Protocol of the Session on August 29, 2012

Die versuchte Ausbremsung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes reiht sich nahtlos in eine Reihe ähnlich gelagerter Fälle ein. Sobald irgendeine Gesetzesinitiative auch die Kommunen berührt, wird die Konnexitätskeule geschwungen und gemauert. Die „Märkische Oderzeitung“ spricht in einem Kommentar von einem „Pawlowschen Reflex“. Herr Minister Baaske ist auch darauf eingegangen. Es geht wohlgemerkt nicht darum, die Kommunen mit explodierenden Kosten im Regen stehen zu lassen. Aber Fortschritte im Sinne der Betroffenen dürfen nicht a priori mit der Befürchtung, es könne etwas kosten, abgeblockt werden.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Um welche neuen Aufgaben geht es hier überhaupt? War der

Geltungsbereich des Behindertengleichstellungsgesetzes von 2003 lediglich auf die Landesbehörden bezogen, berücksichtigt er nunmehr das Land, die kommunale Ebene sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts. Dabei geht es nicht, wie viele Betroffene inständig hofften, um den kostenträchtigen barrierefreien Zugang zu öffentlichen Gebäuden, dies regelt die Bauordnung des Landes, leider nicht immer mit der notwendigen Eindeutigkeit. Nein, in der Neuregelung wird lediglich dargestellt, dass der Anspruch auf kommunikative und informationstechnische Barrierefreiheit auch im kommunalen Bereich gilt. Es geht um das Recht auf Gebärdendolmetscher in Verwaltungsverfahren und für Eltern mit Hör- und Sprachbehinderungen im Umgang mit der Schule, um barrierefreie Internetangebote und Formulare in Blindenschrift. Dafür hat das Land jährlich 100 000 Euro zur Kostenerstattung vorgesehen.

Ich bin der Landesregierung dankbar, dass sie in den Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden nicht eingeknickt ist. Mit diesem Gesetzentwurf wird weiteren spezifischen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung Rechnung getragen, und wir kommen unserem Ziel, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, ein kleines Stückchen näher.

Neben der Ausweitung des Geltungsbereiches des Gesetzes auf die Kommunen befürworten wir sehr die Einführung eines Verbandsklagerechts, die Ansätze zur Beweislastumkehr bei Diskriminierung, die Berücksichtigung der spezifischen Belange von Frauen mit Behinderung und die Stärkung der Position des Landesbehindertenbeauftragten. Allerdings sollte der Beauftragte direkt dem für Soziales verantwortlichen Mitglied der Landesregierung unterstellt und nicht durch Doppelfunktionen in Interessenskollision gebracht werden.

Diskussionsbedarf sehen wir auch in der Zusammensetzung des Landesbehindertenbeirates. Wir vermissen die Vorschrift, dass die Vergabe von Fördermitteln mit Barrierefreiheit verknüpft wird, wie dies bei EU-Mitteln üblich ist, Regelungen zu Sanktionierungen und Vorgaben bei den Zielvereinbarungen.

Insgesamt gibt es in dem Gesetzentwurf viele positive Ansätze. Auf die Anhörung der vielen Betroffenen in den Ausschüssen und die weitere Qualifizierung des Gesetzes freue ich mich. Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Die Landesregierung hat auf ihren Redebeitrag verzichtet. Demzufolge kommen wir zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes in Drucksache 5/5832, Brandenburgisches Behindertengleichstellungsgesetz, an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie - federführend -, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und an den Ausschuss für Inneres. Wer diesem Überweisungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig überwiesen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Gesetz zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung und zur Änderung des Brandenburgischen Besoldungsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/5831

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Dr. Münch hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gute Schulen brauchen hervorragend ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Schulqualität und Qualität der Lehrerbildung gehören deshalb unmittelbar zusammen. Auf die Lehrerinnen und Lehrer kommt es an, um Chancengleichheit und Bildungsqualität und damit Zukunftschancen für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land zu verwirklichen. Wir haben das Ziel, dass jede Schülerin und jeder Schüler in der Schule individuell gefördert wird und jeder seine Fähigkeiten und Potenziale bestmöglich entfalten kann.

