Protocol of the Session on August 29, 2012

(Beifall FDP)

Die Abgeordnete Meier spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vieles haben meine Vorrednerin und die Vorredner schon gesagt. Aber einen Aspekt möchte ich noch einmal verstärken. In meiner Fraktion richten wir den Blick insbesondere auf die Auswirkungen der neuen GEMA-Tarife auf die Kulturlandschaft. Aus dieser Sicht ist die Tarifreform nämlich schlicht und er

greifend kulturfeindlich. Wenn Feste und Veranstaltungen von gemeinnützigen Vereinen zukünftig mit einer rein kommerziellen Veranstaltung gleichgesetzt werden, bedrohen GEMA-Gebühren schlichtweg das Ehrenamt und damit das soziokulturelle Leben. Die Folgen der GEMA-Tarifreform für die gewerbliche Wirtschaft in Brandenburg, für deren Interessen sich auch der Hotel- und Gaststättenverband des Landes Brandenburg einsetzt, sind das eine. Darüber hinaus befürchten aber auch zahlreiche ehrenamtlich Aktive Kostensteigerungen. In Brandenburg gibt es ein großes bürgerschaftliches Engagement. Es gibt Volks- und Straßenfeste und ein lebendiges Vereinsleben. Die finanziellen Rahmenbedingungen für ehrenamtlich Tätige und Vereine sind deshalb auch unbedingt zu berücksichtigen. Geltende Rabattsysteme und Freistellungsregelungen müssen im gemeinnützigen Interesse weiter aufrechterhalten werden.

Wie sehr die GEMA-Gebühr die Menschen betrifft, zeigt unter anderem die Petition mit dem Titel „Gegen die Tarifreform 2013 - GEMA verliert Augenmaß“. Mit dem heutigen Tag haben über 261 000 Unterstützerinnen und Unterstützer ihre Unterschrift unter die Petition gesetzt. Die Grenze von 50 000 Unterschriften ist bereits um das Fünffache überschritten, sodass der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages sich damit befassen muss.

Natürlich wissen auch wir von der Linken, dass die GEMA die Institution ist, die sich darum kümmert, dass Autoren und Komponisten für ihr geistiges Eigentum Tantiemen erhalten. Die GEMA ist die Institution, die dafür Sorge trägt, dass Künstlerinnen und Künstler für ihr geschaffenes Werk angemessen vergütet werden. Das ist völlig unstrittig, und so soll es auch künftig bleiben. Wirksamer Schutz des geistigen Eigentums heißt aber nicht, dass die GEMA die Bedingungen durch ihre Monopolstellung allein diktieren kann. Dies wäre bedauerlich. Darüber sollte in Zukunft auch noch einmal gesprochen werden. Die Enquetekommission des Bundestages empfahl bereits vor Jahren, die Aufsicht über die GEMA auszuweiten, und mahnte mehr Kontrolle an.

Aber auch das Thema Urheberrecht sollte auf der politischen Agenda bleiben. Meine Kollegin im Deutschen Bundestag Petra Sitte hat in einem Gastbeitrag bei „ZEIT ONLINE“ am 24. August einen wirklich empfehlenswerten Beitrag geleistet.

(Beifall des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Die von ihr in der Debatte um das Urheberrecht identifizierten drei Problemfelder sehe auch ich. Deshalb möchte ich sie hier noch einmal kurz nennen.

Erstens: Das finanzielle Auskommen der Urheberinnen und Urheber ist, abgesehen von einigen wenigen Superstars, prekär.

Zweitens: Die Medienindustrie beklagt sich über illegales Downloaden und Kopieren, sieht sich um Umsätze und Gewinne gebracht, prangert eine Gratiskultur im Internet an.

Drittens: Nutzerinnen und Nutzer sehen sich durch das geltende Urheberrecht immer wieder eingeschränkt in ihren digitalen Möglichkeiten, Werke zu verbreiten, zu teilen und weiterzuverarbeiten.

Fakt ist: Der Kreativmarkt, wie er heute reguliert ist, hilft we

der den Kreativen noch den Nutzerinnen und Nutzern. Andere Lösungen sind also gefragt.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren von der CDU, verehrte Frau Heinrich, uns von der Linken ist ihr 1:1 abgeschriebener Antrag aus Sachsen-Anhalt bzw. Mecklenburg-Vorpommern nicht weitreichend genug. Liebe Frau Kollegin Heinrich, es ist eben kein gleichlautender Entschließungsantrag. Vielmehr hat er eine kleine aber feine Unterscheidung, indem wir die Aussetzung der Reformpläne fordern, bis die benannten Probleme geklärt sind.

Wir haben uns an dem beschlossenen Antrag aus Thüringen orientiert, weil er aus unserer Sicht weitreichender ist.

(Zuruf von der CDU: Aber nicht abgeschrieben!)

Schade ist, dass es trotz intensiver Bemühungen nicht möglich war - da haue ich in die gleiche Kerbe wie mein Kollege Kosanke -, einen gemeinsamen Antrag einzubringen. Aber gut, Sie allein entscheiden, wann Sie hier im Parlament Ihre selbst gewählte Isolation beenden.

