Protocol of the Session on August 30, 2012

Es ist schon interessant, wenn man sich wieder anhört und nachliest, was Sie alles hier im Plenum und auch außerhalb des Hauses zu diesem Thema gesagt haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, es wäre das Mindeste, dass Sie unseren Gesetzentwurf in den Innenausschuss überweisen, wo wir uns gemeinsam verständigen können, wie wir mit dieser großen Dauerbaustelle weiter verfahren wollen. Betroffene gibt es jedenfalls genug; sie warten lange genug auf ein Entgegenkommen. Wir konnten heute im Pressespiegel von einem neuen Urteil lesen, wonach die Satzung des Zweckverbandes Jüterbog für unwirksam erklärt wurde.

(Görke [DIE LINKE]: Aber nicht deshalb!)

Es gibt sehr viel Pfusch auch bei den Zweckverbänden.

(Jürgens [DIE LINKE]: Auf der Grundlage des Gesetzes von 2009!)

Die Bürger fühlen sich nicht verstanden und können nicht nachvollziehen, was passiert ist. Sie brauchen ein Instrumentarium,

um sich gegenüber ihren Zweckverbänden, die in einer viel stärkeren Position sind, wirksam zur Wehr setzen zu können. Dafür benötigen die Bürger Waffengleichheit.

(Zuruf der Abgeordneten Stark [SPD])

- Frau Stark, die Musterverfahren sind zwar im KAG vorgesehen, aber der Zweckverband muss es nicht machen.

(Frau Stark [SPD]: Die Versammlung kann es aber ma- chen! Kommunale Selbstverwaltung!)

Die Zweckverbände machen es auch nicht. Schauen Sie sich doch mal in Brandenburg um: Wo hat es denn bisher Musterverfahren gegeben? Deren Zahl können Sie an zwei Fingern abzählen.

(Beifall CDU)

Wir als Landtag sind dafür da, in unser KAG eine verbindliche, das heißt für die Zweckverbände verpflichtende Regelung hineinzuschreiben.

(Frau Stark [SPD]: Was für ein zentralistischer Ansatz! - Bischoff [SPD]: Was für eine Show!)

Warum haben Sie denn nicht den Mut, diesen Weg zu gehen? Warum wollen Sie den Bürgern nicht das Recht einräumen, solche Musterverfahren zu führen? Dann geht es vor Gericht, es wird vernünftig entschieden, und am Ende haben sich alle daran zu halten. Denn die Fälle sind, was die Rechtsfragen angeht, alle identisch. Der einzige Unterschied ist die jeweilige Höhe des Beitrags. Ich hoffe, Sie von der Koalition können sich heute einen Ruck geben und nach drei Jahren Untätigkeit das gilt jedenfalls für die Linksfraktion - mit Ihrem heutigen Abstimmungsverhalten verdeutlichen, was Sie zu tun gedenken, um den Betroffenen endlich entgegenzukommen.

(Görke [DIE LINKE]: Wer hat denn das Gesetz zu ver- antworten?)

Einen Satz sage ich Ihnen noch: Der BBU unterstützt unseren Gesetzentwurf sehr deutlich; er hat sich schon entsprechend geäußert. Ich füge hinzu, dass auch die IHK Brandenburgs unseren Gesetzentwurf unterstützt; das kommt ja nicht so oft vor. Normalerweise müsste spätestens jetzt bei Ihnen eine rote Lampe aufleuchten, und Sie müssten sich überlegen, was Sie gegen die von mir vorhin präsentierte Landkarte tun wollen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wichmann.

Zwischenzeitlich hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion beantragt, die Beschlussfähigkeit festzustellen. Das haben wir getan. Die Beschlussfähigkeit war zu Beginn des zweiten Teils der heutigen Sitzung nicht gegeben; inzwischen ist sie gegeben. Es braucht also keine Auszeit. Ich erinnere daran, dass nach Mittagspausen die Anwesenheit immer etwas zu wünschen übrig lässt.

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Richter hat das Wort.