Dafür müssen und werden wir die Lehrerbildung insgesamt weiterentwickeln, indem wir insbesondere Praxisbezüge in der Ausbildung erweitern, indem wir dort den Schwerpunkt auf die Entwicklung der professionsbezogenen Kompetenzen legen und die künftigen Lehrerinnen und Lehrer befähigen, noch besser auf die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler einzugehen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir dafür die Rechtsgrundlage. Vorausgegangen ist der Landtagsbeschluss vom 23.02.2011, den Ausschüssen für Bildung und Wissenschaft ein Konzept zur Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung vorzulegen. Die Vorschläge in diesem Konzept leiten sich aus der Evaluierung der Lehramtsstudiengänge an der Universität Potsdam 2007/2008 ab, aus dem Gutachten zur Akkreditierung lehramtsbezogener Studiengänge an der Universität Potsdam 2009 und aus der Evaluation des Vorbereitungsdienstes in den Jahren 2004 bis 2006. Das heißt, es ist ein umfassendes Wissen, auf das wir hier zurückgreifen können.

Beide Ausschüsse haben dem Konzept im September 2011 zugestimmt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll dieses Konzept jetzt umgesetzt werden. Für die Weiterentwicklung der Lehrerbildung setzen wir drei Schwerpunkte: Zum einen geht es um die neue Struktur der Lehrämter; es geht um die Weiterentwicklung des Lehramtsstudiums, und es geht um die Neuregelung von Vorbereitungsdienst und Berufseingangsphase.

Abweichend von den bisherigen Lehrämtern für die Regelschule, dem Lehramt für die Sekundarstufe I/Primarstufe und dem Lehramt an Gymnasien, wollen wir ein eigenständiges Lehramt für die Primarstufe und ein stufenübergreifendes Lehramt für die Sekundarstufen I und II für die allgemeinbildenden Fächer schaffen. Damit werden wir den unterschiedlichen professionellen Anforderungen an die Lehrkräfte in der Primarstufe und in den Sekundarstufen künftig noch besser gerecht, und die Primarstufenlehrkräfte können ein Tätigkeits

und Kompetenzprofil erwerben, das den Anforderungen der Primarstufe optimal gerecht wird.

Zur Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung wird die Bachelor-Master-Struktur im Lehramtsstudium, die wir aufgrund der Erprobungsklausel im bisher geltenden Lehrerbildungsgesetz erfolgreich getestet haben, mit dem Gesetzentwurf verstetigt. Damit verbinden wir die Lehramtsausbildung mit dem Bologna-Prozess und festigen den Weg zu einem gemeinsamen europäischen Hochschulraum.

Die besten Lehrerinnen und Lehrer gewinnen wir nur dann, wenn die individuellen Voraussetzungen der Studierenden für den Lehrerberuf auch festgestellt werden - das ist ein wichtiger Punkt. Ein verbindliches Verfahren von Evaluation, Beratung und Begleitung im Rahmen des Bachelorstudiums soll den Studierenden eine kritische Reflexion ermöglichen und die Überprüfung ihrer Berufswahl unterstützen. Diese Möglichkeiten, sich beraten und testen zu lassen, sollen am Beginn des Studiums stehen und werden die Studierenden begleiten, damit sich im Laufe des Studiums entsprechend spezifische Fähigkeiten in der Entwicklung unterstützen lassen.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

- Danke, Frau von Halem.

Die individuelle Feststellung zur Berufseignung ist dabei die Grundlage für die weiteren Unterstützungsmaßnahmen der Studierenden durch die Universität. Aus der Bachelor-MasterStruktur ergibt sich auch die Anpassung der Regelstudienzeit für die Lehrämter des gehobenen Dienstes auf fünf Jahre bis zum Masterabschluss. Damit setzen wir für alle Lehrämter die gleiche Regelstudienzeit fest - das ist eine entscheidende Neuerung.