(Beifall DIE LINKE)

Ein erster Schritt wäre es, sich unserem Entschließungsantrag anzuschließen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Abgeordnete von Halem spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Offensichtlich sind wir uns weitgehend einig, was die neu geplante Tarifstruktur der GEMA betrifft: Sie ist unausgewogen und trägt dem Rechnung, dass die GEMA sich in einer Monopolstellung befindet. Klubs, Diskotheken, Musikkneipen und öffentliche Feste müssen auch weiterhin wirtschaftlich sein. Sonst gehen mit der Musik an vielen Orten die Lichter aus.

Die GEMA geht in der vorgeschlagenen Änderung der Tarifstruktur von ausgelasteten Veranstaltungen aus. Das ist besonders in der Fläche in der Realität ganz anders. Die Verwerter rechnen mit einem Gast pro Quadratmeter Veranstaltungsfläche. Bei Veranstaltungen in ländlichen Regionen in Brandenburg werden diese Besucherzahlen in der Regel unterschritten. Manchmal kommt nur ein Besucher auf 4 bis 5 m2 Fläche. Der Anteil der GEMA an den Umsatzerlösen würde ansteigen. Diese Angebote in der Existenz zu bedrohen hilft letztendlich auch keinem Künstler. Meine Kollegin Heinrich hat sehr schön vorgerechnet, was das dann in Euro bedeutet.

Ich denke, dass die GEMA kein Interesse daran hat, die Kühe zu schlachten, die sie melken will. Aber sie muss trotzdem die vorliegende Tarifreform noch einmal anpassen; denn diese ist eine ernsthafte Bedrohung für sehr viele Nischenange

bote, und sie beschneidet die Auftrittsmöglichkeiten für junge Bands.

Die Kommerzialisierung der Programme müsste voranschreiten, um die gestiegenen Kosten einzuspielen, die Eintrittspreise würden steigen. Das bedroht insbesondere Veranstaltungsangebote im ländlichen Raum, aber auch Nischenangebote in städtischen Räumen. Die Details dazu muss ich jetzt nicht wiederholen.

Die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt soll schlichten, und - wie auch schon erwähnt wurde - dieses Verfahren läuft bereits. Natürlich läuft ein solches Verfahren unter Abwägung der Interessen der Parteien. Das ist schließlich die Aufgabe einer Schiedsstelle.

Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, hier eine unabhängige Schiedsstelle von politischer Seite auf ihre Aufgaben aufmerksam machen wollen, dann klingt das, als wollten Sie deren Unabhängigkeit anzweifeln. Aus unserer Sicht ist politischer Druck auf unabhängige Schiedsstellen und Gerichte eine verbreitete Unsitte, die dem Prinzip der Gewaltenteilung zuwiderläuft. Ihre Forderung unter Punkt 1 hätten wir lieber gestrichen.

Die weiteren Appelle an die GEMA kann man unterstützen die sind zwar wenig aussagekräftig, aber immerhin ausgesprochen wohlmeinend. Ebenso unterstützen wir den ziemlich besserwisserisch anmutenden Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen.

(Vereinzelt Unmut bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Aber der aktuelle Verwertungsstreit zeigt einmal mehr den Reformbedarf des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes auf Bundesebene. Die mangelnde Transparenz und Monopolstellung der GEMA wird seit Jahren kritisiert, das System der gesetzlichen Aufsicht der Verwerter bedarf dringend einer Überprüfung. Die Entscheidungsstrukturen der GEMA sind undurchsichtig; nur ein Bruchteil der GEMA-Mitglieder kann sich überhaupt beteiligen. Vertreter der Berliner Klubszene kritisierten:

„Wir fürchten, dass das Geld bei den Dieter Bohlens dieser Welt und nicht bei den kleinen Akteuren ankommt.“

Über den Verteilungsplan der Gelder entscheiden nur ca. 3 400 der insgesamt 64 000 GEMA-Mitglieder, nämlich die umsatzstärksten bzw. die großen Verlage. 65 % der von der GEMA eingenommenen Gelder fließen an 5 % der Mitglieder. Der kleine Künstler bleibt von vielen Entscheidungen über die Vergütung seiner eigenen Werke ausgeschlossen. Nicht nur das neue Tarifsystem der GEMA muss überdacht werden, sondern auch die innere Verfasstheit bedarf einer demokratischeren Ausrichtung.

Ansonsten kann man nur hoffen, dass sich Cafés und Veranstalter angesichts überbordender Kosten mit GEMA-lizenzfreier Musik versorgen - die gibt es nämlich auch. Lizenzen wie Creative Commons bieten bereits moderne Alternativen. Die GEMA ist dann das alte System.

(Beifall GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Hoffmann spricht für sich selbst.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind im Landtag Brandenburg mit dieser Initiative sicherlich etwas spät dran, trotzdem begrüße ich, dass die CDU-Fraktion einen Antrag zum Thema Verwertungsgesellschaften und Interessen der Klubs, Künstlerinnen und Künstler und auch der Wirtschaft eingebracht hat.