(Homeyer [CDU]: Jetzt muss der Kollege Richter das wieder auf sich nehmen! - Weiterer Zuruf von der CDU- Fraktion: Ihn schicken Sie jetzt vor!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird beantragt, bei Widerspruchsverfahren im Rahmen der sogenannten Altanschließerproblematik die Möglichkeit zu eröffnen, Musterklagen zu führen. Wir alle kennen die Thematik; insofern will ich hier nichts wiederholen.

Richtig ist: Der Sachverhalt ist kompliziert. Der Verlauf der Diskussion und auch die Äußerungen, die aus den Reihen der Regierung kamen, waren nicht immer klar und eindeutig. Wir müssen feststellen: Das hat die Bürger verunsichert.

Es ist richtig, wie es in der Präambel des Gesetzentwurfs der CDU-Fraktion steht: Es kommt zu einer erheblichen finanziellen Belastung für die Altanschließer. - Ich füge aber ein Komma hinzu und ergänze: auch für die Neuanschließer.

(Frau Stark [SPD]: Genau, für alle!)

Ich habe volles Verständnis für die Sorgen der betroffenen Bürger. Bei ihnen gab und gibt es Unverständnis und Ärger.

Wie kann reagiert werden? Herr Wichmann, Sie haben eine Möglichkeit genannt; ich glaube aber, dass damit die Probleme nicht gelöst werden. Warum sehe ich das so? Als Allererstes muss man die aktuelle Rechtssituation zur Kenntnis nehmen. Ich meine tatsächlich: zur Kenntnis nehmen; es reicht nicht, das nur so dahinzusagen. Ich freue mich, dass die CDU das macht. Das sage ich ausdrücklich. Mir ist aber auch bewusst, dass das nicht für alle gilt.

Das OVG Brandenburg hat in dieser Sache eindeutig geurteilt. Daran brauchen wir nicht mehr herumzudeuteln. Wenn wir die Entscheidungen des OVG ständig infrage stellen, wo wollen wir dann im Rechtsstaat hinkommen? Das wird nicht gehen.

(Zurufe von der CDU)

Es ist rechtlich nicht möglich, die Altanschließer von der Finanzierung von Investitionen, die nach 1990 getätigt wurden, auszunehmen. Das betone ich immer wieder; auch ich führe Bürgergespräche. Dabei begegnet mir immer wieder die falsche Aussage, es bestehe für Altanschließer die Möglichkeit der Befreiung. Das OVG hat entschieden: Das ist rechtlich nicht möglich.

Herr Abgeordneter Richter, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Blechinger zu?

Bitte, Frau Blechinger.

Herr Richter, Sie haben deutlich gesagt, dass wir die Rechtslage anerkennen.

Ist Ihnen bekannt, dass viele Berechnungen der Abwasserzweckverbände falsch sind, weil sie nicht genau trennen zwischen den Investitionen, die allen zugutekommen und für die auch die Altanschließer zahlen müssen, und den anderen Investitionen, die im Abwasserverband getätigt werden? Ist Ihnen ferner bekannt, dass insgesamt die Kostenrechnungen intransparent, oft sogar falsch sind? Muss den Bürgern nicht ein Rechtsweg eröffnet werden, damit sie dagegen vorgehen können?

Ich kann nicht sagen, dass mir das bekannt ist. Aber ich vermute - insoweit gebe ich Ihnen Recht -, dass es in den Satzungen und den Kalkulationen viele Fehler gibt. Wie gesagt, ich vermute das. Darauf wäre ich übrigens noch zu sprechen gekommen.

Ich war bei der Feststellung, dass die Altanschließer nicht unberücksichtigt gelassen werden dürfen. Dafür gibt es einen wesentlichen Grund: Dagegen spricht nämlich der Gleichheitssatz in Artikel 3 des Grundgesetzes - ein ganz hohes Gut. Aus dem Gleichheitssatz ist auch der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit abgeleitet. Beides gehört zusammen. Alle Nutzer einer Anlage müssen diese auch finanzieren. Wenn ein Teil der Nutzer befreit wird - wer soll deren Anteil dann tragen? Die anderen, die Gemeinde, der Steuerzahler? Wer genau soll den Anteil übernehmen, wenn die Altanschließer ihn nicht übernehmen?