Weiterentwicklung der Lehramtsstudiengänge heißt auch, dass die Fachdidaktikanteile erhöht und die fachwissenschaftlichen Studien noch stärker auf die Anforderungen an den Unterricht in der jeweiligen Schulstufe ausgerichtet werden. Auf der Grundlage des Potsdamer Modells der Lehrerbildung werden die schulpraktischen Studien inhaltlich weiterentwickelt. Mit Blick auf die Anforderungen der inklusiven Schule werden inklusionspädagogische Studieninhalte in die bildungswissenschaftlichen Studien aller Lehramtsstudiengänge integriert. Wir erfüllen hier auch eine Vorreiterfunktion für andere Länder. Das ist etwas, was wir hier sehr zeitig in unsere Lehrerausbildung einbauen, weil es das ist, was die Lehrerinnen und Lehrer an Kompetenzen benötigen.

Im Lehramt der Primarstufe wird es darüber hinaus die Möglichkeit geben, einen Schwerpunkt in der Inklusionspädagogik zu bilden. Dafür hat die Landesregierung zusätzliche Mittel bereitgestellt, um an der Universität Potsdam mit fünf Professorenstellen die personellen Voraussetzungen zu schaffen. Zum Wintersemester 2013/14 werden die neuen Lehramtsstudiengänge an der Universität Potsdam eingerichtet werden.

Der dritte Schwerpunkt des Gesetzentwurfs betrifft den Vorbereitungsdienst und die Berufseingangsphase. Da mit der Erhöhung der Regelstudienzeit für die Lehrämter des gehobenen Dienstes aufgrund der KMK-Beschlüsse keine Verlängerung der Gesamtausbildungsdauer erfolgen darf und die Ausbildungsdauer im Vorbereitungsdienst für alle Lehrämter gleich lang sein

soll, wird der Vorbereitungsdienst für alle Lehrämter von derzeit noch 18 Monaten auf 12 Monate verkürzt. Dies trifft - das ist mir sehr wichtig, weil es da zu Missverständnissen gekommen ist - auf alle Lehramtskandidatinnen und -kandidaten zu, die ab dem 01.01.2019 in den Vorbereitungsdienst eingestellt werden. Das heißt, es werden die jungen Kolleginnen und Kollegen sein, die nach dem neuen Studienmodell ausgebildet sind und einen entsprechend verkürzten Vorbereitungsdienst leisten.

Wir werden auch die Staatsprüfung, das Staatsexamen, neu gestalten. Die Prüfung wird künftig nur noch aus zwei Prüfungsteilen bestehen, nämlich einer Unterrichtsprobe je Unterrichtsfach bzw. Lernbereich und einer weiteren Prüfungsleistung aus einem schulischen Aufgabenbereich außerhalb des Unterrichts. Das kann beispielsweise die Vorbereitung und Durchführung einer Konferenz oder einer Fortbildungsveranstaltung sein.

Außerdem soll der Vorbereitungsdienst durch die Entwicklung einer qualifizierten Hospitationskultur und die Einführung von Coaching und pädagogischer Supervision als Unterstützungsangebot weiterentwickelt werden. Besonders zur Sicherung des Fachkräftebedarfs an den beruflichen Schulen wird auch die Qualifizierung von Seiteneinsteigern weiter ausgebaut. Künftig sind auch Fachhochschulabsolventinnen und Fachhochschulabsolventen mit einem Masterabschluss für diese Ausbildung zugelassen - auch ein wichtiger Schritt mit Blick auf Bologna.

In der verpflichtenden Berufseingangsphase werden Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger schließlich durch individualisierte Angebote und Beratung sehr viel stärker als bisher unterstützt, denn gerade die jungen Lehrerinnen und Lehrer berichten oft von - „Praxisschock“ ist vielleicht zu stark ausgedrückt Erfahrungen, deretwegen sie sich gerade in der ersten Phase ihrer Berufstätigkeit dringend eine verbindliche Unterstützung wünschen.

Da die Lehrämterstruktur Grundlage der laufbahn- und besoldungsrechtlichen Einstufung der Lehrkräfte ist, bedarf es einer Anpassung der besoldungsrechtlichen Regelungen. Deshalb müssen wir in diesem Gesetz auch darauf Bezug nehmen. Artikel 2 des Gesetzentwurfs beinhaltet die erforderliche Anpassung des Brandenburgischen Besoldungsgesetzes.