Frau Heinrich, ich verstehe Ihren Ärger über die GEMA sehr gut. Aus Ihrer Rede spricht eine sehr engagierte Kulturpolitikerin. Den Forderungen in Ihrer Rede stimme ich ausdrücklich zu. Und das sage ich, weil ich Sie in diesen Punkten sehr unterstütze.

Trotzdem bin ich froh, dass es einen Entschließungsantrag gibt. Dieser Entschließungsantrag ist nämlich einfach besser: Er ist kulturpolitischer ausgerichtet als der Antrag der CDUFraktion - fast so kulturpolitisch engagiert wie Ihre Rede. Und er ist besser, weil er die deutliche Aufforderung enthält, die neuen Tarifstrukturen der GEMA bis zum Abschluss des anhängigen Schiedsverfahrens nicht anzuwenden.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Der Entschließungsantrag ist damit dem Antrag des Thüringer Landtags viel ähnlicher. Das ist in diesem Falle gut, denn der wurde von allen Fraktionen gemeinsam eingebracht und beschlossen - übrigens auch von der FDP-Fraktion. Allerdings, beiden heute vorliegenden Anträgen ist eines gemeinsam: Sie können lediglich als Reparaturmaßnahme gelten.

Worum geht es also? Bei allem berechtigten Ärger über die GEMA - liebe Kerstin Meier, liebe Anja Heinrich - muss gesagt werden, dass die GEMA eben trotzdem nicht einzig als bürokratisches Monster zu betrachten ist. So einfach ist das nicht. Kerstin Meier hat ja bereits einige Punkte genannt. Der gegenwärtig wieder einmal zutage tretende Konflikt um die GEMA-Tarife ist nur ein Symptom - ein Symptom für die Krise des gesamten Systems der Verwertungsgesellschaften. Zu diesem Punkt hat Frau von Halem einiges gesagt.

Der Verwertungsgesellschaft WORT wird zum Beispiel vorgeworfen, dass ihr Verteilungsmodell gegen den Treuhandgrundsatz verstößt. Das Landgericht München hat das bestätigt. Aufgrund dieses Urteils werden auch andere Verwertungsgesellschaften - also auch die GEMA - daran arbeiten müssen, ihre Verteilungspraxis umzugestalten. Dazu kommen geduldete Intransparenz und umständliche Fragebögen, die durchaus auch einmal zur bösen Falle für Klubbetreiber oder Kulturschaffende werden können.

Zu Recht werden die teilweise gravierenden undemokratischen Binnenstrukturen kritisiert. Allein die Praxis der unterschiedlichen Rechte verschiedener Mitgliedergruppen der GEMA wirft Fragen auf, die gerecht geklärt werden sollten. Einzig bei der Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST geht es relativ fair zu. Nun also noch die Gefährdung von Klubs, Gaststätten und Diskotheken durch die neuen Tarifbestimmungen der GEMA!

Wahrscheinlich stimmen die Berechnungen der zukünftig Betroffenen, wenn sie davon ausgehen, dass mit einer Erhöhung der Abgaben von teilweise bis zu 2 000 % zu rechnen ist. Für 40 % der Veranstalter wird es teurer werden, wobei auch gesagt werden muss, dass das nicht immer ungerecht ist, denn einige von ihnen haben bisher vielleicht auch zu wenig gezahlt. Aber die Sache ist eben nicht übersichtlich. Bis die Schiedsstelle entschieden hat, werden die Abgaben zwar auf ein Treuhandkonto überwiesen, aber gezahlt werden muss eben erst einmal. Bereits das kann das Aus für einzelne Einrichtungen bedeuten. Das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz verhindert das gegenwärtig leider nicht. Das Deutsche Patent- und Markenamt erfüllt in all diesen Fragen seine Funktion als Aufsichtsbehörde nicht. Noch einmal: Das System insgesamt stimmt nicht, jedenfalls nicht im Konkreten.

Die Enquetekommission „Kultur“ des Deutschen Bundestages hat in ihrem Abschlussbericht 2007 insgesamt 14 Handlungsempfehlungen zum Thema GEMA und Verwertungsgesellschaften formuliert. Zu begrüßen ist, dass bereits im ersten Punkt klargestellt wird, dass es um die Sicherung der kulturellen Vielfalt geht. Ein Antrag der LINKEN im Abgeordnetenhaus von Berlin stellt unser heute behandeltes Thema konsequent genau in diesen Kontext. Das ist, wie ich finde, eine interessante Anregung auch für unser Haus.

Gegenwärtig geht es darum, dass erstens die GEMA-Reformpläne bis zur Klärung durch die Schiedsstelle ausgesetzt werden, dass zweitens darauf hingearbeitet wird, demokratische Binnenstrukturen verpflichtend vorzuschreiben, und dass drittens die Aufsicht grundlegend verbessert wird.

Beide Anträge gehen in die richtige Richtung, aber mit Blick in den Abschlussbericht der Enquetekommission „Kultur“ des Deutschen Bundestages kann man nur feststellen: Es gibt auch in diesem Haus noch viel Arbeit auf diesem Gebiet. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)