gehört es so schnell wie möglich abgeschafft.