Wenn ich sage, dass wir die Rechtslage und damit die Realität zur Kenntnis nehmen müssen, dann meine ich damit nicht einfach ein Hinnehmen. Vielmehr gibt es das Erfordernis einer umfangreichen Kommunikation. Alle, die Verantwortung tragen, müssen die Rechtslage auch den Altanschließern gegenüber kommunizieren. Die Zweckverbände, die Stadtverordnetenversammlungen, der VNG - sie alle müssen ihren Mitgliedern sagen: Es gibt ein entsprechendes Urteil. So ist die Rechtslage. Das müssen wir immer wieder ausführlich und geduldig erklären, damit Frust nicht entsteht. Wenn wir diese Aufklärung nicht betreiben, schicken wir die Menschen in die falsche Richtung. Das wäre nicht fair, auch nicht gegenüber den Altanschließern.

Ich betone: Die Hauptakteure in diesem Verfahren sind die Zweckverbände für Wasser und Abwasser. Es muss klar sein, dass es keine Möglichkeit gibt, die Altanschließer aus dieser Verpflichtung zu entlassen. Ich füge hinzu: Da hilft auch kein Trick, etwa der Hinweis auf Verjährung. Das wäre unsinnig. Der Gleichheitssatz würde verletzt. Das können wir als Abgeordnete nicht zulassen.

Was macht der Verband dann? Als Zweites muss er all die Vorteilsmöglichkeiten für die Altanschließer ausschöpfen; davon

gibt es eine ganze Menge. Frau Blechinger, Sie haben gesagt, dass die Zweckverbände das nicht täten. Aber es ist deren Aufgabe, genau das zu tun. Sie müssen das richtige Modell aussuchen, das für ihre Situation am besten passt. In Brandenburg kommt übrigens eine ganze Reihe von Modellen zur Anwendung. Ich komme aus dem Norden. Dort werden einige erfolgreich praktiziert, und zwar ohne viel Ärger, ohne viel Trara. Das reicht von der kompletten Umstellung auf Gebührenfinanzierung bis hin zur teilweisen Rückzahlung. Man kann gar nicht sagen, es gebe nur drei, vier oder fünf, sondern es gibt zahlreiche Möglichkeiten. Es liegt in der Verantwortung der Zweckverbände, das Richtige zu tun.

Das Beratungsangebot des Innenministeriums haben zahlreiche Zweckverbände angenommen. Viele von ihnen sind mit neuen Erkenntnissen und Ideen nach Hause gefahren. Solche Angebote müssen wahrgenommen werden, denn das ist ein komplizierter Sachverhalt. Auch insoweit muss Professionalität in die Arbeit hineinkommen.

Zum Schluss noch folgender Hinweis: Auch die Billigkeitsregelungen, die zulässig und ausdrücklich vermerkt sind, müssen am Ende von einer Zweckverbandsversammlung in Augenschein genommen werden. Wenn ein Bürger in arge Bedrängnis gerät, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, diese zu mildern.

Ich glaube, dass diese Schritte in einigen Landesteilen nicht gut gelaufen sind. Zum Teil wurde ohne umfassende Diskussion mit den Betroffenen ein Verfahren ausgewählt. Es gab eine Kalkulation, es wurden Bescheide verschickt, und erst im Widerspruchsverfahren begann die Kommunikation. Das ist genau falsch herum. Es hätte anders laufen müssen.

Es gab und gibt immer noch falsche Informationen zum Sachverhalt. Das macht auch mich manchmal regelrecht ratlos. Der VNG hat vor kurzem, am 15. August, einen Brief an den Landtagspräsidenten, Herrn Fritsch, geschrieben. An der Überschrift wird schon deutlich, was ich mit dem Wecken falscher Hoffnungen meine. Es heißt dort: „Weg mit den Altanschließerbeiträgen!“ Heute, drei Jahre nach dem Urteil, wird immer noch tausendfach unter den Haushalten die Behauptung verbreitet, es gebe eine Chance, diese Beiträge wegzubekommen. Das stimmt nicht! Die Falschinformation erzeugt den Frust, über den wir uns hier so lange unterhalten. Der erste Schritt müsste darin bestehen, das Problem der Falschinformation anzugehen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Herr Abgeordneter Richter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Sie ist wirklich vorbei.

Wenn man diese Falschinformation so massenhaft in die Bevölkerung trägt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn man