Protocol of the Session on August 29, 2012

Wir haben daraus eine Reihe von zentralen Handlungsfeldern und von vordringlich zu bearbeitenden Vorhaben definiert. Ich möchte das am Beispiel des Handlungsfeldes 1 - Rahmenbedingungen - zu erläutern versuchen. Einige unserer Industriestandorte weisen eine besondere Lage auf. Nehmen Sie zum Beispiel Wittstock, das Autobahndreieck. Es ist kaum bekannt, dass dort der eigentliche Anker der Entwicklung die Industrie darstellt. Wir haben dort eine überdurchschnittliche Industriedichte und auch die Beschäftigungsstruktur in diesem Bereich ist sehr stark auf Industrieunternehmen fokussiert.

Wir müssen jetzt überlegen, wie wir die Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung in einer solchen Region gezielter unterstützen können. Das kann Infrastruktur sein, das kann die Einbindung in die Energiewende sein, das kann die Fachkräfteausbildung sein, um einige Beispiele zu nennen. Oder nehmen Sie die Eisenhütte Ortrand - relativ singulär, aber wir werden sicherstellen müssen, dass Infrastruktur und weitere Rahmenbedingungen auch in solchen Regionen aufrechterhalten und ausgebaut werden.

Insofern stehen wir mit der Definition des Handlungsfeldes „Rahmenbedingungen“ vor ressortübergreifenden Aufgaben, um den Industriestandort Brandenburg und die hiesige Industriekultur auch sicherzustellen.

Zum Handlungsfeld „Vernetzung, Cluster & Innovation“: Bei uns ist der Aktionsplan „ProIndustrie“, wie bereits gesagt, die industriepolitische Klammer zu weiteren Konzepten, unter anderem zur Innovationsstrategie. Der Bereich Kunststoffe und Chemie wird eine Ausrichtung nach Mitteldeutschland erfahren. Es ist selbstverständlich für BASF in Schwarzheide - und damit in der Region Lausitz - von ausschlaggebender Bedeutung, in welche industriepolitische Richtung und Wirkung sich der Clusterprozess vollziehen wird. Insofern sind wir hier vor eine Reihe von Herausforderungen gestellt, die wir gemeinsam auch bewältigen können.

Zum Handlungsfeld „Internationalisierung & produktbezogene Dienstleistungen“: Wir werden hier morgen einen Antrag zur Weiterentwicklung der Außenwirtschaftspolitik debattieren,

auf den ich mich schon freue. Um es deutlich zu machen: Entgegen manchen Behauptungen liegt das Land Brandenburg, was die Unterstützung der Außenwirtschaft betrifft, in der Ranking-Liste der Bundesländer gleich hinter Bayern. Wir werden Ihnen morgen trotzdem noch eine Reihe von Modifizierungen mitteilen können, weil wir versuchen, das, was wir in diesem Bereich leisten können und was EU-rechtlich zulässig ist, umzusetzen. Wir werden in diesem Prozess die Industrie mit dem Clusterprozess noch stärker miteinander verbinden.

Zu den produktbezogenen Dienstleistungen: Wir stehen vor einer großen Herausforderung. Ich möchte die Stichworte Games - also Spiele-Industrie - und Design in den Raum werfen. Da geht es nicht nur um Technologieentwicklung oder Technologieausgründungen. Das sind Industriezweige, die sich mittlerweile in den normalen Wertschöpfungsprozess integrieren. Das heißt: Die Fragen der Eigenkapitalausstattung und der Marktintegration werden für diesen Bereich immer wichtiger. Deswegen werden wir auch in solchen Zusammenhängen verstärkt wirksam werden und unsere eigenen Möglichkeiten darauf ausrichten.

Wir haben die Unterstützung der Kammern, der Verbände und der Unternehmen, was den Aktionsplan „ProIndustrie“ betrifft. Wir können uns mit Berlin besser abstimmen - das war notwendig, nachdem Berlin eine Reihe von politischen Entscheidungen getroffen hatte -, um uns gemeinsam als Industrieregion aufstellen zu können.

Ich hoffe sehr, dass wir die Unterstützung des Parlaments finden. Die Umsetzung des Aktionsplans „ProIndustrie“ ist keine Haushaltsberatung. Sie erfolgt auch nicht nur über ein Jahr, sondern sie ist die Grundlage für die nächsten Jahre. Wir werden versuchen, den Aktionsplan gemeinsam umzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Abgeordnete Homeyer spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grundlage unserer heutigen Diskussion sind das Leitbild und der Aktionsplan „ProIndustrie“. Herr Minister Christoffers hat dazu eben Ausführungen gemacht. Die Grundlage ist aber der Bericht, über den wir heute die Debatte führen.

Das klingt erst einmal ganz gut und ist auch gewichtig. Damit sollen die Leitlinien für einen modernen und ökologisch orientierten Industriestandort Brandenburg bis zum Jahr 2020 vorgelegt werden. Nicht schlecht - ein hoher Anspruch. Es soll der große Rahmen sein, unter dem sich alle wirtschaftspolitischen Aktivitäten und Instrumente vereinen. Der Anspruch ist sehr hoch gesetzt. Nur, Herr Minister Christoffers, die Latte wird mit dem Inhalt nicht einmal gerissen. Nein, Sie laufen glatt darunter durch.

Der vorgelegte Aktionsplan „ProIndustrie“ - also „Für die Industrie“ - wird selbst nach mehrmaligem Lesen eher zu einem Aktionsplan „ProBürokratie“.

(Beifall CDU)

Kaum ein Unternehmer im Land wird hier etwas Greifbares finden. Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, zwei bemerkenswerte Erkenntnisse aus dem Bericht kurz vortragen. Ich finde sie einfach nur köstlich:

„Die Ursachen des demographischen Wandels sind in erster Linie die anhaltend niedrigen Geburtenraten -

(Oh! bei der CDU)

- und die Abwanderung von jungen Erwachsenen.“

Super Erkenntnis!

„Als Folgen sind ein Rückgang der Bevölkerung und deren zunehmende Alterung festzustellen.“

(Aha! bei der CDU)

Na sowas!

„Auch die Belegschaften Brandenburgischer Industriebetriebe werden immer älter.“

(Aha! bei der CDU)

„Dies führt dazu, dass sich der Bedarf an qualifizierten Fachkräften zukünftig noch verstärken wird.“

Oh! - Liebe Verfasser des Berichtes, diese Tatsache ist seit Jahren bekannt. Die Unternehmen haben sich aus Eigeninitiative schon weitgehend darauf eingerichtet. Diese Erkenntnis hat somit keinen Mehrwert für die Unternehmen in Brandenburg.

(Beifall CDU)

Ich erinnere daran: Der Plan heißt „ProIndustrie“.

Zitat Nummer 2:

„Ziel ist es, industriepolitische Fragestellungen gemeinsam zu diskutieren, um den Standort zu stärken.“

Na toll. Wie bitte? Wir diskutieren, um den Standort zu stärken? Das sind Maßnahmen, auf die die Brandenburger Unternehmen wirklich sehnsüchtig gewartet haben. Ich bin überzeugt, Herr Minister, der Andrang bei Ihnen ist riesengroß.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Wenn man den Bericht den Unternehmen in Brandenburg zeigt, erhält man teilweise erstaunliche Reaktionen. Die CDU-Fraktion erreichte eine Mail - ich glaube, Sie haben sie auch bekommen - von einem angesehenen Brandenburger Mittelständler.

(Görke [DIE LINKE]: Sie haben eine Mail bekommen?)

- Ja, ich glaube, Sie haben sie auch bekommen. - Die Fragestellung in der Mail des brandenburgischen Mittelständlers steht für sich. Seine Hauptkritikpunkte sind: Unternehmen können nur schwer die Kriterien für einen Fördereinstieg erreichen; Bestandsunternehmen werden benachteiligt; die ungenügende Kofinanzierung des Landes setzt zu enge Rahmen; fehlende Transparenz im Verfahren; zu lange Bearbeitungsfristen und investitionshemmende Richtlinien im Vergleich zu anderen

Bundesländern. - Das ist die Stellungnahme eines Ihnen bekannten brandenburgischen mittelständischen Unternehmers, der diesen Aktionsplan mehr oder weniger in der Luft zerrissen hat.

Die Einzige, die sich über derartige Aktionspläne, Konzepte und deren Auswüchse bei den Förderrichtlinien richtig freut, Herr Minister Christoffers, ist unsere ILB. Deren Provisionen werden immer fetter. Der Mitarbeiterstab ist um mehr als 10 % in den letzten drei Jahren gewachsen. Ein Neubau in der Potsdamer Innenstadt ist auch noch geplant. Na klar, sie sind ja auch furchtbar schlecht untergebracht - und das alles bei weniger werdenden Fördermitteln. Irgendetwas stimmt doch da gewaltig nicht.

(Beifall CDU)

Herr Minister Christoffers, die großen Leitlinien der Wirtschaftspolitik vorzugeben ist durchaus wichtig und richtig. Nur müssen diese auch mit Leben gefüllt werden. Doppelstrukturen und der Aufbau von ineffizienten Netzwerken gehören jedenfalls nicht dazu. Es zeigt sich hier eines wieder ganz klar: Eine von Prognos - von wem übrigens auch immer - erstellte Analyse und Handlungsempfehlung hat selten etwas mit der Realität der Unternehmen in Brandenburg zu tun. Anspruch und Realität sind normalerweise zwei Seiten einer Medaille. Hier passen sie wieder einmal nicht zusammen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Kosanke spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Sache konnten wir eben lernen. Vom vermeintlich humorvollen Vorlesen eines Aktionsplanes wird dieser nicht besser, aber auch nicht schlechter, mein lieber Kollege Homeyer.

(Homeyer [CDU]: Ich hatte leider nur fünf Minuten Zeit! - Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

- Ja, und jeder muss sich konzentrieren, was er in diesen fünf Minuten sagen will. - Herr Kollege Homeyer hat sich leider darauf beschränkt, sich in einer Vorleseübung zu ergehen. Das war amüsant, aber es hatte mit dem Thema der heutigen Debatte überhaupt nichts zu tun. Es geht darum, dass wir erstmals eine Strategie vorlegen, wie wir mit unserem Brandenburg als Industrieland umgehen und wie wir es als Industrieland begreifen wollen.

Das ist tatsächlich etwas Neues. Es hat eine ganze Weile gedauert nach der politischen Wende, die vor allem eines mit sich gebracht hat: das Aufhören des Wirkens der Großbetriebe, den Niedergang der märkischen Industrie. Wir haben in vielen Jahren alle möglichen Strategien verfolgt. Wir haben auf das Dienstleistungswunder gewartet; das kam nicht so, wie es sollte. Wir haben dann einzelne Branchen, einzelne Unternehmen gefördert. Jetzt endlich - und das ist ein Ansatz, der in der Bundesrepublik Bedeutung erlangt - kommt die Industrie in ihrer Gesamtheit in den Fokus. Wir haben eine Gesamtstrategie für die Industrie in Brandenburg. Der eigentliche große Erfolg ist, dass wir hier diesen ganzheitlichen Ansatz fahren.

Dass in dem Aktionsplan „ProIndustrie“ die Verbesserung der Fachkräftesituation eine Rolle spielen muss - wie in allen Wirtschaftsstrategien des Landes -, ist völlig klar, denn das ist eines der brennenden Themen. Falls es tatsächlich Leute gibt, die noch nicht verstanden haben, vor welche Probleme uns die Fachkräftesituation in unserem Land stellt, empfinde ich es als hilfreich, dass das in den einleitenden Bemerkungen des Aktionsplans noch einmal erklärt wird, schön langsam und deutlich; Herr Homeyer hat es vorgelesen. Jetzt hat es sicherlich jeder verstanden.

Natürlich kann man darauf hinweisen, dass so eine Strategie nicht alles rettet. Ob man sie liest oder nicht - sie hilft dem einzelnen Unternehmer nicht weiter. Aber es ist überhaupt nicht das Ziel einer solchen Strategie, dem einzelnen Unternehmer mehr Geld in sein Unternehmen zu spülen, sondern sie soll den beteiligten Institutionen - Kammern, Verbänden, Kommunen helfen, sinnvolle Rahmenbedingungen für Industrieunternehmen zu schaffen. Dort muss man hin. Wir haben in diesem Land noch Kommunen, die nicht begriffen haben, was es heißt, Industriestandort zu sein, die zum Beispiel nicht einmal in der Lage sind, Industrieflächen auszuweisen. Wenn Sie in Ihrem Ort keine Industrieflächen ausgewiesen haben, können Sie lange warten, bis sich ein Industrieunternehmen ansiedelt; das darf es dann nämlich schlichtweg nicht. Es geht darum, auch auf dieses Problem aufmerksam zu machen.

Ansiedlungswillige Unternehmen sollen mit einer gebündelten Serviceorientierung unterstützt werden, die übrigens in die Wirtschaftsförderung des Landes mehr und mehr Einzug hält. In diesem Zusammenhang stellen wir bestimmte Tools zur Verfügung, zum Beispiel das Landespräsentationstool, das als eine der wichtigen Maßnahmen benannt worden ist. Damit helfen wir dem Mittelstand und der Industrie. Wir helfen vor allem den beteiligten Institutionen, tatsächlich Industriepolitik für Brandenburg durchführen zu können.

Ich will Ihnen nicht das ganze Programm vorlesen; das hat Herr Homeyer schon versucht. Sie können die einzelnen Punkte selbst nachlesen. Wichtig ist die Feststellung: Wir haben einen neuen Ansatz für ein gesamtstrategisches Vorgehen. Das ist der große Gewinn dieses Pakets. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)