Der Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung und zur Änderung des Brandenburgischen Besoldungsgesetzes schafft damit die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine zukunftsorientierte Lehrerbildung und für eine gute Schule für alle Kinder und Jugendlichen im Land Brandenburg. Ich gehe davon aus, dass wir im parlamentarischen Beratungsverfahren noch intensiv über die Einzelheiten diskutieren werden. Ich freue mich auf die Debatte und viele gute Anregungen für die weitere Ausgestaltung des Gesetzes. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Hoffmann spricht zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit knapp zwei Jahren wird hier um die Verbesserung der Lehrer

ausbildung gerungen, und ein erstes Konzept wurde uns von der Landesregierung vorgestellt. Es gab gemeinsame Anhörungen im Wissenschaftsausschuss, es gab gemeinsame Sitzungen mit dem Wissenschaftsausschuss, und dabei wurden auch wiederholt Schwachstellen aufgezeigt. Es war ja so, dass die Vertreter der Landesregierung erklärt haben, dass sie offen für die Anregungen der Experten seien. Das haben sie zumindest gesagt. Und trotzdem ist der vorliegende Gesetzentwurf eine Enttäuschung, weil er den fachlichen Anforderungen an eine bessere Lehrerausbildung nicht gerecht wird.

(Beifall CDU)

Mehr noch: Der Gesetzentwurf bleibt sogar ein Stück weit hinter dem Konzept, das ursprünglich vorgelegt wurde, zurück.

Das will ich an ein paar Beispielen deutlich machen. Sie haben die Verkürzung der Referendariatszeit von derzeit 18 Monaten auf 12 Monate angesprochen. Im Konzept waren noch 15 Monate vorgesehen. Auch das war für uns nicht das Gelbe vom Ei, aber nun schlagen Sie eine noch drastischere Verkürzung vor. Das könnte man sich ja unter Umständen noch vorstellen, wenn dafür die Praxisanteile im Studium tatsächlich erhöht würden. Das ist aber nicht geplant. Der Theorieanteil wird erhöht, der Praxisanteil reduziert. Ich persönlich finde aber, dass der Praxisbezug für eine gute Ausbildung besonders wichtig ist,

(Beifall CDU)

und deshalb wird das mit uns so auch nicht zu machen sein.

Dazu erwähne ich kurz den Bundesländer-Vergleich: Es sind nur zwei von 16 Bundesländern, in denen überhaupt ein Referendariat in zwölf Monaten möglich ist. Dabei handelt es sich um Sachsen und um Berlin. In Sachsen gibt es das nur in Ausnahmefällen, wenn schon Praxiserfahrung nachgewiesen werden kann. In der Regel sind es dort 24 Monate. In Berlin gab es das bisher für angehende Grundschullehrer; aber auch das wird dort geändert. Dies steht im Koalitionsvertrag. Man hat sich darauf verständigt, den Vorbereitungsdienst für alle Lehrämter wieder auf 18 Monate zu verlängern. Das geschah natürlich auch deshalb, weil die jetzige Grundschullehrerausbildung dort nicht mehr mit den KMK-Vereinbarungen zur bundesweiten Anerkennung vereinbar ist.

Im bundesdeutschen Durchschnitt ist der Vorbereitungsdienst 18 Monate lang. Ich finde diese Verkürzung in Brandenburg gerade deswegen fatal, weil wir wissen, dass hier die Referendare schon jetzt schneller und in deutlich größerem Umfang selbstständig unterrichten müssen, als Referendare in anderen Bundesländern, und weil schon jetzt bei uns in Brandenburg der Umfang und die Begleitung des angeleiteten Unterrichts im Bundesvergleich mit Abstand am geringsten sind.

(Beifall CDU)

Die KMK hat dazu Daten erhoben.

Wenn wir gute und motivierte Referendare dauerhaft an Brandenburg binden wollen, müssen wir dafür auch vernünftige Arbeitsbedingungen schaffen. Das hier ist das Gegenteil. Im Hinblick auf das Stichwort „Arbeitsbedingungen“ bin ich ge